„Die Sprache ist die Form, das Gewand und die Gestalt des Geistes“ (Fjodor Dostojewski)


Unter dem Titel „Sprachförderung in der KiTa – Programm oder Alltag“ führte das nifbe jetzt seine 1. „Landesweite Expertenrunde Sprache“ mit über 40 TeilnehmerInnen aus Ministerien, Wissenschaft, Aus-, Fort- und Weiterbildung sowie der Praxis durch. Nach der Vorstellung von vier Praxis- und Forschungsprojekten diskutierten die ExpertInnen in Workshops wie Sprachförderung in der KiTa optimal gestaltet werden kann.
 

Zur Einführung zitierte die nifbe-Koordinatorin Maria Korte-Rüther eine Feststellung des Deutschen BildungsratBildungsrat|||||Der Deutsche Bildungsrat wurde ab 1966 als eine Kommission für Bildungsplanung eingesetzt. Er wurde von Bund und Ländern gegründet. Aufgaben waren unter anderem: Strukturvorschläge zu machen, Bedarfs- und Entwicklungspläne für das deutsche Bildungswesen zu entwerfen, den Finanzrahmen zu berechnen und Empfehlungen für langfristige Planungen auszusprechen.es von 1970: Demnach solle es in der Sprachförderung mehr um das Erfinden von Situationen gehen, die zum Sprechen locken und anregen, als um rein formale Sprachübungsprogramme. „Eine“, so Korte-Rüther, „höchst aktuelle Forderung, die uns zu der Frage führt, was in der Zwischenzeit passiert ist.“

Grundsätzlich markierte Dr. Katja Koch von der Universität Göttingen die Sprache zunächst „als das wichtigste Medium der Kommunikation und als Grundlage für die gesellschaftliche Teilhabe“. Sie stellte neueste Ergebnisse aus einem Forschungsprojekt zur Sprachförderung bei MigrantInnen-Kindern durch, das im Rahmen des niedersächsischen Forschungsverbundes zur frühkindlichen Bildung und Entwicklung durchgeführt wird. Eine Vollerhebung unter den über 3.000 KiTas im Lande ergab, dass 42 Prozent der KiTas ein eigenes Sprachförderkonzept haben und 44% davon eigene Materialien verwenden. Die anderen 56% greifen auf Standard-Materialien wie „Hören, lauschen, lernen“, „Conlab“, die „Osnabrücker Materialien“ oder auch Mischformen daraus zurück. 82% der KiTas setzen auf eine in den Alltag integrierte Sprachförderung, nur 12% greifen auf externe Sprachförderkräfte zurück. Der Sprachförderbedarf wird dabei insbesondere durch Beobachtungen der ErzieherInnen und weniger durch dezidierte Sprachstandtests fest gestellt. Grundsätzlich existiere ein „hoher Sprachförderbedarf“.

„Fehlende systematische Struktur für Sprachförderung“
 

Insgesamt konstatierte Katja Koch im internationalen Vergleich eine „Zerstückelung der Zuständigkeiten und Adressaten“ sowie „eine fehlende systematische Struktur wie auch fehlende überprüfbare Ziele und Standards in der Sprachförderung.“ Im Fortgang ihres Projektes soll jetzt die „Praxis der Spracharbeit“ in der KiTas näher untersucht und in der Folge „Sprachförderporträts der KiTas“ entstehen. Ziel sei die „Identifikation sprachfördernder Settings“ – wie z.B. der Stuhlkreis – und von erfolgreichen „Strategien der Sprachförderung“.


Eine Kommunale Strategie für eine flächendeckende Sprachförderung im KiTa-Bereich stellte Gesamt-Koordinatorin Dagmar Knoche aus Hannover dar. Mit 1,5 Millionen Euro fördert die Landeshauptstadt zusammen mit dem Land Niedersachsen ein eigenes Sprachförderprogramm, das aus drei Bausteinen besteht. Neben einer systematischen Sprachförderung für Kinder durch zusätzliche Personalstunden spielt in diesem Programm die Elternarbeit eine zentrale Rolle: Nach dem Rucksack-Modell werden Mütter mit Migrationshintergrund qualifiziert, um dann als „ElternbegleiterInnen“ Rucksackgruppen aufzubauen und kontinuierlich anzuleiten. Zugleich werden die ErzieherInnen in der KiTa für die Zusammenarbeit mit Eltern nicht-deutscher Herkunft spezifisch qualifiziert und sensibilisiert. Wie Dagmar Knoche darstellte, bildet die Vernetzung im Stadtbezirk und die bereichsübergreifende Bildungsarbeit den dritten Baustein des städtischen Sprachförderansatzes.

Neue Konzepte zur Sprachförderung aus den nifbe-Forschungsstellen
 

Einen neuen Ansatz in der Sprachförderung stellte nifbe-Direktorin Prof. Dr. Renate Zimmer dem Plenum mit ihrer „Bewegungsorientierten Sprachförderung“ vor. Ziel sei es, „ein in den Alltag zu integrierendes und von der Körperlichkeit ausgehendes Sprach-Förderkonzept zu entwickeln und zu erproben“ Nach einer Pilotstudie, die eine signifikante Steigerung der Sprachkompetenz insbesondere bei Kindern mit Migrationshintergrund ergab, startet hierzu unter der Beteiligung von mehr als 50 KiTas nun gerade ein nifbe-Forschungsprojekt.


Grundsätzlich, so Zimmer, gehe es darum, im KiTa-Alltag „gezielt Sprachanlässe zu schaffen, Sprache zu provozieren und Bewegung als Motor der Sprache zu nutzen.“ Das Bewegungshandeln würde so zum Ausgangspunkt für sprachliche Prozesse – etwa durch die Verbindung von Bewegungs- und Sprachrhythmen, durch das Experimentieren mit Atem und Stimme, durch das Silben klatschen, stampfen oder klopfen. Aus Bewegungsspiele werden dabei Sprachspiele wie auch umgekehrt und sorgen dafür, dass „motivierende und lustbetonte Kontexte“ für die Sprachförderung geschaffen werden.
 

Den kulturellen Aspekt von Sprache rückte Prof. Dr. Heidi Keller in ihrem Vortrag in den Vordergrund: „Sprache ist immer ein Medium, das soziale Wirklichkeit abbildet und spiegelt somit auch Werte und Normen von kulturellen Modellen wider“. Grundsätzlich unterschied sie das für westliche Mittelschichts-Familien typische Modell der „Autonomie“ und das Modell der „Relationalität“, das für Bauern-Familien aus Afrika oder Asien typisch sei. Während das autonome Modell auf eine möglichst frühe Selbstständigkeit und Individualität ausgerichtet sei, stehe im relationalen Modell die Gemeinschaft und die sozialen Beziehungen im Vordergrund. Verbunden seien damit die unterschiedlichen Sprachstile der „Elaboriertheit“ und der „Repitivität“. „Viele Kinder mit Migrations-Hintergrund“, so Keller, „kommen mit einem relationalen Weltbild und einem repititiven Sprachstil zu uns.“ Diese müssten daher durch ErzieherInnen zielgerichtet zu dem bei uns vorherrschenden elaborativen Sprachstil angeleitet werden. Zusammen mit Ihrem Team und dem nifbe-Regionalnetzwerk NordWest arbeitet Prof. Dr. Heidi Keller zureit an der Entwicklung eines entsprechenden „kultursensitiven Sprachförderqualifizierung“ für ErzieherInnen, die im Rahmen einer Interventionsstudie in KiTas umgesetzt werden soll.

Best Practice und Gelingensbedingungen für Sprachförderung

„Sprachförderung in der KiTa – Programm oder Alltag“ – dieser polarisierende Titel der Expertenrunde stand im Mittelpunkt einer Workshop-Phase. Dabei wurde deutlich, dass es hier weniger um ein „entweder – oder“, sondern vielmehr um ein „sowohl als auch“ gehe. „In der Praxis“, so die Weiterbildnerin und Beraterin für KiTas, Ursula Günster-Schöning, „hat sich beides bewährt.“ Sehr deutlich wurde allerdings, dass Sprachförderung idealerweise in den KiTa-Alltag integriert und die „ErzieherIn als Sprachförderinstanz“ dabei weiter qualifiziert werden solle. „Wir müssen“, so die Kita-Leiterin Simone Klapproth aus Goslar, „möglichst viele und gezielte Sprachanlässe schaffen“ und bei Bedarf auch „punktuell fördern“.

Ein nachahmenswertes Beispiel für eine konsequente Sprachförderung stellte Amtsleiter Heinz Klövekorn aus der Gemeinde Bersenbrück dar. Seit Anfang der 90er Jahre wird hier eine systematische und kommunal geförderte Sprachförderung in den KiTas aufgebaut, zu der auch Sprachkurse für Mütter und seit neuestem auch das durch nifbe geförderte Transfer-Projekt der Familienbesucherinnen gehört. Die Gemeinde setzt dabei auch auf eine hohe Qualifikation der ErzieherInnen und stellt auch im Zweitkraftbereich nur ausgebildete ErzieherInnen ein. Trägerübergreifend haben sich alle KiTas der Gemeinde im letzten Jahr auch einem Qualitäts-Management und Zertifizierungsprozess unterzogen.
 

Aus der Diskussion ergaben sich neben einem solchen nachahmenswerten kommunalen Engagement weitere zentrale „Gelingensbedingungen für die Sprachförderung“ wie zum Beispiel:

• Möglichst früh ansetzen
• Eltern einbeziehen
• ErzieherInnen als Sprachvorbild
• ErzieherInnen weiter qualifizieren
• Plattformen für den fachlichen Austausch etablieren
• Übergang KiTa – Grundschule systematisch gestalten
• Bessere Rahmenbedingungen und Planungssicherheit herstellen

Diese und weitere Gelingensbedingungen werden nun in einem „Positionspapier der Expertenrunde Sprache“ zusammen gefasst, weiter ausformuliert und an das zuständige Ministerium weiter geleitet.

Vortrag Dr. Katja Koch

Vortrag Dagmar Knoche

Vortrag Prof. Dr. Heidi Keller