nifbe-Workshop mit Prof. Dr. Jörg Fischer zum armutssensiblen Handeln und Unterstützen in der KiTa


„Welchen Blick haben sie auf Armut?“ mit diesem provokanten Einstieg begann Prof. Dr. Jörg Fischer von der FH Erfurt seinen nifbe-Workshop für Fachberatungen und Multiplikator*innen in Hildesheim. Das Ergebnis war eindeutig: Bei Armut denken wir oft nur an die sogenannten „verwalteten Armen“, die z.B. durch schlechte Kleidung, schlechte Gesundheit und akute materielle Not auffallen. Die Menschen aus den anderen drei Typen, die die Wissenschaft noch kennt, laufen im Kita-Alltag in der Regel „unter dem Radar“. Da wären die vernetzten Aktiven, die ambivalenten Jongleure und die erschöpften Einzelkämpfer*innen. „Ein armer Mensch ist oft eine alleinstehende Frau mit Kindern, einem mittleren Bildungsabschluss und der Erfahrung von Arbeitslosigkeit – wenn auch nicht zwingend gerade arbeitslos.“, so Fischer.

Was können Kita-Leitungen und Team nun tun? Es gibt drei Arten von Wissen, erläuterte Fischer. Das Expertenwissen, das Verweisungswissen und das Alltagswissen. Erzieher*innen seien vor allem Expert*innen für die Pädagogik mit den Kindern, aber zum Thema Armut sollten sie schon etwas mehr als Alltagswissen haben, nämlich Verweisungswissen. Damit könnten sie von Armutslagen betroffenen Eltern helfen, die richtigen Anträge zu stellen oder zu den richtigen Beratungsstellen zu gehen. Eine gute Vernetzung im Sozialraum kann der Kita ebenfalls helfen, die Familie konkret mit Telefonnummern oder Ansprechpartner*innen zu unterstützen.

„Überfordern sie sich als Erzieher*in im Alltag nicht!“, mahnte Fischer. Gesetze können wir nicht ändern, aber unseren Blick auf die von Armut betroffenen Familien. Kitas sollten nach den kleinen Lösungen suchen, die im Alltag praktikabel sind. Das können auch freundliche Tür- und Angelgespräche sein, die eine Mutter in der konkreten Situation entlastet. Ohnehin ist Empathie und Vertrauen in der Zusammenarbeit mit Familien in Armutslagen sehr wichtig. „Denken sie daran, dass diese meist täglich um ihre Würde kämpfen müssen.“, so Fischer. Auch sollte die Kita nicht explizit Angebote für „Arme“ schaffen, das trage nur weiter zur Stigmatisierung bei. Dennoch ist eine gute Kenntnis über die Lebenswelt der Kita-Familien wichtig und hilfreich, um angemessen Angebote für alle Kinder und Eltern zu gestalten.

Weiter warnte Fischer vor der Verwässerung des Armutsbegriffs. Armut sei immer Geldmangel – ein Kind aus „gutem Hause“, das den ganzen Tag vor dem TV sitzt, sei vernachlässigt, aber nicht arm. Als konkretes Beispiel, warum Armut (auch) im Kopf bekämpft wird, gab es dann noch folgendes Bild für die Teilnehmenden: Wie nehmen wir eine Studentin war, die über 800 Euro zum Leben und Wohnen verfügt und wie eine langzeitarbeitslose Frau, die ebenfalls mit 800 Euro monatlich haushaltet? Faktisch sind sie beide arm.
 
Iris Hofmann

 
Tipps:

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