Die Elementarpädagogik steht inmitten eines umgreifenden Reformprozesses, der von der Lehre, Aus- und Weiterbildung bis hin zur Forschung reicht. Auf der mit über 300 TeilnehmerInnen ausgebuchten Tagung „Neue Wege gehen. ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   in der Elementarpädagogik“ des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung (nifbe) wurden die damit verbundenen Herausforderungen kritisch beleuchtet und neue Perspektiven entwickelt. „Die Tagung“, so nifbe-Vorsitzende Prof. Dr. Renate Zimmer, „ist der Startschuss für eine gemeinsam mit allen Beteiligten zu entwickelnde Strategie für mehr Transfer, Transparenz und Durchlässigkeit im elementarpädagogischen Arbeitsfeld.“

Nicht weniger als eine „kopernikanische Wende in der Elementarpädagogik“ konstatierte Prof. Dr. Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) in München. Mit beeindruckenden Zahlen belegte er die ungeheure Dynamik im elementarpädagogischen Berufsfeld, in dem derzeit rund 380.000 ErzieherInnen tätig sind. Seit 1974 hat sich ihre Zahl mehr als vervierfacht und mit dem Ausbau der Krippen-Plätze werden in den nächsten Jahren 50.000 weitere ErzieherInnen benötigt. Den jährlich knapp 25.000 ausgebildeten ErzieherInnen an (Berufs-) Fachschulen stehen dabei aktuell nur 260 HochschulabsolventInnen entgegen. Gerade einmal 4,2% der pädagogischen Fachkräfte haben derzeit eine akademische Ausbildung und „bis zur vollständigen Akademisierung brauchen wir noch 150 Jahre“, so Rauschenbach. Der Prozess der Professionalisierung müsse daher durch eine konsequente Weiterbildungsinitiative voran getrieben werden. Zu überdenken sei auch eine Hochstufung der Fachschulen auf Hochschulniveau.
Für die nächsten Jahre prognostizierte Rauschenbach eine Bedarfslücke von bundesweit rund 25.000 ErzieherInnen, wovon alleine für Niedersachsen über 4.500 zu Buche schlagen würden. Neben einer forcierten Ausbildung müsse dieser Bedarf auch durch eine gezielte Reaktivierung derzeit nicht tätiger ErzieherInnen mit abgedeckt werden.

Zwischen Vielfalt und Unübersichtlichkeit
 

Das europaweit einzigartige Nebeneinander verschiedenster Ausbildungswege und das „ungeklärte Verhältnis zwischen Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten“ beschrieb Rauschenbach als „Blindflug bei starkem Nebel“. Er forderte daher eine Vereinheitlichung der Ausbildungswege und eine Rahmen-Ordnung, zu dem das „Profi in Kitas“-Programm der Robert Bosch-Stiftung oder auch das Professionalisierungs-Projekt des nifbe erste gute Ansätze böten.


Wie weit man auch auf Hochschulebene noch von einem Rahmencurriculum entfernt ist, zeigte Prof. Dr. Peer Pasternacks Überblick über (inter-) nationale Studienmodelle. Demnach unterscheiden sich die derzeit an Universitäten, Fachhochschulen, Pädagogischen Hochschulen und Akademien angebotenen knapp 70 Vollzeit- und Berufsbegleitenden Studiengänge sowohl stark in inhaltlicher Orientierung wie auch in Bezug auf die Abschlüsse, die vom Diplom über Bachelor und Master bis zum Zertifikat reichten.

Falsche politische Weichenstellungen
 

Scharf ins Gericht ging die als KiTa-Beraterin unter anderem für Daimler und RWE tätige Dr. Ilse Wehrmann mit der von der schwarz-gelben Koalition jüngst beschlossenen Kindergelderhöhung und der „Herdprämie“. Stattdessen gelte es an den Rahmenbedingungen wie der Betreuungsquote in den KiTas und der Bezahlung der ErzieherInnen anzusetzen. „Wir haben in Deutschland“, so Wehrmann, „die höchste Kindergeldquote und die schlechteste frühpädagogische Infrastruktur.“ Sie forderte statt der „unkoordinierten und unverbindlichen Implementierung der sechszehn verschiedenen KiTa-Bildungspläne“ die Entwicklung und Einführung eine „Bundes-Kerncurriculums“ sowie eine entsprechende regelmäßige Evaluierung der KiTas. Wehrmann mahnte auch eine Reform der frühkindlichen Forschung an. Hier müsse die Verbindung und Verflechtung mit der Praxis gestärkt und die Einrichtungen mit einbezogen werden.
Genau hier setzt, wie Prof. Dr. Renate Zimmer darstellte, die Philosophie der derzeit drei nifbe-Forschungsstellen zu „Bewegung und Psychomotorik“, „Entwicklung und Kultur“ sowie „Begabungsförderung“ an. „Wir machen Fragen aus der Praxis zu Forschungsfragen und ziehen die ErzieherInnen intensiv mit ein.“ So seien in vielen ihrer eigenen Projekte - wie beispielsweise „Psychomotorische Förderkonzepte“ oder „Bewegungsorientierte Sprachförderung“ - jeweils Schnittstellen zu den Einrichtungen und ihren pädagogischen Fachkräften integriert. „Ganz gezielt setzen wir“, so Zimmer, „auf die intensive Wechselwirkung von Forschung und Praxis und entwickeln dafür systematische Transferstrukturen.“


 

Kooperation und Vernetzung als Antworten

In interdisziplinär besetzten Fachforen und einer Podiumsdiskussion stellten auf der nifbe-Tagung ExpertInnen weitere aktuelle Entwicklungen und notwendige Schritte für eine durch greifende Reform der Elementarpädagogik dar. So berichtete Prof. Dr. Georg Rocholl von der Fachhochschule Emden von einem dort eingerichteten elementarpädagogischen Studiengang „im Verbundsystem mit Fachschulen und Weiterbildungsträgern.“ Als Antwort auf die neuen Herausforderungen setzt auch der Leiter der Historisch-ökologischen Bildungsstätte in Papenburg, Dr. Thomas Südbeck, auf einen vernetzten Ansatz. Seine Weiterbildungs-Einrichtung habe eine enge Kooperation aufgebaut mit Fachschulen und Hochschulen und arbeite intensiv an Qualitätsstandards und „Credit Point“-Modellen. In diesem Sinne plädierte auch Prof. Dr. Klaus Fröhlich-Gildhoff vom Hochschulnetzwerk Baden Württemberg dafür, das Feld der Elementarpädagogik gemeinsam hin zu mehr Durchlässigkeit und Vergleichbarkeit zu entwickeln. Die verschiedenen Beispiele und Diskussionsbeiträge brachte nifbe-Moderatorin Maria Thünemann-Albers mit dem Motto „Vernetzung und Kooperation statt Konkurrenz und Abgrenzung“ auf den Punkt.


Abschließend resümierte Prof. Dr. Renate Zimmer, dass diese erste große nifbe-Tagung „noch keine fertigen Antworten, aber eine ganze Reihe von guten Anstößen liefern konnte.“ Und: „Neue Wege gehen beginnt mit dem ersten Schritt und den haben wir heute getan!“

Vortrag Prof. Dr. Thomas Rauschenbach

Vortrag Prof. Dr. Peer Pasternack

Vortrag Dr. Ilse Wehrmann

Eine ausführliche Tagungsdokumentation folgt in Kürze. Die Ergebnisse der Tagung fließen in weitere, kontinuierlich an verschiedenen Standorten stattfindende Foren und Tagungen zu diesem Thema ein.