Nicht nur Gummistiefel-Bäume und schmutzige Regenhosen, sondern auch die vielen individuellen Entfaltungs- und Fördermöglichkeiten der Kinder in deutschen Kitas sorgten beim Osnabrück-Besuch einer hochrangigen Delegation des chinesischen Instituts für Elementarpädagogik in Hangzhou für Erstaunen. Zwei Tage lang waren die sieben ElementarpädagogInnen unter der Leitung des Institutsdirektors Prof. Quin Jinliang nach Stationen in München, Berlin und Leipzig zu Gast beim nifbe und seiner Vorsitzenden Prof. Dr. Renate Zimmer, die seit einigen Jahren intensive Kontakte nach China pflegt.

Neben einem Empfang durch den Vizepräsidenten der Universität Osnabrück, Prof. Dr. Thomas Vogtherr, stand für die Delegation unter anderem eine Info-Veranstaltung über das nifbe sowie ein Besuch in zwei Kindertageseinrichtungen auf dem Programm. Bei den Gesprächen zwischen den chinesischen ElementarpädagogInnen und ihren Gastgebern vom nifbe wurde dabei eines schnell deutlich: In beiden Ländern hat das Thema der frühkindlichen Bildung und Entwicklung mittlerweile einen sehr hohen Stellenwert. Auf entschiedene Zustimmung stieß bei den Gästen, in deren Sprache die Begriffe „Bildung“ und „Erziehung“ Synonyme sind, so auch das nifbe-Motto „Auf die ersten Jahre kommt es an!“. Beeindruckt zeigte sich Instituts-Direktor Prof. Qin Jinliang von der innovativen Konzeption des Niedersächsischen Instituts für frühkindliche Bildung und Entwicklung: „Die systematische Verknüpfung von Forschung, Ausbildung und Praxis ist ein guter und notwendiger Weg, den wir auch in China noch stärker einschlagen müssen.“

Hohe Anforderungen an ErzieherInnen


Höchste Ansprüche werden in China schon jetzt an die zukünftigen ErzieherInnen gestellt: Nach einem harten Bewerbungs- und Auswahlverfahren absolvieren sie ein vierjähriges Hochschulstudium, in dem Theorie und Praxis eng verbunden sind. Hierfür hat das elementarpädagogische Institut in Hangzhou mit seinen 2.500 StudentInnen gleich sieben angeschlossene Modell-Kitas.
Trotz im Verhältnis zu Deutschland deutlich höherer Gebühren versuchen fast alle chinesischen Eltern ihren Kindern den Besuch eines Kindergartens, in dem die Kinder nach Jahrgängen unterteilt sind, zu ermöglichen. Diese gelten schon lange als Bildungseinrichtungen und in China steht dabei vor allen Dingen die kognitive Entwicklung und infolge der “1-Kind-Familien“ auch das soziale Verhalten der Kinder im Fokus. Angesicht wesentlich größerer Gruppen und weniger ErzieherInnen ist im chinesischen Alltag eine individuelle Betreuung oder das Spielen und Lernen zu zweit oder zu dritt eher die Ausnahme. Die Regel sind dagegen angeleitete Bildungs-Prozesse in größeren Gruppen-Kontexten.


Erstaunt waren Prof. Qin Jinliang und seine KollegInnen so beim Besuch der Städtischen Kindertagesstätte Osnabrück-Lüstringen und des AWO-Kindergartens in Bissendorf-Jeggen über den „großen Frei- und Bewegungsraum und über die individuellen Entfaltungs- und Fördermöglichkeiten der Kinder“. Besonders interessiert zeigten sie sich in den beiden - vom Kultusministerium ausgezeichneten - „Bewegungs-Kitas“ an der Bewegung als Schnittstelle zu vielen anderen Bildungsbereichen und als „Motor des Lernens“. Bisher nimmt dieser Aspekt in chinesischen Kitas eine eher untergeordnete Rolle ein, so dass großzügige Außengelände mit einer Vielzahl von Kletter- und Spielgeräten, mit Sandkästen und Matschkuhlen eine Rarität sind. Nach draußen geht man hier üblicherweise nur bei schönem Wetter und achtet dabei darauf, seine Kleidung nicht zu beschmutzen. Und so sorgten auch die „Gummistiefel“-Bäume und die Kleiderhaken mit Unmengen von dreckbespritzen Regenjacken- und hosen in den KiTas für ein wenig Verwunderung bei den chinesischen Gästen.


Doch Bewegung als Bildungs-Motor ist nun auch in China auf dem Vormarsch: Nach einer ersten Vortrags- und Fortbildungsreihe von Prof. Dr. Renate Zimmer in China im vergangenen Jahr und ihrem Besuch in verschiedenen chinesischen Kindergärten in diesem Jahr sollen nun die Forschungskontakte und der gegenseitige Austausch noch verstärkt werden. Darüber hinaus liegen auch schon Zimmers Bestseller „Handbuch der Bewegungs-Erziehung“ und „Handbuch der Psychomotorik“ auf Chinesisch vor und in Kürze folgt schon das „Handbuch der Sinneswahrnehmung“. So ist der Boden bereitet für einen dauerhaften und fruchtbaren elementarpädagogischen Austausch zwischen China und Deutschland.
 

Die chinesische Delegation unter Leitung von Prof. Quin Jinliang (4. v.l.) wurde von Prof. Dr. Renate Zimmer (5. v.l.) und nifbe-Geschäftsführer Reinhard Sliwka (3. v.l.) empfangen

Mit viel Spaß erfuhren die chinesischen ElementarpädagogInnen die Kindergartenpraxis in Deutschland