UNICEF: Mindeststandards für Qualität und Quantität oft nicht erfüllt / Deutschland nur Mittelmaß unter 25 Industrieländern

Viele Industrieländer vergeben nach Einschätzung von UNICEF die Chance, allen Kindern von klein auf die bestmögliche Förderung zu ermöglichen. Dies ist das Ergebnis der ersten internationalen Vergleichsstudie von UNICEF zu Kindern in Kindergärten und anderen Kindertageseinrichtungen in 25 Industrieländern. Demnach erfüllt nur Schweden, als einziges von 25 untersuchten Industrieländern, alle zehn von UNICEF formulierten Mindeststandards für die jüngsten Kinder. Deutschland erreicht auch nach Einführung des Elterngeldes lediglich maximal fünf der Kriterien und ist damit erneut nur Mittelmaß im Vergleich von 25 Ländern. In den OECDOECD||||| OECD beinhaltet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und besteht aus 34 Mitgliedsstaaten, die sich der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen. Die Organisation wurde 1961 gegründet und hatte den Wiederaufbau Europas als Ziel.  -Ländern werden heute über 80 Prozent der drei bis 6-Jährigen täglich viele Stunden außerhalb der Familie betreut. Gleichzeitig steigt der Anteil der unter 3-Jährigen in Einrichtungen kontinuierlich.

Ergänzt wird der internationale Vergleich durch eine Untersuchung von Professor Dr. C. Katharina Spieß vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) zur Nutzung und Finanzierung von Kindertageseinrichtungen in Deutschland. Diese weist erhebliche regionale und soziale Unterschiede beim Zugang und der Nutzung von Kindertageseinrichtungen nach. Neben der bekannten unzureichenden Angebotsstruktur für unter 3-Jährige - vor allem in Westdeutschland - zeigt sich, dass Kinder aus benachteiligten Familien deutlich seltener solche Einrichtungen besuchen. Gerade diese Kinder würden aber am meisten davon profitieren.

UNICEF fordert deshalb verstärkte Anstrengungen, um alle zehn Mindeststandards zu erreichen. Alle Kinder in Deutschland müssen die Möglichkeit erhalten, die einmaligen Entwicklungschancen der ersten Lebensjahre zu nutzen. Dem quantitativen Ausbau der Kinderbetreuung muss eine qualitative Weiterentwicklung entsprechen, die den Bedürfnissen und den unterschiedlichen Voraussetzungen der Kinder gerecht wird.

„Es gibt Fortschritte bei der frühkindlichen Förderung in Deutschland. Doch es müssen weiter massive Anstrengungen unternommen werden, um allen Kindern gleichwertige Bildungs- und Förderchancen anzubieten. Das heißt auch, dass mehr Ressourcen in diesen Bereich fließen müssen und zwar zielgerichtet“, sagte Prof. Dr. C. Katharina Spieß vom DIW Berlin.

„Wenn es nicht gelingt, auch benachteiligten Kindern den Zugang zu qualitativ hochwertigen Förder- und Betreuungsangeboten von klein an zu ermöglichen, werden diese schon vor der Einschulung abgehängt“, sagte Professor Dr. Lothar Krappmann, Mitglied im UN-Komitee für die Rechte des Kindes und im Deutschen Komitee für UNICEF.

„Gute Kindergärten und Krippen können entscheidend zur sozialen, emotionalen, sprachlichen und kognitiven Entwicklung der Kinder beitragen. Hier können soziale Benachteiligungen gemildert und die Basis für späteres schulisches Lernen gelegt werden. Die vorgeschlagenen zehn Kriterien sind ein erster Schritt, um angemessene Mindeststandards für eine qualitativ gute Förderung und Betreuung zu schaffen“, sagte der Autor der Studie Peter Adamson vom UNICEF-Forschungsinstitut „Innocenti“.

Mindeststandards aus der Perspektive der Kinder

Eine hochwertige frühkindliche Betreuung und Förderung ist kein „Produkt“, das sich leicht quantifizieren lässt. Ein internationales Team des UNICEF-Forschungsinstituts hat deshalb zehn Mindestkriterien aus der Perspektive der Kinder erarbeitet. Vor dem Hintergrund neuester Forschungsergebnisse der Neurowissenschaften fragen die Wissenschaftler, ob und wie die Länder Voraussetzungen geschaffen haben, um die besonderen Chancen der frühen Lebensjahre für die Kinder zu nutzen.
Zu den Kriterien zählen unter anderem

  • ein Jahr Elternzeit nach der Geburt bei mindestens 50 Prozent des Einkommens
  • ausreichende Angebote für unter 3-Jährige
  • eine gute Ausbildung und Bezahlung von Mitarbeitern in Einrichtungen
  • ein Mindestpersonalschlüssel von 1 zu 15
  • Nationaler Aktionsplan mit Priorität zur Förderung benachteiligter Kinder
  • ausreichende öffentliche Investitionen (1 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Kindergarten/Kindertageseinrichtungen)
  • sowie eine niedrige Kinderarmutsrate von unter 10 Prozent

Ergebnisse im Detail auf der unicef-Website