„Glück ist, wenn die Schule ausfällt!“ Nimmt man diese Aussage eines jungen Schülers aus Göttingen als repräsentativ, dann scheinen Glück und Bildung heute nicht viel miteinander zu tun zu haben. Ob dies wirklich so ist, beleuchtete der IX. Kongress für Bildung und Erziehung in Göttingen, an dem rund 1200 (Fachschul-) LehrerInnen, ErzieherInnen und andere Bildungsinteressierte teilnahmen.

Für Ernst Christian Trapp, erster Lehrstuhlinhaber für Pädagogik in Deutschland, war die Verbindung von Bildung und Glück gar keine Frage: „Erziehung ist Bildung des Menschen zur Glückseligkeit“ schrieb er. Das eine gelungene Bildung und Glück zusammen gehören, das sagt nicht nur der gesunde Fach- und Menschenverstand, sondern wird auch durch die neuen Erkenntnisse der Hirnforschung untermauert: Glück und Freude befördern die Lernleistung, Druck lässt die Lernfreude versiegen.
Doch trotz aller Reformen kann das Glück des Lernens und beim Lernen im deutschen Bildungssystem offenbar keinen Fuß fassen. Rund 200 Jahre nach dem pädagogischen Pionier Trapp musste Prof. Dr. Olaf-Axel Burow auf der Tagung so auch vom „Glück als vergessener Dimension der Bildung“ sprechen. Daran ändert für ihn auch die Einführung eines Schulfachs „Glück“, wie kürzlich an einem Heidelberger Gymnasium geschehen, nicht viel.

Bildunsgsystem transformieren


Burow plädierte vehement dafür, das deutsche Bildungssystem, das sich „zunehmend nach den Zwängen des Marktes ausrichte“, nicht weiter zu reformieren, sondern zu transformieren. Schule dürfe Leistung nicht länger anhand von vorgegebenen Standards messen, sondern nach individuellen Potenzialen. Statt (sozialer) Auslese müsse Schule individuell fördern und „radikal aus Sicht des Kindes denken“. „Entscheidend“, so Burow, „ist die Beziehung zwischen LehrerInnen und SchülerInnen. Auf die Haltung kommt es an!“
Für „Bewegung in der Bildung“ machte sich Prof. Dr. Renate Zimmer vom Niedersächsischen Institut für frühkindliche Bildung und Entwicklung in ihrem engagierten Eröffnungsvortrag stark. Mit der nun auch in der Politik angekommenen Erkenntnis, dass die Grundlagen für die zukünftigen Bildungs- und Berufsbiographien der Kinder in den ersten Jahren gelegt würden, stünde das Elementar-Bildungssystem vor gravierenden Umbrüchen und die ErzieherInnen unter einem „ungeheuren Erwartungsdruck“. Im Mittelpunkt aller neuen Ansätze und Anforderungen müsse jedoch immer die Frage stehen, was dem Kind denn wirklich diene. So warnte sie vor einem „Wettrüsten“ bei Eltern und Kitas, um die Kinder immer besser, schneller und fachspezifischer zu fördern: „Bald haben KiTas ein halbes Dutzend Labels an der Tür, um unter Beweis zu stellen, dass die Kinder hier von der Naturwissenschaft und Technik über Musik und Kunst bis zum Englisch in der globalisierten Welt“ alles lernen. „Doch Pädagogik“, so Zimmer, „darf nicht so schieben und treiben“, sondern müsse den Kindern in erster Linie die „Möglichkeit zum Erleben von Selbstwirksamkeit und zum Bewältigen von Herausforderungen“ geben.

Das Glück der gelungenen Tat


Als Basis hierfür stellte Renate Zimmer die Bewegung dar: „Ausgangspunkt aller Bildungsprozesse ist die Körperlichkeit des Kindes, Bewegung ist das Mittel der Ich-Entwicklung und des Selbständig Werdens. Der Mensch bedarf aller Sinne, um sich ein Bild von sich und der Welt zu machen“. Anhand aktueller Forschungsergebnisse zeigte sie, dass die Bewegung die Konzentration und Aufnahmefähigkeit von Kindern und Jugendlichen deutlich fördere. So könnten über die Bewegung auch Inhalte – beispielsweise bei der Sprachförderung - transportiert werden. Letztlich, so Zimmer, führe der Weg in der frühkindlichen Bildung vom Greifen zum Begreifen und dann idealerweise auch zum „Ergriffen sein“. Das Glück der sich bildenden und entwickelnden Kinder brachte sie dabei als „das Glück der gelungenen Tat“ auf den Punkt.

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