44956252zKultur prägt die Menschen bis in ihr Innerstes und je nach Kultur haben Eltern auch ganz unterschiedliche Entwicklungs-, Erziehungs- und Sozialisationsziele für ihre Kinder.

In einem Zuwanderungsland wie Deutschland wird die Interkulturelle Kompetenz daher zunehmend zu einer unverzichtbaren Schlüsselkompetenz. Bereits heute hat hierzulande jedes dritte Kind einen Migrationshintergrund, und die Tendenz ist steigend – nicht zuletzt durch die aus den Kriegs- und Krisenregionen der Welt nach Deutschland geflüchteten Familien.

Wissen, Haltung, Selbstreflexion als Schlüssel

Damit die Kindertagesbetreuung bestmöglich zur Persönlichkeitsentwicklung und Sozialisation aller Kinder beitragen kann und die Bildungschancen aller Kinder gewahrt bleiben, sind eine kultursensitive Gestaltung des pädagogischen Alltags und ein konsequentes Mitnehmen und Miteinbeziehen der Eltern unabdingbar.

Entscheidende Bausteine der Interkulturellen Kompetenz sind – wie im gesamten Professionalisierungsprozess – neben grundlegendem Wissen die ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstreflexion und eine damit eng zusammenhangende pädagogische Grundhaltung, die einen offenen, empathischen und wertschätzenden Umgang mit den verschiedenen Kulturen ermöglicht.

Grundlagenwissen und Praxisansätze

Hierzu möchte das von Dr. Bettina Lamm im Kooperation mit dem nifbe herausgegebene neue „Handbuch Interkulturelle Kompetenz“ einen Beitrag leisten und dabei sowohl Grundlagen- und Hintergrundwissen als auch ein breites Spektrum praxisbezogener Ansätze für den Umgang mit kultureller Vielfalt im Kita-Alltag vermitteln. Ein besonderer Fokus gilt dabei auch den Familien mit Fluchthintergrund und dem Thema Trauma.

Nach einer einführenden Beleuchtung des Begriffs der interkulturellen Kompetenz und des dahinter liegenden Konzeptes werden in dem Handbuch die unterschiedlichen Kulturellen Sozialisationsmodelle und Entwicklungspfade vorgestellt. Prototypisch sind hier die in westlichen Mittelschichtsfamilien dominierende „Autonomieorientierung“ und die in traditionellen Dorfgemeinschaften dominierende „Verbundenheitsorientierung“ mit entsprechend unterschiedlichen Entwicklungs-, Erziehungs- und Sozialisationszielen. Diese werden in der Folge bezogen auf die in Deutschland vorherrschenden Migrationsgruppen aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion, der Türkei und aus Afrika näher beleuchtet.

Vom Schlafen und Essen bis zur Philosophie und kulturellen Bildung

In einem Zwischenkapitel wird die „Professionelle pädagogische Haltung – zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ thematisiert, um dann die konkreten Praxisfelder in der KiTa unter dem interkulturellen Fokus durchzudeklinieren – von der Bindung und Eingewöhnung über Schlafen, Essen oder Sprachbildung bis zur Philosophie / Religion und kulturellen Bildung. Abgeschlossen wird das Buch mit einem Kapitel über die gerade in Bezug auf Familien mit Migrations- bzw. Fluchthintergrund unabdingbare Vernetzung und Kooperation.

Insgesamt bietet das „Handbuch Interkulturelle Kompetenz“ sowohl wissenschaftliche Grundlagen und neueste Erkenntnisse wie auch ganz praxisorientierte Ansätze für die tagtägliche Arbeit mit Kindern und Eltern aus verschiedensten Kulturen.


  • Bettina Lamm (Hrsg.) in Kooperation mit dem nifbe: Handbuch Interkulturelle Kompetenz. Kultursensitive Arbeit in der KiTa. Herder, 288 S., 24,99 Euro



Karsten Herrmann