Was macht Fachberatung im Spannungsfeld von Beratung und Prozessbegleitung, Dienst- und Fachaufsicht oder Qualitätsmanagement im Kern aus? Diese Frage stand im Fokus des mittlerweile dritten niedersächsischen Fachtages Fachberatung unter dem Titel „Fachberatung 2026? Die Zukunft denken!“. Auf den Fachtagungen zuvor waren der bundesweite Status Quo und die große Heterogenität der Aufgabenprofile von Fachberatung sowie aktuelle Entwicklungen beleuchtet und zusammengetragen worden.


wuttigIn diesem Sinne wies nifbe-Vorstand Dieter Wuttig in seinem Grußwort auch auf eine „mittlerweile kontinuierliche Zusammenarbeit der niedersächsischen Fachberatung“ hin und stellte fest: „Hier bewegt sich was!“ Er nahm in der Folge die Bedeutung der Frühkindlichen Bildung insbesondere im Hinblick auf eine Chancengerechtigkeit für alle und von Anfang an in den Blick und kritisierte, dass der Bildungserfolg hierzulande noch immer stark von der sozialen Herkunft abhänge. Beim Beitrag der KiTas zur Chancengerechtigkeit nehme die Fachberatung eine „wichtige Schnittstellenfunktion“ ein. Allerdings seien „Status und Mandat“ häufig ungeklärt und müssten entwickelt und gestärkt werden. „Dafür braucht es einen verbindlichen Rahmen für Fachberatung auf Bundesebene“ forderte Dieter Wuttig.

kuhlmann1Dieser Forderung schloss sich die Fachberaterin Monika Kleine-Kuhlmann (Caritasverband Osnabrück) aus dem interdisziplinären Vorbereitungsteam der Tagung an. Sie wies auf die derzeitig analog zur KiTa-Landschaft bestehende „ungeheure Vielfalt von Fachberatung“ hin, die sich gleichzeitig mit „immer neuen und immer höheren Erwartungen“ konfrontiert sehe. Angesichts der „Schlüsselrolle von Fachberatung für die Qualitätsentwicklung der frühkindlichen Bildung“ müssten hierfür Strukturen und bundesweit einheitliche Regelungen geschaffen werden. „Und heute“, so Monika Kleine-Kuhlmann, „wollen wir selbst aktiv werden und gemeinsam diskutieren und formulieren wie Fachberatung heute aussehen muss“. Ziel sei „ein zukunftsfähiges Berufsprofil“, das in den nächsten Schritten dann mit Trägern und dem Land abgestimmt werden solle.

Position und Aufgabenstellung im Feld


hilkaVor der gemeinsamen Diskussion in Workshops beleuchteten zwei Vorträge noch einmal näher die derzeitige Position und Aufgabenstellungen von Fachberatung. Die Master-Studentin Hilka Neunaber stellte eine aktuelle Befragung von niedersächsischen FachberaterInnen und KiTa-LeiterInnen vor, die sie in Zusammenarbeit mit dem nifbe durchgeführt hatte. Von 352 angeschriebenen Fachberatungen nahmen 78 und von 500 angeschriebenen KiTa-Leitungen 176 an der Befragung teil, die damit noch nicht repräsentativ ist. Ziel war es, so Hilka Neunaber, „einerseits das Aufgabenverständnis von Fachberatung und andererseits die Erwartungen der KiTa-Praxis an Fachberatung näher zu ergründen“. Darüber hinaus wurden auch andere Daten wie Einstiegsalter und Ausbildung von Fachberatung oder die Anzahl der zu beratenden KiTas erhoben.

Erstaunliche Differenzen gab es zwischen der Fachberatung und der KiTa-Leitung im Hinblick auf die Frage, wie häufig Kontakt bestehe. Hier wurde die – allerdings nicht näher definierte – Kontakthäufigkeit von den FachberaterInnen selber wesentlich höher eingeschätzt als von den KiTa-Leitungen. Trotzdem haben Fachberatungen noch einen deutlich stärkeren Wunsch nach mehr unmittelbaren Kontakt als die KiTa-Leitungen.

Größere Übereinstimmung gab es bei der Frage zu der Bedeutung von einzelnen Aufgaben und den dafür notwendigen Zeitaufwand. Auf Platz eins in beiden Kategorien stand bei beiden befragten Gruppen so die „Beratung der Leitung“. Während die Bedeutung der „Planung von Fort- und Weiterbildung“ bei der Fachberatung auf dem Platz zwei landete, war dies bei den KiTa-Leitungen die „Beratung des Teams“. Auf den letzten Rängen fanden sich erstaunlicherweise die Bedeutung und der Zeitaufwand für Fachaufsicht und Dienstaufsicht bei beiden Gruppen wieder. Hier wies Hilka Neunaber jedoch einschränkend darauf hin, dass nicht ermittelt wurde, wie viele der befragten FachberaterInnen selber Dienst- und / oder Fachaufsicht haben. Große und sehr positive Übereinstimmung herrschte im Hinblick auf die zum Beispiel „freundliche“, „wertschätzende“ oder „motivierende“ Umgangsweise der FachberaterInnen mit den KiTa-MitarbeiterInnen.

Als Resümee ihrer Befragung hob Hilka Neunaber heraus, dass die „Fachberatung ein gutes Gespür für die Belange der Praxis zeigt“ und dass die Praxis „zufrieden scheint“. Zugleich wies sie aber darauf hin, dass sich aus ihrer Befragung viele neue Fragestellungen ergäben und „weitere Erhebungen wünschenswert bzw. erforderlich“ seien.

Paradigmenwechsel auf verschiedenen Ebenen


karstenNach dem Blick in die Praxis der Fachberatung selber fächerte Prof. Dr. Maria Eleonora Karsten von der Leuhana-Universität den komplexen Kontext auf, in dem Fachberatung agiert und zeigte aktuelle und durchaus bedenkliche Entwicklungen auf.

Auch sie forderte „Bundeskompetenz und Bundesvorgaben“ für das Feld, wie es „auch schon vor 1993 der Fall gewesen ist“. Für die Frühkindliche Bildung und die Fachberatung machte sie eine „neue Situation“ aus, die insbesondere durch folgende Entwicklungen hervorgerufen werde:

  • Ein Paradigmenwechsel durch die anstehende Reform des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (in der die Fachberatung derzeit nicht vorkomme und im Hinblick auf die KiTa nur noch von Erziehung und Betreuung, nicht aber von Bildung die Rede sei)
  • Bevorstehender Generationenwechsel im Bereich KiTa und Fachberatung
  • Umfassende Kompetenzorientierung („Was kann ich?“), durch die das gesamte Feld und insbesondere die Arbeitgeber umdenken müssten
  • Herausforderungen durch geflüchtete Menschen und auch ansonsten zunehmende Vielfalt (z.B. „Queers“)
  • Völlig neue Arbeits- und Zeitorganisation für die institutionelle Ganztagsbetreuung, Stichwort „24-Stunden-KiTa“

Sehr kritisch nahm Maria Eleonora Karsten auch die aktuelle Bildungsberichterstattung in den Blick und machte hier „Verdeckungszusammenhänge“ im Hinblick auf Begriffe und Zahlen rund um die frühkindliche Bildung aus. „Hier müssen wir genau hinsehen und dafür sorgen, dass das Feld, in dem wir arbeiten, sichtbar wird“ forderte sie. Hierfür sei eine „umfassende Kommunikations-und Einmischungsstrategie“ und „mehr politische Partizipation“ notwendig. Die Fachberatung sie dabei eine große Stärke im Feld, denn, so bescheinigte Maria Eleonora Karsten den TagungsteilnehmerInnen: „Sie haben den Überblick!“

mariaAls Hinleitung zur Workshopphase beschrieb nifbe-Koordinatorin und Tagungs-Moderatorin Maria Korte Rüther die Fachberatung als „eine zentrale, fachlich eigenständige Ebene im Feld der frühkindlichen institutionellen Bildung, Erziehung und Betreuung“. Fachberatung sorge für die kontinuierliche Weiterentwicklung der Qualität der pädagogischen Arbeit in den Kindertageseinrichtungen und habe dabei die Anforderungen von Qualitätsentwicklung ebenso im Blick wie spezifische Bedarfe der jeweiligen Einrichtungen und Teams. Im Hinblick auf das Ziel der Formulierung eines gemeinsamen Berufsprofils stellte sie vier Leitfragen für die Diskussion in den fünf Workshops vor:

  • Welches Verständnis von „Beratung“ soll zu Grunde gelegt werden? Welche Haltung? Vorgabe, Steuerung, Moderation, ...
  • Wer sollen die Adressaten der Beratung sein? Die Kita-Leitungen? Das Team insgesamt? Auch die einzelnen Fachkräfte? Auch die Eltern? Auch die Träger?
  • Worauf, auf welche Inhalte soll sich die Beratung erstrecken? Auf „Qualitätsentwicklung“? Auf Qualitätsmanagement im engeren Sinne? Auf Teamentwicklung und Konfliktmanagement etc.?
  • Wie soll Beratung organisiert werden? Wie nahe sollen Fachberater*innen an den einzelnen Einrichtungen sein? Inwieweit soll die einzelne Fachberatung Beratung selbst durchführen? Wie soll der Kontakt zu den Einrichtungen organisiert sein? Organisiert Fachberatung Beratung?

panorama1Unter der Moderation durch nifbe-RegionalmanagerInnen fanden im Anschluss in den Workshops sehr engagierte und fundierte Diskussionen der FachberaterInnen statt, die nicht nur aus Niedersachsen, sondern auch aus Mecklenburg-Vorpommerm, Schleswig-Holstein, Hessen und Nordrhein-Westfalen kamen. Die Ergebnisse wurden auf Moderationswänden festgehalten und zusätzlich protokolliert.

Fachberatung als "Dreh- und Angelpunkt"


emmel kuhlmannNach der Arbeitsphase stellten die FachberaterInnen Stephanie Emmel und Monika Kleine-Kuhlmann die Ergebnisse dem Plenum in Schlaglichtern vor. Fachberatung wurde so beispielsweise als „Dreh- und Angelpunkt“ zwischen den verschiedenen Ebenen des Feldes wie KiTa-Praxis, Träger, Politik oder Wissenschaft eingeschätzt. Sie sei Schaltstelle zwischen „top down-„ und „bottom up-Prozessen“. Fachberatung initiiere und sichere die Qualitätsentwicklung in den KiTas. Im Kern stehe dabei die Beratung und Prozessbegleitung, die Beziehungsarbeit und Partizipation und weniger Aufgaben wie Fach- und Dienstaufsicht. Fachberatung sorge für den Transfer von neuem Wissen und habe zugleich auch eine Filter- und Schutzfunktion im Hinblick auf neue Themen und Projekte für KiTas. Grundsätzlich solle Fachberatung vom Kind und seinem Recht auf gute Bildung und Entwicklung her denken.

Die Ergebnisse aus den Workshops werden in den kommende Tagen vom nifbe detailliert dokumentiert und für ein Positionspapier zusammengefasst, dass mit den TagungsteilnehmerInnen abgestimmt wird. Spannend wird, ob die teilweise durchaus auch konträren Positionen zu einem Konsens zusammen geführt werden können. Auf der Basis des Positionspapiers soll dann der Dialog mit den freien und öffentlichen Trägern sowie dem Land Niedersachsen aufgenommen werden. Zum Abschluss wurde für die FachberaterInnen so noch einmal spürbar, was Dieter Wuttig zur Begrüßung formuliert hatte: „Zukunft ist von uns gestaltbar!“

Karsten Herrmann


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Download Präsentation Maria Eleonora Karsten