Bertelsmann Stiftung veröffentlicht „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“

Erzieherinnen verzweifelt gesucht: Unter dieser Überschrift wird der Ausbau der Kinderbetreuung ein Jahr vor Inkrafttreten des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr diskutiert. Ein Ausweg schlummert im Personalstamm der Kitas. Denn drei von vier pädagogischen Fachkräften (76 Prozent) in niedersächsischen Kitas arbeiten derzeit in Teilzeit – ein sehr hoher Anteil im Vergleich zu anderen Branchen. Das geht aus dem diesjährigen „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ hervor, den die Bertelsmann Stiftung jetzt veröffentlicht hat.

 

Kinderbetreuung als Jobmotor

Der neue Ländermonitor zeigt, dass Kinderbetreuung bereits seit längerem ein Jobmotor ist. In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der pädagogischen Fachkräfte in den niedersächsischen Kitas um 27 Prozent gestiegen. Inzwischen arbeiten 38.900 Erzieherinnen in Kindertageseinrichtungen (Stichtag 1. März 2011). Fünf Jahre zuvor waren es 30.600 Fachkräfte. Und der Bedarf an pädagogischem Personal steigt weiter. Dazu trägt vor allem der Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bei, der am 1. August kommenden Jahres in Kraft tritt. Allein für die bis dahin neu zu schaffenden Kita-Plätze für unter Dreijährige werden bundesweit 42.000 Fachkräfte benötigt, die Arbeits- und Ausbildungsmarkt nicht vollständig hergeben: Im kommenden Jahr werden bundesweit bis zu 15.000 Erzieherinnen fehlen, davon 2.200 in Niedersachsen. Das hat die Universität Dortmund errechnet.
 

Steigende Nachfrage nach Ganztagsbetreuung

Der Ländermonitor der Bertelsmann Stiftung führt weitere Faktoren auf, die den Fachkräftemangel verschärfen. Wie in fast allen westdeutschen Bundesländern ist auch in Niedersachsen eine weiter steigende Nachfrage nach Ganztagsbetreuung für Kinder ab drei Jahren zu erwarten. Nur 40 Prozent der Kita-Kinder dieser Altersgruppe werden derzeit in Niedersachsen länger als fünf Stunden täglich betreut. Zum Vergleich: Im Bundesdurchschnitt ist bereits für 80 Prozent der Kinder ab drei Jahren, die eine Kita besuchen, eine Betreuungszeit von mehr als fünf Stunden vereinbart. Folglich ist in Niedersachsen von einer weiter steigenden Nachfrage nach Ganztagsbetreuung und damit einem zusätzlichen Fachkräftebedarf auszugehen.
 

Hoher Anteil an Teilzeit-Arbeitsplätzen

Enorm hoch ist in Niedersachsen der Anteil an Teilzeit-Arbeitsplätzen im Kita-Bereich. Während über alle Branchen hinweg in Deutschland etwa jeder dritte Arbeitnehmer in Teilzeit arbeitet, sind es in den niedersächsischen Kitas fast 76 Prozent der pädagogischen Fachkräfte. Weniger Vollzeitbeschäftigung gibt es in keinem anderen westdeutschen Bundesland. Eine Trendwende ist in Niedersachsen kaum in Sicht: Von den zwischen 2006 und 2011 neu geschaffenen Arbeitsplätzen in Kitas sind erneut mehr als 64 Prozent Teilzeitstellen.


Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, bewertet den hohen Anteil von Teilzeitbeschäftigten in Kitas kritisch: „Kinder brauchen in ihrer Kita eine feste Bezugsperson. Das ist eine zentrale Frage der Qualität außerfamiliärer Kinderbetreuung.“ Angesichts steigender Nachfrage nach Ganztagsbetreuung ist dieser Qualitätsanspruch nur einzulösen, wenn mehr pädagogische Fachkräfte in Vollzeit arbeiten. Zugleich ist es eine wirksame Strategie gegen den Fachkräftemangel, wenn möglichst viele Teilzeitbeschäftigte ihre Stundenzahl erhöhen. „Politik und Träger sollten deshalb mehr Anreize für Vollzeitbeschäftigung schaffen“, empfiehlt Dräger.

Förderung von Vollzeitbeschäftigung notwendig


Dass gezielte Förderung von Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen wirksam sein kann, zeigt das Beispiel Thüringen. Dort hat sich der Anteil der Vollzeitbeschäftigten innerhalb eines Jahres von 28 auf 39 Prozent erhöht. Die dortige Landesregierung verpflichtete etwa die Träger von Kindertageseinrichtungen zu prüfen, ob und wie Erzieherinnen ihre Stundenzahl ausweiten können. Inzwischen liegt Thüringen mit seinem Anteil der Vollzeitkräfte zwar im Osten vorn, aber noch erheblich hinter dem bundesweiten Spitzenreiter Nordrhein-Westfalen, wo 56 Prozent aller Beschäftigten in Kitas Vollzeit arbeiten. Schlusslicht ist Sachsen-Anhalt mit 15 Prozent.
 

 
Der „Ländermonitor Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann Stiftung ist ein Internetportal, das alle wichtigen Daten und Fakten zu Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege bundesweit sowie für jedes einzelne Bundesland aufbereitet. Grundlage sind Daten der Statistischen Ämter des Bundes und der Länder aus der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik. Die Berechnungen hat der Forschungsverbund DJI/TU Dortmund durchgeführt. Der Ländermonitor stellt die Informationen transparent dar, ermöglicht Ländervergleiche und setzt damit Impulse für eine datengestützte und zielgerichtete Weiterentwicklung bestehender Bildungs- und Betreuungsangebote in Deutschland.

Quelle: Bertelsmann-Stiftung