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Diskriminierungskritik in der KiTa

„Vielfalt muss aktiv gelebt werden.“ (Wagner 2011, S. 2)

Kindertagesstätten sind Orte, an denen viele unterschiedliche Kulturen und Wertvorstellungen zusammen kommen. Diese Heterogenität macht es für pädagogische Fachkräfte notwendig, sich stetig selbst zu hinterfragen – denn allzu leicht führen Verallgemeinerungen zu Stigmatisierungen und Diskriminierungen.  Damit in der KiTa Diskriminierung jeglicher Art vermieden werden sowie jeweils situationsbezogen und angemessen „inklusiv“ reagiert werden kann, ist eine bewusste Auseinandersetzung mit dem Thema notwendig - alleine aus der heterogenen Zusammensetzung einer Kindertagesstätte ergibt sich noch nicht automatisch ein kompetenter Umgang mit den einzelnen Kindern, Eltern oder TeamkollegInnen und deren Unterschieden (vgl. Wagner 2011).

Diskriminierung – eine Hinführung

„Diskriminierungen finden auf struktureller, institutioneller, diskursiver und interaktiver Ebene statt. Alle Ebenen wirken subjektivierend auf die Individuen und beinhalten Handlungs-, Deutungs- und Widerstandsmöglichkeiten“ (Bliemtsrieder et al., 2016, S. 8). Die Bundeszentrale für politische Bildung beschreibt in einem Artikel, dass Diskriminierung nicht allein als eine Folge von „[...] individuellen Einstellungen oder kollektiven Mentalitäten verstanden werden“ (Scherr, 2016) kann. Differenzierungen entstehen in einem komplexen sozialen System unterschiedlichster Beziehungen und werden dort wirksam (vgl. Scherr, 2016). Diskriminierende Strukturen und Praktiken definieren sich sowohl über die Unterscheidung von Gruppenkategorien (abstrakte, gesellschaftlich wirkungsmächtige Gruppen[-konstruktionen] wie beispielsweise „Muslime“ oder „Migrantenkinder“) als auch Personenkategorien (Personen mit scheinbar problematischen, individuellen Eigenschaften wie „Behinderte“ oder „Kriminelle“) (vgl. Scherr, 2016). Sie können aber müssen nicht mit bewussten oder unbewussten Annahmen, Zuschreibungen, Abwertungen oder Absichten zu tun haben (vgl. Bliemtsrieder et al., 2016).

Diskriminierungskritik erfordert Mut und Selbstreflexion
ErzieherInnen fühlen sich oftmals verunsichert, wenn es darum geht, diskriminierendes Verhalten im Team zu unterbinden oder diskriminierende Äußerungen von Kindern oder deren Eltern anzusprechen. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass die spärlich vorhandene Literatur bezogen auf das aktuelle Thema nicht ausreichend Handreichungen und Ansätze bietet. ErzieherInnen werden vor eine Herausforderung gestellt, denn sie sollen zugleich unaufgeregt, deeskalierend, zugewandt, freundlich und nicht zu emotional an Situationen herantreten (Vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Diskriminierungskritik gegenüber den Eltern (oder auch im Team) zu üben erfordert Mut. Neben der inneren Positionierung ist eine ständige Bereitschaft zur (Selbst-)Reflexion wichtig (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Ebenfalls erfordert es Mut, die eigenen Grenzen und die der Einrichtung zu kommunizieren: „Wir haben Angst, es nicht zu schaffen, ihrem Kind eine gleichwertigkeitsorientierte Haltung zu vermitteln, weil Sie uns nicht stark genug unterstützen und wir nur wenig Zeit mit ihrem Kind haben“ (Schäuble, 2015, S. 36). Generell gilt: Wenn ErzieherInnen oder LeiterInnen einer Kindertageseinrichtung ihre eigenen Reaktionen besser verstehen, dann können sie sich auch besser in Kinder und deren Eltern hineinversetzen und sie unterstützen (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Dies lässt sich natürlich auf andere Situationen mit anderen Personengruppen oder auf das Team übertragen.

Menschen vor Ungleichbehandlung bewahren
Im Folgenden werden nun einige Theorien und Methoden vorgestellt, mit denen ErzieherInnen Diskriminierungskritik in Bezug auf KollegInnen und Eltern angemessen einüben und (potenzielle) Diskriminierungen thematisieren können. Zunächst wollen wir aber noch einmal breiter in das Thema einsteigen.

Diskriminierungen können jederzeit und vor allem in vielfältigen, heterogenen Milieus wie einer Kindertagesstätte auftreten. Gesetzlich ist jedoch festgelegt, dass Menschen vor Ungleichbehandlungen bewahrt werden sollen. Beispielsweise steht in Artikel 2 der UN-Kinderrechtskonvention, dass kein Kind diskriminiert werden darf - und zwar „unabhängig von der Rasse, der Hautfarbe, dem Geschlecht, der Sprache, der Religion, der politischen oder sonstigen Anschauung, der nationalen, ethnischen oder sozialen Herkunft, des Vermögens, einer Behinderung, der Geburt oder des sonstigen Status des Kindes, seiner Eltern oder seines Vormunds“ (Konvention über die Rechte des Kindes, S. 9f). Aufgrund dieser Tatsache sind KiTaleiterInnen oder auch GruppenerzieherInnen gezwungen zu handeln, wenn diskriminierendes Handeln auftritt.

DiversitätDiversität|||||siehe Diversitysbewusstsein entwickeln
Durch Wagner et al. ist eine KiTa-Pädagogik entwickelt worden, die ErzieherInnen darin unterstützen soll, mit einer vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung Vielfalt zu respektieren und Ausgrenzungen zu widerstehen (vgl. Wagner 2011). Die Schwierigkeit besteht demnach darin, bewusst und kompetent mit Unterschieden umzugehen und gleichzeitig gegen Ausschlüsse, Diskriminierungen und Abwertungen aktiv einzutreten und sich zu positionieren (vgl. Wagner 2011). Laut Wagner ist „Diversitätsbewusstsein“ für pädagogische Fachkräfte in Kindertagesstätten eine Herausforderung. Denn Diskriminierungen wahr zu nehmen und angemessen darauf zu reagieren – also angemessen „Diskriminierungskritik“ zu üben – kann sich als heikel und kompliziert darstellen (vgl. Wagner 2011, S. 1). Sich gegen Ausgrenzungen zu positionieren erscheint als Hürde, da eine direkte Konfrontation weitere (negativ behaftete) Auseinandersetzungen zur Folge haben könnte. Für ein moralisches Handeln in der KiTa bedarf es einer klaren Positionierung. Um pädagogisch, politisch oder rechtlich wirksame Maßnahmen gegen Diskriminierungen zu entwickeln ist jedoch zusätzlich sowohl das Verständnis der gesellschaftlichen Strukturen und sozialen Praktiken notwendig, als auch ein Augenmerk auf besondere Bedingungen zu richten, die zu Diskriminierungen führen (vgl. Scherr, 2016).


Diskriminierendes Verhalten im Team und gegenüber Kindern

Im Folgenden werden Theorien und Methoden über den Umgang mit ErzieherInnen vorgestellt, die diskriminierend gegenüber anderen Teammitgliedern oder Kindern werden. Diskriminierendes Verhalten von ErzieherInnen gegenüber anderen soll thematisiert und diskutiert werden, um Anregungen für die Praxis zu geben.

Funktionierende pädagogische Arbeit im Team ist wichtig für eine (gute) pädagogische Qualität in der KiTa. Ein Team entsteht und festigt sich erst dadurch, wenn die Mitglieder sich ergänzen, an einem Strang ziehen und gemeinsam einem roten Faden folgen (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Unter anderem aufgrund des Bildungsauftrages und der Persönlichkeitsentwicklung ist es hilfreich, wenn ErzieherInnen aktiv werden gegen Unrecht und Diskriminierungen und eine vorurteilsbewusste Praxis in der Einrichtung (vor-)leben. An dieser Stelle gilt es zu erwähnen, dass dies selbstverständlich nicht von heute auf morgen umzusetzen ist und auch nicht unbedingt bei den ersten Versuchen gelingen wird. Es ist ein Weg, der idealerweise mit allen Teammitgliedern und Schritt für Schritt beschritten wird. Der erste Schritt wäre, sich Wissen über bestimmte Themen anzueignen, bevor sich die Teammitglieder kritisch reflektieren können, sowie den eigenen Hintergrund („Wie und mit welchen Vorurteilen bin ich groß geworden, die mich bis heute prägen?“) und die eigene Praxis in der Einrichtung („Welche Vorstellungen und Normen vermittle ich den Kindern?“) hinterfragen. Ebenfalls hat es sich als hilfreich erwiesen, dass sowohl die ErzieherInnen als auch die KiTa-LeiterInnen ihre Einrichtung an sich kritisch analysieren („Wie stellt sich meine Einrichtung dar?“), um Handlungsbedarf feststellen („Ich weiß wenig über...“) und Veränderungen (z.B. durch Fortbildungen) vornehmen zu können (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016).

Etikettierungen beziehungsweise Zuschreibungen stellen einen möglichen Ausgangspunkt für Diskriminierungen dar. Diese bilden Filter, um Situationen verzerrt wahrzunehmen und es wird stets nach Bestätigungen dieser gesucht (vgl. Wagner, 2011). Etikettierungen wie „Heulsuse“, „Trampeltier“ oder „Prinzessin auf der Erbse“ führen schnell zu Verallgemeinerungen und somit werden andere Verhaltensmuster, Fähigkeiten oder Eigenschaften der betroffenen Person ausgeblendet (vgl. Wagner, 2011). Eine Eigenschaft der betroffenen Person tritt hervor, steht stellvertretend für die ganze und führt zu einer Reduzierung. Aufgrund dessen ist es wichtig, dass ein Austausch über Zuschreibungen stattfindet. Diese können ansonsten in das Selbstbild der Personen übergehen. Zudem können Etikettierungen im Team als ein Hinweis gesehen werden, dass etwas nicht stimmt. Wenn kein Austausch darüber stattfindet und es bei der oder den Etiketten belassen wird, so kann es dazu führen, dass die Arbeitsatmosphäre darunter leidet (vgl. Wagner, 2011). Beschreiben statt Zuschreiben gilt an dieser Stelle.

Austausch über Erziehungsvorstellungen, Werte und Normen im Team
KollegInnen reflektieren unterschiedliche Bereiche auf ihre eigene Art und Weise. Ein Austausch über Erziehungsvorstellungen, Werte und Normen ist nützlich, um das gesamte Team weiter zu bringen. KiTa-MitarbeiterInnen können sich aus einem reichhaltigen Angebot an Büchern und Filmen informieren, sich mit den Eltern austauschen oder Gesprächen mit Fachpersonen führen (vgl. Wagner, 2011). Wenn eine Person aus dem Team Erfahrungen zu einem bestimmten Vielfaltsaspekt gesammelt hat, so sollte sie davon berichten. Dies gelingt allerdings nur, wenn auf allen Seiten Selbstreflexion vorhanden ist und das Expertentum von den anderen Teammitgliedern respektiert und anerkannt wird (vgl. Wagner, 2011).
 
 
Diskriminierungen mit den Kindern thematisieren
Diskriminierendes Handeln kann mit den Kindern in der Einrichtung thematisiert und aufgegriffen werden. Die Kinder bekommen ansonsten den Eindruck vermittelt, dass ein solches Verhalten richtig und moralisch vertretbar ist, wenn Situationen nicht unmittelbar angesprochen werden (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Werden diskriminierende Situationen erst im Nachhinein und ohne Anwesenheit anderer Beteiligter analysiert, so können die Kinder und anderen Erwachsenen keinen Mehrwert daraus ziehen. Ebenfalls erfahren die diskriminierten Kinder oder ErzieherInnen nicht, dass sich jemand für sie einsetzt und dass solch ein Verhalten nicht geduldet wird (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Unmittelbare, kritische Rückmeldungen und Unterstützung der Diskriminierten sind in dem Moment wichtig, wenn ein respektloser Umgang mit anderen zutage kommt. Wenn allen deutlich wird, dass in den jeweiligen Einrichtungen keine Art von Diskriminierung geduldet wird, dann ist dies nicht nur bedeutsam für KiTaleiterInnen und ErzieherInnen, sondern auch für alle anderen BesucherInnen und Angestellte einer Kindertageseinrichtung.

Kategorisierungen als soziale Konstrukte
Etikettierungen wie „Zappelphilipp“ können beispielsweise Ausdruck dafür sein, dass sich ErzieherInnen durch das Verhalten bestimmter Kinder bei der Gestaltung des pädagogischen Alltags herausgefordert sehen. Für die Einzelnen bedeuten diese Situationen Stress, Anspannung und Zeitdruck im Tagesablauf. Etikettierungen müssen sich jedoch nicht nur auf Kinder beschränken sondern betreffen ebenfalls Eltern und KollegInnen innerhalb einer Kindertageseinrichtung. Im Team soll laut Wagner darüber diskutiert werden, wie gewisse Situationen anders gestaltet werden können, um solchen Gegebenheiten zu entgehen (vgl. Wagner, 2011). Bezeichnungen wie „Ausländer“ sind soziale Konstrukte, werden oftmals jedoch mit großer Selbstverständlichkeit verwendet. Die Bezeichnung des „Ausländers“ zielt auf Abgrenzung. Der Unterschied zum „Inländer“ wird betont. „Aber unabhängig davon, ob es Rassismus oder Gedankenlosigkeit oder die etwas verbittert-zynische Selbstbezeichnung von Menschen mit Migrationsgeschichte ist, so schafft und manifestiert das Reden von „Ausländern“ eine Realität des Unterscheidens von Ungleichwertigen, immer und immer wieder.“ (Wagner, 2011, S. 4) Hier gilt es Bewusstsein zu schaffen. Dennoch soll nicht auf Unterscheidungen im Alltag verzichtet werden, denn sonst besteht die Gefahr, dass reale Gegebenheiten nicht benannt und verschleiert werden. Es sollte aber zugleich, so Petra Wagner (2011), verstärkt auf Gemeinsamkeiten zwischen den vermeintlich unterschiedlichen heterogenen Gruppen geachtet werden.

Kategorisierungen sind also einerseits notwendig, um den Alltag, um die Welt begreifen und agieren zu können. Jedoch sollen diese nicht als Wirklichkeit in einer konkreten Situation angesehen werden. Hier muss stattdessen auf Unterschiede im persönlichen Erleben geachtet werden (Wagner, 2011). Beispiel: „Schwaben sind geizig und sparsam.“ Diese Aussage ist keine universelle Gegebenheit. Sie wird verwendet, wenn sich beispielsweise Badener von Schwaben differenzieren möchten. Das zeigt, dass es auch zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen innerhalb eines Landes Unterschiede gibt. Jedoch sind viel mehr Gemeinsamkeiten ersichtlich (Herkunft, Religion, Sprache, Geschlechter, ...), auf die ebenfalls der Fokus gerichtet werden kann.

„Rote Tücher“ als emotionaler Antrieb
Neben bestimmten sozialen Konstrukten von Personen lassen sich bei ihnen allerdings auch sogenannte „Rote Tücher“ finden, die Hinweise auf Erfahrungen mit Unterdrückung geben. In Kindertagesstätten sind es häufig die Themen Gender, Religion oder sozio-ökonomischer Status, die von ErzieherInnen oder KiTaleiterInnen als sogenannte „rote Tücher“ aufgegriffen werden (vgl. Wagner, 2011). Diese bleiben zum Teil sehr lange in den Personen lebendig und lassen sie emotional reagieren. „„Rote Tücher“ drücken häufig Empörung aus über ungerechte Verhältnisse (...). Da sie sich gegen jegliche Protagonisten richten können, die mit einem Merkmal der Kategorie identifiziert werden, ist hier die Gefahr groß, Kindern und Eltern gegenüber ungerecht zu werden.“ (Wagner, 2011, S. 7)

Minderheits- und Dominanzperspektiven betrachten
Um Diskriminierungskritik im Team einer Kindertagesstätte üben zu können, ist es wichtig, dass sich die Beteiligten im Klaren darüber werden, dass es ihnen eventuell leichter fällt, wenn sie sich mit Minderheitenperspektiven (Menschen mit anderer Hautfarbe als die eigene, eingewanderte Menschen, mehrsprachige Menschen,...) beschäftigen. Andere Perspektiven einzunehmen ist für Angehörige der sogenannten „Dominanzgesellschaft“ (Wagner, 2011, S. 7) nicht immer einfach. Petra Wagner ist der Ansicht, dass sich Angehörige der Dominanzgesellschaft nicht unbedingt mit Minderheitenperspektiven beschäftigen müssen, denn Anliegen einer Minderheitsgruppe können ignoriert werden, ohne dass daraus Nachteile für sie selbst entstehen (Wagner, 2011, S. 7). Doch nur durch das genaue in-den-Blick-nehmen sowohl der Minderheits- als auch der Dominanzperspektive lässt sich Diskriminierungskritik üben.

„Vermeidungen vermeiden“
Die KiTaleiterInnen können Anregungen zur Wissenserweiterungen verteilen, wenn beispielsweise der Frage nachgegangen werden möchte, welcher Aspekt von Vielfalt vertieft werden soll. (Ver-) Meidungen stellen keine akzeptable Strategie dar, denn dadurch können keine neuen - und eventuell positive - Erfahrungen gesammelt werden (vgl. Wagner, 2011). Probleme sowie auch belastende Erfahrungen sollen im Team direkt benannt werden. Die Aufgabe der Leitung besteht darin, dass die schwierigen Erfahrungen nicht in Frage gestellt werden und Einfühlungsvermögen für die betroffene Person gezeigt wird (vgl. Wagner, 2011).

Im Team über das eigene Handeln sprechen und es reflektieren
Wichtig ist, dass sich ErzieherInnen und KiTaleiterInnen beim Äußern von Diskriminierungskritik von ihren Ängsten und Befürchtungen befreien. Auch wenn es ein Team gewohnt ist, über die pädagogische Arbeit zu diskutieren, ist es keine Selbstverständlichkeit über das eigene Handeln zu sprechen und es zu reflektieren. Es ist allerdings wichtig, dass den ErzieherInnen deutlich wird, dass es nicht um Schuldzuweisungen geht, sondern vielmehr um das gemeinsame Nachdenken, aus welchem Grund es zu solchen Situationen kommt und was das Team als Kollektiv dafür tun kann, dass ein respektvoller Umgang mit den Kindern und untereinander hergestellt wird (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Hierfür eignet sich eine kollegiale Beratung, die mit den ErzieherInnen durchgeführt wird: Ausgangspunkt sollte eine imaginäre Situation sein, nicht der konkrete, sich bereits ereignete Vorfall an sich. Die Teammitglieder sollen unterschiedliche Rollen einnehmen (Fallbeispiel: ErzieherIn schickt ein Kind vor die Tür. Rollen: ErzieherIn, die / der das Kind vor die Tür schickt; weitere ErzieherInnen, ein/e LeiterIn; Kinder aus der Gruppe). Bei diesem Perspektivwechsel sollen die ErzieherInnen konstruktiv angeregt werden (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Für Lösungsansätze und ein vertieftes Verständnis würde sich ein weiteres Treffen eignen, um in einem dritten Schritt herausarbeiten zu können, was in der Zusammenarbeit verändert werden soll beispielsweise in Bezug auf heikle Situationen (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Da es selbstverständlich auch innerhalb eines Teams unterschiedlichste Vorstellungen von Normalität gibt, ist ein regelmäßiger und konkretisierender Austausch notwendig. ErzieherInnen sind nicht alleine mit ihren Sorgen, dass sie etwas falsch machen könnten. Auch wenn es mitunter eine Herausforderung für jeden einzelnen darstellt Diskriminierungskritik zu üben, so kann sie gelingen und man/frau können sich dabei im Team gegenseitig unterstützen (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016).


Gemeinsam mit den Eltern für das Kindeswohl wirken

Konflikte und Diskriminierungen können sich in der KiTa nicht lediglich im Team zeigen – auch Kinder und Eltern können diskriminierendes Verhalten aufweisen. Hiermit gilt es seitens der ErzieherInnen einen professionellen Umgang zu entwickeln.

Für die kindliche Entwicklung ist es wichtig, dass in der KiTa nicht gegen die Eltern gearbeitet wird und kein Keil zwischen KiTa und Familie getrieben wird (vgl. Riedel, 2016). Kinder sind ihren Eltern mehr verbunden als der KiTa (vgl. Riedel, 2016), denn die Familie stellt die erste und auch wichtigste Bezugsgruppe für das Kind dar (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Kinder nehmen ihre Umgebung wahr und verstehen bereits in jungen Jahren, wie die Einrichtung den Eltern gegenübertritt – ob sie beispielsweise belächelt, anerkannt oder diskriminiert werden (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Bei diskriminierenden Vorkommnissen können ErzieherInnen als ExpertInnen für Kinder auftreten und ihren eigenen Standpunkt erklären (vgl. Riedel, 2016). Es ist hilfreich, wenn dabei auch versucht wird die Eltern für das gemeinsame Bilden und Erziehen der jeweiligen Kinder zu gewinnen (vgl. Riedel, 2016). Ob diese Unternehmungen fruchten, kann jedoch nicht garantiert werden, da sich nicht alle die in der KiTa ein- und ausgehen kooperativ zeigen müssen.

Im Fall von Diskriminierungen den eigenen Standpunkt vertreten
Um diskriminierendes Verhalten auf Seiten der Eltern oder Kinder eindämmen zu können ist es hilfreich, wenn ErzieherInnen die Vielfalt von Familienstrukturen wahrnehmen und ihnen Interesse entgegenbringen. Dies ist allerdings nicht einfach aufgrund der bereits erwähnten, gesellschaftlich vorgeprägten Vorstellungen, die ein jeder bereits mitbringt (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Wie bereits im vorherigen Kapitel angeschnitten wurde, liegt die Deutungsmacht immer auf der Seite der kulturellen Mehrheit. Jedoch bestehen auch innerhalb von Kulturen große Unterschiede und es lassen sich unterschiedliche Strukturen zum Beispiel über die Religion, Herkunft, Hautfarbe, Familie, den Körperbau, sozio-ökonomischen Status oder das Geschlecht festmachen (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). In einer Institution wie der Kindertageseinrichtung liegt die Definitionsmacht immer auf Seiten der KiTa. Denn die Eltern und auch Kinder haben wenig Einfluss darauf, welche Zuschreibungen sie erfahren (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Vielleicht ist es deshalb so wichtig, dass KiTas im Falle von Diskriminierungen lernen, ihren Standpunkt deutlich zu vertreten: „Die Kitas müssen lernen zu sagen: Nein, das und das sind unsere Grundwerte, die vertreten wir. Und hier in unserer Einrichtung dürfen Sie so etwas nicht sagen.“ (Riedel, 2016) Das stellt sich mit Sicherheit als nicht ganz so einfach heraus. Denn es stellt ErzieherInnen vor Herausforderungen, wenn bei Eltern bestimmte Haltungen auffallen, die den eigenen Wertvorstellungen widersprechen (vgl. Prausner, 2015). Oftmals stehen sie in einem inneren Konflikt mit sich selbst und stellen sich die Frage, wer darüber entscheiden soll was richtig oder falsch ist.

Wie bereits erwähnt, stehen die Kinderrechte und hier vor allem die Tatsache, dass Kinder nicht diskriminiert werden dürfen, im Mittelpunkt der Kinderrechtskonvention. In Diskussionen mit den Eltern können Elternrecht und Kinderrecht in einen Konflikt geraten (vgl. Prausner, 2015). ErzieherInnen kommt dabei die Aufgabe zu, „[...] die Position der Eltern dort zu stärken, wo sie positiv zur Bildung und Erziehung ihres Kindes beiträgt. Alle Eltern wollen in der Regel Gutes für ihr Kind. Wo finden sich hier Schnittmengen bzw. Übereinstimmungen zwischen Fachkraft und Eltern? Wie kann zum Wohle des Kindes gearbeitet werden, auch wenn sich der Grundkonflikt nicht beheben lässt?“ (Prausner, 2015, S. 39). Bei Eltern, die scheinbar diskriminierendes Verhalten aufzeigen, können ErzieherInnen die Eltern in ihrer Verantwortung und Erziehung zum Wohl des Kindes stärken, um damit Zweifel an bisherigen Praktiken und beispielsweise rechtsextrem orientierten Erziehungsvorstellungen zu erzeugen (vgl. Prausner, 2015).
 
Sich kennen lernen und über Erziehungsstile austauschen
Allgemein gilt folgende Maxime: Je genauer ErzieherInnen ihr Gegenüber kennen und einschätzen können, desto besser lassen sich Grenzen, Chancen und Spielräume in einem Gespräch ausloten (vgl. Prausner, 2015). Ein erster Schritt in diese Richtung ist vollbracht, wenn herausgefunden wurde, wie stark Einstellungen und Haltungen der Eltern (und / oder Kinder) bereits gefestigt sind. Für eine gelingende Interaktion zwischen pädagogischen Fachkräften und Familien ist es wichtig, Räume für die Auseinandersetzung von Vorstellungen und Verhältnissen von Ungleichheiten zu schaffen, denn sie soll auf Einbezug, Förderung und Transformation aus sein (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016).

ErzieherInnen obliegt nach den Gesetzesvorgaben die Aufgabe, Gerechtigkeit, Schutz vor Ausgrenzung oder Diskriminierung für alle Kinder zu wahren und das gilt natürlich ebenfalls für Kinder, deren Eltern ein diskriminierendes Verhalten aufweisen. Dies soll den Eltern verdeutlicht werden genauso wie die Tatsache, dass es nicht nur um den oder die Diskriminierende geht, sondern auch um die unmittelbar Beteiligten in der Situation: Ein Nichtreagieren in solchen Situationen könnte zu „Normerosionen“ führen, also das Gefühl vermitteln, dass Diskriminieren (in diesem institutionellen Rahmen) erlaubt ist (vgl. Praußner, 2015).
 
Mit den Eltern über ihren Erziehungsstil zu sprechen kann ebenfalls sehr hilfreich sein. ErzieherInnen sollen sich „(...) bemühen, rechtsextreme Sozialisationskontexte in denen Gewalt (Aggression, Kriegsspiele), Rassismus („geh nach Hause“), völkischer Nationalismus („kleiner Germane“), NS-Symboliken (Hakenkreuze) Autoritarismus (starre Ordnung) und rigide Geschlechterbilder zusammenkommen, mit Blick auf die Frage, wie einflussreich man als Pädagogin sein kann, einzuschätzen. Dafür ist ein Orientierungswissen über Rechtsextremismus hilfreich (...). Dabei spielt offenbar auch Beratungsoffenheit und die Verfügbarkeit externer Beratung eine Rolle.“(Schäuble, 2015, S. 34) Werden Eltern auf ihr diskriminierendes Verhalten oder Auftreten angesprochen, so ist es wichtig, sogenannte „Ich-Botschaften“ zu vermitteln (vgl. Prausner, 2015). Die Situation soll sachlich geschildert, das eigene Empfinden und die Ursache des Gefühls offengelegt werden und anschließend keine weiteren Konsequenzen oder Erklärungen darlegen, damit dem Gegenüber die Chance geboten werden kann darauf einzugehen (vgl. Prausner, 2015). Ebenfalls besteht immer die Möglichkeit auf die Hausordnung zu verweisen, sofern das auftretende Problem in dieser verankert und niedergeschrieben sein sollte.
 
 
Aufklärung leisten
Einige Eltern fallen durch bestimmte Kleidermarken oder Symbole auf, die beispielsweise in rechtsextremen Szenen getragen werden (vgl. Prausner, 2015). Aufklärung hilft, denn manche Eltern sind sich deren Bedeutungen eventuell nicht bewusst. Welche rechtsextremen Symbole und Kleidungsstücke es gibt, wie die Eltern darauf angesprochen werden können und ob das Tragen bestimmter Dinge in Einrichtungen untersagt werden kann, lässt sich beispielsweise auf der Internetseite http://www.dasversteckspiel.de herausfinden.


Handlungsmöglichkeiten in (verbal) diskriminierenden Situationen
In (verbal) diskriminierenden Situationen ist zwischen zwei Fällen zu unterscheiden. Daran lässt sich auch festmachen, auf welche Art und Weise Diskriminierungskritik zu üben ist: Im Fall, dass die diskriminierte Peron anwesend ist, ist ein deutliches und spontanes Eingreifen empfohlen und notwendig, da die Person Beistand und Verstärkung braucht (Vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Es sollte sich also zunächst der betroffenen Person zugewandt werden, um sich anschließend der Person zuzuwenden, die jemanden angegriffen hat (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Nicht nur für die betroffenen Personen ist situatives und schnelles Intervenieren notwendig. Wie bereits erwähnt geht es auch um die mittelbar beteiligten Personen in solch einer Situation. Bei Äußerungen von Vorurteilen ist ebenfalls Diskriminierungskritik zu üben. Jedoch sollte für eine ruhige Gesprächssituation gesorgt werden, in dem das Anliegen der Eltern verstanden werden soll, sich gleichzeitig jedoch klar gegen Ausgrenzungen, Diskriminierungen und Abwertungen jeglicher Art zu positionieren, eventuell auf die Richtlinien der Einrichtung zu verweisen, gemeinsame Interessen von Eltern und der Einrichtung herausarbeiten und immer auf pädagogisch-fachlicher Ebene argumentieren (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Dies erfordert im Vorfeld Arbeit im Team, um eine gemeinsame Haltung zu entwickeln, an der sich gemeinsam orientiert werden kann.

Räume für Austausch bieten
Elternabende bieten Raum sich auszutauschen, Fragen aufzuwerfen und die Perspektive der Eltern sichtbar zu machen, die Erfahrungen mit Diskriminierungen gemacht haben (vgl. Prausner, 2015). Bloßstellungen sollen vermieden und anstelle dessen kann beispielsweise über Normvorstellungen gesprochen werden (vgl. Prausner, 2015), die natürlich auch hinterfragt werden können (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Es kann beispielsweise besprochen werden, was den Kindern in der Einrichtung mitgegeben werden soll und indem sich in einem nachfolgenden Schritt über Gemeinsamkeiten und Unterschiede ausgetauscht wird (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016). Dialoge über Erziehungsfragen zu ermöglichen, in denen Familienkulturen wertgeschätzt und Zuschreibungen vermieden werden, können das Auftreten von diskriminierenden Situationen eindämmen (vgl. Institut für den Situationsansatz #1, 2016).


Schlussbemerkung

Dieser Aufsatz dient als Impuls für diejenigen, die auf der Suche nach einem individuellen Weg sind, wie Diskriminierungskritik in den unterschiedlichen Bereichen der frühkindlichen Bildung und ihren Institutionen gelingen kann. Die vorgestellten Beispiele dienen der Orientierung und es ist wichtig festzuhalten, dass sicherlich nicht alle Personen in den Einrichtungen erreicht werden können. Sowohl für ErzieherInnen als auch für die Eltern und deren Kinder ist ein frühzeitiges Erkennen und Ansprechen von Diskriminierungen verbaler oder nonverbaler Art wichtig. Für das Team können mögliche Barrieren und Konflikte schneller und somit meist einfacher aus dem Weg geschafft werden. Die Verankerung von Diskriminierungskritik bzw. die Positionierung zu diesem Thema im Konzept einer Einrichtung ist wichtig, denn diese trägt dazu bei, dass sich ErzieherInnen und KiTa-LeiterInnen auf Hausregeln oder -ordnungen stützen, verweisen und berufen können. Für Eltern und deren Kinder ist die Kindertagesstätte eine der ersten institutionellen Einrichtungen, mit der sie in Kontakt treten. Die Beziehungen zwischen der Familie und Institution ist eng und bietet Räume für regelmäßigen Austausch und Diskriminierungskritik. Hier werden nicht nur den Eltern und dem Team, sondern auch den Kindern wichtige Werte und Grundsteine der Erziehung vermittelt. Zudem wird die diskriminierungssensible Qualitätsentwicklung in Kindertagesstätten vorangetrieben. Sie sind Orte, an denen verschiedene Einflüsse wirken und es kann deshalb leicht zu Konflikten kommen. Diese müssen auch stattfinden, damit ausgehandelt werden kann, welche Kultur und Qualität in der Einrichtung erwünscht ist. Keine KiTa ist konfliktfrei. Jedoch können Konflikte auch vermieden und eventuell aus dem Weg geräumt werden. Ziel ist, dass sie professionell angegangen werden. Diskriminierungskritik zu üben verlangt Mut, ist aber wichtig und führt letztendlich nicht nur zu einer positiven beruflichen und institutionellen Entwicklung, sondern trägt auch zu Persönlichkeitsprozessen und –Veränderungen bei.


Literaturangaben:




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