Beiträge chronologisch

Facetten der Qualität (Review)

Inhaltsverzeichnis

  1. Erfassung pädagogischer Qualität in KiTas
  2. Kita-Qualität aus Kindersicht
  3. Persönlichkeit der Fachkraft

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Kita-Qualität aus Kindersicht

Die Partizipation von Kindern gewinnt in der Frühen Bildung zunehmend an Bedeutung und da ist es nur folgerichtig, dass Kinder auch im Hinblick auf die Qualitätsentwicklung in KiTas aktiv eingebunden werden. Die Perspektive der Kinder stellt allerdings, wie Iris Nentwig-Gesemann, Bastian Walther und Minste Thedinga in ihrem Schwerpunktbeitrag schreiben „in der Qualitätsforschung in Deutschland [...] noch immer ein Forschungsdesiderat dar.“ (S. 77). Sie stellen hier ihre vielleicht wegbereitende explorative Studie zur KiTa-Qualität aus Kindersicht vor, in der der Frage, „was eine ‚gute‘ Kita ist, konsequent aus der Perspektive von Kindern nach[gegangen wird].“ (S. 78). Mit dem rekonstruktiven Forschungsansatz der Dokumentarischen Methode wurde dabei an den Erfahrungsräumen, Praktiken und Orientierungen der Kinder in der KiTa angeknüpft und auf vorausgehende Festlegungen von Themen und Relevanzen verzichtet. Das Sample setzte sich dabei aus sechs Erhebungskitas zusammen, in denen insgesamt 79 Kinder im Alter von vier bis sechs Jahren teilnahmen.

Durchgeführt wurde die Studie nach dem „Prinzip der Offenheit“ und mit dem Ziel möglichst weniger Eingriffe der ForscherInnen: „Die in der QuaKi-Studien eingesetzten qualitativen Methoden der Kindheitsforschung eröffneten den Kindern Freiräume, ausführlich von ihren Erfahrungen und Erlebnissen zu erzählen, das Forschungsteam in Gespräche zu verwickeln und ihre Sicht der Dinge zu entfalten“ (S. 79). Als Methoden wurden die (videogestützte) Gruppendiskussion, Malbegleitende Gespräche und fotobasierte Kitaführungen eingesetzt.

Wie die ForscherInnen berichten, gewannen im Verlauf des Forschungsprozesses „die fokussierende teilnehmende und videobasierte Beobachtung einen immer größeren Stellenwert“ (80). Deutlich wurde, „dass in den Gesprächen mit den Kindern bestimmte Elemente des Kita-Alltags so gut wie nicht vorkamen“ (ebd.) – wie zum Beispiel Morgenkreise oder die Ausgestaltung von Essensituationen. Zudem kam den pädagogischen Fachkräften in den Ausführungen der Kinder „nur eine nachgeordnete Bedeutung zu“ (ebd.)

Das in den jeweils zweitägigen Feldaufenthalten gesammelte Material wurde von den Forscherinnen mit der Dokumentarischen Methode interpretiert, dessen Kernziel es ist „Implizites explizit zu machen“ (S. 81). Beantwortet werden sollten so folgende Fragestellungen: „Welche handlungsleitenden Orientierungen, Relevanzen, Wertorientierungen und Deutungsmuster, welches Erfahrungswissen dokumentiert sich in Inhalt und Form einer Erzählung, einer Bezugnahme aufeinander im Gespräch, einer Handlungs- oder Interaktionssituation?“ (ebd.)

Im Ergebnis kristallisierten sich folgende drei Qualitätsoberdimensionen für die Kinder heraus, die sich dann noch jeweils weiter ausdifferenzieren:
  • Individualität und Zugehörigkeit: Sich einer Gemeinschaft zugehörig und in der eigenen Individualität wertgeschätzt fühlen
  • Kompetenzerleben: Sich selbst als kompetent erleben und als kompetent anerkannt werden
  • Autonomie und Partizipation: Möglichkeiten der Selbst- und Mitbestimmung erleben

Zu ersten Qualitätsoberdimension fassen die Forscherinnen zusammen, dass Rituale, Regeln und regelmäßige Abläufe im KiTa-Alltag einen Rahmen darstellen, „den die Kinder schätzen, innerhalb dessen sie sich aber nicht-pädagogisierte Orte wünschen, an denen sie ungestört und ohne Zeitdruck ihren peerkulturellen Praktiken nachgehen können.“ (S.82)

Im Hinblick auf das Kompetenzerleben wünschen die Kinder sich „Innen- und Außenräume, die ihnen vielfältige Bewegungsmöglichkeiten bieten, in denen sie ihren spontanen Bewegungspulsen nachgehen und sich austoben können.“ (ebd.) Aus der Perspektive der Kinder stellen dabei alle die Situationen und Interaktionen einen positiv erlebten Erfahrungsschatz dar, „in denen sie sich als selbstbestimmte, selbstgesteuerte und selbstwirksame Akteure erleben, die ihr Können unter Beweis stellen und Herausforderungen bewältigen können.“ (S. 84)

Im Hinblick auf Autonomie und Partizipation wurde deutlich, „dass Kinder großen Wert darauf legen, in ihren Selbstbestimmungsrechten ernst genommen zu werden. Sie möchten sich frei entscheiden können, welche Angebote sie annehmen und wie sie sich dann konkret beteiligen.“ (ebd.)

Resümierend konstatieren die Autorinnen, dass es in einem multi- bzw. interperspektivischen Verständnis von Qualität „zu den selbstverständlichen Rechten von Kindern gehören [sollte], als Qualitätsexpert_innen ‚in eigener Sache‘ gleichwertig einbezogen zu werden.“ (S. 86) Dafür müssten Erwachsene ihnen mit einer offen, fragenden Haltung begegnen, ihnen Fragen stellen und wirklich neugierig auf ihre Antworten sein. Dies scheint in ihrem Projekt tatsächlich gelungen zu sein und die spannenden Ergebnisse sollten in die aktuelle Qualitätsdebatte wie auch in die Qualitätsentwicklung der einzelnen KiTas mit einbezogen werden.