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Neurobiologie im Säuglingsalter

Entstehung von Stressbelastungen und Ressourcen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorgeburtliche Erfahrungen prägen die spätere Stressbewältigung
  2. Das Stresssystem wird epigenetisch geprägt
  3. Nachgeburtlich erhält das Kind Unterstützung bei der Regulation der Stressantwort
  4. Oxytocin prägt die emotionale Entwicklung
  5. Schwierige Kinder brauchen die liebevolle Fürsorge mehr als andere
  6. Jenseits der frühen Kindheit

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Schwierige Kinder brauchen die liebevolle Fürsorge mehr als andere

Die Unterstützung der emotionalen Entwicklung durch die Eltern ist umso wichtiger, je belasteter ein Kind durch seine Gene und seine vorgeburtlichen Erfahrungen ist. Hat das Kind ein hochaktives Stresssystem und verhalt es sich besonders ängstlich oder auch reizbar, dann ist es umso wichtiger, dass dieses Kind fürsorgliche Hilfe bei der Regulation seiner überschießenden Emotionen erhält. Wurde dieses Kind nicht feinfühlig in seiner Stressregulation unterstützt, wäre sein kleines Gehirn immer wieder hohen Konzentrationen von Stresshormonen ausgesetzt (für eine Übersicht siehe Strüber 2016).

Gleichzeitig ist der Umgang mit dem gestressten Säugling umso schwieriger für die Bindungsperson. Der Säugling schreit schrill, laut und vor allem ausdauernd. Die Bindungsperson erlebt nur selten den beglückenden und belohnenden Moment, mit Erfolg beruhigend auf das Kind eingewirkt zu haben. Sie erlebt sich selbst als ineffizient und hilflos und es gelingt ihr immer seltener, feinfühlig auf das Kind einzugehen (Ghera et al. 2006). Nicht selten entstehen hier Teufelskreise sich selbst aufrechterhaltender negativer Gegenseitigkeit, wie die Psychiaterin Mechthild Papousek in ihrem Buch über Regulationsstörungen der frühen Kindheit beschreibt (2004).

Womit wir bei einer zweiten Wechselwirkung von Anlage und Umwelt wären: Gemeinsam mit den vorgeburtlichen Erfahrungen legen die Gene (man konnte zusammenfassend von angeborenen, d. h. bei der Geburt vorhandenen Anlagen sprechen) fest, wie wichtig die nachgeburtlichen Erfahrungen sind. Für einige Kinder sind die frühen Fürsorgeerfahrungen aufgrund ihrer angeborenen Anlagen wichtiger als für andere. Es scheint so zu sein, dass sich diese Anfälligkeit der besonders reizbaren Kinder nicht nur auf negative Umwelterfahrungen beschränkt (und somit eine Vulnerabilität darstellt). Unter besonders positiven Bedingungen entwickeln sich diese Kinder nämlich häufig besonders gut (Belsky et al. 2007). Die Kinder, die aufgrund ihrer Gene und ihrer vorgeburtlichen Erfahrungen mit einem nicht optimal eingestellten Stresssystem auf die Welt kommen, benötigen hiernach umso mehr in ihrer frühen Kindheit eine liebevolle Fürsorge, die ihr Stresssystem zügelt und in Bahnen lenkt. Geschieht dies, scheinen diese Kinder die Reaktivität ihres Stresssystems gut nutzen zu können, um mit den hohen Anforderungen der Umwelt umgehen zu können.


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