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Neurobiologie im Säuglingsalter

Entstehung von Stressbelastungen und Ressourcen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorgeburtliche Erfahrungen prägen die spätere Stressbewältigung
  2. Das Stresssystem wird epigenetisch geprägt
  3. Nachgeburtlich erhält das Kind Unterstützung bei der Regulation der Stressantwort
  4. Oxytocin prägt die emotionale Entwicklung
  5. Schwierige Kinder brauchen die liebevolle Fürsorge mehr als andere
  6. Jenseits der frühen Kindheit

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Das Stresssystem wird epigenetisch geprägt

Aber wie kann ein Stresssystem dauerhaft geprägt werden? Hier tritt eine Gen-Umwelt-Wechselwirkung auf: Die Umwelt (die mütterlichen Stresshormone) wirken sich auf die kindlichen Gene bzw. deren Aktivität aus, und zwar auf die Gene von Proteinen, die zum Stresssystem gehören.

Da hierbei die Genaktivitat, nicht aber der genetische Code selbst modifiziert wird, spricht man von einem epigenetischen Mechanismus. Abschnitte der DNA werden mithilfe molekularer Mechanismen so markiert, dass die DNA zukünftig besser oder schlechter abgelesen werden kann und entsprechend mehr oder weniger Protein produziert wird. Ein Mechanismus ist etwa die Methylierung: Methylgruppen werden an der DNA angebracht und verhindern das Ablesen der Geninformationen und die Ausbildung von Proteinen. In einer 2015 veröffentlichten Meta-Analyse wurde bestätigt, dass der vorgeburtliche Stress die Genaktivität über einen solchen epigenetischen Mechanismus beeinflussen kann. Vermutlich infolge der erhöhten Cortisolkonzentration im Blut des Fötus werden Methylgruppen am Gen für eine Bindungsstelle des Cortisols, den Glucocorticoidrezeptor, angebracht und das Gen daraufhin stillgelegt (Palma-Gudiel et al. 2015).

Normalerweise wird bei Bindung von Cortisol an den Rezeptor über eine Feedbackhemmung die Freisetzung weiteren Cortisols gehemmt. Dadurch wird erreicht, dass die Stressreaktion in Maßen verläuft. Funktioniert dies schlecht, weil das Gen epigenetisch methyliert ist, kann eine langfristig erhöhte Cortisolfreisetzung bzw. eine verstärkte Stressreaktion die Folge sein. Aber auch eine dauerhaft gegenüber dem Normwert verringerte Cortisolfreisetzung ist infolge vorgeburtlicher Stresserfahrungen möglich. Auf diesem Wege kann vorgeburtlicher Stress vorgeben, wie das Stresssystem eines Menschen langfristig funktioniert. Wie schnell ein Mensch sich aufregt oder abregt und ob er in Situationen hoher Anforderungen Energieressourcen hat, um angemessen mit dem Stress umzugehen oder nicht. Und auch das Ruheniveau der Freisetzung von Stresshormonen in Abwesenheit hoher Anforderungen der Umwelt wird eingestellt.



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