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ErzieherInnen und Internet - Auszüge einer Bachelor Arbeit

Inhaltsverzeichnis

  1. „ErzieherInnen und Internet“ – passt das eigentlich zusammen?
  2. Umgang mit Unsicherheiten beim Wissensaustausch
  3. Gender-Aspekt bei der Gestaltung von Internet-Foren
  4. Aufteilung der gesamten Bachelor-Arbeit
  5. Literaturangaben

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„ErzieherInnen und Internet“ – passt das eigentlich zusammen?


Da die Mehrzahl der Erzieher Frauen sind, könnte das Thema Internet-Forum auch zum oftmals vorurteilhaft angenommenen Widerspruch „Frauen und Technik“ gehören? ErzieherInnen sind SpezialistInnen in der Gestaltung sozialer Kontakte. Sie agieren face-to-face, reagieren blitzschnell auf viele zeitgleiche Anforderungen, haben eine ganze Kindergruppe, PraktikantInnen, KollegInnen, Eltern und FachberaterInnen anderer Disziplinen im Blick. Sie gestalten und koordinieren komplexe Alltagssituationen und Lernprozesse professionell. Doch wie Kobbeloer in einer Studie schon 2002 feststellte, nutzen ErzieherInnen damals auch das Internet für berufliche Zwecke. Etwa zwei Drittel der Befragten nutzten das Internet seit mindestens zwei Jahren und schätzen ihre Internet-Kenntnisse als gut oder sehr gut ein. 80 Prozent der 445 befragten TeilnehmerInnen erachten die Bedeutung des Internets für die zukünftige sozialpädagogische Arbeit als hoch. Allerdings wurde im Rahmen der Studie auch deutlich, dass die Nutzung des Internets im Berufsfeld von ErzieherInnen auch häufig durch pädagogische Ideale behindert wird. Nahezu ein Drittel der befragten Einrichtungen wünschte keinen Internet-Anschluss . Eine Recherche von 2005 zur Verbreitung von Internet-Anschlüssen in Kindertagesstätten in Deutschland zeigte, dass nur 35% der ca. 21.000 untersuchten Einrichtungen über Internet-Verbindung verfügen .Wollen also ErzieherInnen aus Kindertagesstätten ein ErzieherInnen-Forum im Internet nutzen, so ist bisher die Mehrheit von ihnen gezwungen, dies in der Freizeit im privaten Bereich zu tun.

 

Zinke/Fogolin stellten während einer Studie über berufsbezogene Online- Communities verschiedener Berufsgruppen fest, dass die TeilnehmerInnen aufgrund der Nutzung von Online-Communities tendenziell mehr Spaß am Lernen, mehr Eigeninitiative und mehr Lust auf Neues haben als der Durchschnitt der Bevölkerung. Trotzdem unterstützen Arbeitgeber insgesamt dieser Lernform kaum Internet-Forum als virtuelle Lerngemeinschaft Es wurde deutlich, dass die aktuellen Anforderungen der Wissensgesellschaft an die ErzieherInnen sehr hoch sind. Die daraus abgeleitete Notwendigkeit zur Förderung arbeitsplatznaher, selbstgesteuerter kooperativer Lernmöglichkeiten ist dementsprechend zu beachten. Dabei soll besonders informelles Lernen unterstützt werden, wie es berufsbezogene virtuelle Lerngemeinschaften ermöglichen können.


Das Konzept der „Learning Communities“ kommt eher aus dem Bereich des strukturierten Lernens von Bildungseinrichtungen im Zusammenhang mit formalen Abschlüssen. Unter dem Begriff „Communities of Practice“ – aus der ethnografischen Feldforschung im betrieblichen Arbeitsumfeld hervorgegangenen – werden hingegen nicht curriculare, dafür situierte und kontextualisierte Lernformen verstanden, die in den Arbeitsalltag von PraktikerInnen eingebunden sind. In Wissenschaft und Praxis erhalten Communities zunehmend Bedeutung für Wissensmanagement und organisatorisches Lernen (vgl. Seufert 2003: 4f).

Es ist auch eine Kombination beider Community-Formen denkbar, so dass arbeitsplatznahes Lernen mit dem Lernen in Bildungseinrichtungen kombiniert werden kann. Im Folgenden wird der Begriff der virtuellen Lerngemeinschaft verwendet. Damit ist eine Lerngemeinschaft im Internet gemeint, die durch informelle Lernprozesse und Praxisbezug geprägt ist. Beim Konzept professioneller Lerngemeinschaften steht Lernen nicht nur im Zusammenhang mit Krisenintervention, sondern wird als laufende ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   verstanden. Dabei sind Lernende an Qualitätsentwicklung von Lern- und Handlungskompetenzen interessiert (vgl. Sieland 2006, Strittmatter 2006) triviale von professionellen Lerngemeinschaften (PLG). zu unterscheiden (vgl. Strittmatter 2006).

 

PLGs sollten folgende Merkmale aufweisen:


1. Auftragsbezogen lernen

Das Lernen in der PLG soll konkret aus dem Auftrag der Berufsgruppe abgeleitet werden. Für ErzieherInnen entspricht der Auftrag den aktuellen Herausforderungen im Berufsfeld. Wissensbildung basiert dabei auf einem dialogischen Verständnis, bei dem gemeinsame Ziele innerhalb des Berufsfelds die Grundlage bilden und eine kritische Haltung Voraussetzung ist 

 

2. Suchbewegungen in Richtung „state of the art“

Aktuelle berufsspezifische Themen und Erkenntnisse werden von den TeilnehmerInnen verarbeitet und diskutiert und für alle nachvollziehbar aufbereitet(vgl. ebd.). Gerade in Bezug auf die frühkindliche Pädagogik oder die Konzeption von Familienzentren erscheinen aktuell immer wieder neue Publikationen und Erkenntnisse, die von PraktikerInnen diskutiert werden sollten. Auch sozialpädagogische Brennpunkt-Themen, wie beispielsweise Früherkennung von Missbrauch und Vernachlässigung von Kindern, sind entsprechend aufzubereiten und zu thematisieren.

 

3. Entwicklung und Verwendung einer Fachsprache

Fachsprache soll zur Verbesserung der Kommunikation dienen, damit definierte Begriffe auch eindeutiges Verstehen sichern. Neu Gelerntes wird dabei in die Verständigungskonzepte integriert, so dass eine ständige Weiterentwicklung stattfindet. Gerade in einem Berufsfeld, das geprägt ist durch bundesländerspezifische Gesetze, Eigennamen und so weiter, ist eine Fachsprache zu fördern, damit auch regional übergreifender Austausch professionell möglich ist.

 

4. Reflektiertes Erfahrungswissen schaffen

Strittmatter fordert die Qualitätssicherung durch eine reflexive Verarbeitung von Erfahrungen zu legitimem Handlungswissen. Dazu zählt der „Vergleich des persönlichen mit dem Erfahrungswissen von Peers und anderen Expertinnen und Experten. Oder das systematische(!) Aufstellen von Spiegeln um die eigene Praxis herum. Damit Reflexion und Feedback positiv wirken können, sind entsprechende Regeln einzuhalten und auf gegenseitige Wertschätzung zu achten.

 

5. Eigenerfahrung und externes Expertenwissen gleichermaßen würdigen
ExpertInnen, zum Beispiel anerkannte SpezialistInnen, sind als partnerschaftliche Ergänzung zu validierten Eigenerfahrungen von PraktikerInnen anzunehmen. Es dürfen und sollen auch eigene Grenzen zugegeben werden (vgl. ebd.). Wissenschaftliches Wissen und Alltagswissen sollen gleichermaßen akzeptiert werden und gegenseitig zu Reflexion und Weiterentwicklung anregen.

 

6. Kultur des neugierigen Lernens voneinander und füreinander

„Es herrscht eine Kultur der Neugier auf das Wissen anderer Kolleginnen und Kollegen und gleichzeitig eine Kultur der Freigiebigkeit des zur Verfügungstellens des eigenen Wissens. […] Dabei wird auf eine gute Balance von Geben und Nehmen geachtet,…“

 

7. Die Ressourcen einfordern und gut verwalten

„In einer professionellen Kultur geschieht solches „Wissensmanagement“ nicht als karitativer Akt, als Freizeitbetätigung, als altruistische Opfererbringung. Vielmehr ist Professionellen klar, dass solche Wissensflüsse zeitliche und personelle Ressourcen erfordern (in Form von anrechenbaren Arbeitszeit-Anteilen, von reservierten Zeitgefäßen und von Moderationskapazität). Professionelle fordern deshalb diese Ressourcen selbstbewusst und betriebsbewusst ein, denn es handelt sich, wie oben nachgewiesen, auch um eine betriebliche Notwendigkeit. Professionelle legen über die Ressourcen-Verwendung Rechenschaft ab.“ (ebd.). Dies entspricht der Sichtweise, dass das Lernen des einzelnen Individuums zum Nutzen für die gesamte Organisation wird. Dementsprechend profitiert nicht nur die jeweilige ErzieherIn vom Wissenszuwachs, sondern die ganze Organisation. Folglich sind auch für das informelle Lernen von ErzieherInnen Zeit und technische Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. ErzieherInnen gestalten ihre Lernprozesse aktiv, so dass sie diese auch nachweisen können.

Eine professionelle Lerngemeinschaft im Internet ist zudem von Merkmalen des Internets gekennzeichnet. Hier kann die Gemeinschaft unabhängig von Ort und Zeit und damit auch überregional und über die Organisation hinaus wachsen. Demzufolge ist die Reflexion nicht durch Regeln und Strukturen lokaler Organisationen eingegrenzt, sondern sie wird durch die KollegInnen aus anderen Kontexten in der Lerngemeinschaft erweitert. So wird es wahrscheinlicher, dass sich neuer Handlungsoptionen herausbilden. Außerdem kann das Wissen von verschiedenen ExpertInnen direkter und vielfältiger angefragt werden, Anwendung finden und diskutiert werden.

 



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