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Besonderheiten ländlicher Regionen (Stadt/ Land)

Inhaltsverzeichnis

  1. Das Aufwachsen in unterschiedlichen Regionen
  2. Unterschiede in wirtschaftlichen Faktoren
  3. Unterschiede in Betreuungs-, Freizeit- und Bildungsangeboten
  4. Unterschiede in familialen Lebensformen
  5. Unterschiede im kindlichen Aktionsraum in der Stadt und auf dem Land
  6. Unterschiede in Wohngegebenheiten von Kindern auf dem Land und in der Stadt

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Unterschiede im kindlichen Aktionsraum in der Stadt und auf dem Land


Nach Blinkert gibt es keinen objektiv guten oder schlechten Raum, solange das Kind dies nicht selbst so empfindet. "„Alle
Aussagen über die Aktionsraumqualität von Wohnumwelten müssen also immer auf den Standpunkt eines Subjekts bezogen sein“ (Blinkert 1996: 47).Das heißt konkret, Kriterien sind immer in Abhängigkeit von Alter und Entwicklungsstufe sowie aus der Akteursperspektive zu betrachten. Des Weiteren definiert Blinkert ein Territorium eines ‚guten‘ Aktionsraums für Kinder wie folgt:
„Ein Territorium ist ein Aktionsraum für Kinder, wenn dieses Territorium,
· für Kinder zugänglich ist [gibt es Barrieren bspw. Räumliche Barrieren?],
· wenn es gefahrlos ist [bspw. viel motorisierter Verkehr],
· wenn es von Kindern gestaltet werden kann [bietet der Raum Möglichkeiten für Veränderungen?] und
· wenn die Chance zu Interaktionen mit anderen Kindern besteht“
(Blinkert 1996: 46).
 Nach Blinkerts Studie bewerteten Eltern, die auf dem
Land leben, die Aktionsraumqualität ähnlich wie in der Stadt lebende Mütter und Väter. So schätzten 50% der Eltern aus dem ländlichen Raum die Aktionsraumqualität im Wohnumfeld gut bis sehr gut ein, Eltern aus der Stadt zu 40%. Der Meinung, die Aktionsraumqualität sei im befriedigenden Bereich, waren 17-18% der Eltern auf dem Land und 25% der Eltern in der Stadt empfanden dies  berdurchschnittlich befriedigend. Eine schlecht definierte Aktionsraumqualität befanden 25% der Eltern, die auf dem Land lebten und 27% aus der Stadt (vgl. Blinkert 1996: 77f.). 
Ein entscheidender Faktor spielt hier bei Eltern (sowohl auf dem Land als auch in der Stadt) die Gefahrlosigkeit durch den motorisierten Verkehr. Disparitäten herrschen in den Möglichkeiten zur Nutzung der direkten Wohnumwelt durch die zum Teil verschiedenen Bebauungsformen auf dem Land und in der Stadt. Ein direkter Zugang zu Außenräumen wird favorisiert und in den ländlichen Regionen als selbstverständlich empfunden. In der Stadt gilt dieser Zugang als wichtiger Indikator zur Einschätzung von Aktionsraumqualität (vgl. Blinkert 1996: 69ff.). Im Hinblick auf die Wahl von Spielorten (von 5- bis 10-Jährigen) zeigt sich, dass das unmittelbare Wohnumfeld hier den zentralen Mittelpunkt darstellt, dies gilt sowohl für Spielorte auf dem Land als auch in der Stadt.
 
Bei einer Befragung von Kindern wurden unterschiedliche Aussagen gemacht. So nutzen90 % der Mädchen und Jungen auf dem Land den Garten und den Hof, Stadtkinder nur zu 66%. Den Spielplatz suchen Kinder auf dem Land zu 36%, Kinder aus der Stadt jedoch zu 52% zum Spielen auf. Die Vielfalt der Wahlmöglichkeiten nimmt besonders in der Stadt mit dem Alter zu (vgl. Blinkert 1997: 16ff.). Im Hinblick auf die Indikatoren für das von Blinkert genannte Territorium (Aktionsraum) profitieren Landkinder oftmals von der Qualität ihrer Spielorte. Demnach gibt ein naturnaher Spielort den Mädchen und Jungen mehr Gelegenheiten, selber aktiv zu werden, im Sinne von Gestaltbarkeit. So finden sich in Baulücken, Wiesen oder Wäldern kein vorgefertigtes Mobiliar (wie vielerorts in den Städten), keine fertigen Spielgeräte. Hier sind die Kinder herausgefordert, ihre Phantasie und Kreativität anzuregen. Die Möglichkeit, naturnahe Spielorte aufzusuchen, haben auf dem Land lediglich 50% der Kinder. Als Gründe dafür werden von den Eltern insbesondere eine schlechte Erreichbarkeit sowie mögliche Gefahren (vor allem für Kleinkinder) genannt. Wenn den Kindern das Angebot, einen naturnahen Spielort aufzusuchen ermöglicht wird, nutzen dies auch die meisten von ihnen (vgl. Blinkert 1997: 49ff.). Blinkert betont, dass es sich mit der Versorgung von Spielplätzen in ‚ungünstigen Gebieten‘ (schlechter Aktionsraum) ebenso ungünstig verhält. „Offensichtlich bereitet es große Schwierigkeiten, die durch
Überbauung und Straßenverkehr bedingten Defizite im Wohnumfeld durch dieEinrichtung von Kinderreservaten zu kompensieren“ (Blinkert 1996: 96).Weiterhin kommt Blinkert zu dem Ergebnis, dass viele Mädchen und Jungen in den ungünstigen Gebieten den Spielplatz häufig gemeinsam mit ihren Eltern besuchen, sodass der Besuch mit Gleichaltrigen selten stattfindet. Dazu Blinkert:
„Diese Beobachtungen lassen vermuten, dass sich die öffentlichen Spielplätze in den ungünstigen Wohngebieten für die hier untersuchte Altersgruppe auch in qualitativer Hinsicht nur sehr begrenzt zur Kompensation für die Defizite im Wohngebiet eignen“ (Blinkert 1996: 97). Diese Einschätzungen sind mit den Aussagen des 12. Kinder- und JugendberichteKinder- und Jugendberichte||||| Der Kinder- und Jugendbericht, der alle 4 Jahre erscheint wurde erstmals 1965 veröffentlicht, seitdem gibt es 13 der Berichte. Der Kinder- und Jugendbericht wird von einer beauftragten ExpertInnenkommission verfasst und von der Bundesregierung schriftlich herausgegeben. Ziel ist es auf der Basis des Wissens- und Erkenntnisstandes zukunftsweisende und realistische Handlungsoptionen für Politik und Gesellschaft zu erarbeiten, die in den politischen Gestaltung miteinbezogen werden kann. Der 13. Kinder- und Jugendbericht trug als Titel: Bericht über gesundheitsbezogene Prävention und Gesundheitsförderung in der Kinder- und Jugendhilfe.  s vereinbar. Hier heißt es, dass Landkinder grundsätzlich von mehr Spiel- und Freiflächen profitieren (vgl. BMFSFJ 2005: 72), die folglich auch als naturnahe Spielorte genutzt werden können.
Der/die Autor/Autorin Zeiher und Zeiher akzentuieren in Bezug auf den kindlichen Aktionsraum die Verinselung des individuellen Lebensraums. Demnach ist der Aktionsraum von Kindern insbesondere von der Alltagsmobilität ihrer Eltern abhängig. So verteilen sich die Aktionsräume von Mädchen und Jungen sowohl in der Stadt als auch auf dem Land auf mehrere Orte, die wie Inseln verstreut sind. Die Orte zwischen den Inseln, so heben die Autoren hervor, haben die Erwachsenen inne, was sich für die Kinder oftmals als „(…) mehr oder weniger uninteressant,
gefährlich, unzugänglich, oft auch unbekannt [erweist]“ (Zeiher/ Zeiher 1994: 26). Diese Verinselung wird durch den oftmals ständigen Wechsel, bedingt durch den Besuch der meist in den Städten gelegenen  Bildungseinrichtungen, zwischen ‚Dorf‘ und Stadt verstärkt (vgl. Karsten/ Thunemeyer 1995: 143). 
Insgesamt lässt sich aussagen, dass Landkinder zwar tendenziell im Außenbereich bessere Spielmöglichkeiten haben als Stadtkinder (naturnahe Spielorte, mehr Wahlmöglichkeiten), jedoch zeigen die wenigen Disparitäten im Stadt-Land-Vergleich im Kontext des kindlichen Aktionsraums, dass sich die Urbanisierung des ländlichen Raumes weiterentwickelt hat.


 



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