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Humor in der frühen Kindheit

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Entwicklung des frühkindlichen Humors
  2. Humor, Emotion und Neurobiologie
  3. Humor und Spiel
  4. Fazit und Ausblick
  5. Literatur

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Humor und Spiel

In ihrer Dissertation bezeichnet Drews den Humor, ebenso wie das Spiel, als eine besondere Form des kindlichen Ausdrucks (vgl. Drews 2010, S. 252). Humorvoll zu sein, ist also auch wie die spielerische Tätigkeit von hoher Bedeutung für die Kindheit. Im Laufe der kindlichen Entwicklung treten laut Piaget verschiedene Spielformen auf, nämlich das Übungs-, das Symbol- und das Regelspiel (vgl. ebd., S. 252 ff).

Das Übungsspiel ist charakteristisch für die sensomotorische Phase, in der Kinder sich durch die Wiederholung von Handlungen mit ihrem Körper und mit Gegenständen Verhaltensschemata aneignen. Der Spaß an der Ausführung von solchen Handlungen kann als Zeichen von Humor gesehen werden (vgl. ebd., S. 253). In dieser Phase erfassen Kinder ihre Umwelt überwiegend über ihre Sinne. Sie beginnen zu lächeln und zu lachen, da sie auf körperliche, visuelle und akustische Reize besonders ansprechen. In diesen Beobachtungen ist zugleich die erste Phase der Humorentwicklung zu erkennen. Dabei sind soziale Interaktionen, wie das Kitzeln, Versteckspiele oder die Produktion von lustigen Geräuschen, sehr geeignet, um den Sinn des Kindes für Humor und zugleich die Bindung an Bezugspersonen zu fördern.

Dennoch ist anzumerken, dass sich diese Interaktionsformen in Bezug auf die Emotionen des Kindes ambivalent auswirken können. Nach McGhee können die Inkongruenzen, welche das Lachen und die damit verbundenen Humorgefühle auslösen, ebenso gut die Neugier des Kindes wecken als auch einen Angstzustand hervorrufen (vgl. McGhee 1979, S. 46). Für das Empfinden von Humor muss sich das Kind sicher fühlen, indem die interagierende Person ihm das Gefühl vermittelt, dass es in der Situation um gemeinsamen Spaß geht (vgl. ebd., S. 47).

Die zweite Spielform, welche Kinder ab circa dem zwölften Lebensmonat entwickeln, ist das Symbolspiel. Es wird als „die eigentliche kindliche Form des Spiels“ (Drews 2010, S. 253) betrachtet. Zudem charakterisiert es sowohl die zweite Stufe der Humorentwicklung nach McGhee als auch die zweite Phase der kognitiven Entwicklung nach Piaget (präoperationale Phase), welche als eine Stufe des symbolischen Denkens gilt. Durch die Anwendung von Symbolen grenzen sich Kinder zeitweilig von der Realität ab, indem sie Gegenständen und/oder Personen eine andere Bedeutung zuschreiben. Dennoch scheint es in Bezug auf die dahinter stehende Absicht einen Unterschied zwischen dem Symbolspiel und humorvollen Interaktionen zu geben (vgl. ebd., S. 253).

Das Symbolspiel wird als eine ernsthafte Tätigkeit angesehen, welche der „Erschaffung einer kompensatorischen Welt, in der Ängste, Wünsche und Bedürfnisse zum Ausdruck kommen“ (ebd., S. 253) dient. Nach dieser Auffassung nutzen die Kinder das Symbolspiel als Problemlösungsprozess, um die Macht ihrer Gefühle besser bewältigen zu können. Sie beabsichtigen damit nicht, humorvoll zu handeln. Die daraus entstehenden Inkongruenzen und das damit verbundene Empfinden von Humor liegen insofern nur an der Wahrnehmung der beobachtenden Personen und nicht an der kindlichen Intention. Wenn wiederum Kinder den Bezug zur Realität mit Absicht manipulieren, indem sie für eine beobachtende Person unerwartete Ereignisse durch ihr Handeln hervorbringen, dann wenden sie Humor an. Ein Beispiel dafür ist, wenn ein Kind seine Füße in zwei Kartons steckt und damit auf dem Boden gleitet, als ob es Schlittschuh führe, während es sich lächelnd einer anwesenden Person zuwendet.

Das Regelspiel ist die dritte Spielform, welche Kinder lernen. Diese Spielform herrscht nach Piaget auf der Stufe der konkreten Operationen zwischen dem siebten und zwölften Lebensjahr vor und wird im Jugend- sowie im Erwachsenenalter ausdifferenziert. Obwohl diese Alterspanne nicht mehr zur frühen Kindheit gehört, ist das Regelspiel für diese Phase trotzdem relevant, da die Fähigkeit zum Umgang mit Regeln bzw. sozialen Vereinbarungen sich schon im Kindergartenalter zwischen vier und sieben Jahren beginnt. Dabei können sowohl eigentliche Spiele, wie „Mensch, ärgere dich nicht“, Kartenspiele oder Schach hinzugezählt werden. Selbst wenn das Leben kein Regelspiel ist, lernen Kinder, dass es im menschlichen Zusammenleben bestimmte Regeln und gesellschaftliche Normen gibt, die zu beachten sind.

Betrachten wir diese gemeinschaftliche Seite der Spieltätigkeit, sind ebenfalls Humorinteraktionen zu entdecken. Diese können sich durch das Austesten und die Verletzung von explizit oder implizit vereinbarten gesellschaftlichen Normen äußern (vgl. Drews 2010, S. 254). Ein Beispiel aus der Praxis:


Zwei Kinder sitzen zum Mittagessen im Kindergarten am Tisch. Eines dieser Kinder beginnt in sein Glas zu spucken, worauf das andere Kind mit Lachen reagiert und die Handlung seines Freundes nachzuahmen beginnt. Der Spaß der Kinder wird durch die Wiederholung und die Übertreibung gesteigert, obwohl ihnen durch die Sozialisation im Elternhaus sowie in der Tageseinrichtung sicherlich schon bewusst ist, dass ihr Handeln der gesellschaftlich angenommenen Norm des Tischverhaltens widerspricht.


In diesem Fall entsteht die humorvolle Situation durch den Verstoß gegen die Regel. Dieses Beispiel zeigt, dass der Humor unangepasste und unerwünschte Formen für den kindlichen Erziehungsprozess annehmen kann. Von Seiten der Erziehenden ist ein verständnis- und humorvoller Umgang mit der Situation empfehlenswert, da das kindliche Verhalten nicht auf bösem Willen beruht. Es gründet sich eher auf einem lustvollen, interaktiven und herausfordernden Spieltrieb, wie Drews im Spiel „ein Bedürfnis nach lustvoller Spannung“ und eine „Suche nach Diskrepanz“ (Drews 2010, S. 254) sieht. Dabei stellen der Humor und das Lachen ein Ventil dar, um die Spannung zu reduzieren.



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