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Humor in der frühen Kindheit

Inhaltsverzeichnis

  1. Die Entwicklung des frühkindlichen Humors
  2. Humor, Emotion und Neurobiologie
  3. Humor und Spiel
  4. Fazit und Ausblick
  5. Literatur

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Die Entwicklung des frühkindlichen Humors

Nachfolgend wird unter anderem mit Hilfe des Stufenmodells von Paul McGhee die Entwicklung des frühkindlichen Humors dargelegt. McGhee gilt als Pionier der modernen Humorforschung und Vertreter der Inkongruenztheorie über den Humor. „Are human infants born with the ability to experience humor, or does it develop at some point later in infancy or childhood?“ (Werden Säuglinge mit der Fähigkeit Humor zu erleben geboren oder entwickelt sie sich ab einem bestimmten Zeitpunkt während der Säuglingszeit oder Kindheit?) (McGhee 1979, S. 46).

Humor wird seit Jahrhunderten erforscht. Nichtsdestotrotz blieb bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts die Untersuchung seiner Entwicklung bei Kindern unberücksichtigt. Freud behauptete sogar, dass Kinder keinen Humor besitzen, weil sie ihn nicht brauchen, um sich glücklich zu fühlen (vgl. Böhnsch-Kauke 2003, S. 23). Dennoch haben spätere Studien (u. a. von McGhee) nachgewiesen, dass Kinder schon zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr Humor entwickeln (vgl. McGhee 1979, S. 49). Dieser Nachweis beruht auf der Erforschung von Lächeln und Lachen als zwei kommunikativen Phänomenen, welche bereits in der Säuglingszeit auftreten. Allerdings sind sie lediglich als Indikatoren und nicht als Beweis für die Humorentwicklung zu verstehen (vgl. Wicki 2000, S. 176).

In der ersten Woche nach der Geburt kann bei Säuglingen ein erstes Lächeln während des Schlafs beobachtet werden. Es ist ein Zeichen für die Aktivität des zentralen Nervensystems (vgl. McGhee 1979, S. 48). Im wachen Zustand tritt das Lächeln zwischen der zweiten und der vierten Lebenswoche auf, öfter auch ohne den Einfluss eines äußeren Reizes (vgl. Largo 2007, S. 62).

Gegen Ende des ersten Lebensmonats reagieren Säuglinge auf körperliche Reize (z. B. Streicheln) mit einem spontanen Lächeln. Meist geschieht das in Interaktion mit der Bezugsperson und ihrer stimmlichen Begleitung des Tuns. Im zweiten Lebensmonat wecken visuelle und akustische Reize in Zusammenhang mit Bewegung das Interesse der Kinder und können ebenso ein Lächeln hervorrufen (vgl. McGhee, S. 49).

In den folgenden Monaten (ca. zwischen dem dritten und vierten Monat) scheint die Form eines unbewegten menschlichen Gesichts die zuverlässigste Quelle für das Lächeln darzustellen. Piaget nennt dieses Phänomen das „Erkennungslächeln“. Er erklärt dies damit, dass der Säugling sich an genügend Merkmale eines Gesichts erinnern kann, um dieses als vertraut zu erkennen (vgl. McGhee 1979, S. 49).

Besonders interessant scheint das Auftreten des Lächelns bis zum sechsten Monat. Einerseits erkennt der Säugling allmählich genauer das Gesicht seiner Bezugspersonen und lächelt sie eher an als fremde Personen. Dies kann als Zeichen einer beginnenden Bindung gesehen werden. Andererseits rufen Gegenstände, welche mit einem gewissen Aufwand erkannt werden, eher ein Lächeln hervor, als jene, die sofort eingeordnet werden oder völlig unbekannt sind (vgl. McGhee 1979, S. 50). Das Kind muss sich erst an den Gegenstand gewöhnen und eine kognitive Verarbeitung leisten, indem es diesen mit früheren Erfahrungen vergleicht, um Interesse und Freude daran zu haben. Diese Erkenntnis deutet darauf hin, dass bei Säuglingen Neugier und Lächeln durch ein bestimmtes Niveau von Diskrepanz und geistiger Anstrengung ausgelöst werden.

Säuglinge lachen in der Regel zum ersten Mal zwischen dem dritten und vierten Monat. Dies geschieht meistens, wenn sie mit einer Bezugsperson interagieren. Die Ursachen sind ähnlich wie bei dem Lächeln, nämlich akustische Reize in Verbindung mit körperlichen Stimuli (vgl. McGhee 1979, S. 52). Dabei ist anzumerken, dass Säuglinge im Laufe des ersten Lebensjahres immer häufiger lachen, da diese Stimuli mit zunehmendem Alter zahlreicher und komplexer werden (vgl. Falkenberg 2010, S. 25). Beispielsweise reagieren Kinder zwischen dem siebten und achten Monat mit einem Lachen eher auf taktile Reize, während Einjährige dies häufig bei visuellen oder sozialen Reizen (z. B. Grimasse schneiden oder die Zunge herausstrecken) tun.

Für McGhee ist unterdessen das Lachen als Reaktion auf solch inkongruente Situationen die erste Stufe der Humorentwicklung bei Kindern im Alter zwischen sechs und zwölf bis 15 Monaten, obwohl er es in seinen früheren Veröffentlichungen nicht so sah (vgl. McGhee 2010a, o. S.). Kinder lachen über Verhaltensweisen ihrer Bezugspersonen, welche ihnen ungewöhnlich vorkommen, können aber selber noch nicht humorvoll agieren. Die Begründung dafür liegt seiner Ansicht nach darin, dass „imagination, make-believe, and fantasy (...) are emphasized as playing a central role in children’s humor“ (McGhee 1979, S. 47). Kinder müssen also die notwendigen kognitiven Fähigkeiten entwickeln, um sich fantasievoll mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen, bevor sie die Inkongruenz des Humors verstehen und selber produzieren können (vgl. ebd. S. 53).

Ein Zeichen dieser kognitiven Entwicklung stellt das Auftreten des Symbolspiels bzw. Als-ob-Spiels bei Kindern zwischen zwölf und dreizehn Monaten dar. Kennzeichnend für diese Tätigkeit ist, dass ein Spielgegenstand umgedeutet (z. B. eine Banane wird als Telefon benutzt) bzw. von einem fiktiven, gedachten Objekt ersetzt wird, wenn das Kind beispielsweise vorgibt, aus einer leeren Tasse zu trinken (vgl. Oerter & Montada 2008, S. 240). Diese neu erworbene Fähigkeit ermöglicht Kindern, erste humorvolle Situationen selbst zu erzeugen. Für McGhee stellt dies die zweite Stufe der Humorentwicklung dar, in der Kinder inkongruente Handlungen gegenüber Objekten vollziehen (vgl. McGhee 1979, 66).

Die dritte Stufe setzt circa zwischen dem 24. und dem 27. Lebensmonat ein und geht mit der Entwicklung der Sprache des Kindes einher. Da Kinder in diesem Alter über sprachliche und begriffliche Kompetenzen verfügen, können sie nun mit Hilfe von Wörtern Humor hervorbringen. Kinder haben Freude daran, Bezeichnungen von Gegenständen oder Namen von Personen zu vertauschen (vgl. McGhee 1979, S. 68). Beispielsweise sagen sie, dass eine Katze ein Hund sei oder Paul Anna heiße. Ein wichtiges Merkmal dieser Phase ist, dass Kinder nicht nur mit Objekten, sondern auch mit Wörtern agieren und wegen verbaler Äußerungen lachen. Diese Tatsache weist auf die Entwicklung der Fähigkeit zur Abstraktion hin (vgl. ebd., S. 69).

Die vierte Stufe ist zwischen dem dritten und fünften Lebensjahr einzuordnen und scheint die Phase der Entstehung des Sinns für Humor bei Kindern zu sein (vgl. Mc Ghee 2010 b, o. S.). In dieser Phase treten multiple Formen von Humor auf. Die Kinder finden Gefallen an Wortklängen und sie beginnen damit zu spielen, indem sie beispielsweise ein Wort mehrmals wiederholen und bei jeder Wiederholung die Anfangsbuchstaben ändern. Dadurch ergeben sich Wörterketten wie mama, bama, dama, kama, lama (vgl. McGhee 2010b, o. S.). Eine andere Art der humorvollen Interaktionen liegt in der Kombination von wirklichen und unwirklichen Wörtern, wie beispielsweise „I want more treemilk“ (vgl. ebd., o. S.). Die letzte charakteristische Humorinteraktion nach McGhee betrifft das Spiel mit Konzepten. Kinder wissen nun, dass ein Begriff verschiedene Erscheinungsbilder und Eigenschaften besitzen kann und empfinden Freude daran, die Konventionen zu verletzen. Witzig finden sie beispielsweise, Eigenschaften dort hinzuzufügen, wo sie nicht hingehören (wie ein menschlicher Körper mit einem Hundekopf) oder unmögliches Verhalten darzustellen (wie eine Kuh auf Schlittschuhen) (vgl. ebd., o. S.).



Tipps für die pädagogische Praxis

Gestaltung einer für den Humor förderlichen Umgebung:
- Verkleidungsmaterial
- visuelle Medien (Bilder, Bücher...)
- akustische Medien (Lieder-, Geschichtenaufnahmen
- Geborgenheit und Sicherheit der Kinder durch die „wohlwollende Aufmerksamkeit der Erwachsenen“ (vgl. Drews 2010, S. 229)






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