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Gesunde Ernährung von Anfang an

Inhaltsverzeichnis

  1. Anwendungsforschung am Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE)
  2. Ernährung von Säuglingen
  3. Stillen
  4. Muttermilchersatz
  5. Produktgruppen
  6. Beikost
  7. Baukastensystem der Beikost
  8. Optimierte Mischkost
  9. Baukastensystem der Mahlzeiten
  10. Fazit für die Praxis
  11. Literatur

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Das Baukastensystem der Beikost


Im „Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr" werden im Abstand von etwa einem Monat nacheinander drei aufeinander abgestimmte Breimahlzeiten eingeführt (Abbildung 3): (1) ein Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei, (2) ein Milch-Getreide-Brei, (3) ein Getreide-Obst-Brei.

Abb. 3



Die zeitliche Abfolge der Mahlzeiten und die Lebensmittelauswahl berücksichtigen die limitierenden Nährstoffe beim Stillen. Der fleischhaltige Brei liefert vor allem die für die kindliche Entwicklung und das Wachstum wichtigen Nährstoffe Eisen und Zink in einer für den Körper gut verfügbaren Form. Der Milchbrei enthält neben hochwertigem Eiweiß auch wichtige Mineralstoffe, besonders Kalzium. Der Gemüse-Obst-Brei ergänzt die Vitaminzufuhr. Die unterschiedlichen Lebensmittel- und Nährstoffprofile der Beikostmahlzeiten ergänzen sich zusammen mit der verbleibenden Milch (Muttermilch, Anfangs-, Folgenahrung) zu einer ausgewogenen Tageskost und Nährstoffzufuhr, das sogenannte Baukastensystem der Beikost.

 

Variation in der Lebensmittelauswahl


Für die Beikost werden nur wenige nährstoffreiche Lebensmittel in wohlüberlegt zusammengesetzten Mahlzeiten benötigt. Nach Beginn der Beikost mit Gemüse kann durch Hinzufügen von Kartoffeln, Fleisch und Öl rasch eine vollständige Mahlzeit aufgebaut werden. Neue Studien zeigen, dass anstatt der monotonen Gabe von Gemüse, z. B. Karotte, eine Abwechslung der Gemüse in der Beikost die Akzeptanz neuer Lebensmittel bei Säuglingen fördert. Dieser Effekt ist bei gestillten Säuglingen ausgeprägter als bei nicht gestillten Säuglingen. Er könnte die spätere Akzeptanz einer gemischten Kost wie der Optimierten Mischkost erleichtern.

Für eine allgemeine Diät zur Allergieprävention im ersten Lebensjahr gibt es keine Belege. Ein Verzicht auf stark allergene Lebensmittel, z. B. auf Kuhmilch, Weizen oder Fisch kann deshalb nicht empfohlen werden. Vielmehr gibt es Hinweise, dass Fischkonsum im ersten Lebensjahr einen vorbeugenden Effekt auf die Entwicklung atopischer Erkrankungen hat. Da fettreicher Fisch, z. B. Lachs, für die kindliche Entwicklung wichtige omega-3 Fettsäuren enthält, kann ein bis zwei Mal pro Woche das Fleisch in der Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Mahlzeit durch Fisch ersetzt werden. Die Zugabe von Süßungsmitteln und Salz ist dagegen zu vermeiden, da durch eine frühe Gewöhnung spätere Präferenzen für diese Geschmacksrichtungen verstärken werden können.

 

Selber kochen oder Fertigprodukte?


Wie Abbildung 3 zeigt, gibt es im „Ernährungsplan" neben der Selbstherstellung der Beikostmahlzeiten auch die Möglichkeit, industriell hergestellte Produkte einzusetzen. Selbstherstellung und industrielle Herstellung haben ihre je spezifischen Vor- und Nachteile, die Eltern in ihrem eigenen Ermessen gegeneinander abwägen können.

Für industriell hergestellte Beikost gelten höhere gesetzliche Qualitätsansprüche als für andere Lebensmittel, besonders für den Gehalt an Schadstoffen wie Pflanzenschutzmittel oder Nitrat. Sie gehen noch über die Kriterien für ‚Bio'produkte hinaus. Aber auch übliche Lebensmittel sind ausreichend sicher und für die Zubereitung von Beikost im Haushalt geeignet.

Die Verwendung von Fertigprodukten spart Zeit und Arbeit. Der hohe Conveniencegrad verteuert Fertigprodukte gegenüber der Selbstherstellung. Bei der Selbstzubereitung kann die Geschmacksvielfalt von Gemüse und Obst genutzt werden. Auf Zugabe von Salz und Zucker kann bewusst verzichtet werden.

Industriell hergestellten Milchbreien wird in der Regel ein Mix an Nährstoffen, vor allem Vitaminen zugesetzt. Diese Anreicherung bietet in der Regel keinen Vorteil. Im „Ernährungsplan" liefern die selbst hergestellten Breie die notwendigen Nährstoffe mit Ausnahme von Jod. Gestillte Säuglinge, die ausschließlich selbsthergestellte Beikost erhalten, sollten deshalb zusätzlich Jod als Supplement (50 µg/Tag als Tablette) erhalten, oder einen jodangereicherten Fertigmilchbrei. Wesentlicher als die Entscheidung für die Selbstherstellung oder für Fertigprodukte ist die Einhaltung des Baukastensystems der Beikost.

 

Tipps für die Auswahl von Beikost-Fertigprodukten


In Deutschland werden mehr als 1.000 industriell hergestellte Beikostprodukte am Markt angeboten. In der Ernährungspraxis sind Fertigprodukte in der Beikost beliebt: im Alter von sechs (zwölf) Monaten erhalten bis zu 80 (60) Prozent der Säuglinge den Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei in Form von industriell hergestellten Mahlzeiten.

Bei der Auswahl von Fertigprodukten können folgende Kriterien als Orientierung dienen:

  • einfache Zusammensetzung der Produkte, nicht mehr Lebensmittelzutaten als notwendig (Orientierung an den FKE-Rezepten für die Selbstherstellung),
  • Verzicht auf Zucker, andere Süßungsmittel, Salz und Aromen,
  • Jodzusatz bei Milchfertigbreien und sog. Frischmilchbreien (Zutatenliste: Kaliumjodid, Kaliumjodat)

Informationen bietet eine Online Beikostatenbank, die vom FKE gepflegt und vom Land Hessen technisch verwaltet wird. Hier sind die im Markt angebotenen Beikostprodukte und deren Zusammensetzung aufgelistet, zusammen mit Kommentaren zur Verwendung im Rahmen des Ernährungsplans.

 

Immer wieder in der Diskussion: Kuhmilch im 1. Lebensjahr ?


In Kuhmilch sind wichtige Nährstoffe für den Säugling, z. B. Eisen, Jod und Kupfer, nicht ausreichend enthalten, der Anfangs- und Folgenahrung werden sie wie gesetzlich vorgeschrieben zugesetzt. Größere Mengen an Kuhmilch können die Versorgung des Säuglings mit Eisen beeinträchtigen und die Eiweißzufuhr überhöhen.

Die Gabe von Kuhmilch ist im „Ernährungsplan" auf die Beikost und auf die Menge von 200 ml pro Tag im Milch-Getreide-Brei beschränkt. Als Ersatz für Muttermilch oder industriell hergestellte Säuglingsnahrung ist Kuhmilch nicht geeignet. Die Kuhmilch (Vollmilch, 3,5 Prozent Fett) sollte altersgerecht aus der Tasse getrunken werden, nicht aus der Flasche, z. B. bei der Brot-Mahlzeit morgens und abends, um einen unnötig hohen Verzehr zu vermeiden. Milchprodukte wie Joghurt sind wie Vollmilch anzusehen. Sie können die Milch im Vollmilch-Getreide-Brei oder das Tassengetränk ersetzen. Quark oder Frischkäsezubereitungen sind konzentrierte Milch und für Säuglinge nicht zu empfehlen.

 

Neu in der Diskussion: Brei oder finger food?


In letzter Zeit wird die bisherige Breifütterung durch die Propagierung des von einer britischen Hebamme entwickelten „Baby led Weaning", also der vom Baby gesteuerten Beikost, in Frage gestellt. Bei dieser Form der Beikost wird das Prinzip des Stillens nach Bedarf bei der Beikost weitergeführt, indem das Kind die Auswahl und Menge der Lebensmittel steuert. Die Befürworter gehen davon aus, dass Kinder ab dem Alter von etwa sechs Monaten ihre Hand-Mund-Motorik ausreichend steuern können um eigenständig zu essen. Das Baby soll schon früh bei den Mahlzeiten der Familie mit essen und erhält die Lebensmittel in mundgerechten Stücken, mit denen es sich selbst füttert. Unter diesen Annahmen erübrigt sich eine Breiphase.

Die in der Literatur auffindbaren wenigen Studien zum Baby led Weaning können die pädiatrisch-ernährungswissenschaftlichen Vorbehalte nicht ausräumen:

  • Es fehlt ein durchkalkuliertes Konzept und der Nachweis der Sicherheit der Energie- und Nährstoffversorgung, um als allgemeine Empfehlung gelten zu können.
  • Da sich die Fertigkeiten zum selbstständigen Essen erst im Laufe des zweiten Lebenshalbjahres entwickeln, besteht bei ausschließlicher Propagierung des Selberessens das Risiko einer verzögerten Einführung nährstoffreicher Lebensmittel mit ausreichender Energiedichte.
  • Der postulierte Vorteil eines langfristig gesünderen Ernährungsverhaltens bei Kindern, die die Beikost nach Bedarf selbst steuern, wurde noch nicht nachgewiesen.

Das Baby led Weaning kann aber Denkanstöße für eine Öffnung der bestehenden Breiempfehlungen geben. Auf diese Weise können die Vorteile der Ernährung nach dem „Ernährungsplan" (ausreichende Energie- und Nährstoffzufuhr) und des Baby led Weaning (frühzeitige Gewöhnung an sensorisch vielfältige Lebensmittel) einander ergänzen. Beikost als Finger Food und die traditionelle Breieinführung schließen einander nicht aus.

 

Getränke


Der Flüssigkeitsbedarf ist bei Säuglingen, bezogen auf Kilogramm Körpergewicht, höher als bei älteren Kindern und bei Erwachsenen, da der Wassergehalt des Körpers und der tägliche Wasserumsatz höher sind und die Ausscheidungsfunktionen der Nieren noch reifen. Bei der ausschließlichen Milchernährung in den ersten Lebensmonaten ist eine zusätzliche Zufuhr von Flüssigkeit nicht notwendig (Ausnahme: Fieber, Erbrechen, Durchfall). Mit Einführung der Beikost wird die Nahrung fester, der Wassergehalt (bezogen auf den Energiegehalt) nimmt ab. Nach Einführung aller drei Breimahlzeiten sollte Säuglingen deshalb zusätzlich als Getränk Wasser oder für Säuglinge geeignete, nicht gesüßte Tees angeboten werden.

 

Übergang auf die Familienernährung


Zwischen neun und 15 Monaten ist ein Kind soweit entwickelt, dass es durch Nachahmung lernt, aus der Tasse zu trinken und mit einem Löffel zu essen, von fester Nahrung kann es abbeißen. Etwa ab dem zehnten Lebensmonat kann die spezielle Säuglingsernährung schrittweise durch Speisen aus der ausgewogenen Familienernährung ergänzt und erweitert werden. Die Brei- und Milchmahlzeiten gehen, beginnend mit der Einführung von Brot, nach und nach in die drei Hauptmahlzeiten (Frühstück, Mittagessen, Abendessen) und zwei Zwischenmahlzeiten (vormittags, nachmittags) der Familienernährung über. Vorsicht ist geboten bei kleinen festen Lebensmitteln bzw. sehr harten aber brechbaren Wurzelgemüse. Nüsse oder rohes Wurzelgemüse sollten wegen der möglichen Aspirationsgefahr nicht gegeben werden.

 



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