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Neue Medien in der Frühpädagogik

Zur Mythologie der neuen Medien in der Frühpädagogik oder Der dritte Lernort

Inhaltsverzeichnis

  1. Mythos 1: Kindergartenkinder nutzen neue Medien nicht
  2. Mythos 2: Neue Medien sind kein Gegenstand der Frühpädagogik
  3. Mythos 3: Die negativen Aspekte der Medien überwiegen
  4. Mythos 4: Der Erzieherinnenberuf ist ein Bildungsberuf
  5. Mythos 5: Neue Medien sind Gegenstand der Erzieherinnenausbildung
  6. Mythos 6: Lehrkräfte in der Erzieherinnenausbildung vermitteln Medienkompetenz
  7. Mythos 7: Wer Erzieherinnen ausbildet, kann auf neue Medien verzichten
  8. Mythos 8: Die Vermittlung von Medienkompetenz ist gleichmäßig verteilt
  9. Mythos 9: E-Learning gehört zur frühpädagogischen Aus-, Fort- und Weiterbildung
  10. Mythos 10: Fachforum im Netz versus Facebook
  11. Mythos 11: Der Dialog zwischen Lernort Schule und Praxis funktioniert online nicht
  12. Zukunftskonzept „Neue Medien in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte“.
  13. Netz-Tipps für AusbildnerInnen, ErzieherInnen und Kinder
  14. Literatur

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Die neuen Medien sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Dennoch werden ihre Möglichkeiten in der Frühpädagogik kaum genutzt, findet Michael Kobbeloer. Der Autor räumt mit einigen Mythen auf und entwirft ein Zukunftskonzept mit den Medien als „Dritten Lernort“.

Wir übernehmen den folgenden Beitrag mit freundlicher Genehmigung vom "Verlag das Netz", in dessen Zeitschrift „Betrifft Kinder“ er zuerst erschienen ist.


Hinter meinem Gartenzaun steht ein Kletterbaum. Dort saßen neulich drei Kinder im Kindergartenalter und surften mit einem Smartphone im Internet. Sie klickten sich durch die Seiten, und ich hörte: „Youtube, oh, ah, igitt, cool, mach das weg…“ Kein Schutz, keine Reflexion des Gesehenen. Zwar gibt es viele Möglichkeiten, den Umgang mit neuen Medien zu erlernen, doch meistens läuft es wie eben beschrieben ab. Medienkompetenz entwickelt sich auf diese Weise eher nicht. Kein Wunder, dass jeder siebente Weltbürger Facebook völlig unreflektiert nutzt. Neue Medien stehen in der gesellschaftlichen Bedeutung und Vermarktung zwar an erster Stelle. In der Pädagogik stehen sie aber an letzter Stelle – eine Diskrepanz, die kein Pädagoge wirklich begründen kann.

Bereiten wir unsere Kinder auf eine medienfreie Welt vor, die es nicht mehr gibt? Woran liegt es, dass wir neue Medien zwar täglich zunehmend nutzen, aber offensichtlich nicht bereit sind, medienpädagogische Kompetenzen zu erwerben und zu vermitteln? Haben wir Angst vor der Selbstreflexion? Angst davor, erkennen zu müssen, dass wir diese Medien selbst unreflektiert und inkompetent nutzen? Das Problem sind nicht die Medien, sondern das, was wir damit machen.

 

Mythos 1: Kindergartenkinder nutzen neue Medien nicht


„Mythen erheben einen Anspruch auf Geltung für die von ihnen behauptete Wahrheit“, steht bei Wikipedia. Ein moderner Mythos ist, dass Kinder im Kindergartenalter neue Medien - also alle Medien, die einen Zugang zum Internet ermöglichen - nicht nutzen. Diese Annahme dient Erzieherinnen, Fortbildnerinnen und Lehrkräften in der Ausbildung nicht selten als Begründung, um um das Thema einen großen Bogen zu machen. Tatsache ist jedoch: Immer mehr und immer jüngere Kinder nutzen Computer und Internet – laut einer Forsa-Studie aus dem Jahr 2011 mehr als ein Drittel der drei- bis fünf jährigen Kinder. Obwohl fast alle Eltern Kinderschutzsoftware als sinnvoll ansehen – nur jedes zehnte Elternpaar, vorwiegend gut ausgebildete Mütter und Väter, setzt sie ein.

Inzwischen sind die neuen Medien in nahezu allen Haushalten vertreten, in denen Kinder aufwachsen. In einer Studie von Six und Gimmler wiesen Erzieherinnen darauf hin, es gebe überhaupt keine positiven Wirkungen dieser Medienpräsenz (Six 2007, S. 191). Ihre eigene Kompetenz und die Bedeutung von Medienkompetenz in der Ausbildung weisen in eine vergleichbare Richtung.

Die bekannten Altersfreigaben der FSK und USK greifen bei den neuen Medien nicht. Früher war es einem Kindergartenkind nahezu unmöglich, Zugang zu kinder- und jugendgefährdenden Filmen, Software und anderen Medien zu erhalten. Kein Mensch hätte sie ihnen ausgeliehen. Im Netz hingegen gibt es keine Kontrolle. Auch ohne gezielt zu suchen oder durch fehlerhafte Eingaben, die einem Kindergartenkind aufgrund mangelnder Schreibkompetenz unterlaufen können, gelangen Kinder auf Seiten, die sie gefährden, und die Erwachsenen stehen machtlos – besser: kompetenzlos – daneben. Experten schätzen, dass trotz Altersbeschränkungen und Verboten weltweit 5 Millionen Kinder unter zehn Jahren über eine falsche Altersangabe bei Facebook angemeldet sind und dass rund ein Drittel der Eltern dies weiß, zum Teil sogar unterstützt. Das weltweit größte soziale Netzwerk, das inzwischen schon knapp 1 Milliarde Nutzer hat – bei einer Weltbevölkerung von rund 7 Milliarden Menschen – plant übrigens, den Zugang für Kinder unter 13 Jahren jetzt auch offiziell zu realisieren. Wie ist die pädagogische Zunft darauf vorbereitet? Gar nicht!

Das Deutsche Kinderhilfswerk fordert, dem Wunsch der Kinder nach Teilhabe an sozialen Netzwerken mit Medienkompetenz zu begegnen und hat erkannt, dass Verbote nichts bringen. Kindgerechte Angebote im Netz wie „internauten.de“ oder „clipklapp.de“ bieten Kindern einen ersten Einstieg in diese Welt – redaktionell betreut, geschützt und werbefrei. Aber welche Erzieherin, welcher Grundschullehrer kennt diese Angebote?

Smartphones, Tablet-PCs, Navigationssysteme und Bordcomputer sind oder werden in naher Zukunft internetfähig sein: Nahrung für die Horrorvision von den „Cyberkids“. Der meist kommunikationstechnisch-funktionale Kompetenzvorsprung der jungen Generation lässt das

Bild von rund um die Uhr surfenden Kindern und Jugendlichen entstehen, die unter emotionaler und sozialer Vereinsamung leiden. Empirische Studien wie die des Deutschen Jugendinstituts zeigen hingegen deutlich, dass dieses Bild nicht stimmt: Kinder, die sich für das Internet interessieren, sind nach außen orientiert, engagieren sich in Vereinen, bewegen sich viel und haben auch an anderen Dingen Interesse – egal übrigens, welcher sozialen und Bildungsschicht sie entstammen (Vgl. Feil 2001). Diese Kinder sind die erste Generation, die mit den neuen Medien selbstverständlich aufwächst und sie nicht als Gefahr, sondern als Chance begreift. Pädagogisch professionelles Handeln muss sich dieser Tatsache bewusst sein, wenn der gesellschaftliche Erziehungsauftrag erfüllt werden und das Klientel dort abgeholt werden soll, wo es steht – also auch im Netz.

Zwar kritisieren einige Wissenschaftler die kindliche Mediennutzung immer wieder, aber die von Manfred Spitzer geforderte „bewahrpädagogische Haltung“ (Vgl. Spitzer 2006a, S. 276) gegenüber neuen Medien verspricht keinen Erfolg. „Um es nun gleich vorweg zu sagen: Ich bin nicht dafür, dass Kinder in den Medien Gewalt sehen. Ich bin sehr dafür, dass Kinder genügend Platz für bewegungsintensive Spiele haben, ich bin sehr dafür, Kindern ein abwechslungsreiches Bildungsangebot (mit und ohne Medien) zu bieten. Ich verbürge mich dafür, Medienkompetenz und einen vernünftigen Medienumgang in all meinen pädagogischen Aktivitäten zu vermitteln“, schreibt Norbert Neuß in seiner fundierten und empfehlenswerten Auseinandersetzung mit den Thesen von Spitzer. (Neuß 2009, S. 15-35)

Mit Hirnforschern, die sich inzwischen nahezu jedem gesellschaftlichen Problem widmen, setzt sich auch Stephan Schleim in seinem Buch „Die Neurogesellschaft“ auseinander. Er kommt zu dem Schluss, dass die Hirnforschung die komplexe Interaktion eines Menschen in seiner sozio-kulturellen Lebenswelt häufig vergisst und somit ein sehr reduziertes Bild vom Menschen zeichnet (Schleim: Train your brain. Telepolis). Wir sind mehr als unser Gehirn, mehr als die Summe unserer neuronalen Verschaltungen, und wenn sie den sozialen Kontext negieren, bieten neurowissenschaftliche Erkenntnisse keinerlei Ansätze für die Lösung von Problemen. Schleim fasst zusammen: „Es ist jedenfalls höchste Zeit, die Neuro-Autorität mancher Hirnforscher kritisch zu hinterfragen – über die dafür notwendigen Fähigkeiten verfügen wir zum Glück auch ohne Gehirnjogging.“ (Ebd.)

Auf die Frage der Folgen von Mediennutzung kann die Hirnforschung zwar antworten, doch eine pädagogische Lösung bedarf der kritischen Reflexion aus medienpädagogischer Sicht. Pädagogische Konzepte lassen sich nicht aus Befunden der Hirnforschung ableiten.

 

Mythos 2: Neue Medien sind kein Gegenstand der Frühpädagogik


Die frühpädagogischen Arbeitsfelder haben einen staatlichen Bildungsauftrag, der die neuen Medien aus Sicherheitsgründen ausschließt – der zweite Mythos. Neue Medien kommen, je nach Bundesland mehr oder weniger, in den Bildungsplänen für den Elementarbereich durchaus vor.

Im niedersächsischen Orientierungsplan finden sich die neuen Medien unter anderem im Bildungsbereich „Sprache und Sprechen“, in dem neben einer eigenständig zu nutzenden Kinderbibliothek und Gesellschaftsspielen auch eine Schreibecke mit verschiedenen Medien - Papier, Schreibgeräte und der Computer - aufgeführt wird. Im Lernbereich „Lebenspraktische Kompetenzen, handwerkliches Können und Experimentieren“ gehört der Computer neben technischen Geräten wie Fotoapparat, Videokamera, Projektor und Leinwand, Telefon und diversen Haushaltsgeräten selbstverständlich dazu. Im Bereich „Entwicklung kognitiver Fähigkeiten und der Freude am Lernen“ wird die Ausstattung einer Experimentierwerkstatt beschrieben, zu der auch der Computer und interaktiv zu nutzende Programme für Kinder zählen.

Im Berliner Bildungsprogramm sind Medien grundsätzlich Mittler aller Art – neben Büchern, Filmen und Spielzeug auch der Computer. Zu den Kompetenzen, die im Bildungsverlauf erworben werden sollen, gehört auch der Umgang mit dem Computer, was die Herstellung von Zusammenhängen der eigenen Lebenswirklichkeit mit Computerspielen ebenso beinhaltet wie die Reflexion darüber, welche Bedeutung Medien im Familienalltag haben. Den Erwachsenen bietet der Computer die Möglichkeit, in Bild und Text festzuhalten, was Kinder zu verschiedenen Zeiten gedacht, gefühlt und getan haben: Beobachtung und Dokumentation – natürlich ohne diese Daten später auf Facebook zu präsentieren.

Doch in einer Begleitstudie zur Umsetzung des „Orientierungsplans für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder“ zeigt sich deutlich, dass der Bereich „Medienerziehung“ selbst in Einrichtungen, die sich intensiv mit den Bildungsplänen auseinander setzen und sie engagiert umsetzen, an letzter Stelle steht. Nur 15 Prozent der Befragten geben an: „Wir wollen den Kindern zeigen, wie sie den Computer sinnvoll nutzen können.“

Halten wir fest: Obwohl Medien eine hohe Bedeutung im lebensweltlichen Alltag haben, hat Medienerziehung im Kontext der frühpädagogischen Bildungspläne den geringsten Stellenwert.

Dieses Paradox erklärt sich, wenn wir ein anderes Beispiel für einen „gefährlichen“ Lernort heranziehen. Stellen Sie sich vor, wir würden Verkehrserziehung aus dem Bildungsplan streichen, weil auf der Straße Gefahren lauern. Dass gerade hier begleitete Erfahrung der Schlüssel zur Kompetenz ist, weiß jede Erzieherin. Auf die „Datenautobahn“ will sie die Kinder aber nicht begleiten. Warum? Weil sie – im Gegensatz zum Straßenverkehr – für die „Datenautobahn“ keinen Führerschein erworben hat, also unsicher und inkompetent ist? Da hilft dann nur der Mythos.

Auch die Studie von Six und Gimmler kommt hinsichtlich der Bildungspläne zu einem ernüchternden Ergebnis: „Insgesamt ist somit die theoretische Basis für ein engagiertes und erfolgreiches medienerzieherisches Handeln in den Kindergärten in vielen Fällen offenbar nach wie vor nicht gegeben; die Erzieherinnen scheinen in dieser Hinsicht heutzutage kaum aufgeklärter zu sein als die in unserer Vorläuferstudie von 1997 Befragten. … Vor diesem Hintergrund verwundert es auch nicht, dass die Erzieherinnen – wie an verschiedenen Stellen in diesem Abschnitt immer wieder deutlich wurde – vielfach noch immer (und teilweise mehr als 1997) verunsichert sind im Hinblick auf die Bedeutsamkeit von Medienerziehung sowie deren Stellenwert im Rahmen der zahlreichen Bildungsaufträge, und verbunden damit häufig das Gefühl zu haben scheinen, medienerzieherisch eigentlich aktiver  tätig werden zu müssen, ohne dabei recht zu wissen, wie dies aussehen könnte.“ (Six, S. 222)

„In der mediengestützten frühkindlichen Bildung wird es künftig zu allererst darum gehen müssen, Eltern und andere Erziehungsverantwortliche in die Lage zu versetzen, den Medienumgang der Kinder altersgerecht und kompetent begleiten zu können. Dabei sollen sie den Kindern ermöglichen, die Vielfalt und die Chancen von (digitalen) Medien zu entdecken, aber auch bewusst deren Gefahren zu begegnen. Kinder sollen im ersten Lebensjahrzehnt sukzessive, auf der Basis des entdeckenden Lernens und eingebunden in alltagsrelevante Kontexte, angeregt werden, die Medien und Techniken gesellschaftlicher Kommunikation zu begreifen und zu handhaben, sie selbstbestimmt und kreativ zu gestalten, sie als Mittel kommunikativen Handelns zu nutzen und sie in sozialer und ethischer Verantwortung kritisch zu reflektieren. Dies muss im Wechselspiel von gezielter Förderung und selbsttätiger Kompetenzerweiterung in Bildungsprozessen durch, mit und über Medien geschehen“, so die Enquete-Kommission Internet und digitale Gesellschaft des Deutschen Bundestages. (2012)

 

Mythos 3: Die negativen Aspekte der Medien überwiegen


„Die negativen Aspekte der Medien überwiegen nach Meinung der Erzieherinnen deutlich.“ (Schneider et. al.: Ergebnis der Studie „Medienpädagogische Kompetenz in Kinderschuhen“, 2010) Diese bewahrpädagogische Haltung ist inzwischen derart tradiert, dass sie unveränderlich zu sein scheint. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Feststellung zweier vergleichender Studien von 1998 und 2007, wonach Erzieherinnen insgesamt nicht als „medien- oder technikfeindlich“ bezeichnet werden können, wenn man ihre private Ausstattung mit Mediengeräten als Maßstab heranzieht (Six/Gimmler, 2007, S. 131) Je jünger die Erzieherinnen sind, desto häufiger nutzen sie das Internet im privaten Bereich. Ihre computerbezogene Medienkompetenz schätzt aber nur etwa jede vierte Erzieherin als gut oder sehr gut ein. Negative Einschätzungen beruhen häufig auf „Berührungsängsten“ (Ebd.)

Für die Enquete-Kommission des Bundestages war Medienkompetenz bereits vor 15 Jahren eine „Basisqualifizierung für nahezu alle Berufsfelder“. (Schlussbericht Medienkompetenz der Enquete-Kommission des Bundestages, 1998 Im Juli des vergangenen Jahres forderte die gleiche Kommission erneut, dass der Umgang mit dem Internet fester Bestandteil der Erzieherinnenausbildung sein soll. Bereits der 11. Kinder- und Jugendbericht aus dem Jahr 2002 empfahl „Erzieherinnen und Erziehern … die eigene Medienkompetenz zu verbessern“. (11. Kinder- und Jugendbericht, 2002). Das BMFSFJ sah 2005 die „Vermittlung und Stärkung der Medienkompetenz bei Kindern und Jugendlichen als eine besonders wichtige Erziehungsaufgabe“ (BMFSFJ, 2005) und der aktuelle Konzeptentwurf zur Medienkompetenz in Niedersachsen konstatiert: „Medienkompetenz … ist eine Schlüsselkompetenz wie Lesen, Schreiben und Rechnen. Sie ist Voraussetzung für die Teilhabe an der Informations- und Wissensgesellschaft.“ (Medienkompetenz in Niedersachsen, Konzeptentwurf 2011)

Seit weit mehr als 15 Jahren ist das Thema „Medienkompetenz“ auf der Agenda vieler politischer und wissenschaftlicher Institutionen zu finden. Die genannte Enquete-Kommission stellt heute die gleichen Forderungen wie vor 15 Jahren. Ist fünf Kindergarten- Kindergenerationen später nichts passiert? Bücher medienpädagogisch einzusetzen, das lernten alle Erzieherinnen in ihrer Ausbildung. Ihre Medienkompetenz zu erweitern, das finden viele Erzieherinnen eher nachrangig oder unwichtig. Die meisten haben keine medienpädagogischen Fortbildungen besucht, obwohl Ergebnisse der Vorgängerstudie belegen, dass Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen angeboten und umfassend beworben wurden. „Der Vergleich mit der Vorläuferstudie zeigt, dass sich die Erzieherinnen im Schnitt für (noch) etwas schlechter qualifiziert zur Medienerziehung halten als die damals Befragten“ und dass ihr Interesse an einer privaten Auseinandersetzung mit dem Thema in den letzten Jahren eher gesunken ist. (Ebd., S. 149).

Es scheint: Je größer die Bedeutung der neuen Medien in der Gesellschaft und im Alltag, desto geringer die Bedeutung und das Interesse, medienerzieherisch in der Frühpädagogik aktiv zu werden. Immerhin macht die Studie von Six und Gimmler auch deutlich, „dass die Kenntnis einschlägiger Materialien und Hilfestellungen und die private Auseinandersetzung mit medienbezogenen Themen in einem eher positiven Zusammenhang zur Medienerziehung im Kindergarten stehen. Die Selbsteinschätzung fällt tendenziell positiver aus bei Erzieherinnen die sich privat mit relativ vielen medienpädagogischen Themen auseinander gesetzt haben, die während ihrer Ausbildung mit vergleichsweise vielen medienpädagogisch relevanten Themen konfrontiert wurden und die bereits an einer medienpädagogischen Fortbildung teilgenommen haben“ (Ebd. S. 150).

„Durch die bislang geringe Verankerung von Medienbildung im Bildungsbereich erklärt sich auch die geringe Thematisierung in der Bildungsforschung. Ein großer Teil der medienpädagogischen Forschung und Ausbildung konzentrierte sich in der Vergangenheit auf die außerschulische Jugendarbeit. Entsprechend dem geringen Umfang, in dem Medienbildungsprozesse Gegenstand wissenschaftlicher Forschung sind, sind auch die Forschungseinrichtungen, welche diese Fragen bearbeiten, bisher noch wenig damit befasst. Dies zeigt sich besonders im Bereich der frühkindlichen Bildung. Medienbildung im Umfeld von Kindertageseinrichtungen und Schulen sollte als Gegenstand von Bildungsforschung gestärkt werden.“ (Enquete, 2012, S. 5)

Wenn die neuen Medien intensiv genutzt werden, wenn Medienkompetenz von Experten mittlerweile auf eine Stufe mit Lesen, Schreiben und Rechnen gestellt wird, wenn Erzieherinnen diesem Bildungsbereich aber eher abnehmende Bedeutung beimessen – was müssen wir zwangsläufig daraus schließen? Wie soll medien- oder internetpädagogische Kompetenz für Erzieherinnen, aber auch als Baustein der beruflichen Handlungskompetenz für andere sozialpädagogische Berufe überhaupt aussehen?

 
 

Mythos 4: Der Erzieherinnenberuf ist ein Bildungsberuf


Ein Drittel der Kindergartenteams lehnte bereits vor zehn Jahren die Einrichtung eines Internetanschlusses konsequent ab. (Vgl. Kobbeloer 2002a) Noch vor sieben Jahren hatte nur jede dritte Kita einen solchen Anschluss. Studien der letzten Jahre und aktuelle Befragungen der Praxiseinrichtungen unserer Region ( Niedersachsen) lassen die Vermutung zu, dass die Mehrheit der Einrichtungen mittlerweile über einen Computer mit Internetanschluss verfügt. Allerdings muss differenziert werden: Für die aktive Medienerziehung stehen Computer und Internet in den meisten Einrichtungen noch immer nicht zur Verfügung. (Six 2007, S. 128) In diesen Kitas gibt es einen (!) Computer mit Internetanschluss im Büro der Leiterin – angeschafft, um die Verwaltung effizienter zu gestalten. Also nicht, nicht um kindliche- oder Selbstbildungsprozesse zu unterstützen. Der Zugang bleibt in der Regel den Leitungskräften vorbehalten. Wollen Mitarbeiterinnen ein Erzieherinnen-Forum im Internet nutzen, sind sie mehrheitlich gezwungen, das in der Freizeit und zu Hause zu tun. Lehrerinnen können dies seit vielen Jahren in der Schule. Ist Erzieherin also doch kein Bildungsberuf?


Der Bildungsauftrag und die neuen Medien

In einer Studie über berufsbezogene Online-Communities verschiedener Berufsgruppen berichten Wissenschaftler, dass Teilnehmerinnen, die diese Communities nutzen, tendenziell mehr Spaß am Lernen, mehr Eigeninitiative und mehr Lust auf Neues haben als der Durchschnitt der Bevölkerung.

Die aktuellen Anforderungen der Wissensgesellschaft an Erzieherinnen sind hoch. Wer den Bildungsauftrag ernst nimmt, muss Voraussetzungen für lebens- und berufsbegleitendes Lernen der Mitarbeiterinnen in der Kita schaffen. Wie kein anderes Medium bietet das Internet die Möglichkeit, schnell und vom Arbeitsplatz aus an Fachinformationen zu gelangen, sich selbstorganisiert zu informieren und fortzubilden. Erzieherinnen und anderen pädagogischen Fachkräften stehen dafür mehr als ein Dutzend berufsspezifische Webangebote zur Verfügung.

Zwar setzt die Erzieherinnenausbildung inzwischen auf vernetztes Lernen an verschiedenen Lernorten, doch im Arbeitsleben der Erzieherinnen kommt diese Lernform noch selten vor, denn am „Arbeitsplatz Kita“ kollidieren pädagogische mit ökonomischen Interessen.

Halten wir fest: Gegen den Einsatz neuer Medien mag es vielleicht sogar diskutable bewahrpädagogisch-konzeptionelle Argumente geben – gegen das Lernen on the job und die fachliche Vernetzung von Erzieherinnen gibt es heute keine Argumente mehr. Wer einen gesellschaftlichen Bildungsauftrag bekommt, hat die Aufgabe, ihm gerecht zu werden, das Internet als aufkommendes zentrales Bildungs- und Informationsmedium zu nutzen und umfassende Internet-Kompetenzen zu erwerben.
 

Mythos 5: Neue Medien sind Gegenstand der Erzieherinnenausbildung


Die Erzieherinnenausbildung ist ihres doppelten Theorie-Praxis-Bezugs wegen führend in der Vermittlung von Medienkompetenz. Die Fachschulen für Sozialpädagogik weisen nicht nur eine hervorragend zeitgemäße Ausstattung mit neuen Medien auf, die vernetztes, selbstorganisiertes Lernen ermöglicht, sondern beschäftigen kompetente Lehrkräfte, für die der Einsatz internetbasierter Lernformen zum Ausbildungsalltag gehört – der fünfte Mythos. Seit mehr als 20 Jahren zeigt sich in der Vermittlung von Medienerziehung ein nahezu unverändertes Bild. „Viele praxisbezogene Ausbildungsinhalte, die heute von Medienpädagoginnen für erstrangig gehalten werden, bekommen Erzieherinnen nicht vermittelt“ (Lißner et. al.: Schlusslicht Medienpädagogik. 1990), lautete das Ergebnis der Studie „Schlusslicht Medienpädagogik“. Einige Jahre später gaben „74 Prozent der Erzieherinnen … an, keine medienpädagogische Aus- oder Fortbildung absolviert zu haben“ (Six et. al. 1998). In einer nahezu zeitgleich erarbeiteten Studie erklärten 75 Prozent der Erzieherinnen, „nichts über Medienpädagogik während des Berufspraktikums oder in Fortbildungen erfahren zu haben. 4 Prozent haben sich in der Ausbildung intensiv mit Medienpädagogik beschäftigt.“ (Eirich 1998) Laut einer Studie zur Internetnutzung hatten einige Jahre später nur „2 Prozent der Erzieherinnen … Internetkenntnisse in der Ausbildung erworben“ (Kobbeloer 2002).

Zwar stieg die Internetnutzung in den letzten zehn Jahren gesamtgesellschaftlich rasant an, aber schlug sich das auch in der Erzieherinnenausbildung nieder? „Als übergreifender Befund … ist festzuhalten, dass sich nur wenig Substantielles geändert hat … in den Institutionen der Erzieherinnenausbildung“, stellen Six und Gimmler fest. „Die überwältigende Mehrheit (91,3 Prozent) fühlt sich für die Medienerziehung schlechter qualifiziert als für andere Förderbereiche, und dies zum Teil in erheblichem Maße“. (Six/Gimmler 2007, S. 149) Zu einem niederschmetternden Ergebnis kommt auch die Studie „Medienpädagogische Kompetenz in Kinderschuhen“ aus dem Jahr 2010. „Der Grundstein für eine …  Sensibilisierung im Bereich der Medienerziehung wird aber sicherlich vor allem in der Ausbildung gelegt – oder eben nicht“ konstatieren Six und Gimmler (Ebd. S. 153).

Halten wir fest: Die Mediengesellschaft verändert sich schnell, während die Ausbildung der Erzieherinnen in Bezug auf neue Medien in der „Schonhaltung“ verharrt. Hinzugefügt und betont sei an dieser Stelle, dass jüngere Erzieherinnen mit medienpädagogisch relevanten Themen in ihrer Ausbildung zwar umfassender konfrontiert wurden als ihre älteren Kolleginnen, aber dies schlägt sich nicht in einer besseren Selbsteinschätzung bezüglich der Qualifikation zur Medienerziehung nieder. (Six, S. 150) Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern eindringlich, die Vermittlung medienpädagogischer Basiskompetenzen und den Umgang mit digitalen Medien als Grundbestandteile der Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern sowie der Lehrkräfte aufzunehmen beziehungsweise weiter auszubauen. (2012)


Neue Medien im Unterricht

Interessant ist auch ein Blick auf den schulischen Einsatz neuer Medien in der Erzieherinnenausbildung. Eine aktuelle Studie von D21 weist überraschende Ergebnisse auf. Sie zeigt, dass Informations- und Kommunikationstechnologien zwar in der Schule angekommen sind, aber nicht im Unterricht. Die befragten Lehrer bewerten die  IT-Ausstattung an den Schulen als gut, geben aber an, dass sie die vorhandenen Möglichkeiten kaum nutzen. Deshalb kommt die Studie zu dem Ergebnis: Die Institution Schule ist nicht auf digitale Medien vorbereitet. Die gängige Aus- und Weiterbildung bereitet Lehrer nicht ausreichend auf den Einsatz digitaler Medien vor. Nicht schulgerechte oder nicht ausgereifte Hard- und Software-Infrastrukturen verunsichern. Erschwerend kommen der starre Stundentakt und die häufige Trennung von Klassen- und Computerraum hinzu. Immerhin mehr als die Hälfte der Lehrkräfte in der Erzieherinnenausbildung wünscht sich eine bessere finanzielle Ausstattung und eine bessere Ausstattung mit medientechnischem Gerät. (Six, S.71)

Obwohl die Mehrheit der Schulen Computer für die Schüler bereits zur Verfügung stellt, ist noch lange keine Vollversorgung erreicht: In über der Hälfte dieser Schulen stehen die Geräte den Schülern nur zeitlich beschränkt und zentral zur Verfügung, zum Beispiel in der Bibliothek oder im Computerraum. Lediglich ein Viertel der Schulen verfügt in jedem Klassenraum über einen Computer. In 7,5 Prozent der Schulen steht jedem Schüler im Klassenraum ein Computer zur Verfügung. Folglich ist Unterrichtsarbeit am Computer in den meisten Schulen mit Aufwand verbunden: Es muss ein bestimmter Raum aufgesucht werden.

Zum anderen fragt sich, wie die neuen Medien inhaltlich – also in den jeweiligen Rahmenrichtlinien – in der Erzieherinnenausbildung beachtet werden. Die Notwendigkeit von Kompetenz in Bezug auf neue Medien zumindest in jedem bildenden und erziehenden Beruf vorausgesetzt, zeigen die vor etwa zehn Jahren verabschiedeten Rahmenrichtlinien das bekannte Bild. In den Rahmenrichtlinien Niedersachsens (Vgl. Niedersächsisches Kultusministerium, 2002) findet man den Begriff „Internet“, verwandte oder inhaltssynonyme Begriffe wie „neue Medien“ „World Wide Web“ oder „Kommunikationstechnologie“ nicht. Ähnlich sieht es in anderen Bundesländern aus.

Thematische Gestaltungsspielräume werden selten für die neuen Medien genutzt. Vielmehr lassen sie Raum für die auf individuellen Werten basierende Ablehnung einzelner Lehrerinnen an Fachschulen für Sozialpädagogik. Damit sind diese implementierten Gestaltungsspielräume Segen und Fluch zugleich.

Die Studie von Six und Gimmler kommt zu einem ähnlichen Ergebnis, bezogen auf NRW: „Die bereits angesprochene Heterogenität der curricularen Orientierung des Lehrangebots an den Schulen ebenso wie die mit dem neuen Lehrplan zur Erprobung implizierten hohen Freiheitsgrade für die medienpädagogische Ausbildung äußern sich auch in bestimmten Formalia: Nicht nur das für die medienpädagogischen Bestandteile vorgesehene Zeitkontingent scheint zwischen den Schulen erheblich zu variieren, sondern auch die Prüfungsrelevanz entsprechender Inhalte.“ (Six, S. 88)
 

Mythos 6: Lehrkräfte in der Erzieherinnenausbildung vermitteln Medienkompetenz


Die Mehrheit der Lehrkräfte in der Erzieherinnenausbildung nutzt die neuen Medien konsequent als eine mögliche Lernform im Unterricht, für die Vernetzung mit dem Lernort Praxis und für die Vermittlung medienpädagogischer Inhalte. Die Lehrkräfte haben eine Haltung zu neuen Medien, die sich aus fachwissenschaftlichen Erkenntnissen, gesellschaftlichem Bedarf und zukünftigen Perspektiven ergibt – der sechste Mythos. Seit mehr als 20 Jahren zeigt sich in der Vermittlung von Medienerziehung unverändert das bereits im vorigen Kapitel beschriebene Bild. Bei einem großen Teil der Lehrkräfte kommen die wesentlichsten Grundlagen der Medienerziehung zu kurz, was als problematisch bewertet werden muss. Problematisch ist auch, dass der Vermittlung von Unterschieden  zwischen Mediendidaktik und Medienerziehung in der medienpädagogischen Ausbildung offenbar fast keine Bedeutung beigemessen wird. Noch immer bekommen die angehenden Erzieherinnen zu wenige Anregungen, wie sich Medienerziehung in der frühpädagogischen Arbeit konkret umsetzen lässt. Allerdings sind die heutigen Lehrkräfte medienpädagogisch etwas besser qualifiziert als vor zehn Jahren.

Dass neue Medien in der Erzieherinnenausbildung eine untergeordnete Rolle spielen, zeigten die oben aufgeführten Studien bereits. Das Thema „Internet“ muss nicht bindend thematisiert werden. Eine Studie von Blömeke belegt, dass bei vielen Lehrerinnen längst tradierte bewahrpädagogische Medienansätze noch immer dominieren. Dem liegen häufig Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit zugrunde, geprägt durch die negativen Einstellungen, die damalige Lehrerinnen zur Mediennutzung vertraten.

Eine Untersuchung von Marsden zeigt, dass es bei Lehrerinnen soziale Stereotype über Internet-Nutzer gibt. Für die befragten Lehrerinnen war es akzeptabel, dass jemand aus beruflichen Gründen und durch gesellschaftlichen Druck gezwungen wird, sich mit dem Medium Internet zu beschäftigen. Wer dies freiwillig und mit Begeisterung tut, wurde in die Schublade „Computer-Freak“ gesteckt und abgewertet. Darüber hinaus lässt die Studie Rückschlüsse auf ein Gesellschaftsbild von Lehrerinnen zu, das Technik eher ausschließt oder nur den instrumentell-technischen Aspekt akzeptiert. Sozial-kommunikative Internet-Aspekte werden übersehen. Technik wird als etwas Fremdes betrachtet, das bewältigt werden muss, und zwar nicht aus intrinsischer Motivation, sondern nur angesichts des äußeren Drucks der technischen Entwicklung. (Vgl. Marsden 2002)

Die populistischen Aussagen des Hirnforscher Manfred Spitzer kommen dieser Sicht entgehen. Six und Gimmler umschreiben es so: „Man macht sich ‚seinen eigenen Reim‘ aus solchen widersprüchlichen Informationen“ und nimmt sich das, was zur eigenen Haltung passt. Da drängt sich eine Frage auf, die bislang nicht empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden. untersucht wurde: Lernen Erzieherinnen in ihrer Ausbildung Medienfeindlichkeit? Anders lässt sich die bald mehr als zwei Jahrzehnte andauernde Schon- oder Vermeidungshaltung in Bezug auf Neue Medien kaum erklären. Bestätigt wird diese These durch die Studie von Six und Gimmler, die zeigen, dass die Intensität der Vermittlung medienpädagogischer Ausbildungsinhalte davon abhängt, wie klar und deutlich Medienerziehung in den Rahmenrichtlinien verankert ist: „Lehrkräfte, die ihrer Auffassung nach (unabhängig davon, an welchen Lehrplänen sie sich orientieren) das Fach Medienerziehung vertreten oder die davon ausgehen, dass es das Fach an ihrer Schule noch gibt, behandeln die … Themenbereiche der medienpädagogischen Ausbildung tendenziell ausführlicher als ihre Kollegen und Kolleginnen, die bereits anfangen, in Lernbereichen zu denken.“ Six und Gimmler befürchten: Wenn es im neuen Lehrplan in NRW keine inhaltlichen Vorgaben zur Medienerziehung mehr gibt und Medienerziehung offiziell nicht mehr als eigenständiges Fach vorgesehen ist, wird sich das negativ auf die Ausbildung in Medienerziehung auswirken. Betrachtet man diese Ergebnisse im Kontext der Erzieherinnenausbildung, wird deutlich, dass die freiwillige Überzeugung und die damit verbundene Thematisierung des Internets in der Ausbildung angesichts der Vorurteile und zu offener curricularer Vorgaben nicht unterstützt wird.
 

Mythos 7: Wer Erzieherinnen ausbildet, kann auf neue Medien verzichten


Die Generation der Auszubildenden in der Erzieherinnenausbildung nutzt neue Medien kaum im Alltag, besitzt keine Handys oder andere mobile internetfähige Endgeräte und keinen Internetzugang. Angehende Erzieherinnen gehören nicht zu den Facebook-Nutzerinnen. Auf eine einsame Insel würden sie ein gutes Buch mitnehmen – Mythos Nr. 7. Betrachten wir die Situation aus Sicht der Auszubildenden, ergibt sich aus diversen aktuellen Studien folgendes Bild: Nahezu jeder Jugendliche hat inzwischen einen eigenen PC. Mindestens jedes zweite Gerät weist einen Internetzugang auf. Die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler findet sich kompetenter als die Lehrkräfte, und das sind die jungen Leute häufig auch – in erster Linie natürlich aus instrumentell-technischer Sicht. Für jeden zweiten Jugendlichen ist ein Tag ohne Handy so, „als würde ich sterben“.

Die Mediennutzung insgesamt hat sich von 1970 bis heute verdreifacht. Im Durchschnitt sind Jugendliche inzwischen täglich mehr als zwei Stunden online. Dennoch lesen wieder mehr Jugendliche Bücher in der Freizeit. Bei den Internetaktivitäten liegt der Schwerpunkt auf der Kommunikation in sozialen Netzwerken. Mehr als 80 Prozent der Jugendlichen haben einen Facebook-Zugang und dort im Schnitt mehr „Freunde“ als so manche Fachschule für Sozialpädagogik Auszubildende. Im Kontext beruflicher Kompetenzentwicklung und kollegialer fachlicher Vernetzung stellt sich die Frage, warum nur 5 Prozent der Jugendlichen berufliche, aber 80 Prozent private soziale Netzwerke wie Facebook nutzen. Auf die Frage, was sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden, antworten fast drei Viertel: einen Internetanschluss. Da drängt sich der Eindruck auf, dass hinsichtlich der Bedeutung neuer Medien die Erzieherinnenausbildung eine einsame Insel ist. (Jim-Studie, 2011)
 



Mythos 8: Die Vermittlung von Medienkompetenz ist gleichmäßig verteilt


Medienkompetenz wird – besonders im Hinblick auf die neuen Medien – ausgeglichen und sinnvoll vermittelt. Das ist der achte Mythos, denn das Gegenteil ist der Fall: Wir haben es mit einer Vermittlungspyramide zu tun.

In der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen kommt der Nutzung neuer Medien hohe Bedeutung zu. Vergleichsweise geringe Bedeutung haben die neuen Medien jedoch in den curricularen Vorgaben der Erzieherinnenausbildung in den Bundesländern – von Bundesland zu Bundesland allerdings variierend. Noch weniger Bedeutung haben sie in den Studiengängen des Lehramts an berufsbildenden Schulen mit dem Schwerpunkt Sozialpädagogik, also in den Ausbildungsstätten der zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer an Fachschulen für Sozialpädagogik. Es liegt auf der Hand, dass in der Erzieherinnenausbildung wenig Medienkompetenz und in der Praxis fast keine mehr „ankommt“.

Zwei Möglichkeiten sehe ich, mit diesem Vermittlungsproblem umzugehen: Entweder passt man die Mediennutzung in der Gesellschaft – vor allem bei Kindergartenkindern – der Pyramide an. Das würde bedeuten, sie Vorschulkindern „auszutreiben“, also zu verbieten,  und neue Medien aus dem Kindergarten zu verbannen. Oder man erkennt ihre Bedeutung an und geht vom Bild des kompetenten Kindes aus. Dann würden sich die Verhältnisse verändern, und die Pyramide würde sich anpassen. Sie würde anders aussehen. Für einen der beiden Wege müsste man sich entscheiden und das falsche Spiel beenden.

 

Mythos 9: E-LearningE-Learning||||| E-Learning wird als elektronisch unterstütztes Lernen übersetzt und wird auch als E-Lernen oder E-Didaktik bezeichnet. Nach einer Definition von Michael Kerres werden darunter Lernformen verstanden, bei denen digitale Medien verwendet werden um Lernmaterialien bereitzustellen, zu präsentieren oder zum zwischenmenschlichem Austausch genutzt werden.   gehört zur frühpädagogischen Aus-, Fort- und Weiterbildung


Wie bei jedem zweiten allgemeinen Bildungsanbieter ist E-Learning inzwischen eine von vielen Methoden und Möglichkeiten des Lernens im Rahmen frühpädagogischer Aus-,  Fort- und Weiterbildung – der neunte Mythos.

Immerhin gibt es wissenschaftliche Aussagen und Studien zu diesem Thema. Zwei  WIFF-Studien zur Fort- und Weiterbildungslandschaft und zur berufsbegleitenden Fort- und Weiterbildung für frühpädagogische Fachkräfte kommen zu dem Ergebnis, dass der Anteil frühpädagogischer Organisationen, die E-Learning anbieten, bei 0,06 Prozent – in absoluten Zahlen 5 von mehr als 8 500 analysierten Angeboten – und damit im kaum noch messbaren Bereich liegt.


Wo wird E-Learning in der Frühpädagogik eingesetzt?

Neben freien Portalen gibt es einrichtungsspezifische Plattformen, die Erzieherinnen elektronische Lernmöglichkeiten anbieten. Hier unterscheidet sich der E-Learning-Bereich allerdings nicht vom konventionellen Fort- und Weiterbildungsmarkt und stellt sich auch in der Frühpädagogik – bezogen auf die Angebote – höchst unübersichtlich dar. Die didaktische  E-Learning-Kompetenz der Referentinnen und Referenten ist offensichtlich ein Problem, denn diese Form des Lernens dient häufig nur dazu, PDF-Dokumente zum Lesen und ein Forum für den Austausch bereitzustellen. Die Möglichkeiten des Internet werden nicht ansatzweise ausgenutzt.

Fassen wir zusammen: Die sozialpädagogischen Arbeitsfelder hinken anderen Arbeits- und Berufsfeldern mehr als deutlich hinterher, obwohl die oben beschriebenen Lernmöglichkeiten seit vielen Jahren bestehen. „Grundkenntnisse im Umgang mit dem PC“ werden zwar häufig als Lernvoraussetzung angegeben, wenn elektronische Medien zum Einsatz kommen. Vergessen wird aber, dass das Lernen in hypermedialen Lernumgebungen eigene Lernkompetenzen bedingt. Wer einen Computer mit Internetanschluss technisch-funktional bedienen kann, ist noch längst nicht in der Lage, in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern beruflich handlungskompetent mit dem Internet zu arbeiten.

Die Aussage in einer der genannten Studien, „weitere 81 Prozent der Befragten meinten, dass Kooperation und Vernetzung mit den Akteuren im Arbeitsfeld verstärkt werden sollten“ (Beher/Walter 2012) kann möglicherweise als Schlüssel zur Veränderung interpretiert werden. Denn womit lassen sich die Lernorte und die lernenden Menschen im Bereich der  Fort- und Weiterbildung besser und kostengünstiger „vernetzen“ als mittels der elektronischen Lern-, Kooperations- und Kommunikationsmöglichkeiten des Internet?

E-Lernen bedingt die Fähigkeiten, online zu lesen, zu suchen und zu finden, Metakognition als „Wissen über das eigene Wissen“ zu verstehen, Mindmapping anzuwenden und vieles andere mehr. Entwickeln sich diese Fähigkeiten, wird die Kita mehr und mehr zum lernenden Unternehmen. Unter Berufspädagogen ist mittlerweile unumstritten, dass derjenige, der betriebliche Lernprozesse dem Zufall überlässt, seine Zukunft gefährdet. Für Kindertageseinrichtungen und ihre Träger gilt das ebenso. Auch sie müssen die Vielfalt täglicher Informationen effizient verwerten und dann zur Verfügung stellen, wenn sie im Arbeitsprozess benötigt werden. Online-basiertes Wissensmanagement ist die Formel der Zukunft – weniger E-Learning in seiner klassischen Form. Die ablehnende Haltung von Erzieherinnen elektronischen Medien gegenüber stellt hier eine hohe Hürde dar.

 

Mythos 10: Fachforum im Netz versus Facebook


Die Mehrheit der Erzieherinnen tummelt sich nicht auf Facebook, sondern diskutiert mit anderen Fachkräften in berufsbezogenen sozialen Netzwerken über aktuelle frühpädagogische Themen – der zehnte Mythos.

Einschlägige Internetportale sind nur wenigen Erzieherinnen dem Namen nach bekannt und werden von einer winzigen Minderheit genutzt, so die Studie von Six und Gimmler (2007). Meine eigene Analyse zum Erfolg von Erzieherinnenforen, die wissenschaftlichen Standards zwar nicht ganz entspricht, bestätigt dieses Ergebnis allerdings eindrucksvoll. Die amtliche Statistik im Arbeitsfeld der Kindertageseinrichtungen weist aktuell mehr als 420.000 pädagogisch tätige Personen aus. (komdat 3/10) Summiert man nur die registrierten Nutzerinnen und Nutzer der einschlägigen Fachforen und impliziert man, dass sie ernsthaft interessiert sind (Hypothese: Die Registrierten sind die Aktiven), kommt man auf 10.351-  das sind rund 2,5 Prozent aller im Arbeitsfeld Kita tätigen Personen. Andererseits nutzen inzwischen deutlich mehr als 25 Prozent der Deutschen private Netzwerke wie Facebook. Was macht diese sozialen Netzwerke so interessant und berufliche Online-Netzwerke so uninteressant?

Den Bildungsauftrag in Kindertageseinrichtungen ernst zu nehmen heißt, Voraussetzungen für lebens- und berufsbegleitendes Lernen für die Mitarbeiterinnen zu schaffen. Wie kein anderes Medium bietet das Internet die Möglichkeit, schnell vom Arbeitsplatz aus an gerade benötigte Fachinformationen zu gelangen, sich selbstorganisiert zu informieren und fortzubilden. Erzieherinnen und anderen pädagogischen Fachkräften steht dazu mehr als ein Dutzend berufsspezifischer Webangebote zur Verfügung (s.o.) Weshalb wird dies nicht genutzt? Warum ist es so schwer, die soziale Dynamik von Facebook auf berufsspezifische Anwendungen zu übertragen?

Sicher, die bekannte ablehnende Haltung von Erzieherinnen gegenüber elektronischen Medien stellt eine Hürde dar. Andererseits belegen meine Erfahrungen mit der heranwachsenden Erzieherinnengeneration, dass sie Facebook ebenso nutzt wie Otto-Normal-Nutzer. Allerdings weisen die Websites für Erzieherinnen nicht selten den Charme eines alten Behördenflurs auf. Das muss sich ändern.

Aus meiner Sicht benötigen wir ein didaktisches Design unter Gender-Aspekten, das folgende Fragen berücksichtigt:

  • Was zeichnet die Zielgruppe im Hinblick auf neue Mediennutzung aus?
  • Was muss bei der Gestaltung virtueller Lernplattformen oder Websites für frühpädagogische Fachkräfte bedacht werden?
 

Meine Überlegungen:

  • Angebote müssen niederschwellig sein, dürfen der Nutzerin nicht zu viele persönliche Daten abverlangen (Datenschutz) und müssen den Dialog auf Augenhöhe ermöglichen. Welche Erzieherin mag sich schon ungescheut mit einem Prof. Dr. austauschen?
  • Intuitive Bedienbarkeit ist gefragt: Webseiten, Online-Lerngemeinschaften oder andere Online-Angebote müssen sich in ihrer Nutzung selbst erschließen.
  • Endlose Texte schrecken ab: Kein Handy- oder Facebook-Nutzer liest seitenlange Anleitungen oder besucht ein Seminar zur Nutzung.
  • Usabilitiy-Forschung für die Berufsgruppe: Finanzielle Mittel müssen vor Projektbeginn sinnvoll eingesetzt werden. Didaktiker wissen, dass erst der Inhalt, dann die Methode kommt. Bei bestehenden Projekten wird häufig anders gehandelt und geplant, nämlich nach dem Motto: Wir wollen was im Netz machen, weil es gerade up to date ist. Welche Inhalte würden wohl passen?
  • Training zum Verfassen von Online-Foren-Beiträgen in Bildungseinrichtungen: Bereits in der Erzieherinnenausbildung sollte gelernt werden, wie man in Online-Communities kommuniziert.
  • Online-Wissensmanagement: Informationen müssen dann verfügbar sein, wenn sie im Arbeitsprozess benötigt werden.

Voraussetzung ist die freie, unbeschränkte Möglichkeit, einen Computer mit Internetanschluss in der Kita nutzen zu können. Zwar gibt es bereits in vielen Kindergärten solche PCs, aber meist im Büro der Leiterin, der auch die Nutzung vorbehalten ist. Übrigens haben Frauen in ökonomischen Zusammenhängen generell schlechtere Zugangsmöglichkeiten zum Internet als Männer. Pädagogischen Fachkräften – in der Frühpädagogik sind es überwiegend Frauen – den Zugang zum Internet und somit zum E-Lernen zu verweigern heißt letztlich nichts anderes, als den „digitalen Graben“ zu vertiefen und den Mitarbeiterinnen eine Bildungsmöglichkeit vorzuenthalten. Andere Fachkräfte im Bildungsbereich haben nahezu immer beruflichen Zugang zum Internet, um Probleme just in time zu bearbeiten – finanziert in fast allen Fällen durch die Telekom-Aktion „Schulen ans Netz“. Warum werden auf diesem für die Institutionen kostenlosen Lernweg nicht auch Kitas vernetzt? Weil sie doch nur Bildungseinrichtungen zweiter Klasse sind?

Offensichtlich wurde das didaktische Prinzip „Erst der Inhalt, dann die Methode“ bei einigen Fach-Webseiten nicht berücksichtigt, denn ihre Qualität ist didaktisch fragwürdig. Die Betreiber der Portale beschäftigten sich mit obigen Fragen bislang offensichtlich nicht, denn deren Beantwortung kostet Geld und umfasst neben Studien über das Lernen der Zielgruppe auch Usability-Forschungen zur Nutzung der Angebote.

Hinzu kommt: Neue Medien sind keine rein technischen, sondern auch soziale Medien, denn am anderen Ende sitzt immer ein Mensch, der sein persönliches soziales Netzwerk pflegt. Es gibt ihm emotionale Nähe, unterstützt in schwierigen Lebenslagen und liefert ihm Informationen. Ohne Interaktion und Kommunikation kann der Mensch jedoch kein soziales Netzwerk aufbauen und unterhalten. Schon immer brauchte er „vermittelnde Instrumente“, um mit anderen Menschen in Kontakt zu treten. Heute ist das zunehmend das Internet mit all seinen Diensten, das den Wandel sozialer Netzwerke inzwischen deutlich beschleunigt. So kommt Katja Raufuß zu dem Ergebnis, dass sich Trends, die sich durch die Internet-Nutzung entwickelten, in sozialen Beziehungen fortsetzen. Dazu gehören die Zunahme schwacher Bindungen, quantitative Erweiterungen und Spezialisierungen der Netzwerke und die Ausweitung geografischer Reichweiten. (Rauchfuß 2003)

 

Mythos 11: Der Dialog zwischen Lernort Schule und Praxis funktioniert online nicht


Wenn Kommunikation zwischen dem Lernort Schule und der Praxis stattfindet, dann persönlich und direkt. Online-Plattformen werden dafür nicht genutzt – der elfte Mythos. Lehrkräfte und Praxisanleiterinnen in den Kitas kennen die folgenden Situationen: Die Praxisanleiterin muss der Lehrerin dringend die Fehlzeiten der Praktikantin mitteilen, aber alle sind gerade im Unterricht. Oder: Eine gute Idee geht verloren, weil sie gerade nirgendwo festgehalten werden kann. Ein Termin kann nicht abgesprochen werden, weil in der Kita gerade niemand erreichbar ist.

Andererseits weiß jeder, dass es hilfreich ist, wenn Auswertungsbögen zentral zur Verfügung stehen. Per Mail lassen sie sich schnell versenden. Wer kurzfristig ein Meinungsbild der Praxiseinrichtungen einholen muss, kann dies flott und effektiv mittels einer kurzen Online- Umfrage erledigen. Braucht eine Schülerin einen Praktikumsplatz, kann sie nicht 200 Einrichtungen anrufen, aber die Online-Jobbörse der Fachschule konsultieren. „Die Verbindung der Lernorte Fachschule und Praxis ist in der Ausbildung weiter zu stärken und konzeptionell zu verankern“, fordert der Beschluss der KultusministerkonferenzKultusministerkonferenz|||||Die KMK  ist die ständige Konferenz der Länder in der BRD, wurde 1948 gegründet und ging aus der "Konferenz der deutschen Erziehungsminister" hervor. Sie basiert auf dem freiwilligen Zusammenschluss der zuständigen Minister/Senatoren der Länder für Bildung, Erziehung und Forschung. Da nach dem Grundgesetzt und sog." Kulturhoheit der Länder" die Zuständigkeiten für das Bildungswesen bei den einzelnen Ländern liegt, behandelt die KMK Angelegenheiten von  überregionaler Bedeutung mit dem Ziel einer "gemeinsamen Meinungs- und Willensbildung, sowie der Vertretung gemeinsamer Anliegen".  vom 16. September 2010 bezüglich des gemeinsamen Orientierungsrahmens „Bildung und Erziehung in der Kindheit“. Eine Dialog-Plattform wäre eine Möglichkeit. In der sozialpädagogischen Ausbildung an der Georgsanstalt BBS-II in Uelzen wurde eine solche Dialog-Plattform geschaffen. Eine Befragung der Praxisanleiterinnen über ihre Zufriedenheit im Bereich der Kooperation von Schule und Praxis hatte dafür gesorgt. Das Ergebnis der Befragung: Kommunikation und Kooperation müssen verbessert werden. Die Analyse der Problemfelder ergab, dass die Dialog-Plattform der Zielgruppe passgenau entsprechen würde. Damit jede Erzieherin sie schnell und leicht nutzen kann, wurden eine intuitive Benutzerführung und ein Leitfragensystem entwickelt:

  • Lehrern eine Nachricht senden,
  • Abteilungsleitung eine Nachricht senden,
  • anderen Einrichtungen eine Nachricht senden,
  • wichtige Dokumente herunterladen,
  • Termine eintragen oder lesen,
  • Mitglieder suchen und anzeigen,
  • einen freien Praktikumsplatz melden.

Ein schlichtes Design und ein Passwort (Schutz) sorgen dafür, dass die Nutzung von jedem Internetanschluss aus möglich ist. Die Plattform soll dazu dienen, den Dialog der Verantwortlichen am Lernort Schule mit der Praxis zu verbessern, also schneller, effizienter und transparenter zu kommunizieren. Den Verantwortlichen soll es möglich sein,

  • alle relevanten Ansprechpartner in der Schule und in den Einrichtungen per E-Mail oder telefonisch schnell zu erreichen;
  • alle wichtigen Termine im Blick zu haben;
  • relevante Dokumente wie Ausbildungsleitfäden, Protokolle und anderes herunterladen zu können;
  • zu wichtigen Entscheidungen im laufenden Schuljahr schnell ein Meinungsbild zu erhalten (Umfragetool);
  • freie Praktikumsplätze zu melden;
  • Ideen für Veränderungen und Innovationen zu speichern, um sie auf Ausbildertagungen zu erörtern und später eventuell umzusetzen.

 


Zukunftskonzept „Neue Medien in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte“


Die Vergangenheit zeigte, dass die eher bewahrpädagogische Haltung zu elektronischen Medien in der Frühpädagogik nahezu unerschütterlich zu sein scheint. Wie sonst konnten sich Medien-Mythen über mehrere Jahrzehnte derart verfestigen?

Wir brauchen ein umfassendes Zukunftskonzept „Neue Medien in der Frühpädagogik“ – und zwar nicht erst in zehn Jahren. Um den Mythen zu begegnen, müsste ein solches Medien-Konzept folgende Forderungen beinhalten:

  • E-Lernen in der Frühpädagogik ermöglichen;
  • Kompetenz in Sachen neue Medien erwerben;
  • Konzepte und Möglichkeiten der Medienbildung kennen lernen;
  • verbindliche Vorgaben in die CurriculaCurricula|||||Ein Curriculum ist ein Lehrplan, Modulplan oder Lehrprogramm, das Aussagen über Lehrziele und Ablauf des Lehr- Lern – Arrangement gibt und auf einer Didaktik aufbaut. aufnehmen;
  • allen frühpädagogischen Fachkräften Zugang zum Internet verschaffen;
  • neue Medien in die Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte integrieren;
  • ein breites, transparentes Angebot an Fort- und Weiterbildungen für Lehrkräfte und Erzieherinnen entwickeln;
  • bedarfsgerechte, nachhaltige Webangebote entwickeln und virtuelle Lerngemeinschaften gründen.
 

E-Lernen in der Frühpädagogik

Was wollen wir mit E-Lernen in der Frühpädagogik erreichen? Wie können wir Lernportale im Netz so gestalten, dass Erzieherinnen sie selbstorganisiert und nachhaltig nutzen können?

Wenn wir allen frühpädagogischen Fachkräften sinnvolles Lernen ermöglichen wollen, müssen wir didaktisch und methodisch fundiert sowie wissenschaftlich begründet vorgehen. Da stellt sich erst einmal die Frage: Was ist E-Lernen?

Legt man eine breite Definition elektronisch unterstützten Lernens zugrunde, zählen alle Lernformen dazu, bei denen elektronische Medien für die Darstellung und Verteilung von Lernmaterialien sowie zur Unterstützung der Kommunikation eingesetzt werden. Mit dem Internet kann man lernen, wenn man an Internet-Seminaren oder kombinierten Vor-Ort- Internet-Seminaren (Blended-Learning) teilnimmt, sich im Selbststudium oder in Lerngemeinschaften (Learning-Communities) mit Fachthemen beschäftigt oder fachliche Fragen zielgerichtet verfolgt. Die beiden letzteren Lernformen bieten sich für selbstständiges und selbstorganisiertes Lernen in der und für die Kita an.
 

Was wollen wir mit E-Lernen in der Frühpädagogik erreichen?

  • Wir wollen erreichen, dass neue Medien das Lernen am Arbeitsplatz Kita, in der Aus-,Fort- und Weiterbildung ermöglichen und unterstützen – ein selbstorganisiertes, lebenslanges Lernen.
  • Wir wollen erreichen, dass sich Kompetenzen durch die Reflexion in virtuellen Lerngemeinschaften erweitern und dass Problemlösungen mit anderen Interessierten – auch außerhalb der eigenen Kita – diskutiert werden können.
  • Wir wollen erreichen, dass aktuelle berufsspezifische Themen so aufbereitet werden, dass neue Erkenntnisse und Publikationen von Praktikerinnen diskutiert werden können.
  • Wir wollen erreichen, dass das Erfahrungswissen von Praktikerinnen sich mit dem Wissen anderer Expertinnen und Experten vernetzen kann, so dass Kooperationsprozesse entstehen.
  • Wir wollen erreichen, dass das Lernen des einzelnen Menschen zum Erfahrungs- und Wissensschatz aller Beteiligten und der gesamten Organisation werden kann.
  • Wir wollen erreichen, dass alle Beteiligten fachliche und emotionale Unterstützung erfahren,  weil sie ernst genommen werden und ihr Wissen geschätzt wird.
  • Wir wollen erreichen, dass den Nutzerinnen ein jederzeit zugänglicher Lernraum für die (Selbst-)ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   durch kooperative, multiprofessionelle und prozessorientierte Praxisreflexion zur Verfügung steht.

Das Rad muss nicht neu erfunden werden. Von sozialen Netzwerken wie Facebook, Twitter und Co. zu lernen kann hilfreich sein. Allerdings muss ein zielgruppenspezifischer Mehrwert generiert werden: Wer durch die Nutzung etwas erhält, das er sonst so nicht oder nur schwer bekommt, wird die entsprechenden Anwendungen auch künftig nutzen.

Online-basiertes Wissensmanagement muss passgenau auf die Zielgruppe und die Arbeitsfelder zugeschnitten sein. Das heißt: Informationen muss man so sammeln und bündeln, dass sie im Arbeitsprozess schnell und effizient genutzt werden können. In vernetzten Einrichtungen bietet das Internet Erzieherinnen die Möglichkeit, bei der Arbeit durch die Arbeit zu lernen, mit Kolleginnen zu kommunizieren und sich weiterzubilden – nicht nur mittels institutioneller, formeller und von außen organisierter Angebote, sondern auch informell und selbstorganisiert. Schlüsselqualifikationen wie Selbstständigkeit, Teamfähigkeit und Kreativität werden dabei gefördert. Voraussetzung ist allerdings die Öffnung des Internet-Computers für alle Mitarbeiterinnen. Problematisch wird es jedoch, wenn Träger den Abbau betrieblicher Lernarrangements mit dem informellen Lernen begründen und so ihre Verantwortung für die Qualifizierung des Personals abwälzen.

In der Praxis gibt es bereits erste Erfahrungen mit dem E-Lernen in der Frühpädagogik. Zwar sind das noch Insellösungen, aber sie können zusammengefasst, optimiert und in ein Gesamtkonzept integriert werden.

In der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte kann die Kommunikation mit Auszubildenden und Lehrkräften mittels einer pädagogischen Schulplattform – zum Beispiel IServ – effizient erweitert und gestaltet werden. Sie ermöglicht den Kontakt aller am Lernprozess Beteiligten von jedem Internetanschluss aus – jahrgangs- und fächerübergreifend, unabhängig von örtlichen Gegebenheiten und dem in der Schule üblichen Zeitraster. Der Zugriff erfolgt plattformunabhängig mittels eines gewöhnlichen Internet-Browsers über eine konsistente und intuitiv bedienbare Weboberfläche. Es gibt eine eigene Mailadresse für alle Auszubildenden und Dateispeicher für Personen, Gruppen und Klassen. Aufgaben können verteilt, Ergebnisse termingerecht abgeliefert werden. Vertretungspläne und Informationen stehen allen sofort zur Verfügung.

Im Rahmen der Lernortkooperation zwischen Theorie und Praxis kann die Kommunikation mit Hilfe einer Dialogplattform effizienter gestaltet werden, denn parallel gelagerte Arbeitszeiten verhindern häufig die direkte Kontaktaufnahme der Beteiligten. Die Transparenz von Prozessen, Terminabsprachen der Einrichtungen, die Bereitstellung von Ausbildungsunterlagen, die Bekanntgabe freier Praxisstellen und offener Jobs, der schnelle Mailkontakt – all das kann mit der speziell für diese Zwecke programmierten Plattform deutlich verbessert werden. Sie entstand im Rahmen einer Befragung der Erzieherinnen am Lernort Praxis und wurde unter www.dialog.georgsanstalt.de eingerichtet.

Selbstorganisiertes Lernen ist mittels einiger Internetplattformen in Ansätzen bereits möglich. Per www.bibernetz.de können sich Interessierte verbinden und sich online weiterbilden. Dafür stehen kostenlose Online-Kurse zu Themen von „Kita-Management“ über „Sprachförderung“ bis zu „Medienkompetenz“ zur Verfügung. Merlin2go – entwickelt vom NLQ in Niedersachsen – ist ein digitales Werkzeug zur Medienverwaltung, das es ermöglicht, Medien-Ressourcen auch in nicht vernetzten Umgebungen für den Unterricht zu nutzen. Lehrkräfte und Auszubildende finden hier eine Arbeitsumgebung mit freier Software und Angeboten, die von jedem Rechner aus angesteuert werden können. Dadurch können sie selbstorganisiert auf Medien zugreifen, die bislang meist Lehrkräften vorbehalten waren.

 

Kompetenz in Sachen neue Medien erwerben

Die technisch-funktionale Bedienungskompetenz reicht nicht aus, um in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern beruflich handlungskompetent mit dem Internet arbeiten zu können. Also muss sich die Ausbildung der Ausbilderinnen verändern, die die Studiengänge des Lehramts in berufsbildenden Schulen mit der Fachrichtung Sozialpädagogik betreuen. Lehrerinnen und Lehrer an Fachschulen und Berufskollegs müssen künftig in der Lage sein, Internetkompetenz zu vermitteln – inklusive der notwendigen Fachdidaktik.

 
Fachkompetenz

  • Einen Internetzugang selbstständig technisch herstellen und gängige Internetdienste (E-Mail, WWW, Web 2.0-Anwendungen, Online-Banking, Smartphone) sicher nutzen können;
  • Kenntnisse über Strukturen, Zusammenhänge, die Geschichte und sozialkritische Aspekte des Internets haben;
  • dieses Wissen den Vorschriften und Gesetzen gemäß systematisch, reflektiert und fachgerecht im Arbeitsfeld einsetzen.


Methodenkompetenz

  • Zielgerichtet Informationen im Internet finden, differenzieren und aufeinander beziehen;
  • verschiedenen Interaktionsmöglichkeiten zum Kommunizieren, Kooperieren (Teamentwicklung, Eltern- und Gemeinwesenarbeit, Praktikantinnenanleitung) und selbstorganisierten Lernen nutzen;
  • mit neuen Formen der Textpräsentation umgehen;
  • Inhalte sach- und nutzungsgerecht für das Web aufbereiten und veröffentlichen.


Sozialkompetenz

  • Neue Formen der Kommunikation (Diskussionsforen, Mailinglisten, soziale Netzwerke, Online-Communities, Chat) in beruflichen und privaten Zusammenhängen konstruktiv, zielgerichtet und reflektiert einsetzen;
  • Möglichkeiten virtueller Team- und Projektarbeit sowie Learning Communities aktiv gestalten und verantwortlich nutzen.


Personalkompetenz

  • Die Informationsflut selbstverantwortlich mittels verschiedener individueller Strategien bewältigen;
  • eigene berufliche Zukunftsentwürfe für das Arbeitsfeld „Neue Medien und sozialpädagogische Arbeit“ entwerfen und umsetzen;
  • Gesundheitsgefahren neuer Medien erkennen und vermeiden.

 
Medienpädagogische Fachkompetenz

  • Interneteinflüsse auf Kinder und Jugendliche – vor dem Hintergrund ihrer Sozialisationsbedingungen – kennen und kritisch einordnen;
  • den Stellenwert der neuen Medien (Handy/Smartphone, Tablet-PC, internetfähige Spielkonsolen) in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen kennen und deren Bedeutung für die Identitätsentwicklung einschätzen können;
  • Aspekte geschlechtsspezifischer Sozialisation beachten;
  • Gesundheitsgefahren neuer Medien kritisch bewerten und in der Praxis reflektieren;
  • Risiken der neuen Medien für Kinder und Jugendliche kennen;
  • technische Möglichkeiten und rechtliche Grundlagen des Kinder- und Jugendmedienschutzes kennen und anwenden.


Medienpädagogische Methodenkompetenz

  • Konzepte für die medienpädagogische Verwendung der neuen Medien in der Kinder und Jugendarbeit kennen, anwenden und entwickeln;
  • medienerzieherische Projekte im Bereich der neuen Medien mit Kindern und Jugendlichen durchführen;
  • Kinder und Jugendliche medienerzieherisch anregen und unterstützen;
  • neue Medien adäquat und reflektiert zum selbstständigen Lernen, Kommunizieren, Publizieren und Spielen nutzen;
  • Gefahren neuer Medien kennen und altersadäquat darauf reagieren.


Internetpädagogische Sozialkompetenz

  • Mit Kolleginnen und Kollegen Wege erarbeiten, um neue Medien im pädagogischen Alltag angemessen und unter medienerzieherischen Aspekten einzusetzen;
  • Vorgesetzten, Teammitgliedern und Eltern die Bedeutung neuer Medien in der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen fachlich korrekt vermitteln;
  • Eltern zum Thema „Neue Medien“ informieren und pädagogisch beraten.


Internetpädagogische Personalkompetenz

  • Eigene berufliche Prioritäten setzen und die medien- und internetpädagogische Kompetenz als einen Baustein der beruflichen Handlungskompetenz weiterentwickeln;
  • flexibel auf Veränderungen des Arbeitsmarkts reagieren;
  • die eigene Medien- oder Internetsozialisation kritisch reflektieren;
  • Kindern und Jugendlichen durch eigenes medienkompetentes Verhalten als Vorbild dienen.


Konzepte und Möglichkeiten der Medienbildung

Natürlich gibt es bereits Konzepte der Medienbildung für den Bereich der Frühpädagogik. Sie müssen allerdings breiter bekannt und ausprobiert werden, denn Kompetenz erwächst aus Erfahrung – bei Kindern wie Erwachsenen. Bewährte Konzepte und Möglichkeiten der Medienbildung müssen zusammengefasst und in der Aus-, Fort- und Weiterbildung umgesetzt werden. Neben den Bildungsplänen – einige müssten hinsichtlich der Medienkonzepte dringend überarbeitet werden – gibt es reichlich Fachliteratur zum Thema.

 

Verbindliche Vorgaben in den Curricula

Wenn die frühpädagogischen Bildungspläne Medien thematisieren, sollten auch die Rahmenrichtlinien und Vorgaben für die Erzieherinnenausbildung solche Inhalte verbindlich festlegen. Gestaltungsspielräume sorgen nicht dafür, dass neue Medien behandelt werden, sondern lassen Lehrerinnen an Fachschulen für Sozialpädagogik zu viel Raum für die individuelle Ablehnung des Themas. Die Ergänzung der Rahmenrichtlinien durch eine curriculare, von den Kultusministerien in Auftrag gegebene Handreichung oder Handlungsempfehlung wäre zumindest ein Schritt in die richtige Richtung. Darüber hinaus sollten neue Medien fest in die Didaktik der Sozialpädagogik integriert werden, da sie in einigen Bereichen eine sinnvolle Ergänzung sind. Kooperation auf Augenhöhe und die Verbesserung der organisatorischen Rahmenbedingungen ist – wie die Erfahrung an unserer Schule seit zwei Jahren zeigt – mittels neuer Medien möglich. Projekte als eine zentrale Methode der Ausbildung können, bezogen auf Selbstorganisation, Eigenverantwortung und Projektplanung, zum Beispiel durch einen Schulserver wie IServ unterstützt werden. Dies gilt auch für die Evaluation von Lernprozessen.

Methodische Wege in der Erzieherinnenausbildung müssen Freiraum schaffen, damit Kompetenzen und Fähigkeiten zur professionellen Selbstreflexion, zum kooperativen Problemlösen und zur wechselseitigen Lernberatung erarbeitet und erprobt werden können. Dieser Freiraum kann in virtuellen Lernumgebungen auf IServ entstehen.

 

Zugang zum Internet für alle frühpädagogischen Fachkräfte

PC und Internet stehen meist im Büro der Leitung, was den Zugang für Erzieherinnen erschwert. Die Geräte werden in erster Linie für die Verwaltung genutzt und wurden deshalb angeschafft. Es ist bekannt, dass Frauen auf der ökonomischen Ebene generell schlechtere Zugangsmöglichkeiten zum Internet haben als Männer. Pädagogischen Fachkräften – in der Frühpädagogik sind es überwiegend Frauen – den Zugang zum Internet und somit zum ELernen zu verweigern heißt, den „digitalen Graben“ zu vertiefen und den Mitarbeiterinnen eine Bildungsmöglichkeit vorzuenthalten. Deshalb fordert die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“ die bessere „Ausstattung der Kindertagesstätten mit entsprechenden (…) technischen Ressourcen“. (Enquete 2012, S. 54)

Jede Erzieherin, jede frühpädagogische Fachkraft muss – wie jede Grundschullehrerin – die Möglichkeit haben, das Internet als aufkommendes zentrales Bildungs- und Informationsmedium am Arbeitsplatz zu nutzen und Kompetenzen in Sachen neue Medien zu erwerben. Sinnvoll wäre eine Kampagne „Kitas ans Netz“, ähnlich der vor Jahren entstandenen Kampagne „Schulen ans Netz e. V.“, einer Initiative des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie und der Deutschen Telekom. Die Kampagne hatte das Ziel, die Schulen in Deutschland mit kostenlosen Internetzugängen auszustatten. „Durch konkrete Online-Hilfen, medienpädagogische Konzepte und Angebote begleitet ‚Schulen ans Netz e. V.‘ den Einsatz neuer Medien im Bildungsbereich. Professionelle Internet-Dienste und Plattformen unterstützen Lehrkräfte und außerschulisch tätige Pädagoginnen und Pädagogen (…) bei ihrer täglichen Arbeit mit Computer und Internet. Mit Online-Angeboten, Vorträgen und Fachtagungen leistet ‚Schulen ans Netz e. V.‘ einen Beitrag zum gesamtgesellschaftlichen Dialog rund um das Thema ‚Neue Medien und Bildung‘.“ Eine Kampagne „Kitas ans Netz“ würde die frühpädagogischen Arbeitsfelder ernst nehmen und sie endlich auf eine Stufe mit allen anderen Bildungsbereichen stellen.


Ein Zukunftskonzept „Neue Medien in der Ausbildung frühpädagogischer Fachkräfte“

Wie kann die Erzieherinnenausbildung der Zukunft im Bereich „Neue Medien“ aussehen? Aus meiner Sicht müsste sie Folgendes enthalten:

  • Selbstorganisiertes Lernen: keine Trennung von Klassenraum und PC-Raum,
  • Mediendidaktik,
  • vernetztes Lernen: Schule-Praxis-Schule (Disskusionsforen, Dialog-Plattform),
  • fest in die Ausbildung integriertes E-Learning,
  • Medien-Raum als dritter Erzieher,
  • Praxisreflexion in virtuellen Lerngemeinschaften.

Die Enquete-Kommission empfiehlt den Ländern, eine Abstimmung der IT-Systeme an Schulen anzustreben, und fordert mit digitalen Lernmedien befasste Verbände,  Unternehmen und Stiftungen auf, Modelle für den Betrieb digitaler Lernarrangements zu entwickeln. Sie betont: „Hierbei ist es aber notwendig, sich von einem technikbeherrschten Bild zu lösen und vielmehr die strukturellen Voraussetzungen in den Blick zu nehmen. Eine technische Vollausstattung der Schülerinnen und Schüler sowie der Schulen macht wenig Sinn, wenn keine Ausbildung der Lehrkräfte erfolgt und entsprechende Bildungskonzepte nicht zur Verfügung stehen“ (Enquete 2012, S. 4) und empfiehlt, die Vorteile digitalisierter Lernprozesse insbesondere für individualisierte, selbstständige Lern- und Qualifizierungsprozesse zu nutzen und althergebrachte autoritäre Hierarchieverhältnisse zwischen Auszubildenden und Ausbildern aufzubrechen. (Ebd. S. 14)

Die Formel vom Medienraum als drittem Erzieher geht auf den aus der Reggio-PädagogikReggio-Pädagogik|||||Die Reggio-Pädagogik ist ein reformpädagogisches  Gesamtkonzept von Ideen und Praxisstrukturen, die seit den 1960 er Jahren in der Norditalienischen Stadt Reggionell`Emilia in Krippen und Kindergärten entwickelt wurde. Dem Konzept liegt ein humanistisches Menschenbild und eine demokratische Gesellschaftsvorstellung inne. stammenden Begriff vom Raum als drittem Erzieher zurück und beschreibt das dialogische Verhältnis zwischen dem Kind und seiner Umgebung. Auf Erwachsene bezogen heißt das: Neben vielen anderen Ressourcen kann netzbasiertes Lernen die Kommunikation bereichern und Lern-Impulse geben. In der Praxis können EDV-basierte Lernstationen, die täglich geöffnet sind, mit einem I-Lerncafé verknüpft werden, in dem die Nutzung eigener mobiler Endgeräte via W-LAN (Smartphone, Tablet-PC, Notebook) möglich ist. Ein Notebook-Verleih (W-LAN) für Gruppenarbeiten, Projekte und Unterricht rundet das Angebot an technischen Medien ab.7 Die Aula kann als Bildungs-Kino genutzt werden, in dem Online-Vorlesungen aus Fachhochschulen und Universitäten übertragen werden. All dies wird bei uns in der Ausbildung bereits erfolgreich umgesetzt.

Eine Dialogplattform „Schule-Praxis“ erhöht die Transparenz von Kooperationsprozessen, erleichtert die Terminabsprache der Einrichtungen, die Bereitstellung von Ausbildungsunterlagen, die Information über freie Praxisstellen und offene Jobs sowie den schnellen Mailkontakt der am Lernprozess Beteiligten.

Eine Fachmedienbibliothek sollte neben den klassischen Printmedien auch digitale Medien bereithalten und zur Ausleihe anbieten. Die Möglichkeit, schulische Medienplattformen der Bundesländer wie „Merlin“ in Niedersachsen zu nutzen, gehört ebenfalls in den Bereich der Fachmedienbibliotheken. Zusätzlich kann der Verleih von und der Zugang zu medienpädagogischen Ressourcen wie Materialien für die Hörspiel- und Radioproduktion (Schnittsoftware, Mikrofon), für Film- und Fotoarbeiten (Schnittsoftware, Trickbox-Zubehör, Kamera, Stativ) und PC-Spiele in diesen Bereich integriert werden.

In den Bereich des E-Learning könnten künftig bestimmte Ausbildungsinhalte verlagert und dadurch ergänzt werden. Bei nebenberuflichen Qualifizierungsmaßnahmen – zum Beispiel die Qualifizierung von Tagespflegpersonen – kann E-Learning Präsenzzeiten vor Ort reduzieren, was älteren Menschen und Müttern oder Vätern entgegenkommt, die Familie und Beruf auf diese Weise besser vereinbaren können. Gelernt wird, wenn es individuell möglich ist, und nicht, wenn die Institution es vorgibt. Eingebunden in ein Gesamtkonzept, entsteht so ein an die Bedürfnisse der Lernenden angepasstes Lern- und Ausbildungskonzept.

 
Bedarfsgerechte, nachhaltige Webangebote und virtuelle Lerngemeinschaften

Wie müssen neue Medien gestaltet sein, um die Zielgruppe zu erreichen? Websites für Erzieherinnen haben meist den Charme eines Behördenflurs. Das muss sich ändern. Aus meiner Sicht ist Folgendes zu beachten:

  • Die Webangebote müssen niederschwellig sein, so dass Zugang und Nutzung nicht durch unnötige Datenerhebung und Umwege behindert werden.
  • Die Webangebote müssen intuitiv bedienbar sein. Wer ein Handy benutzt, Mitglied sozialer Netzwerke ist oder andere Webseiten liest, studiert seitenlange Anleitungen nicht und besucht kein Seminar zur Nutzung.
  • Usabilitiy-Forschung (Nutzungsforschung) ist bei einer Berufsgruppe sinnvoll, deren Abwehrhaltung gegenüber neuen Medien so groß ist, dass bereits winzige Hürden oder kleine Fehler zum Abbruch der Nutzung führen können. Barrierefreiheit und Benutzerfreundlichkeit bedeuten: Das System ist leicht erlernbar, effizient benutzbar und ruft Zufriedenheit beim Nutzer hervor.
  • Klare Strukturen und Prozesse, aktuelle, ausführlichen Informationen und aussagekräftige Bilder sind begehrt. Eine gute Performance (schneller Seitenaufbau) und die übersichtliche Navigation begeistern vor allem Internetnutzerinnen. Zwar sind die Unterschiede der Mediennutzung von Männern und Frauen nicht groß, aber es gibt sie. Daher ist es sinnvoll, die Zielgruppe „Frau als technische Konsumentin“ ernst zu nehmen und entsprechende Details der Usability zu beachten: Frauen nutzen im Netz bevorzugt Foren, in denen sie sich über ihre Lebensrealität austauschen können.

Fasst man alle Gender-Aspekte zusammen, sind bedarfsgerechte Webangebote im Bereich der Frühpädagogik jene, die die soziale Interaktion und Unterstützung, hohe praxisnahe Alltagsrelevanz und einen Mehrwert – etwas, das man auf anderen Wegen so nicht bekommen kann – im Kontext einer empathischen Atmosphäre in den Vordergrund stellen.

 

Fazit

Wir brauchen dringend ein bundesweites, bedarfsgerechtes Webportal für Berufseinsteigerinnen, Schülerinnen, Erzieherinnen, Praxisanleiterinnen und Lehrkräfte. Ein einheitliches, bundesweites Portal für all diese Zielgruppen ist sinnvoll, da unglaublich viele Überschneidungen und Synergieeffekte zu erwarten sind, die bei den Insellösungen, die es zurzeit gibt, verloren gehen.

Mein Konzept „www.erzieherin-2020.de“, das alle oben aufgeführten Aspekte auf einer Plattform subsumiert, basiert auf mehr als 15 Jahren Erfahrung und Fachkompetenz. Wenn die Zeit reif ist, stelle ich es Interessierten zur Verfügung. Weitere Insellösungen möchte ich damit nicht befördern.

 

Netz-Tipps für AusbildnerInnen


www.dialog.georgsanstalt.de
Die Startseite der Dialog-Plattform – „Praxis – Theorie“ – im Rahmen der Erzieherinnenausbildung an der Georgsanstalt BBS-II in Uelzen. Die Plattform soll dazu dienen, den Dialog der Verantwortlichen am Lernort Schule mit der Praxis zu verbessern, also schneller, effizienter und transparenter zu kommunizieren. Die weitergehende Nutzung ist nur registrierten Kooperationspartnern möglich.

www.bibernetz.de
Per Bibernetz können sich Interessierte verbinden und sich online weiterbilden. Dafür stehen kostenlose Online-Kurse zu Themen von „Kita-Management“ über „Sprachförderung“ bis zu „Medienkompetenz“ zur Verfügung. (Hinweis: www.bibernetz wird zum Ende des Jahres 2013 eingestellt)

www.nibis.de
Merlin2go – entwickelt vom NLQ in Niedersachsen – ist ein digitales Werkzeug zur Medienverwaltung, das es ermöglicht, Medien-Ressourcen auch in nicht vernetzten Umgebungen für den Unterricht zu nutzen. Lehrkräfte und Auszubildende finden hier eine Arbeitsumgebung mit freier Software und Angeboten, die von jedem Rechner aus angesteuert werden können. Dadurch können sie selbstorganisiert auf Medien zugreifen, die früher meist Lehrkräften vorbehalten waren. In die Suchmaske „Merlin2go“ eingeben.

www.iserv.eu
IServ ist ein mächtiger Schulserver, der eine neue, flexiblere und individuellere Art des Lehrens und Lernens ermöglicht – jahrgangs- und fächerübergreifend, unabhängig von örtlichen Gegebenheiten und dem in der Schule üblichen Zeitraster. Der Zugriff erfolgt plattformunabhängig mittels eines gewöhnlichen Internet-Browsers über eine konsistente und intuitiv bedienbare Weboberfläche.

 

Netz-Tipps für frühpädagogische Fachkräfte


  • www.aufstieg-durch-bildung.info
  • www.bibernetz.de
  • www.bildungsklick.de
  • www.bildungsserver.de
  • www.bveed.de
  • www.erzieherin.de
  • www.erzieherinnenausbildung.de
  • www.erzieherin-online.de
  • www.familienhandbuch.de
  • www.familien-mit-zukunft.de
  • www.flimmo-fachportal.de
  • www.haus-der-kleinen-forscher.de
  • www.horte-online.ch
  • www.kigaseminare.de
  • www.kinder-frueher-foerdern.de
  • www.kindergartenpädagogik.de
  • www.kindergarten-workshop.de
  • www.kindertagesbetreuung.de
  • www.kinder-tun-was.de
  • www.kita21.de
  • www.kitakram.de
  • www.kitas-im-dialog.de
  • www.mec-rlp.de
  • www.nifbe.de
  • www.plattform-educare.org
  • www.profis-in-kitas.de
  • www.skg-forum.de
  • www.vorteil-kinderbetreuung.de
  • www.weiterbildungsinitiative.de

 

Netz-Tipps für Kinder


www.internauten.de
Die Internetseite "Internauten.de" enthält alle wesentlichen Informationen zum sicheren Umgang mit dem Internet. Zahlreiche Comics, Spiele und Simulationen ermöglichen ein kindgerechtes, spielerisches Erlernen des Umgangs mit dem Medium Internet. Mit der Initiative unterstützt das Deutsche Kinderhilfswerk, die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter und Microsoft Deutschland Kinder, Erzieherinnen, Lehrkräfte und Eltern aktiv bei der Förderung eines starken Bewusstseins für Sicherheit und dem Schutz der Privatsphäre bei der Nutzung neuer Medien.

www.clipklapp.de
ClipKlapp bedeutet Spaß und Lernen für Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren – und zwar sicher. Denn ClipKlapp ist das Videoportal für Kinder des Deutschen Kinderhilfswerk e.V. Hier können Kinder altersgerechte Videos ansehen und natürlich auch eigene Beiträge hochladen. Auf ClipKlapp zeigen Kinder, was sie bewegt, wie sie die Welt sehen, was ihnen wichtig ist. Und sie können Geschichten so erzählen, wie sie es möchten. Auf ClipKlapp lernen Kinder zudem, wie man kreativ und sicher mit der Kamera und natürlich dem Internet umgeht.

www.blinde-kuh.de
Das beliebte „Google für Kinder“. Die Blinde Kuh ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung, Vernetzung und Bereicherung der unabhängigen und nicht-kommerziellen Internet-Kultur der Onliner unter 14 Jahren. Die blinde-kuh.de wurde unter anderem ausgezeichnet mit dem Kinderkulturpreis 1998, dem Pädi 1999 sowie dem Grimme Online Award 2006.

www.bibernetz.de
Das Netzwerk bibernetz.de bietet Erzieherinnen und Erzieher, Kitas und ihren Trägern, Grundschulen sowie Fachschulen und Hochschulen die Möglichkeit sich zu informieren, miteinander in Kontakt zu treten und voneinander zu lernen. Medienkompetenz für die Frühpädagogik durch die Nutzung von Medien zu erwerben ist eine Möglichkeit in diesem kostenlosen Netzwerk.

www.fragfinn.de
fragFINN bietet einen geschützten Surfraum, der speziell für Kinder geschaffen wurde und in dem sie sich frei im Internet bewegen können, ohne auf für sie ungeeignete Inhalte zu stoßen. Der Surfraum basiert auf einer sogenannten Whitelist. Dies ist eine thematisch und zahlenmäßig umfangreiche Liste an kindgeeigneten und von Medienpädagogen redaktionell geprüften Internetseiten.

 


Literatur


  • Beher, K./Walter, M.: Qualifikationen und Weiterbildung frühpädagogischer Fachkräfte. Bundesweite Befragung von Einrichtungsleitungen und Fachkräften in  Kindertageseinrichtungen: Zehn Fragen – Zehn Antworten. WiFF-Studie Nr. 15, 2012
 
  • Blömeke, S.: Medienpädagogische Kompetenz. Theoretische und empirische Fundierung eines zentralen Elements der Lehrerausbildung. München 2000
 
  •  BMFSFJ (2002): 11. Kinder- und Jugendbericht

  • Enquete-Kommission des Bundestages (1998): Schlussbericht Medienkompetenz.

  • Eirich, H.: Medienpädagogik im Elementarbereich. Projektbericht, Band 1. Die Befragung von Erzieherinnen in bayrischen Kindergärten – Grundauswertung und Diskussion der Ergebnisse. München 1998

  • Feil, Christine (2001): Internet für Kinder: Hilfen für Eltern, Erzieher und Lehrer: Hilfen für Eltern, Erzieherinnen und Lehrkräfte. München

  • Kobbeloer, M.: Internetnutzung von ErzieherInnen. Darstellung und Auswertung einer Studie zur Medienkompetenz. Berlin 2002
 
  • Marsden, N.: Vorurteile über virtuelle Welten an Schulen. Soziale Stereotypen als Barrieren auf dem Weg in den medialen Lernraum. In: medien+erziehung, Heft 5/2002, S. 315-319

  • Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (Hrsg.): JIM 2011. Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart 2011
 
  • Neuß, Norbert (2009): Medienpädagogische Entgegnungen – Eine Auseinandersetzung mit den populären Auffassungen von Prof. Spitzer aus Sicht der Elementarbildung. In: Dieter Baacke Preis Handbuch 4, S. 15-35
 
  • Niedersächsisches Kultusministerium: Rahmenrichtlinien für das Fach Berufsbezogener Unterricht der Fachschule – Sozialpädagogik. 2002

  • Niedersächsische Staatskanzlei (2011): Medienkompetenz in Niedersachsen, Konzeptentwurf

  • Rauchfuß, K.: Sozi@le Netze. Zum Wandel sozialer Netzwerke (Internet). Tectum-Verlag, Marburg 2003

  • Schilling, M.: U3 – Der Ausbau kommt weiter voran. In: komdat Jugendhilfe, Heft 3/10

  • Schneider, B. et. al. (Hrsg.): Medienpädagogische Kompetenz in Kinderschuhen. Eine empirische Studie zur Medienkompetenz von Erzieherinnen und Erziehern in Kindergärten. Berlin 2010

  • Six, Ulrike; et.al.: Medienerziehung im Kindergarten. Theoretische Grundlagen und empirische Befunde. Opladen 1998

  • Six, Ulrike; Gimmler, Roland et.al. (Hrsg.): Die Förderung von Medienkompetenz im Kindergarten. Eine empirische Studie zu Bedingungen und Handlungsformen der Medienerziehung. Berlin 2007

  • Spitzer, Manfred: Vorsicht Bildschirm! Elektronische Medien, Gehirnentwicklung, Gesundheit und Gesellschaft. 5. Auflage. München 2006.



 

Zum Weiterlesen:

Apps für Kinder

ErzieherInnen und Internet - Auszüge einer Bachelor Arbeit