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Inklusion in KiTas: Eigentlich ganz normal

Inhaltsverzeichnis

  1. Inklusion als Menschenrecht
  2. Menschenrecht
  3. Bildungs- und Entwicklungsbegleitung
  4. Zusammenarbeit
  5. Ausblick
  6. Literatur

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Behinderung


Wenn wir ein Kind als behindert bezeichnen, so sagen wir damit vor allem etwas über die Bedingungen aus, unter denen sich ein Kind entwickelt. Behinderungen entstehen im komplexen Zusammenwirken von Risikofaktoren in der kindlichen Entwicklung und gesellschaftlichen Diskriminierungs- und Ausgrenzungsprozessen (vgl. u. a. World Health Organization 2001). Der Begriff „Behinderung“ beschreibt folglich keine feststehende Eigenschaft einzelner Kinder oder bestimmter Gruppen von Kindern, sondern primär die unvollständige Umsetzung von sozialer Teilhabe und Bildungsteilhabe. Mit dem Begriff lässt sich sinnvoll hinweisen auf einen Mangel an Möglichkeiten für gesellschaftliche Beteiligung sowie dazu, das eigene Potenzial auszuschöpfen, nicht aber das Verhalten eines Kindes erklären.

Hiervon ausgehend geht es in der inklusiven Pädagogik um die Analyse von Situationen, in denen Partizipation und/oder Lern- und Entwicklungsprozesse durch bestimmte Barrieren bzw. deren Zusammenwirkung behindert werden. Inklusion bedeutet also einen bewussten und reflektierten Umgang mit der Heterogenität des Lernens sowie von Entwicklungs- bzw. Sozialisationsbedingungen insgesamt. Risiken für Ausgrenzung oder Marginalisierung können sich dabei in unterschiedlicher Ausprägung zeigen und sich gegenseitig überlagern. Daher ist ein wesentlicher Aspekt, der gegenwärtig mit der begrifflichen Weiterentwicklung von der Integration zur Inklusion verknüpft wird, die gedankliche Zusammenführung verschiedener Dimensionen von Heterogenität wie kulturelle Zugehörigkeit, Religion, Alter, Gender und Befähigung. Für die Weiterentwicklung inklusiver Konzepte ist das komplexe Zusammenwirken der vielschichtigen Heterogenitätsdimensionen, welche die Lebenslage eines Kindes kennzeichnen können, in ihrer Verschränkung und Dynamik im Hinblick auf Barrieren für gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe in den Blick zu nehmen. Es geht folglich insgesamt um ein besonderes Augenmerk für Risiken und Gefährdungen von Kindern, die an den Rand gedrängt oder ausgegrenzt werden (Marginalisierung bzw. Exklusion) und/oder die eigenen Potenziale für Lernen und Entwicklung nicht entfalten können (underachievement) (vgl. UNESCO 2009).

Um dieser Komplexität Rechnung zu tragen, sollte für eine inklusive Praxis milieu-, kultur- und geschlechtersensible Pädagogik verknüpft gedacht werden. In der Umsetzung in der Kindertagesstätte geht es folglich darum, Unterschiede zwischen Kindern anzuerkennen ohne dies mit einer Bewertung zu verbinden, d. h. zu hierarchisieren („egalitäre Differenz“; Prengel 1993). Vielmehr werden diese Unterschiede als Ausgangspunkt für soziale Lernprozesse gesehen. Menschliche Vielfalt wird hier als Quelle möglicher kultureller Bereicherung betrachtet (vgl. Bielefeldt 2009, 7) und als eigener Wert anerkannt. Jedoch ist dies nicht mit einer undifferenzierten Befürwortung derselben gleichzusetzen. Insbesondere mit Blick auf materielle Armut und soziale Ungleichheit ist ein reflektierter Umgang mit Heterogenität gefordert, eingebettet in gerechtigkeitstheoretische Fragestellungen (vgl. Prengel 2010). Dies stellt Fachkräfte in Kindertagesstätten vor die Herausforderung, eine Balance zu schaffen zwischen Wertschätzung verschiedenster Lebenssituationen und der Schaffung einer entwicklungsförderlichen Umgebung, in der sie die Barrieren für Partizipation abbauen helfen, damit das Kind sein Potential entfalten kann.