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Bindung und Begabungsentfaltung

Inhaltsverzeichnis

  1. Bindungssicherheit
  2. ErzieherIn-Kind-Beziehung
  3. Resümee
  4. Literatur

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Beispiele empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.er Untersuchungen zur ErzieherIn-Kind-Beziehung


Studien zur ErzieherIn als Bindungsperson

Wie bereits erwähnt, wurde in verschiedenen Studien gezeigt, dass ErzieherInnen Funktionen einer Bindungsperson erfüllen können (z. B. Fox 1977, Cummings 1980 und Barna/Cummings 1994). In den Studien von Cummings (1980) und Barna/Cummings (1994) wurden die Auswirkungen von personeller Stabilität auf bindungsrelevante Verhaltensweisen von elf bis 28 Monate alten Kindern untersucht. Im Kita-Alltag zeigten die Kinder gegenüber den ErzieherInnen Bindungsverhalten – z.B. in Form von Nähe- und Kontaktsuchen, Rufen und Nachfolgen – sowohl in Belastungssituationen als auch in nicht-stressigen Episoden. Dabei wurden stabile gegenüber nicht-stabilen Betreuungspersonen von den Kindern bevorzugt. Stabile Betreuungspersonen waren auch effektiver darin, die Kinder zu beruhigen. Es schien, als ob die Kinder in der Umgebung der Tagesbetreuungseinrichtung die stabilen nichtelterlichen Betreuungs-personen als Ersatz für die Mutter akzeptierten (Cummings 1980: 36).

In einer den Kindern unvertrauten Laborsituation zeigten sie jedoch bei Anwesenheit einer fremden Person sehr viel deutlicheres Bindungsverhalten gegenüber der Mutter als gegenüber stabilen und nicht-stabilen nichtelterlichen Betreuungspersonen. Das zeigt, dass für die meisten Kinder im Vergleich zu nichtelterlichen Betreuungspersonen die Mutter die bedeutsamere Bindungsperson darstellt (ebd.). In Situationen mit einer nichtelterlichen Betreuungsperson und einer fremden Person suchten die Kinder mit höherer Wahrscheinlichkeit die Nähe der nichtelterlichen Betreuungsperson auf (ebd.). Daraus geht hervor, dass auch die nichtelterlichen Betreuungspersonen als »sichere Basis« fungieren können (ebd.).

Ähnliches zeigte sich in einer Studie von Fox mit israelischen Kibbutz-Kindern (Fox 1977: 1234), wobei hier jedoch die Hauptbetreuung schon im ersten Lebensjahr außerfamiliär erfolgte. Die Betreuerinnen (Metapelet) stellten somit primäre Bindungspersonen für die Kinder dar. In der Studie von Fox konnten vermutlich deshalb im Protestverhalten der Kinder bei der Trennung von Mutter und Metapelet keine Unterschiede festgestellt werden. Allerdings zeigten sich Unterschiede im Verhalten der Kinder in Wiedervereinigungssituationen, die deutlich machten, dass die Kinder mehr an ihre Mütter gebunden waren als an ihre ErzieherInnen (ebd.). In der Wiedervereinigungssituation mit ihren Müttern weinten sie weniger als bei der derjenigen mit ihren ErzieherInnen (ebd. Tabelle S. 1233).

Ahnert et al. führten zum Vergleich der Sicherheit von Mutter-Kind und ErzieherIn-Kind- Bindungen eine Metaanalyse von 40 internationalen Studien durch (Ahnert et al. 2006), in der die Daten von 2867 Kindern im Durchschnittsalter von 30 Monaten, die sich in außerfamiliärer Kinderbetreuung befanden, einflossen. Die Kinder hatten je nach der eingesetzten Erfassungsmethode – dem oben beschriebenen Fremde-Situationen-Test oder dem Attachment Q-Set (AQS) 6 nach Waters und Deane (Waters, Deane 1985; Waters 1995) – entweder (1) häufiger sichere Bindungen zu ihren Eltern als zu ErzieherInnen (fremde Situation) oder (2) sichere Bindungen waren gleich häufig (AQS). Sichere Bindungen waren häufiger bei der Betreuung durch Tagesmütter als im Kita-Kontext. Außerdem hatten Kinder, die schon längere Zeit in einem Betreuungskontext waren, eher sichere Bindungen zu ihren ErzieherInnen. Auch Geschlechtsunterschiede wurden deutlich: Mädchen hatten häufiger sichere ErzieherInnen- Bindungen als Jungen. Anders als in kleinen Kindergruppen, die im häuslichen Kontext fremdbetreut wurden, konnte die Bindungssicherheit zur ErzieherIn in größeren Kindergruppen besser durch die »gruppenbezogene Feinfühligkeit« der ErzieherIn vorhergesagt werden, als durch Verhaltensmaße, die auf den Umgang der ErzieherIn mit einzelnen Kindern bezogen waren. Nach dieser Metaanalyse kann man sagen, dass sichere ErzieherInnen-Kind-Bindungen eher in jenen Kindergruppen entstehen, in denen die Gruppenatmosphäre durch ein empathisches ErzieherInnenverhalten bestimmt wird, das gruppenbezogen ausgerichtet ist, d.h., das die Dynamik in der Gruppe reguliert (Ahnert 2007: 35) und das gleichzeitig die wichtigsten sozialen Bedürfnisse eines jeden einzelnen Kindes zum richtigen Zeitpunkt erfüllt (Ahnert 2006; Ahnert 2008: 268).


Studie zur Bindungs-Explorations-Balance im Kindergarten

In einer Studie von Anderson et al. wurde das Bindungs- und das Explorationsverhalten von 35 Kindern im Alter zwischen 19 und 42 Monaten mit mehreren ErzieherInnen aus mehreren Kinderbetreuungsinstitutionen im Rahmen des klassischen Tests »fremde Situation« untersucht (Anderson et al. 1981). Die Studie zeigte deutliche Unterschiede im Bindungsverhalten (z.B. im Kontaktsuchen und in der Distanzinteraktion) und im Explorationsverhalten der Kinder in Abhängigkeit von ihren Beziehungserfahrungen mit ihren ErzieherInnen (ebd.: 53) im KiTa-Alltag. Kinder, deren ErzieherInnen sich stärker für die Beziehung engagierten, zeigten diesen gegenüber in der fremden Situation häufiger Bindungsverhalten und explorierten in der Anwesenheit ihrer ErzieherInnen deutlich mehr als Kinder, deren ErzieherInnen sich im Alltag weniger um sie bemühten (Anderson et al. 1981: 53). Kinder mit weniger beziehungsengagierten ErzieherInnen suchten während der Präsenz der ErzieherInnen häufiger Kontakt zu der fremden Person und interagierten häufiger mit ihr als mit der anwesenden ErzieherIn (ebd.: 53). Nur Kinder mit engagierten ErzieherInnen interagierten mit diesen häufiger als mit der fremden Person (ebd.: 59). Die Autoren schlussfolgerten, dass die Kinder mit stark in die Beziehung involvierten ErzieherInnen besser in der Lage waren, diese als sichere Basis für ihre Umwelt-Exploration zu nutzen als Kinder mit weniger involvierten ErzieherInnen (Anderson et al. 1981: 59).

 

Studien zum Einfluss der ErzieherIn-Kind-Beziehung auf die Entwicklung der Kinder

Aus einer Studie von Howes et al. (1994) geht hervor, dass Kinder im Alter von vier Jahren, die sich in einer sicheren ErzieherIn-Kind-Beziehung befanden, als feinfühliger bzw. sensibler, empathischer und geselliger im Kontakt mit vertrauten Peers eingeschätzt wurden, dass sie in komplexeren Spielen mit vertrauten und weniger vertrauten Kindern eingebunden waren, dass sie in Soziogrammen von nicht vertrauten Peers positiver eingeschätzt wurden und dass sie sich als lernfähiger in Bezug auf die Selbstkontrolle zeigten als Kinder, die sich in einer unsicheren, vermeidenden oder ambivalenten Beziehung zur ErzieherIn befanden (ebd.: 272). Da die ErzieherInnen die Rahmenbedingungen und die Abläufe für Peerkontakte in der Kinderbetreuungseinrichtung zu großen Teilen bestimmen, ist zu ermuten, dass die Kinder ihre Beziehung zu ihrer ErzieherIn als Basis dafür nutzen, um die Peer-Interaktionen für sich zu entdecken (zu explorieren!) und um sich an den Peer-Interaktionen in der Einrichtung zu orientieren (ebd.: 272).

Eine dreijährige Längsschnittstudie von Howes et al., die mit Kindern im Alter zwischen 13 und 24 Monaten begann, erbrachte außerdem das Ergebnis, dass eine sichere ErzieherIn-Kind-Beziehung positiv mit den folgenden drei Dimensionen kompetenten Peer-Verhaltens im Alter von vier Jahren korrelierte: positives Sozialverhalten, Geselligkeit bzw. Kontaktfreudigkeit sowie mit komplexeren Spielen mit Gleichaltrigen (Howes et al. 1994a: 257). Umgekehrt muss festgestellt werden, dass Kinder in unsicheren ErzieherIn-Kind-Beziehungen häufiger (als sicher an die ErzieherIn gebundene Kinder) unvorteilhafteres Peer-Verhalten zeigten, wie z.B. Aggressivität und Verschlossenheit (ebd.).

In einer anderen Längsschnittstudie von Peisner-Feinberg und KollegInnen zur Qualität der vorschulischen Kinderbetreuung und ihren Auswirkungen auf die kognitive und soziale Entwicklung wurden 733 Kinder im Alter von vier bis acht Jahren über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg untersucht (Peisner-Feinberg et al. 2001: 1537). Die Resultate dieser Studie zeigen, dass eine höhere Qualität der Kinderbetreuung und eine von den ErzieherInnen als positiver eingeschätzte Beziehung in der Vorschulzeit sowohl kognitive als auch soziale Fähigkeiten der Kinder in der zweiten Grundschulklasse vorhersagen können (ebd.: 1551). Langfristige Auswirkungen auf die kognitive Entwicklung zeigten sich z.B. in besseren mathematischen Fähigkeiten, wenn die Kinder eine qualitativ bessere Kinderbetreuung erlebt hatten. Wenn die ErzieherInnen die Beziehung zum Kind als enger bewertet hatten, so berichteten die Lehrer später in der zweiten Klasse von weniger Verhaltensauffälligkeiten. Aus der Studie geht außerdem hervor, dass Kinder, deren ErzieherInnen die ErzieherIn-Kind-Beziehung als eng bewertet hatten, dazu tendierten, (1) höhere Werte bei Sprachtests zu erreichen (ebd.: 1544), (2) bessere kognitive Fähigkeiten zeigten und dass (3) ihre Aufmerksamkeit als besser eingeschätzt wurde, wobei diese Korrelation im Verlauf der fünfjährigen Untersuchungszeit geringer wurde, aber trotzdem immer noch im zweiten Schuljahr statistisch signifikant war (ebd.: 1546), und dass sie (4) weniger Problemverhalten zeigten, wobei auch diese Korrelation mit der Zeit immer weiter abnahm (ebd.: 1546). Die Autoren zogen aus diesen Ergebnissen die Schlussfolgerung, dass Kinder in ihren frühen positiven Beziehungen mit nichtelterlichen Betreuungspersonen Interaktionsmuster erlernen, die sie zu Beziehungen mit zukünftigen Betreuungspersonen oder mit Lehrkräften befähigen (ebd.). Sie lernen in diesen frühen Beziehungen auch zu lernen und die in diesen Betreuungskontexten erworbenen Lernerfahrungen für ihre zukünftige Entwicklung zu nutzen (ebd.).

 


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