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Individuelle Förderung und Selbstkompetenz-Entwicklung

Inhaltsverzeichnis

  1. Potenziale und Kompetenzen
  2. Individuelle (Früh-)Förderung
  3. Ressourcenorientierung
  4. Kultur der Anerkennung
  5. Fazit
  6. Literatur

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Individuelle (Früh-)Förderung als Beitrag zur Fähigkeitsentfaltung und Persönlichkeitsentwicklung


So wie es wichtig ist, die Gleichwertigkeit aller Begabungen anzuerkennen, ist es unerlässlich, jedes einzelne Kind in Kindertagesstätte und Grundschule in den Blick zu nehmen. Entsprechend gilt die individuelle Förderung im Kontext einer »Bildung für alle« seit einigen Jahren national und international als Qualitätsindikator von Bildungsreformen. Sie ist Bestandteil des Bildungsauftrags (z.B. Forum Bildung 2002). Inzwischen ist eine verbesserte individuelle Förderung als zentrale Leitlinie in Bildungs-und Orientierungsplänen und in Erlassen bzw. Schulgesetzen in zahlreichen Bundesländern verankert.

Bemerkenswert ist in vielen Veröffentlichungen zur individuellen Förderung das überaus hohe Ziel der optimalen Entfaltung von Begabungen und der Nutzung von Chancen (Klafki 2002; Bönsch 2004; Braun/Schmischke 2006). Gleichwohl mangelt es bildungspolitisch – zum Teil auch von Seiten  der Wissenschaften – an der Konkretisierung dessen, was dies bedeutet und wie man diese optimale Förderung umsetzen und in Bezug auf ihren Erfolg überprüfen kann. Allzu häufig findet sich statt eines Blickes auf die Individualität doch eher einer auf (scheinbar) homogene Gruppen. In derSchule ist noch immer die triviale wie langlebige Dreiteilung nach fachlichem Leistungsvermögen verbreitet, d.h. den »Leistungsschwachen« werden die »besonders Begabten« (und nicht die »Leistungsstarken«) gegenübergestellt; das sogenannte »Leistungs-Mittelfeld« wird zwar genannt, scheint in Bezug auf Förderung aber unberücksichtigt zu bleiben. In der Kita werden beispielsweise die Lauten den Stillen, die Aktiven den Ruhigen gegenübergestellt. Auch hier bleiben Varianzen zwischen diesen beiden Polen unberücksichtigt. Dies hat Konsequenzen auch für die Beziehung zwischen PädagogIn und Kind.

Individuelle Förderung muss definiert werden

PädagogInnen können nicht auf eine eindeutige Definition von individueller Förderung zurückgreifen und deshalb wird häufig das aus den zahlreichen Veröffentlichungen »herausgepickt«, was gerade ins (Kita-) Konzept oder (Schul-)Profil passt, oder das, was nicht zu viele Reformen nach sich zieht. Dabei wird nicht selten eher einseitig auf Voraussetzungen für Leistungserbringung eingegangen. In der Schule steht im besten Fall beispielsweise die Gestaltung der Lernumgebung im Vordergrund. Die Persönlichkeitsmerkmale, wie etwa die Selbstkompetenzen, stehen seltener im Fokus der Förderung oder werden gar als »Bringschuld« der SchülerInnen angesehen, die diese Kompetenzen in der frühen Sozialisation bereits erworben haben müssten, um überhaupt »beschulbar« zu sein (vgl. Kunze/Solzbacher 2008).

Um die Möglichkeiten individueller Förderung möglichst in vollem Umfang pädagogisch umsetzen zu können, bedarf es deshalb zunächst der Beschreibung dessen, was die einzelne ErzieherIn und Lehrkraft unter individueller Förderung versteht. In der Forschungsstelle Begabungsförderung des nifbe wird individuelle Förderung aus den oben genannten Gründen wie folgt definiert:

Unter individueller (Früh-)Förderung werden alle Aktivitäten von PädagogInnen verstanden, die mit der Intention erfolgen, die Persönlichkeitsentwicklung und die Entfaltung der Fähigkeiten und Begabungen eines jeden Kindes zu unterstützen. Ausgangspunkt sind die Lebenswelt des Kindes, seine spezifischen Bedürfnisse und die Bewältigung seiner Entwicklungsaufgaben. Grundlegend sind die PädagogIn-Kind-Beziehung und deren Reflexion. Individuelle Förderung orientiert sich an den Ressourcen des Kindes. Grundorientierung ist der Respekt vor Vielfalt (DiversityDiversity|||||Im Deutschen wird der Begriff auch auch als Vielfalt benutzt und meint besonders, dass soziale Vielfalt konstruktiv genutzt wird. Im Diversity Management wird besonders auf eine positive Wertschätzung der individuellen Verschiedenheit eingegangen, um eine produktive Gesamtatmosphäre zu erreichen.). Ziel ist die Umsetzung eines ganzheitlichen Bildungsanspruchs. Die Professionalität der PädagogIn besteht darin, eine geeignete Lernumgebung zu arrangieren, die das Kind anregt, seine Entwicklung selbsttätig zu gestalten.

Dies soll im Folgenden im Hinblick auf unser Thema weiter verdeutlicht werden, denn die Umsetzung in die Praxis bedarf einer bestimmten »Grundhaltung« und passender Instrumente und Methoden.