Beiträge chronologisch

Bewegungsorientierte Sprachförderung

Ein nifbe-Forschungsprojekt

Inhaltsverzeichnis

  1. Projekt: Förderung sprachlicher Kompetenzen von Kindern durch bewegungsorientierte Maßnahmen
  2. Sprachförderung durch Bewegung für Kinder mit Migrationshintergrund
  3. Literatur

Gesamten Beitrag zeigen

 

Projekt: Förderung sprachlicher Kompetenzen von Kindern durch bewegungsorientierte Maßnahmen

 Sprache  als  zentrales  Bildungsziel  für  den  Elementarbereich  wird  nicht nur in Niedersachsen,  sondern bundesweit  gefordert.  Das Forschungsprojekt  soll einen  Beitrag  leisten  zu der  Frage,  wie  die  Sprachentwicklung  von  allen Kindern  im  Kindergartenalltag  unterstützt  werden kann  und  welche  Bedeutung  hierbei  bewegungsorientierten  Maßnahmen zukommt.  

Dem  isolierten  Training  einzelner Funktionen wird ein  in  den  Alltag  zu  integrierendes, von  der  Körperlichkeit  des  Kindes  ausgehendes  Konzept  der  Sprachförderung  entgegengesetzt.  Im  Detail  wurden  Bewegungssituationen  auf  ihr  Potenzial  zur  Sprachförderung überprüft  und  die  Interaktions- und  Sprechanlässe  in  den  Bewegungssituationen  analysiert.

Folgende Fragestellungen rückten dabei in den Fokus:

  • Wie  sind  die  Rahmenbedingungen  der  Bewegungsangebote  zu  gestalten,  damit diese Sprachanlässe schaffen?
  • Welche  sprachlichen  Kompetenzen  (Bereiche: Lexikon,  Semantik,,  ProsodieProsodie|||||Sammelbegriff für die Merkmale Betonung, Dauer, Lautstärke, Intonation, Rhythmus und Tempo.,  Phonologie,  Phonetik Syntax,  Morphologie,  Pragmatik)  können  im  Kontext  von  Bewegungsaktivitäten gefördert werden?
  • Welche Bewegungsaktivitäten  bieten besondere Gelegenheiten für  sprachliche Interaktionen zwischen den Kindern bei Bewegungshandlungen?
  • Lässt  sich  das  Sprachvorbild  der  Erzieherinnen  durch  eine  Reflexion  des  Sprachanregungspotenzials von Bewegungssituationen im positiven Sinne verändern? 

In diesem Rahmen wurden zwei Hauptstränge verfolgt. Es ging zum einen um die Analyse und  differenzierte  Betrachtung  von  Bewegungssituationen  als  Anlass  zur  Kommunikation, Interaktion und zum Sprechen als Aspekte der Sprachförderung. Zum anderen wurde ein  bewegungsorientiertes  Sprachförderkonzept  implementiert  und  seine  Wirksamkeit evaluiert.

An  dem  Projekt  nahmen  rund  50  Kindergärten  und  Krippen  aus  dem  Raum  Osnabrück teil.  In  20  Kindergärten  wurden  im  Rahmen  eines  Intervention-Kontrollgruppen-Designs mit  Prä- und  Posttest  (Vorher und Danach) anhand  standardisierter  Testverfahren  der  sprachliche  sowie  der motorische Entwicklungsstand von 380 Kindern, die zum ersten Testzeitpunkt 4 Jahre alt waren,  erhoben.  Die  Erzieherinnen  dokumentierten  die  Sprachentwicklung  der  teilnehmenden Kinder mit den Beobachtungsmaterialien SeldakSeldak|||||Systematisches Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren zur Sprachentwicklung  und  Literacy  bei  deutschsprachig aufwachsenden Kindern. Umfasst vielfältige  Bereiche von Lernmotivation  bis zu pädagogischen Konsequenzen. (Ulich & Mayr, 2006) für Kinder mit  Deutsch  als Erstsprache  und  SismikSismik|||||Systematisches Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren zur Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in der Kindertageseinrichtung. Der Bogen umfasst vielfältige Bereiche von Lernmotivation  bis zu pädagogischen Konsequenzen.  (Ulich &  Mayr,  2003)  für  Kinder  mit  Deutsch  als Zweitsprache. 

17 weitere Kindergärten verwendeten ebenfalls  die  Beobachtungsmaterialien,  evaluierten ihre Projektzeit jedoch weitestgehend selbstständig.  Zwischen den Testzeiträumen wurden die ErzieherInnen der Interventionsgruppen durch die Projektmitarbeiterinnen zur Thematik Sprachförderung durch Bewegung fortgebildet.

Die  Inhalte  der  Fortbildungen  beruhten  teils  auf  den  Erkenntnissen  des  Pilotprojektes und  wurden  von  den  ErzieherInnen  direkt  in  ihren  Kindergartengruppen  umgesetzt.  Je zwei  ErzieherInnen  pro  Einrichtung  nahmen  an  den  Fortbildungseinheiten,  die  einmal monatlich stattfanden, teil.  Ein  Fortbildungsnachmittag umfasste  ca. 3 Stunden, in  denen die  TeilnehmerInnen  verschiedene  Workshops  besuchten.  In  den  Workshops  vermittelten  die  Projektmitarbeiterinnen  theoretische  Inhalte  zu  den  verschiedenen  Sprachbereichen und deren praktischen Umsetzung zur Förderung der Kinder im Kindergartenalltag.

Zusätzlich  wurden  die  ErzieherInnen  mit  den  Beobachtungsmaterialien  Sismik  und  Sel-dak  vertraut  gemacht.  Der  gegenseitige  Austausch  über  die  ersten  Erfahrungen  im  Kindergarten, über die Reaktionen der Kinder auf die unterschiedlichen Spielideen und über das  Dokumentieren  der  Sprachentwicklungsverläufe  der  Kinder  wurde  in  kleinen  Gruppen angeregt. Auf einer für das Projekt eingerichteten Homepage konnten die TeilnehmerInnen  sich  über  aktuelle  Termine  informieren  sowie  Handouts  der  Fortbildungsinhalte downloaden. 

Erste Ergebnisse

Zur  Prüfung von  Interventionseffekten der „Bewegten Sprachförderung“ wurde  der sel-dak herangezogen, weil dieses  Verfahren dem  projektinhärenten Konzept der kontextgebundenen Sprachentwicklung am ehesten entspricht. In fünf von neun Subskalen des sel-dak zeigen sich in der  Versuchsgruppe Hinweise  auf signifikante Effekte der bewegungsorientierten  Sprachförderung,  also  signifikante  Verbesserungen  der  Werte  in  der  Versuchsgruppe,  die  an  der  Intervention  teilgenommen  hatte,  während  sich  die  Werte  der Kontrollgruppe signifikant weniger oder gar nicht veränderten. 

Dass  solche  Kompetenzen  bereits  durch  den  normalen  Kita-Alltag  gefördert  werden spricht  für  die  Professionalität  in  den  untersuchten  Einrichtungen  und  legt  die  Vermutung  nahe,  dass  die  beteiligten  Erzieherinnen  auch  persönliche  Kompetenzen  gefördert haben (wie Zuhören, selbstständiger Umgang mit Bilderbüchern, die selbstständige Beteiligung an Gesprächen, und höfliche Kommunikation mit Blickkontakt und Anpassung von Tonfall und Lautstärke an den Gesprächspartner).

Zusammenfassend  lässt  sich  sagen,  dass  diese  ersten Ergebnisse  ermutigende  Hinweise auf  die  Wirksamkeit  einer  bewegungsorientierten  Sprachförderung  im  Hinblick  auf  Aspekte  des  Spracherwerbs  und  der  Entwicklung  von  Selbstkompetenzen  für den  sprachlichen Kontext liefern. 

Mit einem Fragebogen wurden die Erwartungen und Meinungen der TeilnehmerInnen zur Fortbildungsreihe erfasst. Die Inhalte der Fortbildung zur bewegungsorientierten Sprachförderung  wurden als  wichtig  und  in  die Praxis  umsetzbar  wahrgenommen. Auch  insgesamt zeigte die Auswertung ein deutlich positives Feedback.

Zum Projektende evaluierten die pädagogischen Fachkräfte den gesamten Projektverlauf. Die  hohe  Zufriedenheit  auf  Seiten  der  TeilnehmerInnen  mit  den  Inhalten  könnte  eine nachhaltige Weiterführung der bewegungsorientierten Sprachförderung sichern. Weitere Unterstützungsangebote  wurden  von  den  ProjektteilnehmerInnen  vorgeschlagen.  Auch wenn die bewegungsorientierte Sprachförderung sehr gut in den Alltag zu integrieren ist, braucht es  kontiniuerliche  Anregung  und  Sicherung  durch  die  Zusammenarbeit  mit  der Forschung. Ein regelmäßiger Wissenstransfer zwischen Forschung und Praxis sollte auch dazu dienen, auf der bildungspolitischen Ebene Veränderungen einzufordern, um z.B. die Rahmenbedingungen an die Aufgaben des pädagogischen Personals anzupassen.