Beiträge chronologisch

Kinderrechte in der Kita im Kontext von Digitalität und Digitalisierung

Inhaltsverzeichnis

  1. Digitale Medien und Kinderrechte im privaten Raum der Familie
  2. Medienbildung und Kinderrechte in der Kindertagesbetreuung
  3. Dimensionen von Medienbildung in der Kita
  4. Gestaltung einer kinderrechtebezogenen Digitalisierung in der Kita: Wer ist dabei gefragt?
  5. Handlungsempfehlungen
  6. Quellenverzeichnis

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Digitale Medien und Kinderrechte im privaten Raum der Familie

Im Zuge des Kinder- und Jugendschutzdiskurses wird mit Blick auf Kinder oft die Schutz- und Risikoperspektive eingenommen (vgl. Erkenntnisse aus dem Forschungsvorhaben EU-Kids Online). Während bei älteren Kindern deren Nutzungsverhalten und die daraus resultierenden Folgen im Fokus stehen (und dann die Befähigung der Kinder als pädagogische Lösung diskutiert wird), sind es bei jüngeren Kindern beispielsweise digitale Spiele, Apps und Kinderbücher, außerdem Eltern, die im Alltag häufig mit digitalen Geräten beschäftigt (und in diesem Zusammenhang dann unaufmerksam oder abgelenkt) sind, das „Ruhigstellen“ der Kinder mit digitalen Angeboten oder auch Videotelefonieerfahrungen in der Familie mit räumlich fernen Verwandten und Bekannten, mit denen Kinder erste Erfahrungen mit dem Digitalen in ihrem Leben machen. Dabei wird deutlich, dass anders als bei älteren Kindern – die mit zunehmendem Alter auch mehr in Entscheidungen über den Einsatz digitaler Medien im familialen Alltag als eigenständig Handelnde einbezogen werden oder zumindest im Rahmen erzieherischer Interaktionen der Eltern expliziter als Beteiligte im Blick sind – Kleinkinder von der sie umgebenden Umwelt und den dabei praktizierten medienbezogenen Formen abhängig sind. Da sie im frühen Alter zwar mit zunehmender Sprachfähigkeit auch aufgeklärt und in erzieherische Interaktionen einbezogen werden, aber vor allem den Entscheidungen und Handlungen der Erwachsenen um sie „ausgeliefert“ sind, steht mit Blick auf die kleinen Kinder ihr Schutz und mit Blick auf Eltern deren Verantwortung im Umgang mit digitalen Medien, ihre Vorbildfunktion und die Aufgabe, die Rechte der Kinder in der digitalen Umgebung „in ihrem besten Interesse“ zu schützen, im Vordergrund (vgl. auch General Comment No. 25 der Vereinten Nationen 2021).


Erst seit Kurzem rückt zunehmend auch das Mediennutzungsverhalten von Eltern und anderen Erziehungsberechtigten als Risikoquelle in den Blick (vgl. Kutscher und Bouillon 2018; Mascheroni et al. 2018; Pfaff-Rüdiger et al. 2020). Dabei werfen die digitalen Praktiken von Eltern selbst Fragen nach der Achtung der Rechte der Kinder auf: Verschiedene Studien verweisen darauf, dass viele Eltern in sozialen Netzwerken „Sharenting“ betreiben: Sie teilen und veröffentlichen Informationen über ihre Kinder – in Form von Fotos, Filmen oder Berichten über den Alltag des Nachwuchses, häufig ohne die Kinder zu fragen, ob das jeweilige Foto gemacht werden oder ob bzw. mit wem es geteilt werden darf (vgl. Kutscher und Bouillon 2018; Barassi 2020; Stoilova et al. 2019). Andere Eltern nutzen Apps, um ihre Kinder zu überwachen und zu kontrollieren (Stapf et al. 2021). Damit verletzen Eltern das Recht ihrer Kinder auf informationelle Selbstbestimmung, das vom Bundesverfassungsgericht im Jahr 1983 als Bestandteil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts formuliert wurde (BVerfG 1983). Im Sinne der UN-KRK werden dadurch zwei Artikel verletzt: Artikel 16 („Kein Kind darf willkürlichen oder rechtswidrigen Eingriffen in sein Privatleben […] oder seinen Schriftverkehr […] ausgesetzt werden“) und im übertragenen Sinne auch Artikel 32 („Schutz vor wirtschaft­licher Ausbeutung“ – hier: im übertragenen Sinn durch Datenauswertung).

Daraus lässt sich folgern, dass besonders drei Bereiche digitaler Kinderrechte noch nicht hinreichend berücksichtigt wurden:

  • erstens der Schutz von privaten Daten,
  • zweitens das Recht auf digitale Teilhabe für alle (Zugangs- und Nutzungsmöglichkeit, Recht auf digitale Medien­bildung) und
  • drittens die Etablierung von kindgerechten Möglichkeiten der Beteiligung und der Autonomierechte im Kontext digitaler Medien.


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