Diskriminierungskritik in der KiTa

Inhaltsverzeichnis

  1. Diskriminierendes Verhalten im Team und gegenüber Kindern
  2. Gemeinsam mit den Eltern für das Kindeswohl wirken
  3. Schlussbemerkung
  4. Literaturangaben

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Diskriminierendes Verhalten im Team und gegenüber Kindern

Im Folgenden werden Theorien und Methoden über den Umgang mit ErzieherInnen vorgestellt, die diskriminierend gegenüber anderen Teammitgliedern oder Kindern werden. Diskriminierendes Verhalten von ErzieherInnen gegenüber anderen soll thematisiert und diskutiert werden, um Anregungen für die Praxis zu geben.

Funktionierende pädagogische Arbeit im Team ist wichtig für eine (gute) pädagogische Qualität in der KiTa. Ein Team entsteht und festigt sich erst dadurch, wenn die Mitglieder sich ergänzen, an einem Strang ziehen und gemeinsam einem roten Faden folgen (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Unter anderem aufgrund des Bildungsauftrages und der Persönlichkeitsentwicklung ist es hilfreich, wenn ErzieherInnen aktiv werden gegen Unrecht und Diskriminierungen und eine vorurteilsbewusste Praxis in der Einrichtung (vor-)leben. An dieser Stelle gilt es zu erwähnen, dass dies selbstverständlich nicht von heute auf morgen umzusetzen ist und auch nicht unbedingt bei den ersten Versuchen gelingen wird. Es ist ein Weg, der idealerweise mit allen Teammitgliedern und Schritt für Schritt beschritten wird. Der erste Schritt wäre, sich Wissen über bestimmte Themen anzueignen, bevor sich die Teammitglieder kritisch reflektieren können, sowie den eigenen Hintergrund („Wie und mit welchen Vorurteilen bin ich groß geworden, die mich bis heute prägen?“) und die eigene Praxis in der Einrichtung („Welche Vorstellungen und Normen vermittle ich den Kindern?“) hinterfragen. Ebenfalls hat es sich als hilfreich erwiesen, dass sowohl die ErzieherInnen als auch die KiTa-LeiterInnen ihre Einrichtung an sich kritisch analysieren („Wie stellt sich meine Einrichtung dar?“), um Handlungsbedarf feststellen („Ich weiß wenig über...“) und Veränderungen (z.B. durch Fortbildungen) vornehmen zu können (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016).

Etikettierungen beziehungsweise Zuschreibungen stellen einen möglichen Ausgangspunkt für Diskriminierungen dar. Diese bilden Filter, um Situationen verzerrt wahrzunehmen und es wird stets nach Bestätigungen dieser gesucht (vgl. Wagner, 2011). Etikettierungen wie „Heulsuse“, „Trampeltier“ oder „Prinzessin auf der Erbse“ führen schnell zu Verallgemeinerungen und somit werden andere Verhaltensmuster, Fähigkeiten oder Eigenschaften der betroffenen Person ausgeblendet (vgl. Wagner, 2011). Eine Eigenschaft der betroffenen Person tritt hervor, steht stellvertretend für die ganze und führt zu einer Reduzierung. Aufgrund dessen ist es wichtig, dass ein Austausch über Zuschreibungen stattfindet. Diese können ansonsten in das Selbstbild der Personen übergehen. Zudem können Etikettierungen im Team als ein Hinweis gesehen werden, dass etwas nicht stimmt. Wenn kein Austausch darüber stattfindet und es bei der oder den Etiketten belassen wird, so kann es dazu führen, dass die Arbeitsatmosphäre darunter leidet (vgl. Wagner, 2011). Beschreiben statt Zuschreiben gilt an dieser Stelle.

Austausch über Erziehungsvorstellungen, Werte und Normen im Team
KollegInnen reflektieren unterschiedliche Bereiche auf ihre eigene Art und Weise. Ein Austausch über Erziehungsvorstellungen, Werte und Normen ist nützlich, um das gesamte Team weiter zu bringen. KiTa-MitarbeiterInnen können sich aus einem reichhaltigen Angebot an Büchern und Filmen informieren, sich mit den Eltern austauschen oder Gesprächen mit Fachpersonen führen (vgl. Wagner, 2011). Wenn eine Person aus dem Team Erfahrungen zu einem bestimmten Vielfaltsaspekt gesammelt hat, so sollte sie davon berichten. Dies gelingt allerdings nur, wenn auf allen Seiten Selbstreflexion vorhanden ist und das Expertentum von den anderen Teammitgliedern respektiert und anerkannt wird (vgl. Wagner, 2011).
 
 
Diskriminierungen mit den Kindern thematisieren
Diskriminierendes Handeln kann mit den Kindern in der Einrichtung thematisiert und aufgegriffen werden. Die Kinder bekommen ansonsten den Eindruck vermittelt, dass ein solches Verhalten richtig und moralisch vertretbar ist, wenn Situationen nicht unmittelbar angesprochen werden (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Werden diskriminierende Situationen erst im Nachhinein und ohne Anwesenheit anderer Beteiligter analysiert, so können die Kinder und anderen Erwachsenen keinen Mehrwert daraus ziehen. Ebenfalls erfahren die diskriminierten Kinder oder ErzieherInnen nicht, dass sich jemand für sie einsetzt und dass solch ein Verhalten nicht geduldet wird (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Unmittelbare, kritische Rückmeldungen und Unterstützung der Diskriminierten sind in dem Moment wichtig, wenn ein respektloser Umgang mit anderen zutage kommt. Wenn allen deutlich wird, dass in den jeweiligen Einrichtungen keine Art von Diskriminierung geduldet wird, dann ist dies nicht nur bedeutsam für KiTaleiterInnen und ErzieherInnen, sondern auch für alle anderen BesucherInnen und Angestellte einer Kindertageseinrichtung.

Kategorisierungen als soziale Konstrukte
Etikettierungen wie „Zappelphilipp“ können beispielsweise Ausdruck dafür sein, dass sich ErzieherInnen durch das Verhalten bestimmter Kinder bei der Gestaltung des pädagogischen Alltags herausgefordert sehen. Für die Einzelnen bedeuten diese Situationen Stress, Anspannung und Zeitdruck im Tagesablauf. Etikettierungen müssen sich jedoch nicht nur auf Kinder beschränken sondern betreffen ebenfalls Eltern und KollegInnen innerhalb einer Kindertageseinrichtung. Im Team soll laut Wagner darüber diskutiert werden, wie gewisse Situationen anders gestaltet werden können, um solchen Gegebenheiten zu entgehen (vgl. Wagner, 2011). Bezeichnungen wie „Ausländer“ sind soziale Konstrukte, werden oftmals jedoch mit großer Selbstverständlichkeit verwendet. Die Bezeichnung des „Ausländers“ zielt auf Abgrenzung. Der Unterschied zum „Inländer“ wird betont. „Aber unabhängig davon, ob es Rassismus oder Gedankenlosigkeit oder die etwas verbittert-zynische Selbstbezeichnung von Menschen mit Migrationsgeschichte ist, so schafft und manifestiert das Reden von „Ausländern“ eine Realität des Unterscheidens von Ungleichwertigen, immer und immer wieder.“ (Wagner, 2011, S. 4) Hier gilt es Bewusstsein zu schaffen. Dennoch soll nicht auf Unterscheidungen im Alltag verzichtet werden, denn sonst besteht die Gefahr, dass reale Gegebenheiten nicht benannt und verschleiert werden. Es sollte aber zugleich, so Petra Wagner (2011), verstärkt auf Gemeinsamkeiten zwischen den vermeintlich unterschiedlichen heterogenen Gruppen geachtet werden.

Kategorisierungen sind also einerseits notwendig, um den Alltag, um die Welt begreifen und agieren zu können. Jedoch sollen diese nicht als Wirklichkeit in einer konkreten Situation angesehen werden. Hier muss stattdessen auf Unterschiede im persönlichen Erleben geachtet werden (Wagner, 2011). Beispiel: „Schwaben sind geizig und sparsam.“ Diese Aussage ist keine universelle Gegebenheit. Sie wird verwendet, wenn sich beispielsweise Badener von Schwaben differenzieren möchten. Das zeigt, dass es auch zwischen unterschiedlichen Kulturkreisen innerhalb eines Landes Unterschiede gibt. Jedoch sind viel mehr Gemeinsamkeiten ersichtlich (Herkunft, Religion, Sprache, Geschlechter, ...), auf die ebenfalls der Fokus gerichtet werden kann.

„Rote Tücher“ als emotionaler Antrieb
Neben bestimmten sozialen Konstrukten von Personen lassen sich bei ihnen allerdings auch sogenannte „Rote Tücher“ finden, die Hinweise auf Erfahrungen mit Unterdrückung geben. In Kindertagesstätten sind es häufig die Themen Gender, Religion oder sozio-ökonomischer Status, die von ErzieherInnen oder KiTaleiterInnen als sogenannte „rote Tücher“ aufgegriffen werden (vgl. Wagner, 2011). Diese bleiben zum Teil sehr lange in den Personen lebendig und lassen sie emotional reagieren. „„Rote Tücher“ drücken häufig Empörung aus über ungerechte Verhältnisse (...). Da sie sich gegen jegliche Protagonisten richten können, die mit einem Merkmal der Kategorie identifiziert werden, ist hier die Gefahr groß, Kindern und Eltern gegenüber ungerecht zu werden.“ (Wagner, 2011, S. 7)

Minderheits- und Dominanzperspektiven betrachten
Um Diskriminierungskritik im Team einer Kindertagesstätte üben zu können, ist es wichtig, dass sich die Beteiligten im Klaren darüber werden, dass es ihnen eventuell leichter fällt, wenn sie sich mit Minderheitenperspektiven (Menschen mit anderer Hautfarbe als die eigene, eingewanderte Menschen, mehrsprachige Menschen,...) beschäftigen. Andere Perspektiven einzunehmen ist für Angehörige der sogenannten „Dominanzgesellschaft“ (Wagner, 2011, S. 7) nicht immer einfach. Petra Wagner ist der Ansicht, dass sich Angehörige der Dominanzgesellschaft nicht unbedingt mit Minderheitenperspektiven beschäftigen müssen, denn Anliegen einer Minderheitsgruppe können ignoriert werden, ohne dass daraus Nachteile für sie selbst entstehen (Wagner, 2011, S. 7). Doch nur durch das genaue in-den-Blick-nehmen sowohl der Minderheits- als auch der Dominanzperspektive lässt sich Diskriminierungskritik üben.

„Vermeidungen vermeiden“
Die KiTaleiterInnen können Anregungen zur Wissenserweiterungen verteilen, wenn beispielsweise der Frage nachgegangen werden möchte, welcher Aspekt von Vielfalt vertieft werden soll. (Ver-) Meidungen stellen keine akzeptable Strategie dar, denn dadurch können keine neuen - und eventuell positive - Erfahrungen gesammelt werden (vgl. Wagner, 2011). Probleme sowie auch belastende Erfahrungen sollen im Team direkt benannt werden. Die Aufgabe der Leitung besteht darin, dass die schwierigen Erfahrungen nicht in Frage gestellt werden und Einfühlungsvermögen für die betroffene Person gezeigt wird (vgl. Wagner, 2011).

Im Team über das eigene Handeln sprechen und es reflektieren
Wichtig ist, dass sich ErzieherInnen und KiTaleiterInnen beim Äußern von Diskriminierungskritik von ihren Ängsten und Befürchtungen befreien. Auch wenn es ein Team gewohnt ist, über die pädagogische Arbeit zu diskutieren, ist es keine Selbstverständlichkeit über das eigene Handeln zu sprechen und es zu reflektieren. Es ist allerdings wichtig, dass den ErzieherInnen deutlich wird, dass es nicht um Schuldzuweisungen geht, sondern vielmehr um das gemeinsame Nachdenken, aus welchem Grund es zu solchen Situationen kommt und was das Team als Kollektiv dafür tun kann, dass ein respektvoller Umgang mit den Kindern und untereinander hergestellt wird (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Hierfür eignet sich eine kollegiale Beratung, die mit den ErzieherInnen durchgeführt wird: Ausgangspunkt sollte eine imaginäre Situation sein, nicht der konkrete, sich bereits ereignete Vorfall an sich. Die Teammitglieder sollen unterschiedliche Rollen einnehmen (Fallbeispiel: ErzieherIn schickt ein Kind vor die Tür. Rollen: ErzieherIn, die / der das Kind vor die Tür schickt; weitere ErzieherInnen, ein/e LeiterIn; Kinder aus der Gruppe). Bei diesem Perspektivwechsel sollen die ErzieherInnen konstruktiv angeregt werden (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Für Lösungsansätze und ein vertieftes Verständnis würde sich ein weiteres Treffen eignen, um in einem dritten Schritt herausarbeiten zu können, was in der Zusammenarbeit verändert werden soll beispielsweise in Bezug auf heikle Situationen (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016). Da es selbstverständlich auch innerhalb eines Teams unterschiedlichste Vorstellungen von Normalität gibt, ist ein regelmäßiger und konkretisierender Austausch notwendig. ErzieherInnen sind nicht alleine mit ihren Sorgen, dass sie etwas falsch machen könnten. Auch wenn es mitunter eine Herausforderung für jeden einzelnen darstellt Diskriminierungskritik zu üben, so kann sie gelingen und man/frau können sich dabei im Team gegenseitig unterstützen (vgl. Institut für den Situationsansatz #4, 2016).


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