Rhythmik – Musik, Spiel und Tanz

Rhythmik – Musik, Spiel und Tanz

Inhaltsverzeichnis

  1. Transfereffekte und Musik
  2. Wahrnehmungsförderung durch Rhythmik
  3. Sprachförderung durch Rhythmik
  4. Sozial-emotionale Entwicklungsförderung durch Rhythmik
  5. Die Rhythmisch-musikalische Arbeitsweise

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Transfereffekte und Musik

In den letzten Jahren fanden die Fachbegriffe Transfereffekte oder kreuzmodale Einflüsse Eingang in die Terminologie der Pädagogik. Aus neurophysiologischer Sicht bedeutet der Begriff Transfereffekt das Mit-Lernen in angrenzenden Hirnregionen aufgrund von Nervenverknüpfungen benachbarter Hirnbereiche (vgl. Jackel 2007). Die Herausbildung von Transfereffekten oder kreuzmodaler Einflüsse wird gerade durch musikalische Spielformen in der frühen Kindheit begünstigt.

Durch den häufigen Gebrauch von sogenannten Schnittarealen (angrenzende Hirnregionen) und gemeinsamen Hirnnervenbahnen wie beim oftmals gleichzeitigen Bewegen, Singen, Sprechen und Musizieren, werden unterschiedliche Hirnareale synchron aktiviert. Diese werden in ihrer Funktion durch die Verknüpfung mit anderen Hirnregionen verstärkt und entwickelt.

Am Beispiel der phylogenetischen (stammesgeschichtlichen) Entwicklung der Sprache kann dies beispielhaft verdeutlicht werden: Die parallele Entwicklung der Feinmotorik der Hände, der Sprachzentren und des menschlichen Stimm- und Sprechapparates zeigen auf, dass die entsprechenden Steuerungsareale im Gehirn nicht zufällig aneinandergrenzen, sondern dass dies auf die eng verknüpfte Nutzung der Modalitäten Sprechen, Mimik und Gestik zurückzuführen ist. Transfereffekte sind jedoch nicht nur auf die naheliegenden Hirnareale beschränkt, sondern erstrecken sich auf das gesamte Gehirn. Hier ist besonders die Kommunikation der beiden Hirnhälften zu erwähnen, ohne die eine normale Verarbeitung der Sinneseindrücke nur bedingt möglich wäre. Der Einfluss von Musikerziehung auf die Kommunikation zwischen den beiden Hirnhälften ist nachweisbar und wird deutlich am Beispiel des stärker entwickelten Balkens zwischen den Hirnhälften (Corpus callosum) bei von Kindheit an musizierenden Erwachsenen.

Anatomische Strukturen des Gehirns werden durch die Produktion und Beschäftigung mit Musik verändert. Es wird angenommen, „dass durch die verstärkte interhemisphärische Kommunikation ein schnellerer Austausch von Informationen und ein effektiver Abruf von komplexen motorischen Programmen möglich ist“ (Gembris 1998/2007, S. 143). „Ein weiterer wichtiger Aspekt ist, dass während des Musizierens zwangsläufig viele Gedächtnisinformationen aktiviert werden, dies umso mehr, je mehr man gelernt hat, Musikinformationen auch mit anderen Gedächtnisinhalten zu koppeln. Diese Informationen reichen von Tönen, Rhythmen und Melodien bis hin zu Erinnerungen an Episoden, Personen und Emotionen, die mit dem Musikstück assoziiert sind“ (Jäncke 2008, S. 409). Da die Bestandteile der Musik wie Rhythmus, Melodie, Harmonie, Tempo und Lautstärke gleichzeitig auf beide Hemisphären wirken, lateralisieren Musizierende auch bei anderen Aktivitäten weniger stark, da sie dies schon durch das Musizieren gewöhnt sind, oder anders ausgedrückt, ihr Gehirn sich entsprechend entwickelt hat. Beide Hirnhälften werden gleichzeitig stärker aktiviert und zur Verarbeitung von Sinneseindrücken verwendet (vgl. Hirler 2014).


Musikalische Bildung durch Rhythmik

Die Wirkungsfelder der Rhythmik, die gleichzeitig unterschiedliche Entwicklungs- und Bildungsbereiche darstellen, sind:
  • Wahrnehmungsentwicklung und Motorik
  • Sprachentwicklung
  • Sozial-emotionale Förderung und Entwicklung der Persönlichkeit
  • Kreativität
  • Entwicklung musikalischer Fähigkeiten

Alle Wirkungsfelder haben ihren gleichberechtigten Platz in den Angeboten und wirken auf ihren unterschiedlichen Umsetzungsebenen ineinander und miteinander. Dabei werden die Vernetzung der Sinne, wie die Raumorientierung (Sehen-Hören-Bewegen), die Differenzierung der Motorik, musikalische Anlagen, Persönlichkeit, Interaktion und Kommunikation (sozial-emotionale Entwicklung) und das Ausdrucksvermögen in motorischer- tänzerischer, darstellerischer und emotionaler Hinsicht gefördert.

Das breite Angebot von Methoden ermöglicht die Umsetzung zahlreicher Interaktionsformen, wie Partnerspiele und Gruppenspiele und ihre Varianten. Die Methoden ermöglichen den Kindern das Singen, Tanzen, Rollen darstellen, Musizieren, Experimentieren, Improvisieren. Daraus entstehen prozesshaft erweiterte Aktionsmodalitäten, wie sich entscheiden, beobachten, planen, führen, erkennen, gestalten, ordnen, präsentieren, interpretieren, differenzieren und kooperieren (vgl. Hirler 2014, S. 184 f.).

Kindern macht es Freude, sich mit Musik auf irgendeine Weise zu betätigen. Sie lieben fantasievolle Geschichten, die sie im Rollenspiel mit Musik und Bewegung in der Gruppe erleben und gestalten. Mittels einer fachdidaktisch-spezifischen Zusammensetzung und durch die Einbettung in Geschichten werden Rhythmikangebote besonders intensiv und nachhaltig von den Kindern erlebt.
Nachfolgend werden drei Wirkungsfelder der Rhythmik, und zwar die Wahrnehmungs-, Sprach- und sozial-emotionale Entwicklung genauer vorgestellt.



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