Wissen in der Kita managen?!

Wie Wissen weitergegeben wird

Wissen ist Macht, Wissensgesellschaft, Wissenszuwachs, unübersichtliches Wissen, Wissensverlust, ja und jetzt auch noch Wissensmanagement – das sind viele Schlagworte rund um das Wissen – wenn auch in Zeiten »alternativer Fakten« und »fake news« das Wissen eher in den Hintergrund getreten zu sein scheint. Wissensmanagement – auch das noch, mag man sich denken. Wissensmanagement als das Haushalten und Organisieren von Wissensbeständen in einer Kindertageseinrichtung ist auf den ersten Blick etwas ganz anderes, als das was in der Kita tagtäglich gemacht wird. Dennoch ist das, was mit Wissensmanagement gemeint ist, bedeutsam für die Kita.


Im Zeitalter einer Informationstechnologie und dem Zugriff auf viele Wissensbestände via Internet ist das Wissen auch in einzelnen Bereichen wie der Kindertagesbetreuung nicht nur unübersichtlich, sondern widersprüchliche Aussagen bedürfen der Einordnung und Übersetzung in den jeweiligen Kontext. Nicht alle vorhandenen Daten stellen brauchbare Informationen dar oder werden gar zu Wissensbeständen. Teilweise dient Wissen im Sinne von »Wissen ist Macht« auch zur Abgrenzung oder stabilisiert eine Herrschaft durch sogenanntes Herrschaftswissen dergestalt, dass es entweder exklusiv oder bewusst so umfassend ist, dass wesentliche Informationen im der Fülle des Wissens nicht mehr erkennbar sind. In solchen Kontexten ist dann schnell von daten- oder informationstechnologischen Formen des Wissensmanagements die Rede. Manch ein Computerspezialist meint durch entsprechend Programme Wissen managen zu können.

Wissen als Währung einer Wissensgesellschaft

Die Idee des Wissensmanagement entstand mit der Zunahme der Bedeutung der Wissensgesellschaft, der Wissensökonomie und der Wissensarbeit (vgl. Sauter/Scholz 2015, S. 2). In dem Maße, in dem in einer überwiegend aus Dienstleistungen bestehenden Gesellschaft Wissensbestände einen entscheidenden Wert erhalten, steigt auch die Bedeutung des Wissensmanagements. Anders als im landwirtschaftlichen und industriellen Bereich, zumindest in seinen früheren Formen, kann in einer Gesellschaft, in der Wissen eine entscheidende »Währung« ist, nicht mehr davon ausgegangen werden, dass mit der einmal erworbenen Ausbildung das Wissen schon komplett ist. Im Gegenteil: Das ständig sich erweiternde und sich spezifizierende Wissen bedarf einer zielgerichteten Aufbereitung und Weitergabe. Geschieht dies nicht, sind unnötige Sonderarbeiten erforderlich, die zusätzliche Ressourcen benötigen. Während man in den Anfängen sehr euphorisch die Möglichkeiten des Wissensmanagements hervorhob, wird heute umfassender von einer Kompetenzentwicklung gesprochen und geschrieben (vgl. ebd.).

Die Möglichkeiten der Fort- und Weiterbildung werden von pädagogischen Fachkräften im Allgemeinen gut genutzt. Manchmal mangelt es jedoch an der Umsetzung vor Ort. Dazu ist nicht nur die Kompetenz einzelner Personen von hoher Bedeutung, sondern die Kompetenz des ganzen Systems Kindertagesbetreuung. Dazu zählen auch Träger, Fachberatung, Ausstattung, Politik, Aus- und Fortbildung sowie die Rahmenbedingungen. Auch in diesem weiteren Kontext der Kita ist ein Managen von Wissen gefragt, dergestalt, dass alle Personen das für ihr Handeln optimale Wissen im Sinne von kompetenten Grundlagen für die pädagogische Arbeit haben.

In der Kita vor Ort sind es oft die kleinen Wissensbestände und die Informationen, die nicht weniger wichtig sind als die großen wissenschaftlichen Wissensbestände: Hier sind die Frage nach der Übergabe von Informationen von der Vormittags- zur Nachmittagsschicht, das Wissen zur adäquaten Reaktion auf kindliches Verhalten oder familiäre Problemlagen oder die Nutzung von Erfahrungen einer ausscheidenden Mitarbeiterin entscheidende Fragen des Wissensmanagement, auch wenn sie selten mit diesem Begriff benannt werden.

Aus bedeutungsfreien Daten wird handlungsleitendes Wissen

Aus bedeutungsfreien Daten (Zahlen, Fakten, ...) muss erst einmal ein solches Datum in einem sinnstiftenden Kontext zu einer Information werden. Das dann vorhandene Wissen realisiert sich in einer Organisation erst durch konkrete Handlungen und Handlungsmuster (vgl. Simon 2015, S. 60–62). Erst die Veränderung von Wissen kann als Lernen bezeichnet werden (vgl. ebd., S. 64). Gedächtnis und Wissen werden dann erst für eine Organisation bedeutsam, wenn sie in Kommunikation gebracht werden. Systemtheoretisch ist auch von Bedeutung, dass Wissen immer auch Nichtwissen erzeugt und der Gewinn von mehr Wissen nicht ein Selbstzweck ist oder sein kann: »Wo immer Wissen entsteht, entsteht auch Nicht-Wissen. Wo immer die Prozesse auf die eine Art ablaufen, laufen sie nicht auf irgendeine andere Art ab« (Simon 2015, S. 64). Wenn von Wissensmanagement die Rede ist, so bedeutet dies immer auch ein Lernen: »Eine lernende Organisation ist daher eine Organisation, die in der Lage ist, ihre Strukturen und Prozesse (d.h. sich) zu transformieren« (vgl. ebd.). Dabei gilt gerade das Erfahrungswissen als Schatz eines Unternehmens. Spätestens, wenn ein/e erfahrene/r Mitarbeiter/in ein Unternehmen verlässt, wird dies deutlich (vgl. Sauter/Scholz 2015, S. VIII). Auch in einer Kindertageseinrichtung wird dies erkennbar, wenn eine pädagogische Fachkraft beispielsweise längere Zeit krank ist und dann z.B. niemand weiß, wie Bestellungen beim Caterer abzugeben sind, was das Kind mit der besonderen Allergie benötigt, wie Elterngespräche dokumentiert werden, wie welche Vereinbarungen mit dem Träger getroffen wurden. Das zeigt die Nähe des Wissensmanagements zu einem verlässlichen Qualitätsmanagement in einer Einrichtung. Dennoch decken viele Qualitätsmanagementsysteme das Wissensmanagement nicht in der gebotenen Tiefe und Gründlichkeit ab.

Mit verschiedenen Bällen jonglieren und/oder verschiedene Systemlogiken nutzen

Eine an der Universität Kassel und der Fachhochschule Erfurt unternommene Studie zum Thema Wissen in Kitas kommt zu dem Schluss, dass Wissen in Kitas in Haltungen übernommen wird, es sich jedoch kaum in der Verwendung von Fachbegriffen niederschlägt (Bundesministerium 2017, S. 41). Dies macht deutlich, dass in Kitas Wissen in vielen Dimensionen vorhanden ist und auch in vielen Dimensionen kommuniziert werden muss. Pädagogische Fachkräfte müssen ihr Wissen in einer für Kinder adäquaten Sprache weitergeben. Sie müssen für Eltern verständlich, mal einfach, mal mit Fachworten pädagogisches Wissen bereit halten und es auch noch in häufig fachfremde Sprachen der Träger, Politiker und Medien so übersetzen, dass sie damit die nötige Wirkung entfalten. Um es mit zwei sprachlichen Beispielen mit ähnlichen Inhalten zu illustrieren: Für die einen muss mit verschiedenen Bällen jongliert werden, für andere bedeutet dies in verschiedenen Systemlogiken zu kommunizieren und zu steuern.

Noch schwieriger wird es, wenn das vorhandene Wissen eher im Verborgenen ist und als sogenanntes Herrschaftswissen »für sich behalten« wird. Wichtig für eine Leitung in einer Kindertageseinrichtung ist im Sinne eines Wissensmanagements nicht, dass jeder und jede alles weiß, sondern dass Jede und Jeder für ihre und seine Aufgaben die nötigen Informationen und Wissensbestände hat bzw. abrufen kann. Aber auch ohne bewusstes »für sich behalten« gibt es Wissen, das nicht so einfach genutzt werden kann: »›Implizites‹ oder ›stilles‹ Wissen ist besonders verlustanfällig, weil es sich in den Köpfen von Einzelpersonen befindet« (Burke 2014, S. 172). Auch in anderen Feldern wie der Wirtschaft hat sich mittlerweile die Erkenntnis verbreitet, dass gerade auch Kompetenzen im Sinne von Befähigungen und individuelle Voraussetzungen von hoher Bedeutung sind. Diese werden nicht von ein- zelnen Mitarbeiter/innen vorgehalten, sondern sind auch in Teams und Netzwerken vorhanden (vgl. Sauter/Scholz 2015, S. 14): »Kompetenzorientiertes Wissensmanagement hat zum Ziel, Wissensaufbau im weiteren Sinn zu ermöglichen und für alle Mitarbeiter nutzbar zu machen, also die Mitarbeiter und damit die gesamte Organisation kompetenter werden zu lassen« (ebd.).

Was bedeutet das im Einzelnen? Gerade in der Kindertageseinrichtung sind die wesentlichen Wissensbestände nicht die, die schriftlich festgehalten sind und in irgendwelchen Ablaufplänen stehen, sondern diejenigen, die verinnerlicht sind und als Muster von den Mitarbeiterinnen gelebt und umgesetzt werden. Es geht eher um das »wir machen das so« oder »wir lösen das auf diese Art und Weise«. Solches Wissen wird zuweilen auch eher informell weitergegeben und ist damit nicht weniger wichtig als das formal weitergebene Wissen. Von Seiten der Leitung bedeutet das, auch diese Formen der Wissensweitergabe zu sehen und zu ermöglichen. Dieser Transfer von Wissen ist bedeutsam. So nennt etwa Schreyögg als zentrales Medium für Wissensmanagement Erfahrungskreise »in denen Experten einer gemeinsam geteilten Praxis ihr Wissen erzählen und austauschen (vgl. Schreyögg 2008, S. 444).

Fazit
Organisation und Weitergabe von Wissen sollten in einer Kita nicht dem Zufall überlassen werden. Erste Schritte zum Wissensmanagement sind die Weitergabe von Informationen im Alltag, zu Kindern, zu Weiterbildungen oder fachlichen Entwicklungen. Auch wichtig ist ein Kanalisieren von Informationen: Wer braucht was wann? Ein Management von Wissen sorgt für Übersicht und Klarheit und vermeidet Dopplungen.



WISSEN VERFÜGBAR MACHEN UND PRO FESSIONELL SPRACHFÄHIG WERDEN: IDEEN FÜR DIE PRAXIS

1. Wie wird neu erworbenes Wissen in der Kita genutzt?
Wenn Fort- und Weiterbildungen besucht werden, sollte auch eine Möglichkeit gegeben sein, die Inhalte im Team vorzutragen, davon zu berichten und gemeinsam zu überlegen, wie dieses Wissen genutzt werden kann. Oft genug kommt ein Teammitglied begeistert nach der Fortbildung zurück, erlebt aber den »Black-out-back-home«-Effekt: Was bei der Fortbildung noch so interessant war, scheitert am Alltag der Einrichtung. Hier hilft es oft, zwei Teammitglieder an einer Veranstaltung teilnehmen zu lassen, damit beide gemeinsam versuchen, neu erworbenes Wissen umzusetzen.

2. Wie kann vorhandenes Wissen besser genutzt werden?
Unterschiedliche lebensgeschichtliche Hintergründe, Ausbildungen und Lebenssituationen der einzelnen Mitarbeiter/innen zeigen auf, dass hier ganz unterschiedliches Wissen vorhanden ist und dass die unterschiedlichen Perspektiven für die Kita nützlich sein können. Neben Teamsitzungen, die Tagesordnungen »abhaken« bedarf es auch der Möglichkeiten, diese nicht immer offenen »Schätze« für die Kita zu nutzen. Beispielsweise kann man sich gegenseitig von der eigenen Kindheit, von den Schulerfahrungen, von dem Erziehungsstil im Elternhaus, von der Erziehung der eigenen Kinder oder auch von vermeintlichen oder tatsächlichen Fehlern berichten. Gerade in multiprofessionellen Teams helfen die unterschiedlichen Perspektiven auf eine pädagogische Fragestellung, ein Problem oder eine Herausforderung von außen. Zu den unterschiedlichen Perspektiven gehören auch die des unterschiedlichen Lebensalters und der unterschiedlichen kulturellen Hintergründe. Hier wie dort gibt es kaum richtig oder falsch, sondern hier gilt es die andere Person trotz oder gerade wegen der anderen Sichtweisen wertzuschätzen. Wenn dies untereinander im Team »funktioniert«, strahlt dies auch auf die Arbeit mit den Kindern, Eltern und Familien aus. Gerade Personen, die als »Grenzgänger« zwischen zwei unterschiedlichen Welten, Kulturen, Professionen stehen, können als gute »Brücken« für den Austausch von Alltags-, Handlungs- und pädagogischem Wissen dienen.

3. Wie kann Erfahrungswissen trotz Personalfluktuation in der Kita bleiben?
Eine recht einfache Möglichkeit sind Gespräche mit ausscheidenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Werden diese von der Leitung wertschätzend und offen geführt, können daraus viele Erkenntnisse für die Einrichtung gewonnen werden. In der Regel äußern sich Mitarbeiter/innen, die gehen, offener und benennen auch Dinge, die nicht so gut gelaufen sind, aus denen man aber lernen kann.

4. Wie kann Wissen von außen besser in die Einrichtung kommen?
Viele Kitas sind Ausbildungsstätten und können die Neugierde, die Unbefangenheit und die Offenheit von Praktikantinnen und von neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für sich nutzen. Wichtige Chancen sind Anleitungsgespräche (auch mit oder zusammen mit der Leitung). Der Blick von außen kann aber auch von Außenstehenden, neuen Eltern, ausscheidenden Eltern, anderen Professionen kommen. Es hilft, einfach einmal nachzufragen, warum sich Eltern diese Kita ausgesucht haben, ob und warum sie die Kita weiterempfehlen können oder warum nicht. Eine wichtige Grundhaltung ist dabei, dass keine Kita perfekt ist, sondern des Lernens bedarf.

5. Wie kann Wissen im Alltag zielgerichtet weitergegeben werden?
Gerade in großen Teams bedarf es sowohl des offiziellen Austausches in entsprechenden Gremien, aber auch des informellen Austausches »zwischen Tür und Angel«, um etwa Wissen zum Umgang mit einzelnen Kindern/Eltern, neuen pädagogischen Ideen, Vorschriften, Erfahrungen einfach und unkompliziert auszutauschen. Oft helfen von der Leitung organisierte Gelegenheiten (Betriebsausflug, Feiern, methodisch gestaltete Austauschrunden). Warum nicht auch pädagogische Methoden nutzen für die eigenen Besprechungen? Nach außen hin heißt dies auch sprachfähig zu sein und in verschiedenen Kontexten und Sprachen relevante Inhalte zu kommunizieren.

6. Wie können wir uns in all dem Wissen sinnvoll orientieren?
Manchmal kann man den Eindruck haben, dass immer mehr Wissen (z.B. die Vielfalt der Fachbücher und Fachzeitschriften) vorhanden ist und diese »Flut« kaum zu bewältigen ist. Hier gilt es, arbeitsteilig vorzugehen und sich nach Schwerpunkten aufzuteilen, aber auch bewusst auszusortieren. Nicht alles, was kommt, ist neu und nicht alles ist direkt brauchbar. Manches verdient auch ein »Zwischenlagern «, nach dem Motto: irgendwann werden wir das brauchen. Wenn die eigene Ordnung dies nicht zulässt, hilft ein Gang in eine Bibliothek oder z.B. auch die Online-Möglichkeiten, wissen schnell verfügbar zu machen, z.B. über www. kita- aktuell. de.




Literatur

  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (Hrsg.) (2017): Profis für die Kita. Ergebnisse und Impulse der Forschung zur Aus-, Fort- und Weiterbildung von pädagogischen Fachkräften. Berlin: Bundesministerium.
  • Burke, P. (2014): Die Explosion des Wissens. Von der Encyclopédie bis Wikipedia. Berlin: Verlag Klaus Wagenbach.
  • Sauter, W./Scholz, C. (2015): Kompetenzorientiertes Wissensmanagement. Gesteigerte Performance mit dem Erfahrungswissen aller Mitarbeiter. Wiesbaden: Springer.
  • Schreyögg, G. (2008): Organisation. Grundlagen moderner Organisationsgestaltung. Wiesbaden: Gabler.
  • Simon, F. B. (2015): Einführung in die systemische Organisationstheorie. 5. Aufl. Carl-Auer Compact. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag.




Übernahme des Beitrag mit freundlicher Genehmigung aus KiTa aktuell 11-2017, S. 221-224


Verwandte Themen und Schlagworte