Pucken
Was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Antworten von Dorothee Gutknecht
Pucken (engl. to swaddle) ist eine Wickelpraxis, bei der das Baby recht stramm in Tücher eingewickelt und in seiner Bewegungsfreiheit begrenzt wird. Beim vollständigen Pucken betrifft dies die Einschränkung von Bewegungen sowohl der Arme als auch der Beine. Heute gibt es auch sogenannte Pucksäcke (»Swaddle me« etc.), die eine Begrenzungserfahrung ermöglichen. Angewendet wird die Methode in den ersten vier bis fünf Lebensmonaten, bevor die Kinder sich selbstständig auf den Bauch drehen können.Befürworter betonen, dass sich das Kind durch Begrenzung leichter beruhigt, tiefer schläft, längere Phasen im Non-REM-Schlaf verbringt und weniger oft aufwacht. Als reguläre Wickelpraxis in den ersten Lebensmonaten ist das Pucken bei etwa einem Fünftel der Weltbevölkerung verbreitet. In England, den USA und den Niederlanden ist das Pucken in den vergangenen Jahren wieder populär geworden (van Sleuwen 2007). Bekannt ist die Methode auch in der Türkei und in Russland. In Deutschland wird das Pucken aktuell insbesondere als Hilfe für Säuglinge mit Regulationsschwierigkeiten zum Beispiel bei exzessivem Schreien oder bei Durchschlafschwierigkeiten diskutiert (Meyer/Erler 2009). Falsch ausgeführtes Pucken birgt schwerwiegende Risiken: Überwärmung (insbesondere im Sommer Risiko von Hitzschlag, Dehydrierung), Hüftschädigungen, verminderte Sauerstoffzufuhr.
Der aktuelle Fachdiskurs zum Pucken
Zur Wickelpraxis des Puckens gibt es einen nationalen und internationalen Fachdiskurs, hier sind zu nennen:- Studien, in denen die regulierende Wirkung insbesondere bei Kindern mit Regulationsschwierigkeiten untersucht worden ist. Zum Teil wurde dort eine deutlich regulierende Wirkung nachgewiesen, zum Teil wurde belegt, dass die Effekte nicht über die Wirkung anderer Regulationsstrategien wie die Strukturierung des Tages hinausgehen (Sleuwen et al. 2007; Meyer/Erler 2009).
- Verlautbarungen der Internationalen Gesellschaft für Hüftdysplasie, die auf die Gefahren für die Hüftgesundheit hinweist und auf ihrer Homepage in einem Film korrekte Möglichkeiten des Puckens zeigt, um präventiv gegen ein Ansteigen von Hüftdysplasien zu wirken. Pucken wird hier durchaus nicht grundsätzlich abgelehnt. Siehe auch hier.
- Der Fachbeitrag des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten Ralph Frenken, der sich in seiner 2011 erschienen Monografie »Gefesselte Kinder. Zur Psychologie des Wickelns« überaus kritisch mit dieser Wickelpraxis auseinandersetzt und sich klar gegen eine Anwendung solcher Praktiken ausspricht.
- Studien, die die Methode im Kontext des Risikos für plötzlichen Kindstod (SIDS) untersucht haben: Gepuckte Kinder werden in der bei vielen Babys ungeliebten Rückenlage hingelegt, was als Schutzfaktor im Zusammenhang mit SIDS gilt. Das Risiko der Überwärmung beim Pucken sowie Pucken plus Bauchlage erhöhen wiederum das Risiko für SIDS.
Anders als andere Methoden einer entwicklungsförderlichen Pflege, die darauf abzielen, die Bewegungsmöglichkeiten von Kindern zu unterstützen oder zu erweitern (z. B. Kinaesthetics Infant Handling nach Maietta/Hatch) wird beim Pucken die Bewegungsfreiheit des Kindes eingeschränkt. Einschränkungen der Bewegungsfreiheit sind Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht: Der Säugling ist eine Person!
Persönlichkeitsrechte schützen!
Eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit eines Menschen in einer Institution kann und darf nicht mit Personalmangel oder zu wenig Zeit für das einzelne Kind gerechtfertigt werden! Der aktuelle Fachdiskurs muss deshalb die Perspektiven von Hebammen und Pflegewissenschaft, Orthopädie, Pädiatrie, Säuglings- und Kleinkindpsychiatrie und Psychologie sowie von Fachkräften mit Spezialisierung auf Regulationsstörungen in Bezug zu den eigenen disziplinären kindheitspädagogischen Erfahrungen und Möglichkeiten setzen, um zu einer tragfähigen Positionierung, was den Einsatz bewegungseinschränkender Wickelpraktiken in einem geteilten Betreuungsfeld von Familie und Einrichtungen angeht, kommen.Übernahme mit freundlicher Genehmigung aus Welt des Kindes 3/2013, S. 37
- Zuletzt bearbeitet am: Freitag, 11. November 2016 08:48 by Karsten Herrmann