Die pädagogische Fachberatung

Manchmal Begleitung, manchmal "Feuerwehr"

Was beinhaltet eine pädagogische Fachberatung? Was „tut“ sie? Nicht selten trifft auf diesen Arbeitsbereich die Beschreibung zu „es kommt darauf an“. „Fachberatung“ ist nämlich kein geschützter Begriff, dem bestimmte Inhalte als konstitutiv zugeschrieben werden können. Zutreffend wäre auch: Fachberatung ist das, was Fachberatung im jeweiligen Kontext tut. Dementsprechend heterogen sind die Aufträge in diesem Bereich.

Die pädagogische Fachberatung ist nicht neu. Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Modelle der fachlichen Begleitung der Kitas bzw. der Erzieherinnen nach deren Ausbildung geschaffen. Vor allem konfessionelle Träger haben eine lange Tradition mit Beratungsinstanzen, die den Kita-Alltag begleiten und stützen.

Erlernbarer Beruf?

So vielfältig die Arbeitsfelder und Aufgabenprofile von Fachberatung sind, so diffus sind die Wege, die zu der Position einer Fachberaterin oder eines Fachberaters führen. Immer wieder taucht der Begriff des „unechten Anlernberufes“ auf. Es gibt keine Ausbildung oder Anlernzeit für Fachberatung – man tut es. Häufig werden Erzieherinnen mit unterschiedlich langer Praxiserfahrung, Diplom-Pädagoginnen, Diplom-Sozialpädagoginnen, aber auch Quereinsteigerinnen aus der Betriebswirtschaft oder aus angrenzenden Feldern Fachberaterinnen. Eine große Mehrzahl der Fachberaterinnen hat jedoch ihre Wurzeln in der originären Kita-Arbeit. Dementsprechend ist in der Entwicklung der Fachberatungen v. a. eine „hineinwachsende Struktur“ erkennbar: Menschen, die das System von innen kennen, beraten nun nach innen.

Eine Definition als Versuch, pädagogische Fachberatung fassbar, konkreter und evaluierbar zu machen, stammt vom „Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.“ von 2012:

„Fachberatung ist eine organisationsbezogene Dienstleistung, die qualitätsentwickelnd und -sichernd im System der Kindertageseinrichtungen wirkt. Fachberatung soll Träger und Einrichtungsleiter/innen dabei unterstützen, ein fachlich und organisatorisch tragfähiges Angebot für Kinder und Eltern zu schaffen und aufrechtzuerhalten“ (Deutscher Verein, 2012).

Pädagogische Fachberatung ist also eine strukturelle, intermediäre Instanz, die auf die Organisationsstrukturen bzw. auf Führungsstrukturen wirkt. Leitungen und Träger stehen im Fokus. Es ist also nicht das primäre Ziel, den Alltag der Kita zu begleiten, ihn evtl. zu erleichtern und zu unterstützen. Vielmehr ist der Auftrag von den Familien her definiert: Fachlich und organisatorisch sollen für diese geeignete Angebote geschaffen und erhalten werden.

Aufgabenbereiche der Fachberatung

Was also kann eine pädagogische Fachberatung konkret tun? Folgende Aufgabenbereiche lassen sich voneinander abgrenzen:

  • Auf die Kindertagesstätte bezogene, allgemeine Aufgaben wie z. B.: Die Begleitung von Konzeptions- und Teamentwicklungsprozessen, Unterstützung bei der Weiterentwicklung der Gesamteinrichtung und Beratung von Leitungen und Mitarbeiterinnen.
  • Fort- und Weiterbildung der Fachkräfte: Fachberaterinnen und –berater planen und organisieren Qualifizierungsangebote für Fachkräfte in Kindertagesstätten; sie führen auch selbst Fortbildungen durch – sowohl in den Einrichtungen als auch einrichtungsübergreifend.
  • Trägerorientierte Aufgaben wie z. B.: Beratung in Finanzierungs- und Personalführungsfragen,
  • Klärung von rechtlichen Fragestellungen, Begleitung von Umstrukturierungen der Organisation.
  • Koordinierung und Vernetzung eines Erfahrungsaustausches aller Beteiligten – von Einrichtungen und Fachkräften, von Vertretern der Träger und der Politik, von Kooperationspartnern und den Fachberatungen selbst. Transferleistungen von Informationen und Entwicklungen zwischen Einrichtungen, Trägern, Forschung und Wissenschaft, Politik und Medien.
  • Entwicklung und Sicherung der Qualität in den Einrichtungen z. B. durch die Begleitung der Einführung von Qualitätssicherungsinstrumenten und der Auswertung der laufenden Arbeit.
  • Geschäftsführende Aufgaben wie Dienst-, Fach- und Betriebsaufsicht inklusive der Durchführung betriebswirtschaftlicher Aufgaben.


In der Praxis bedeutet dies, dass die Fachberatung auf der einen Seite Anwältin der Fachlichkeit ist – im Sinne der Sicherung fachlicher Standards und der pädagogischen Qualität. Auf der anderen Seite ist sie Kita-Begleitdienst, der die Einrichtungen, v. a. die Leitungen, so im Alltag unterstützt und begleitet, dass Veränderungen und Entwicklungen überhaupt möglich werden.


Zunehmend haben Fachberatungen auch strategische und betriebswirtschaftliche Beratungsanteile. Zur Sicherung des Angebotes brauchen immer mehr Träger Beratung in Finanzierungsfragen und für zukunftsorientierte strategische Ausrichtungen.

Im Spiegel dieser unterschiedlichen Bühnen der Fachberatung haben sich Organisationsmodelle entwickelt, die unterschiedliche Schwerpunkte und Betonungen setzen: Neben den „beratenden“ Fachberatungen, die als Generalisten den Kitas zur Verfügung stehen, sind pädagogische Fachberatungen zum Teil mit Dienst- und Fachaufsicht ausgestattet – was die Möglichkeit der deutlichen inhaltlichen und strategischen Steuerung mit sich bringt. Andere haben konkrete inhaltliche Themenschwerpunkte: Qualitätsmanagement, Inklusion, Kinderschutz oder Arbeitsschutz sind Beispiele dafür. Diese agieren quasi als „Fachreferate“ und übernehmen die inhaltlichen Inputs und die Umsetzung im Alltag – häufig auch mit fortbildenden Anteilen.

Fachberatungen sind sowohl bei freien als auch bei öffentlichen Trägern angesiedelt oder agieren als selbstständige Fachberatungen, losgelöst von organisatorischen Einheiten. Fachberatungen beraten trägereigene Einrichtungen und Einrichtungen in anderer Trägerschaft und können für 15 bis zu 150 Kitas zuständig sein.

Funktionen der Fachberatung

Eine generelle Funktion von Fachberatung ist die einer Lotsin für die Kita im Gesamtsystem. Fachberaterinnen und -berater sind grundsätzlich ansprechbar für alle Fragen und aufgrund ihrer guten Vernetzung in der Lage, an geeignete Partner zu vermitteln. Im Mittelpunkt stehen zweifelsohne aber Fragen zur Pädagogik und zu fachlichen Entwicklungen sowie Fragen zur Umsetzung und Prozessgestaltung, also:
  • pädagogisch-inhaltliche Fragen
  • Umsetzung der Bildungspläne
  • Konzeptionsentwicklung
  • fachliche Personalanforderungen
  • Sicherung der Qualität
  • Betrieb und Organisation
  • Klärung von baulichen, zuschussrechtlichen und finanziellen Fragen
  • Teamentwicklungsprozesse/Konflikte im Team
  • Verhandlungen mit Kommunen etc.
  • Öffentlichkeitsarbeit
Die pädagogische Fachberatung hat außerdem eine wesentliche „Übersetzungsfunktion“: Entwicklungen auf politischer Ebene oder neue fachliche Erkenntnisse aus der Wissenschaft brauchen den Transfer in den Alltag der Kitas. Die Fachberatung ist Informationsstelle, Impulsgeberin, Motor und Mitentwicklerin – sowohl im Rahmen von Vernetzungstreffen und Arbeitsgruppen als auch in Einzelcoachings der Leitungen oder bei der Begleitung ganzer Teams in Veränderungsprozessen.

Die Beratung unterstützt die Einrichtungen darin, Erkenntnisse und Vorgaben alltagstauglich und umsetzbar zu machen, und begleitet die Leitungen in deren Aufgabe als Architekten der Kita. Gleichzeitig leistet Fachberatung die Übersetzung der Belange der Basis – deren Situation, Herausforderungen und Eigenheiten – in politische und wissenschaftliche Gremien hinein. Sie schafft „Bodenhaftung“ und ist Lobby der Kitas in entscheidenden Prozessen.

Eine Zusammenfassung der verschiedenen Funktionszuschreibungen könnte die der Fachberatung als "Anwältin der Fachlichkeit“ in Kitas sein. Sie plant, unterstützt und organisiert alle Aktivitäten zur Erweiterung der im Kitabetrieb notwendigen Kompetenzen und ist damit die „Frau mit Überblick“ im System.

Die Fachberatung als Generalistin, Vermittlungs- und Verknüpfungsdienstleistung


Die Fachberatung „tut“ nicht selbst, sie bezieht ihr Handeln immer auf das der anderen Akteure: der Arbeit der Fachkräfte und Trägervertreter, der Politik, der Fachwelt oder der direkten Beratung und Begleitung von Eltern und Kindern. Sie fügt die Puzzlesteine reflektiert zusammen. Darauf baut sich das eigene Profil der Fachberatung auf.

Kann deswegen jede Fachberatung alles?

In der Praxis zeigen sich Schwerpunktsetzungen: In Konstrukten mit Dienst- und Fachaufsicht bei einem großen Träger werden andere Themen in den Fokus genommen als bei einer Fachberatung, die durch einen thematisch spezialisierten externen Anbieter wahrgenommen wird. In der Vielfalt der Themenfelder rund um das System Kita wird immer deutlicher, dass die Beratung als reine Generalistin für die einzelnen Fachberaterinnen und -berater kaum mehr zu leisten ist. Es ist nicht mehr möglich, sich in allen Themen den Überblick und das notwendige Fachwissen anzueignen und in vielen verschiedenen Formaten weiterzugeben. Leitungscoaching und die Durchführung von Fortbildungen erfordern andere Kompetenzen und ergeben ein anderes Grundprofil von Fachberatung als die Organisation von Großveranstaltungen oder die Verhandlung mit Kommunen und Gebietskörperschaften.

In Betracht der Tatsache, dass inzwischen die Qualifikationen von Fachberatungen sehr verschieden sind, kann man davon ausgehen, dass die Fachberaterinnen verschiedene Kompetenzen mitbringen, die im Verbund gut genutzt werden können. Manche Fachberatungen sehen ihr Angebot als eine Mischform: zwischen dem Angebot einer Generalistin und dem einer Spezialistin. Dann sind die einzelnen Fachberaterinnen (oft regional aufgeteilt) als Generalistinnen Türöffnerinnen und Beziehungspersonen für die Kitas. Je nach Thema und Format geben sie dann intern ab – an eine auf den passenden Schwerpunkt spezialisierte Kollegin. Ein Prozess, den sie in den Kitas transparent machen. In diesen Konstrukten bleibt die wichtige personale Fachberatung mit kontinuierlicher Beziehung erhalten und gleichzeitig wird den Kitas eine spezialisierte Fachberatung mit den Kompetenzen und dem Wissenspool zur Verfügung gestellt, der im Moment gebraucht wird.

Ein Wort zum Schluss

Die momentane Diskussion über das System der Kindertagesbetreuung hinsichtlich Finanzierungsstrukturen, Qualifikationen und inhaltlichen Aufträgen gleicht an vielen Stellen einer „Operation am offenen Herzen“. Kitas und Fachkräfte können ohne verbesserte Rahmenbedingungen mit den neuen Anforderungen kaum Schritt halten. Es sind (rahmende) Unterstützungssysteme notwendig, die den Entwicklungsprozess im Alltag der Kitas begleiten. Sowohl die Vorgaben aus Politik und Trägerebenen als auch die Erfahrungen aus der Praxis müssen zusammenfließen. Es braucht sowohl begleitende Unterstützung als auch verpflichtende Anforderungen. Eine Diskussion und Begegnung der verschiedenen Ebenen spielen dabei eine zentrale Rolle, um alltagstaugliche und zukunftsweisende Lösungen zu entwickeln.

Fachberatung kann ein Puzzlestein dieses Unterstützungssystems und an manchen Stellen „Schmiermittel“ im Getriebe sein. Allerdings sei am Ende gewarnt: Pädagogische Fachberatung ist nur dann hilfreich und wirksam, wenn sie ihre Funktion als fachliche Anwältin auch gesteuert einsetzen kann. Entwicklungsbegleitung und Qualitätssicherung braucht Steuerungskompetenz,
die aus einer geeigneten organisatorischen, fachlichen und finanziellen Ausstattung resultieren muss. Aus der „Eierlegenden- Wollmilchsau“ und dem „Chamäleon“ darf eine Farben- und Nutztierexpertin werden. Dann kann die Fachberatung Lotsin und fachliche Mitlenkerin sein, als die sie angelegt ist.

Medien

  • Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. : Empfehlungen des Deutschen Vereins zur konzeptionellen und strukturellen Ausgestaltung der Fachberatung im System der Kindertagesbetreuung. Berlin, 2012; www.nifbe.de, Suche: Fachberatung, Positionspapier des Deutschen Vereins
  • Nolte, Johanna: 55 Fragen & 55 Antworten. Fachberatung von Kitas. Cornelsen Scriptor, 2015.

Übernahme des Fachbeitrags mit freundlicher Genehmigung aus klein & groß 06/16, S. 56-59





Verwandte Themen und Schlagworte