Werkstattarbeit in der KiTa

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Die Lernwerkstatt

Als Lernwerkstatt werden in der heutigen Pädagogik Räume bezeichnet, in denen vielfältige Materialien für das praktische und eigenaktive Lernen bereit stehen und das Lernen durch eigene Erfahrungen ermöglichen. Die Materialien berücksichtigen die individuellen Entwicklungsbedürfnisse der Kinder. Die Ordnung ist hier kein Element von Zwanghaftigkeit. Sie verhilft zu einer guten vorbereiteten Umgebung, in der Kreativität und individuelles Handeln stattfinden können. Eine durchdachte Anordnung der Arbeitsmittel bildet den Nährboden dafür, kreativ eigene Ideen umsetzen zu können.

Die Idee des eigenaktiven Lernens ist nicht neu. Viele Reformpädagogen haben dazu pädagogische Modelle entwickelt, in der Regel für Schulen, Universitäten und Fortbildungsinstitute für Lehrer. John Dewey, 1859-1952, Philosoph und amerikanischer Reformpädagoge, zählt für viele europäische Reformpädagogen als »Urvater« des entdeckenden Lernens. Er sah den Lehrer als »Mitarbeiter« der Schüler an. In Europa haben aus meiner Sicht unter anderem Cèlestin Freinet, Maria Montessori und Ellen Key die »Wurzeln« für die heutige Werkstatt-Arbeit mit Kindern gelegt. Ellen Key schreibt 1890 über ihre Träume einer Schule der Zukunft:

„In dem zukünftigen Schulgebäude gibt es gar keine Klassenzimmer. Aber es gibt da verschiedene Säle mit reichem Material für verschiedene Gegenstände und neben ihnen Arbeitsräume, wo jeder seinen gegebenen Platz zum Selbststudium hat..." (Ellen Key: Das Jahrhundert des Kindes, Fischer Verlag 1903)

 

Blick in die Geschichte

Die Lernwerkstatt-Bewegung wurde in Deutschland an der Hochschule (TU 1981, HdK 1982) in West-Berlin gegründet. Nach elf Jahren war sie in allen 16 Bundesländern in Deutschland vertreten. Karin Ernst, 1993 Lernwerkstätten in der Bundesrepublik Deutschland und Österreich, - Der Grundschulverband – e.V. Das Ziel der TU Berlin war, dass »Erwachsene selbst ein anderes Lernverhalten entwickeln, aktiv, forschend, entdeckend, kreativ und offen, um mit Kindern auf eine andere Weise Schule machen zu können«. In den Bundesländern entstanden unterschiedliche Typen von Lernwerkstätten, die ihre eigenen konzeptionellen Hintergründe hatten. Zum Teil wurden auch Lernwerkstätten in Grundschulen eingerichtet, die zur Förderung einzelner Kinder genutzt wurden. Die Rolle der Lehrer war hierbei in der Regel führend und lenkend. Die Bezeichnung »Lernwerkstatt« wurde auch von einigen alternativen freien Schulen benutzt, dann aber als Begriff des freien Arbeitens der Schulkinder.

Die Entwicklung von Lernwerkstätten in Kindertageseinrichtungen fand erst in den neunziger Jahren statt. Auch hier wurden an den verschiedenen Orten unterschiedliche Konzeptionen von Lernwerkstätten »erfunden«. Begriffe wie Lernwerkstatt-Angebot, Lernwerkstatt-Projekt oder Lernwerkstatt-Unterricht sind mir in der Vergangenheit immer wieder begegnet. Ähnlich wie die Entwicklung der Lernwerkstätten an den Universitäten und Grundschulen wurde zu wenig über die pädagogische Haltung der Pädagoginnen geforscht oder nachgedacht.

Heute begegnen mir als Bildungsreferentin und Fachberaterin unterschiedlichste Modelle von Lernwerkstätten, Werkstätten in Kitas und Schulen oder Werkstatt-Kitas oder Schulen. Die Unsicherheit der Pädagogen, was nun eine (Lern)Werkstatt sein soll, wie die Kinder dort tätig sind oder sein dürfen und was der pädagogische Auftrag der Pädagoginnen sein könnte, ist sehr groß.

 

Eigene Werkstatterinnerungen

Ich habe als Kind Werkstatträume geliebt. Meine Großtante hatte eine Schneiderwerkstatt. Ich war fasziniert von den geordneten Gegenständen in dieser Werkstatt. Die Scheren wurden von meiner Großtante wie ein großer Schatz gepflegt und die alte mechanische Fußnähmaschine, damals schon mit einem Zickzack-Stich ausgestattet, durfte ich nicht berühren. Die Schnittmuster hingen sauber aufgereiht an einer Wand. Die Garnrollen lagen nach Farben sortiert in Schubladen und die bunten Knöpfe luden zum Anfassen ein. Die Atmosphäre in diesem Raum war von der konzentrierten Arbeit meiner Großtante geprägt und ich genoss die Stille und gleichzeitig ihre Emsigkeit. Ähnliche Erfahrungen sammelte ich in einer Töpferei und in einer Tischlerwerkstatt. Mein Berufswunsch war lange Zeit Goldschmiedin oder Tischlerin zu werden. Werkstätten verloren in meinem Leben nie ihre Anziehungskraft.

 

 


 

Von der Lernwerkstatt zur Werkstatt-Kita

Anfang der neunziger Jahre gründete ich eine Modell-Kita, die mit einer Lernwerkstatt für die ältesten Kinder der Kita ausgestattet war. Ich übernahm den Begriff der Lernwerkstatt aus dem Lehrerfortbildungsinstitut (IPTS) in Schleswig-Holstein, hatte jedoch eigene Vorstellungen und Ideen der Umsetzung. Das aktive und selbsttätige Kind stand im Mittelpunkt meiner pädagogischen Vorstellungen. Durch das Buch »Erziehung zum Sein« von Rebeca und Wild und ihrem Modell über die »Nichtdirektivität« in der pädagogischen Haltung der Pädagoginnen und später die entwickelte Kindergartentheorie im Studienzentrum für Kinderaktivitäten in Israel war ich hoch motiviert, ähnliches auch in Deutschland auszuprobieren. Weitere Einflüsse aus der Reggio-Pädagogik und die philosophischen Theorien von Maria Montessori und Célestin Freinet haben mich bei der Entwicklung einer Werkstatt-Kita sehr geprägt. Ich war neugierig und fand es spannend, eine Lernwerkstatt in einer Kita einem Praxistest zu unterziehen. Ein Vorhaben, das ein Leben lang andauern sollte!

Die Idee mit Kindern in Lernwerkstätten gemeinsam »zu wirken« entstand nicht allein in der Beobachtung des Arbeitens in Handwerkstätten oder war in biografischen Erinnerungen begründet: Das hier favorisierte Modell ist die folgerichtige Anwendung der Kernaussagen der Reformpädagogik.

Nachdem »Die Lernwerkstatt – ein binnen-differenziertes Bildungsprojekt in Kitas« sich in der Modell-Kita als erfolgreiches Modell etabliert hatte, entstanden die Idee und der Wunsch der Pädagoginnen der Modell-Kita, Werkstätten für alle Kinder in allen Altersstufen zu entwickeln. Der Begriff Lernwerkstatt wurde als irreführend empfunden, da forschende und aktive Kinder immer Lernende sind. Der langsame Wandel eines offenen Kindergartens zu einer Werkstatt-Kita hatte begonnen. Akteure waren die Kinder, Eltern, Pädagoginnen, Hausmeister und die Köchinnen.

 


 

 

Der Raum als dritter Pädagoge

In den folgenden Jahren probierten wir viel aus. Es sind viele gute Ideen entstanden, andere sind wieder verworfen worden. Die Kinder zeigten den Erwachsenen, wie gut sie sich selbst organisieren können und wie aktiv und konzentriert sie in der vorbereiteten Umgebung arbeiten und sich wohl fühlen. Die Pädagoginnen lernten den Kindern aktiv zuzuhören, sie in ihrem Tun zu beobachten und in dialogischen Gesprächen von ihren Gedanken und Empfindungen zu erfahren. Das gab ihnen hilfreiche Rückmeldung zu ihrer Arbeit: »War mein Verhalten emphatisch? Habe ich ›den richtigen Riecher‹ gehabt und nicht ›zu erwachsen‹ geplant und gedacht?«

 

Ein Raum wird dann zum »dritten Pädagogen«, wenn es den Pädagoginnen gelingt, grundsätzliche Voraussetzungen dafür zu schaffen. Dazu ist es notwendig, die Kinder in ihrem Tun gezielt zu beobachten. Gespräche mit Arbeitskolleginnen helfen, zum Beispiel folgende Fragen vorher zu klären:

 

 

Werkstätten können in allen Kitas entstehen

Besondere Räume sind für Werkstätten nicht notwendig. Der Begriff der Werkstatt bezieht sich hauptsächlich auf die Raumgestaltung und das vorhandenen Material.


Entscheidend ist,

  1. wie die Raumgestaltung der Werkstatt umgesetzt wird,
  2. welches Bild die Pädagogen von der Aktivität der Kinder haben und
  3. das reflektierende Verhalten der Pädagogen im pädagogischen Alltag.

Gruppenräume in einer Größe von 50 qm, können wunderbar in Werkstätten mit kleinen Arbeitsbereichen unterteilt werden. Ich nenne diese kleinen Arbeitsbereiche, die zwischen 4 qm und 8 qm groß sind, bereits Werkstätten, wenn sie in ihrer Einrichtung die Merkmale einer Werkstatt erfüllen.

Einige Werkstatträume zählen zur Grundausstattung, andere werden den spontanen Kinderaktivitäten und Entwicklungsbedürfnissen angepasst. Werkstätten sind nie starr, sondern auf Veränderbarkeit ausgerichtet. So könnte zum Beispiel in einer großen Rollenspielwerkstatt, zu deren festen Einrichtung eine Theaterbühne gehört und, eine Kinderwohnung mit Küche gehört, dem Wunsch der Kinder entsprechend zum Beispiel ein Friseursalon, eine Arztpraxis, eine Apotheke, ein Einkaufsladen, eine Polizeistation oder ein Büro entstehen.

 

 


 

Die Raumgestaltung der Werkstatt

Werkstätten stellen ein räumliches und soziales Umfeld dar, in denen die Kinder aus eigenem Antrieb, allein oder mit anderen Kindern zusammen, zur selben Zeit ganz unterschiedliche Dinge tun können. Zu berücksichtigen sind bei der Werkstattgestaltung dabei alters- und entwicklungsbedingten Unterschiede der Kinder Rücksicht nehmen können. Werkstätten für Kinder in einer Altersmischung von zwei bis sechs Jahren haben hier oftmals große Probleme.

Zwei- bis dreijährige Kinder brauchen Werkstätten, die mit Grundmaterialien gefüllt sind. In einem überschaubaren Rahmen können sie erste Erfahrungen mit den Materialien, allein oder mit anderen Kindern sammeln. Sie brauchen kleine Räume, die ihnen Schutz vor Störungen von außen geben. In solch einem geborgenen Raum können sie bei sich selbst sein und sinnlich wahrnehmen, was sie empfinden, fühlen und berühren. Sie können mit wenigen Kindern gemeinsam aktiv werden. Die Pädagogen geben ihnen Sicherheit und Geborgenheit. Sie arbeiten mit den Kindern zusammen und begleiten die Kinder sprachlich in ihrem Tun.

Jüngere Kinder möchten mit allen Materialien in der Werkstatt hantieren, sie möchte forschen und ausprobieren. In einer altersspezifischen Werkstatt ist dieses möglich, da die Kinder nicht von den Pädagoginnen durch ein »Nein, das darfst du noch nicht haben, das ist zu gefährlich für dich«, begrenzt werden müssen.

Ich würde zum Beispiel in der Rollenspielwerkstatt für zwei- bis dreijährige Kinder nicht das Kochen auf einem richtigen Herd in der Küchenwerkstatt anbieten. Die Kinder wollen so tun, als ob sie Kochen! Die fünf- bis sechsjährigen Kinder lieben es jedoch, einfache Kochvorgänge alleine durchzuführen.

Lernprozesse fangen dort an, wo das Bedürfnis eines Kindes eine Resonanz in der Umgebung findet. Die spontane Aktivität eines Kindes sucht Herausforderungen in der Umgebung und dem Material, allein oder mit anderen Kindern zusammen. Zur Umgebung zählt auch die wache und emphatische Pädagogin.

Jede kleine Werkstatt zeichnet sich grundsätzlich, dem Werkstattgedanken folgend, in der Einrichtung und Ausstattung so authentisch wie möglich aus. Die kleinen Werkstätten entsprechen in der Einrichtung und Ausstattung den Grundprinzipien der Werkstattgestaltung.

Zum Beispiel gehört zur Friseurwerkstatt möglichst ein Friseurstuhl, Spiegel, Kittel, Haarfön oder Haarhaube, Lockenwickler, Haarbänder, Haarschmuck, Kinderschminke, Kämme und Bürsten (auf Scheren würde ich verzichten), Frisurenzeitschriften, leere Spraydosen und Parfümflaschen. Kinder imitieren und verarbeiten im Rollenspiel ihre Erlebnisse und die damit verbundenen Gefühle aus der »realen« Welt. Genauso erfinden sie »ihre Welt« mit größtem Vergnügen neu.

 

 


 

Möbel und Materialien

 

Die Möbel

Offene Regale eigenen sich besonders gut für Werkstätten. Sie können als Raumteiler flexibel eingesetzt werden, lassen das Licht des ganzen Raums durch die offenen Fächer fließen und ermöglichen den Kindern immer wieder den Blick in die ganze Werkstatt. Individuelle »echte« Möbel, wie eine alte Kommode, ein gemütliches Sofa oder ein altes Küchenbüffet, geben der Werkstatt Originalität und machen es gemütlich. Die Arbeitsmaterialien in den offenen Fächern sollten klar geordnet nebeneinander liegen und ihren festen Platz haben. Jeder Platz wird mit einem Piktogramm (Fotokarte) gekennzeichnet. Diese Übersichtlichkeit hilft, das Ordnungssystem zu erkennen und einzuhalten. Gleichzeitig sorgt es dafür, dass das Kind seinen Arbeitsprozess nicht durch ein unnötiges Suchen unterbrechen muss.

In den kleinen Werkstätten ist es sinnvoll, möglichst auf Tische zu verzichten. Arbeitsplätze können Fensterbänke oder Holzplatten mit einem 10 bis 20 cm hohen Sockel sein. Ich habe oftmals die Füße von den Tischen abgeschraubt und dadurch einen Arbeitsfläche geschaffen, die schnell hochkant zur Seite gestellt werden kann. Kinder arbeiten liebend gern auf dem Fußboden. Renate Zimmer erklärt in ihrem Buch »Schafft die Stühle ab« wie ungünstig es für die motorische Entwicklung von jungen Kindern ist, zu oft auf Stühlen zu sitzen. Gibt es auf den Fensterbänken Arbeitsplätze, arbeiten Kinder gern im Stehen. Natürlich können auch simple Hocker, die stapelbar sind, zum Sitzen zur Verfügung stehen.

 

Das Material und Tipps zur Materialbeschaffung

Wie in einer »echten« Werkstatt ist auch in den Werkstätten einer Kita das Material von bester Qualität und wird regelmäßig gepflegt. Die beste Beschaffungsquelle für Werkstätten in Kitas sind die Baumärkte. Die Preise sind nicht hoch und die Kinder lieben Arbeitsgeräte, die sie von zu Hause her kennen. Für die Bauwerkstatt ist der Baumarkt ein Schlaraffenland an notwendigen und schönen Dingen. Ob es Trichter, Gefäße, Schläuche oder Fliesen sind, Hammer, Schraubenzieher oder Zange, Holzleim und Holzspachtel, Holzabfälle, Bretter, Schnüre, Nägel, Schrauben, Teppichreste, Pappe, Tapeten, Metalle, Bleche oder Plastikplatten – Kinder können alles gebrauchen.

Flohmärkte eignen sich besonders gut als Fundgrube für die Rollenspielwerkstätten. Vertraute Alltagsgegenstände wie Telefon, Wecker, Kochgeschirr, Tischdecken, Fernglas, Vasen, Bilderrahmen, Kerzenständer, Radios, Stempel, Bürobedarf, Kleinmöbel etc. können dort günstig erworben werden.

Material für das Atelier (Kunstwerkstatt) ist in der Regel im Kunst-Großhandel günstig zu erwerben. Ob Acryl-, Wasser-, Aquarellfarben oder Buntstifte und Ölkreiden, Zeichenpapier oder Leinwände, Ton und Glasuren – man kann dort wirklich alles relativ günstig und in großen Mengen kaufen oder bestellen.

 

 


 

Beispiele für unterschiedliche Werkstätten

Das Atelier, die Rollenspiel- und Bauwerkstatt der zwei- bis dreijährigen Kinder

In der Regel werden Kinder mit zwei bis drei Jahren in einer Kindertagesstätte aufgenommen. In den ersten Monaten lernen sie »ihre kleine neue Welt« kennen, zu der die Vertrauenspädagoginnen, die anderen Kinder, die Räume, der Tagesablauf und die Rituale der Kita zählen. Für diese große Herausforderung brauchen diese jüngsten Kinder einer Kita viel Zeit und einen geborgenen Raum mit verlässlichen Vertrauenspersonen. Jedes Kind benötigt für diesen Prozess seine eigene Zeit. Manchen Kindern fällt es leichter, sich selbständig und frei in Werkstätten zu bewegen, wenn sie vorher mit vertrauten Pädagoginnen in Räumen sein können, die Sicherheit bieten und wo sie eingebunden sind in wiedererkennbare Rituale, die den Tagesablauf bestimmen.

Für die jüngsten Kinder stelle ich hier einen Werkstattraum vor, in dem dieses möglich sein kann: Im ersten Werkstattraum befinden sich Werkstätten, die zur Grundausstattung einer Kita zählen. Er besteht aus einem Atelier, einer Bauwerkstatt und einer Rollenspielwerkstatt. Durch offene und halbhohe Regale werden die Werkstattbereiche unterteilt. Das Atelier nimmt die Hälfte des Raumes ein und gliedert sich wiederum in vier Arbeitsbereiche. Die Arbeitsbereiche haben durch die Materialauswahl einen eigenen Aufforderungscharakter und eine eigene Ordnung. Diese Ordnung gibt den Kindern Sicherheit und Orientierung. Die andere Hälfte des Raumes teilen sich die Bau- und Rollenspielwerkstatt. Gibt es einen Nebenraum, kann eine der Werkstätten dort ihren Platz bekommen. Ist der Nebenraum groß genug, ist es sinnvoll, das Atelier im Nebenraum anzusiedeln. Alle drei »Räume im Raum« sind mit den Grundmaterialien einer Werkstatt ausgestattet. Die Kinder sammeln hier Materialerfahrungen, lernen mit den »Werkzeugen« umzugehen und sich an Absprachen zu halten. Das aktive Spielen und Aufräumen findet in der Beziehung mit den Pädagoginnen zusammen statt.

 

Das Atelier, ca. 18 qm

 

Die Bauwerkstatt, ca. 14 qm

 

Die Rollenspielwerkstatt, ca. 14 qm

 

Das Atelier, die Rollenspiel- und Bauwerkstatt der vier- bis fünfjährigen Kinder

Die Kinder haben ungefähr ein Jahr lang ihre ersten Erfahrungen in der Kita gesammelt und kennen sich inzwischen gut in den Räumen aus. In ihrer Lebenswelt steht das Zusammenspielen mit Kindern nun vermehrt im Mittelpunkt. Die Rollenspielwerkstatt ist jetzt ein sehr lebendiger und aktiver Raum, der von den Kindern für unterschiedliche Rollenspiele genutzt wird. Die Materialien im Atelier und in der Bauwerkstatt werden von den Kindern nun gezielt ausgesucht. Die Kinder entwickeln Pläne und haben genaue Vorstellungen, die sie in ihrer Aktivität immer wieder verändern. Meistens arbeiten und spielen sie in kleinen Gruppen mit Freunden zusammen. Sie bleiben gern in ihrer kleinen Gruppe über Tage in einer bestimmten Werkstatt zusammen und möchten nicht gestört werden. Diese Prozesse enden manchmal ganz plötzlich und die Kinder suchen neue Herausforderungen oder beziehen die Pädagogin mit ein. Sie genießen es, mit Fragen »geweckt« zu werden und die Pädagogin wird Gesprächspartnerin, Materialbeschafferin und nimmt an der Beschäftigung der Kinder aktiv teil. Die Art und Weise wie sie forschen und ausprobieren, ist von einem grenzenlosen Schaffensdrang geprägt. Alle Werkstätten können ehemalige Gruppenräume sein und würden so über eine Größe von ca. 55 qm verfügen. Die offenen, halbhohen Regale sind mit vielen Materialien gefüllt, die immer wieder nach den Bedürfnissen der Kinder ergänzt werden.

 

Das Atelier

Im Atelier können folgende Werkstätten eingerichtet werden:

 

Die Bauwerkstatt

In der Bauwerkstatt können folgende Werkstätten eingerichtet werden:

 

Die Rollenspielwerkstatt

In der Rollenspielwerkstatt zähle ich zur Grundausstattung:

Weitere Werkstätten können je nach der Erlebniswelt und Aktivität der Kinder im Wechsel in bestimmten Bereichen der Rollenspielwerkstatt eingerichtet werden. So kann eine Büro-, Bank-, Bahnhof-, Polizei-, Post-, Apotheken-, Film-, Kirchen-, Musik-, Näh-, Fotografie- oder Märchenwerkstatt etc. entstehen. Für die wechselnden Bereiche ist es praktisch, große Kunststoffkisten anzuschaffen und die Requisiten der verschiedenen Rollenspielaktivitäten dort zu lagern. Gut beschriftet ist es dann kein Problem, eine Werkstatt neu einzurichten. Die halbhohen Regale können immer wieder unterschiedlich gefüllt werden und neue Funktionen erhalten. In der Regel wiederholen sich die Wünsche der Kinder an Rollenspiele, da die Ideen mit ihrem Leben in und außerhalb der Familie zu tun haben.

 

Das Atelier und die Zahlen- und Buchstabenwerkstatt (ZaBu) der fünf- bis achtjährigen Kinder

Diese Werkstätten sind die Weiterentwicklung unserer ursprünglichen Modellwerkstatt. Sie ergänzen das Angebot von Werkstätten in Kitas im Sinne der Vorschulklassen. Der Übergang von der Kita zur Grundschule und die enge Zusammenarbeit zwischen Elementarpädagoginnen und Lehrerinnen können hier sehr gut umgesetzt werden. Die fünf- bis sechsjährigen Kinder arbeiten täglich zwei Stunden in diesen Werkstätten. Nach eigenen Wünschen und Bedürfnissen wechseln sie zwischen den beiden Werkstätten hin und her. In der Regel haben aber die Kinder ihre Lieblingswerkstatt, in der sie sich besonders gern aufhalten. Nach diesen zwei Stunden können sie auch in die Werkstätten der jüngeren Kinder oder in die Naturspielräume gehen.

Kinder, die über zwei Jahre in den anderen Werkstätten selbsttätig experimentieren und »ihre Welt« erfinden konnten, entdecken ab dem sechsten Lebensjahr auf eine ganz andere Weise. Sie brauchen hierfür eine andere Ausstattung der Werkstätten. Sie planen, überdenken, vergleichen, überprüfen und kommen zu neuen Ergebnissen. Sie genießen es, aus den gemachten Erfahrungen nun gedankliche Hypothesen aufzustellen und diese zu überprüfen. In diesen Werkstätten können sie es tun, da das aktive Denken ununterbrochen durch das Arbeitsmaterial oder durch mögliche Fragen oder Arbeitsideen angeregt wird.

Die Arbeiten werden frei gewählt. Alle möglichen Arbeiten sind auf Bildtafeln zu lesen und Lösungen sind selbständig herauszufinden. Bei den Ergebnissen gibt es kein falsch oder richtig. Es gibt nur individuelle Lösungen. In diesen Werkstätten bekommt die Autonomie und Selbstverwaltung der Kinder eine andere Qualität. Sie lassen sich lieber von anderen Kindern helfen als von den Pädagoginnen. Ihre Selbstwirksamkeit ist ihnen bewusst und sie fühlen sich kompetent, ihre eigenen Wege zu gehen.

Neben dem Arbeiten an den Stationen finden in diesen Werkstätten jährlich mehrwöchige Projekte statt.

 

Das Atelier

Das Atelier hat nun nicht mehr die kleinen und geschützten Werkstätten. Die Materialien sind in den Regalen nach Themen sortiert. Das Material ist vielfältig und Bücher zum Nachschlagen stehen den Themen zugeordnet in den Regalen. Das Kind kann experimentell forschen oder sich einen Arbeitsauftrag auswählen und ihn allein oder mit anderen Kindern zusammen lösen. Im Atelier befinden sich:

Das Atelier verfügt auch über einen Lichttisch und einen Overheadprojektor mit dementsprechendem Material.

 

Die Zahlen- und Buchstabenwerkstatt

Diese Werkstatt sieht schon ein wenig wie eine Werkstatt in der Grundschule aus. Für diesen Arbeitsbereich sind neben den unstrukturierten Arbeitsmaterialien besondere Arbeitskästen entwickelt worden, die sich an den unterschiedlichen Themen orientieren und immer wieder neu gestaltet werden können. Viele Arbeitsmaterialien sind von einfach bis schwer ausgerichtet, sodass jedes Kind eine neue Herausforderung finden kann. Auf den Deckeln der Arbeitskästen können die Kinder anhand von Zeichnungen erkennen, welche Aufgabe sich im Kasten befindet.

In der Zahlen- und Buchstabenwerkstatt befinden sich:

 

Die Naturwerkstätten

In einer Werkstatt-Kita liegt es auf der Hand, die Werkstätten von innen nach außen fließen zu lassen. Das Forschen und Experimentieren, das aktive Arbeiten und Spielen findet im Garten genauso statt. Einige Kinder sind lieber draußen in der Natur aktiv und genießen die Nischen und Winkel der Naturwerkstätten. Die sinnliche Wahrnehmung gibt den Kindern in der Natur ganz andere und wichtige Reize. Kinder entscheiden sich intuitiv für »ihre« Umgebung, die ihnen gut tut. In den Naturspielräumen kann es unter anderem auch ähnliche Werkstätten wie im Haus geben – z.B. Rollenspiel- und Bauwerkstätten sowie Mal- und Zeichenwerkstätten.

 

Das Kinderrestaurant – eine Esswerkstatt

Ich zähle das Restaurant mit zu den Werkstätten, denn es erfüllt die Kriterien einer Werkstatt:

Auch hier gilt: Die Anwesenheit einer Pädagogin zählt mit zur entspannten Atmosphäre! Wie in den anderen Werkstätten, ist auch im Kinderrestaurant immer eine Pädagogin anwesend.

 

 


 

Das Kind in der Werkstatt

Kinder sind von Geburt an mit allem ausgestattet, was sie zum Leben und zur Entwicklung benötigen. Sie sind geborene Lerner, die die Kraft und den Willen haben, ihre Entwicklung eigenständig und individuell voranzubringen. In der Reggio-PädagogikReggio-Pädagogik|||||Die Reggio-Pädagogik ist ein reformpädagogisches  Gesamtkonzept von Ideen und Praxisstrukturen, die seit den 1960 er Jahren in der Norditalienischen Stadt Reggionell`Emilia in Krippen und Kindergärten entwickelt wurde. Dem Konzept liegt ein humanistisches Menschenbild und eine demokratische Gesellschaftsvorstellung inne. wird das Kind als kompetentes Wesen angesehen, da es sowohl die Kunst des Forschens als auch »hundert Sprachen« besitzt und es Konstrukteur seines eigenen Wissens ist.

In den Werkstätten haben die Kinder die Möglichkeit, diese angeborenen Fähigkeiten zu entfalten. Sie können unentwegt aktiv sein. Die ästhetischen Räume und Materialien laden zum genussvollen Tun ein. Ein gut gefülltes Regal nenne ich eine »visuelle Cafeteria«. Sie macht »hungrig«, fantasievoll und kreativ aktiv zu werden. »Das Auge schläft, bis der Geist es mit einer Frage weckt«, sagen die Reggianer. Das Kind bekommt »Hunger« auf das Material, das zum Forschen und fantasievollen Gestalten anregt.

Kinder entwickeln von Geburt an enge Beziehungen zu ihrer Umwelt. Sie nehmen die Gefühle ihrer nächsten Bezugspersonen wahr und kooperieren mit ihnen. Das Gehirn des Kindes ist von Anfang an darauf ausgelegt, die Umwelt wahrzunehmen und auf sie zu reagieren. Das »Zuhause« eines Kindes ist ein »gefühlsmäßiges Gewächshaus«, in dem es wunderbar gedeihen kann.

In der Kita braucht es später kompetente Pädagoginnen, die mit Herz und Verstand das Kind in seiner Entwicklung begleiten. Es kommen jedoch nicht alle Kinder so gesund in die Kita. Remo Largo beschreibt in seinen Büchern sehr anschaulich, welche Störungen in der nahen Umwelt des Kindes sein natürliches Bedürfnis nach Entwicklung stören oder verhindern können. Für diese Kinder ist die Beziehungsqualität zwischen den Pädagoginnen und ihnen entscheidend dafür, ob und wie sie durch diese Begleitung in der Werkstatt aktiv werden können.


Die Professionalität des Pädagogen in einer Werkstatt

Die Pädagogin ist die Gastgeberin der Werkstatt. Sie ist verantwortlich für eine gut vorbereitete Umgebung und eine entspannte Atmosphäre, in der jedes Kind sich angenommen und wertgeschätzt fühlen kann. Es ist ihre Aufgabe, die momentane Situation eines Kindes wahrzunehmen und darauf zu reagieren und nicht zu agieren. Sie begleitet die Kinder in ihrer selbst gewählten Aktivität und lässt sie grundsätzlich nicht allein in ihrer Entwicklung. Sie ist ihre verlässliche Vertrauensperson und ihre Interaktions- und Dialogpartnerin.

Von dem italienischen Pädagogen Loris Malaguzzi stammt die Aufforderung, die Quellen der Kinder zu erkennen. Er definierte die Aufgabe der Pädagogin als ein Versuch, vorauszusehen, was das Kind tun möchte. Die Rolle des Erwachsenen sei es, dem Kind Gehör zu geben, auf seine Spontaneität einzugehen und den Rahmen für seine Entdeckungen zu schaffen. Erwachsene und Kinder müssten sich gegenseitig in Neugier versetzen können. (Malaguzzi, 1991)

Die Pädagogen übernehmen somit eine völlig neue Rolle. Sensibel beobachtend nehmen sie das Kind in seinem Tun und ihre eigenen Gefühle dazu wahr. Sie folgen den Spuren der Kinder und zeigen ein wirkliches Interesse für deren Eigenleben. Es entsteht somit eine Subjektbeziehung, in der beide sich als Lernende wahrnehmen können. Pädagogen betreten pädagogisches Neuland, wenn sie in einer Werkstatt arbeiten. Sie organisieren nicht mehr den Tagesablauf mit Angeboten und Stuhlkreisen, in denen sie den Kindern etwas beibringen. Die Pädagogen werden zu Mentoren, Entwicklungsbegleitern, Lernpartnern und Dienern der Kinder. Sie erleben und unterstützen die Kinder in ihrer Eigenaktivität und Kreativität.

 

Zu guter Letzt

Wenn Sie eine Werkstatt einrichten wollen, seien sie mutig und suchen sie Verbündete. Haben Sie Spaß am Lernen, an Entwicklungen und Veränderungen. Seien Sie wie die Kinder!

 

Buchtipp:

Von der Autorin sind im verlag das netz die „Werkstatt(t)räume" erschienen, in denen Sie in 12 Projektheften neben einer theoretischen Einführung insbesondere über Bilder viele Ideen und Inspirationen für thematisch verschiedene und altersspezifische Werkstätten gibt. Eine Rezension lesen Sie hier: Werkstattarbeit in der KiTa



Zum Weiterlesen:

Lernwerkstätten - Modellprojekt und Materialien

Lernwerkstätten als Übergangsinstrument

 

 


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