Methodische Wege in die Sozialdidaktik

Inhaltsverzeichnis

  1. Kritisch - kommunikative Didaktiken
  2. Sozialdidaktische Forschung als methodischer Weg
  3. Herausforderungen innovativer Handlungsspielräume
  4. Biographische Methoden
  5. Praxisreflexion in einer virtuellen Lerngemeinschaft
  6. Page #
  7. Anmerkungen und Literatur

Gesamten Beitrag zeigen

In diesem Artikel wird ein Überblick gegeben über Ansatzfelder für  methodische Wege in die SozialdidaktikSozialdidaktik|||||Sozialdidaktik  ist eine eigenständige Didaktik zur professionelle Ausgestaltung von Lehr- und Lernzusammenhängen in sozialpädagogischen Ausbildungsberufen,  die auf dem Kontext von sozialem und pädagogischen Denken, Konzipieren und Handeln basieren., die den Anforderungen und der Komplexität frühkindlicher Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungsberufe gerecht werden kann. Gestützt wird der Artikel von Zitaten einer praktizierenden Erzieherin.

 

Ich hab mich da schon ziemlich verstellen müssen und wenig von meiner pädagogischen Arbeit einbringen können. Und da bin ich schon manchmal nach Hause gegangen und hätte heulen können, weil der Tag meiner Persönlichkeit überhaupt nicht entsprochen hat“.[1]

 

Diese Aussage einer Erzieherin macht deutlich, warum auch in  den „Rahmenrichtlinien für das Fach Berufsbezogener Unterricht  der Fachschule – Sozialpädagogik“  (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2002, S.7) beschrieben ist, dass Humankompetenz, definiert durch die Eigenschaften: Selbstständigkeit, Kritikfähigkeit, Selbstvertrauen, Zuverlässigkeit, Verantwortungs- und Pflichtbewusstsein Wichtigkeit in Lehr-Lernarrangements findet.

Deshalb müssen methodische Wege in die Sozialdidaktik darauf ausgerichtet sein, Lernende auf der Basis theoretischer Erkenntnis, Praxiserfahrung und Eigenanalyse selbstsicherer und reflektierter im Umgang mit Anderen zu machen (vgl. Karsten 2003).

Methodische Wege bieten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten im Unterricht, damit Schüler und Schülerinnen sich die genannten Fähigkeiten aneignen können. Wird von dem Begriff „Lernen“ gesprochen, muss vorher das Bildungsverständnis geklärt sein. Denn es lässt sich nicht bestreiten, dass der Begriff im Alltag  oftmals auch mit einer eher verschulten Konnotation gebraucht wird.

In diesem Artikel wird von einem Bildungsbegriff ausgegangen, der auf der Freiwilligkeit der subjektiven Entscheidungen basiert und  in Verbindung steht mit Aspekten der Selbsttätigkeit, Selbstorganisation und Selbststeuerung. Damit sind Bildungsprozesse nicht linear planbar, noch können sie erzwungen oder vorgegeben werden (vgl. Bildungsbericht 2010). Methodisches Handeln in Lehr-Lernarrangements muss demnach Angebote ermöglichen und Anreize schaffen um Schülerin und Schülerinnen in ihren Selbstbildungsprozessen zu begleiten. Diese Angebote orientieren sich an denn Strukturmaxime des KJHGKJHG||||| Das Kinder- und Jugendhilfegesetz umfasst die bundesgesetzlichen Regelungen, die die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland betreffen. Das SGBVIII (Achte Buch Sozialgesetzbuch) ist der Artikel 1 des KJHG. Es umfasst ein Angebote- und Leistungsgesetz für Kinder, Jugendliche und ihre Eltern, welches der früheren Kontroll- und Eingriffsorientierung entgegensteht. Daher steht das Inkrafttreten  (Januar 1991) auch für einen Paradigmenwechsel in der Kinder-und Jugendhilfe. s /SGBVIII und beinhalten: Freiwilligkeit, Kooperation und Partizipation, Ergebnis- und Prozessoffenheit sowie eine Lebenswelt- und Alltagsorientierung.

Zu diesen Selbstbildungsprozessen bieten sich unter anderem  Methoden an, die kritisch-kommunikativ ausgerichtet sind.

 

 


 Kritisch - kommunikative Didaktiken

Kritisch-kommunikative Didaktiken oder auch Didaktiken, die Interaktion und Kommunikation in den Mittelpunkt des erzieherischen Geschehens stellen, bieten Ansatzfelder für die Entwicklung einer Sozialdidaktik, die den Anforderungen des Berufsfeldes ErzieherIn gerecht werden kann.

Um einige der Anforderungen im Berufsfeld deutlich zu machen, wird an dieser Stelle exemplarisch ein Zitat aus der ErzieherInnenpraxis angeführt:

 „...und da hat sie dann von mir verlangt, ich soll das umschreiben und das hab ich dann auch getan, gleich dreimal. Bis es eben eigentlich nicht mehr MEIN Wortlaut war, sondern IHR Wortlaut und das wie sie es haben wollte. Das stört mich im Nachhinein sehr. Dass ich mich da überhaupt drauf eingelassen hab“.[2]

Hier wird deutlich, dass die Erzieherin ihr Verhalten bereut, dass sie im Moment der Korrekturanweisung aber nicht in der Lage war ihr Missfallen auszudrücken oder sich fähig fühlte fachlich-argumentativ ihren Standpunkt zu verteidigen.

Dass diese Fähigkeit von der Erzieherin gewünscht wird, ist in folgendem Zitat zu sehen:

„...das auch so für mich aufzuschreiben und anderen auch so zu verdeutlichen, dass es nicht so klingt, als würde ich sie jetzt krampfhaft versuchen zu überzeugen von meiner eigenen Ansicht, sondern dass viele auch  der Meinung sind, dass es gut ist“.

Mit Anderen in Kommunikation zutreten und für seine pädagogische Meinung und Haltungen professionell einzustehen ist dabei als Teil des professionellen Handelns einer Erzieherin zu sehen, wozu es in Lehr-Lernarrangements Zeit und Raum geben muss, dies weiter zu entwickeln und Sicherheit in diesen Prozessen zu erarbeiten.

 

Der Stellenwert kommunikativer Kompetenzen in der pädagogischen Praxis wird von einer Erzieherin wie folgt beschrieben:

„Deshalb ist es auch so wichtig, deutlich und klar zu sagen, was man will, und das verlang ich auch von allen im Team. Dass sie in der Lage sind, ihre Sätze so zu formulieren, dass ich genau weiß, was ich machen soll, oder auch nicht, und das beinhaltet auch, dass man nicht nur wischi waschi Gelaber macht, sondern einfach wirklich mal konkret wird und sagt, ich hab morgen Frühdienst, ich schaff das nicht allein, ich brauch Hilfe“.

In diesem Zitat wird nicht nur deutlich, dass eine gute kollegiale Zusammenarbeit die Fähigkeit des kritischen Austausch bedarf, sondern auch, dass die Fähigkeit um Unterstützung bitten zu können Bestandteil des professionellen Handelns ist.

Wird davon ausgegangen, dass die Art und Weise wie Schülerinnen und Schüler in der Schule lernen, der Art und Weise ähnlich ist wie sie in der Berufspraxis handeln, so wird deutlich, dass methodische Wege in der Sozialdidaktik Chancen ermöglichen müssen, um diese Fähigkeiten zu erproben und herauszubilden.

 


 Sozialdidaktische Forschung als methodischer Weg

  • Sozialdidaktische Forschung auf der Ebene der ErzieherInnenausbildung

Ein methodisches Arrangement um neue Lernanreize zu geben,  bietet sozialdidaktische Forschung in sozialpädagogischen Ausbildungsgängen, wobei das Themenfeld „Forschen“ wie auch auf der Ebene der Mädchen und Jungen, auch bei Erzieherinnen und Erziehern auf ein „forschendes Neuentdecken“ bezogen ist. Dass diese Fähigkeit gefordert wird, benennt auch Friebertshäuser (2010) mit einem „forschungsorientierten professionellen Habitus“ (Friebertshäuser 1910, S.76). Des Weiteren ist es im  niedersächsischen Orientierungsplan für Bildung und Entwicklung niedergeschrieben, in dem „Erzieherinnen als forschende Pädagoginnen“ definiert sind (Niedersächsisches Kultusministerium 2005, S.39).

Wiediese Fähigkeit von den Schülerinnen und Schülern angeeignet wird, muss sozialdidaktisch durchdacht sein, denn Neugierde kann nicht auswendig gelernt werden und  empirischempirisch|||||Empirie bezeichnet wissenschaftlich durchgeführte Untersuchungen und Erhebung, die gezielt und systematisch im Forschungsfeld oder im Labor durchgeführt werden. Empirische Forschungen können durch verschiedene Methoden praktisch angewendet werden.e Forschungsmethoden dürfen nicht nur in Lückentexte eingefügt, sondern müssen auch eigenhändig erprobt werden.

Rahmenbedingungen und Strukturen schulischen Handelns gilt es demnach anzupassen, um Freiräume zu bieten, damit Schülerinnen und Schüler nicht nur im 90 Minuten Takt Aspekte des Forschens erlernen, sondern reale Möglichkeit bekommen selbstständig eine Fragestellung zu entwickeln (ihrer Neugierde nachgehen), um im Praxisfeld Gegebenheiten, Strukturen und Bedingungen zu erforschen.  Durch dieses Arrangement können Interaktions- und Kommunikationsprozesse in Gang gesetzt, Selbstständigkeit und Kooperationen mit Akteure und Akteurinnen der frühkindlichen Bildung  werden angestrebt; und klug ausgestaltet bieten sich so vielfältige Möglichkeiten diese Prozesse  kritisch-kommunikativ im Unterricht aufzuarbeiten.

 

Dazu gehört auch eine professionelle Begleitung und Vorbereitung, die das Erarbeiten von diversen Methoden in der Praxisforschung (vgl. Bamler et al, 2010) mit einschließt. Die empirischen Erforschung der Praxis hinsichtlich neuer Themen bietet vielfältige Fragestellungen, die von den Schülerinnen und Schülern erarbeitet, analysiert und reflektiert werden können.

Betrachtet man den folgenden Auszug eines Interviews, welches theoretisch von Schülern und Schülerinnen als Forschungsprojekt in einer Einrichtung erhoben worden sein könnte, so zeigen sich Ansatzpunkte wie sozialdidaktische Forschung Raum gibt um Lernprozesse an konkreten Handlungssituationen aus der Praxis anzuregen und zu reflektieren.

„...und der Junge hat (...) sich hingesetzt und auch was Rosanes gemalt,  was aussah wie ne Schleife und Mähne und so, und die Erzieherin hat dann zu ihm gesagt: Aus dir wird ja auch nie ein richtiger Cowboy, wenn du solche Sachen malst. Mal doch mal ein schwarzes Pferd  und einem Cowboy obendrauf! Und der Junge war so traurig darüber, dass er soviel MISSBILLIGUNG erfahren hat,  was der Erzieherin nicht aufgefallen ist, dass er fast geheult hätte.(...) Und sie konnte auch nicht damit leben, dass ich gesagt hab, dass ich das anders sehe, also sie meinte an diesem klassischen Rollenbild wird sich sowieso nie was ändern und warum sollte sie den Kindern etwas anderes vermitteln, wenn die Gesellschaft ja gar nicht so geprägt ist“.

Bezüglich des ausgewählten Interviewausschnittes bieten sich als Themenfelder zur Diskussion mit Schülern und Schülerinnen nicht nur Geschlechtergerechtigkeit an, sondern auch Themen wie vorurteilsfreie Pädagogik, Anti Bias Approach, Inklusion, DiversityDiversity|||||Im Deutschen wird der Begriff auch auch als Vielfalt benutzt und meint besonders, dass soziale Vielfalt konstruktiv genutzt wird. Im Diversity Management wird besonders auf eine positive Wertschätzung der individuellen Verschiedenheit eingegangen, um eine produktive Gesamtatmosphäre zu erreichen., Geschlechterrollenbilder,  Kritikfähigkeit,  kollegiale Zusammenarbeit, Unterstützungssysteme etc., welche den entsprechenden Lernfelder zugeordnet werden können. Hier sind die Lehrenden gefragt, wie sie die Bildungsprozesse der Schüler und Schülerinnen begleiten und welche Anreize zur Diskussion geschaffen werden.

Grundsätzlich gilt es dabei nicht den Weg der Fachdisziplin von oben auf das Niveau der Schülerinnen und Schüler zu projizieren (top-down), indem beispielsweise das Themenfeld „Gender“ aufgearbeitet in Häppchen angeboten und gelernt wird. Stattdessen wird durch  Analyse und Erfahrung praktischer sozialer Probleme theoretische Erklärungsansätze erarbeitet und auf ihren Gehalt hin reflektiert und dies in Lehr-Lernarrangements ausgestaltet (bottom –up).

Im Sinne der doppelten –Theorie –Praxis -Bezüge gilt es in offenen Unterrichtsstrukturen, mit innovativen Handlungsspielräumen und ohne Hierarchie zwischen Fächern, Möglichkeiten zu schaffen, um forschendes Handeln der Schüler und Schülerinnen zu ermöglichen und eine kritisch-kommunikative Auseinandersetzung anzuregen.

 

·  Sozialdidaktische Forschung auf der Ebene der AusbilderInnen

Um diese methodischen Wege auszugestalten, muss auch die Ebene der Lehrenden bedacht sein, welche demnach auch empirische Forschungsmethoden beherrschen müssen. In der universitären Ausbildung des Berufsschullehramtes Sozialpädagogik werden diese beispielsweise an einigen Standorten, wie Lüneburg, anhand von Forschungspraxisberichten (Praktikumsbericht), erlangt; welche es den Studierenden ermöglicht mit einer eigenen Fragestellung ihr Schulpraktikum zu absolvieren und dabei über mehrere Semester in Seminaren begleitet werden. Abschließend wird ein wissenschaftlicher Forschungsbericht angefertigt, der, inklusive dem Forschungsprozess, für das Studium mit 15 credit points honoriert wird, also dem Arbeitsvolumen von drei Veranstaltungen entspricht.

Auch das Modul des Projektstudiums, welches ein 3- semestriges Forschungsprojekt einer Gruppe Studierender beinhaltet, ermöglicht den Lehramtsstudierenden selbstständig eine Fragestellung in der Praxis zu erforschen und empirische Forschungsmethoden zu erproben. Nach Karsten (2003) erarbeiten sie so die forschende und entdeckende Haltung, die die Kompetenz zum lebenslangen Lernen erfordert.

Wünschenswert bei den entsprechenden Forschungsberichten ist dabei eine Rückkoppelung an die Praxis und vor allem bei den Praktikumsberichten auch eine Rückkoppelung wie auch Kooperation mit den Schulen, welche von den Ergebnissen der erforschten „Gegenstände“ in ihrem Umfeld profitieren können. Hier drückt Lewin (1953, S.45) es passend aus: „denn eine Forschung, die nichts anderes als Bücher hervorbringe, nütze dem Individuum nicht“.

 


Herausforderungen innovativer Handlungsspielräume

Innovative Handlungsspielräume, neue Zeitstrukturen und Forschungsarbeiten bieten jedoch auch neue Herausforderungen. Es muss eine Dynamisierung stattfinden, die von den handelnden Akteurinnen und Akteuren selbst ausgeht, und als Prozess stattfindet, denn ohne ausprobieren, aushandeln, revidieren und neu probieren kann ein Prozess nicht konstruktiv weiterentwickelt werden. Suboptimale Schulstrukturen und andere Grenzen lassen sich nicht leugnen, lassen sich aber, sofern das gesamte verfügbare Potenzial (personell, materiell, sozial, kreativ, zeitlich, vernetzt, mutig etc.) gut geordnet und effektiv einsetzbar ist, sicherlich ausweiten oder neu strukturieren.

Dabei kommt auch der eigenen Lernbiographie auf der Meta-Ebene betrachtet eine große Wichtigkeit zu.

 

·  Lernkompetenz oder Lernen Lernen

 

Eine Lernbiographie, die bei vielen Schülerinnen und Schülern durch extrinsische  Motivation, wie Notengebung und Schulselektion behaftet ist, gepaart mit dem Druck auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können, kann nicht ohne weiteres durch innovative Methoden „umgepolt“ werden. Auch dazu bedarf es eines Umlernens in geordneten Schritten. 

Die Aussagen eines deutschen Austauschschülers,  der eine schwedischen Schule in Halmstad besuchte, in welcher bis zur neunten Klasse gemeinsam und ohne Noten gelernt wird, machen die sozialisierte  Denkweise deutlich: „Wieso lernt ihr denn Vokabeln? Ich denke hier gibt es keine Vokabeltests?“[3]

Auch die Befragung  einiger Schüler und Schülerinnen im Rahmen der genannten Praxisforschungsberichten in einer Schule, die Selbstorganisiertes Lernen anhand von Kompetenzrastern mit teilweise offenen Zeitstrukturen erprobten,  macht deutlich, dass  Schüler und Schülerinnen ihre Lernsozialisation und die damit verbundenen Denkmuster nicht ohne Weiteres verdrängen können und so zum Beispiel teilweise weiter für „den Lehrer, die Lehrerin“ lernen (vgl. Pfuhl 2009):

„In das PortfolioPortfolio||||| Ein Portfolio bezeichnet ursprünglich  eine Sammlung von Objekten eines bestimmten Typs. Im  Handlungsfeld frühkindliche Bildung werden Portfolios beispielsweise wie "Ich- .Mappen" für Kinder genutzt um eigene Fortschritte zu dokumentieren. Auch in Studiengängen gibt es Beispiele, wo Portfolios als Prüfungsleistung oder Dokumentation von Entwicklungen zählen können. kann man jeden Tag das Gleiche schreiben, das merken die Lehrer gar nicht“.

„In den Ordnern zum Üben kann man hinten einfach die Lösungen abschreiben, so kann man die Hausaufgaben auch machen, aber halt nicht so oft, sonst fällt das auf“.

Diese exemplarischen Aussagen zeigen, dass selbstorganisiertes Lernen auf einer Meta-Ebene erarbeitet und verinnerlicht sein muss und Vorbereitung bedarf. Dies muss auch den Lehrenden klar sein, die mit einem Perspektivwechsel konfrontiert sind, denn als LernbegleiterIn muss man viele Entwicklungsschritte der Schülerinnen und Schüler sowie deren und die eigenen Unsicherheiten aushalten können ohne derjenige/diejenige sein zu wollen, der/die am Ende mit der richtigen Antwort das Diskutieren der Schüler und Schülerinnen auflöst – nach dem Motto: Schön, dass Sie überlegt haben - nun präsentiere ich die richtige Lösung!

Somit sind auch Lehrende aufgefordert sich mit ihrer eigenen Lern- und Lehrbiographie und ihrer eigenen Lernsozialisation  zu beschäftigen und zu reflektieren in welcher Art und Weise beispielsweise die Lehr-Lernarrangements, die man selbst als Schülerin oder Schüler erlebt hat, das eigene Handeln beeinflusst.

Die in den „Rahmenrichtlinien für das Fach Berufsbezogener Unterricht der Fachschule – Sozialpädagogik“  (vgl. Niedersächsisches Kultusministerium 2002, S.9) definierte Methoden- und Lernkompetenz bezieht sich  Lernkompetenz auf  die „Fähigkeit und Bereitschaft, Lerntechniken und Lernstrategien zu entwickeln und diese für lebenslanges Lernen zu nutzen“. Wie dies im Einklang steht mit Notengebung und straffen Vorgaben muss im Schulkontext neu durchdacht werden und evtl. sind neue Strukturen zu schaffen, wobei z.B. individuelle Lernfortschrittsberichte, Portfolios, Tagebücher etc. Ansatzfelder dazu bieten können.

 

 


Biographische Methoden

Es ist deutlich herausgestellt worden, dass Handeln und Lernen von der eigenen Biographie abhängig ist, somit müssen auch Methoden in der Sozialdidaktik biographische Reflexionsmöglichkeiten bieten.

Da jede Schülerin und jeder Schüler aus ihrer/ seiner ganz eigenen biographischen Sichtweise und entsprechender Sozialisation Anregungen und Impulse aufnimmt und verarbeitet, ist es sinnvoll dies auch herauszuarbeiten und zu verdeutlichen. Somit werden die Schüler und Schülerinnen vorerst angeregt z.B. über ihre eigenen Lernfortschritte nachzudenken, über ihre eigenen Erfahrungen mit einem bestimmten Thema, eigene Berührungspunkte oder Ängste aber auch über Erfolge oder Stressbewältigung. Dies kann durch vielfältige kreative Methoden im Unterricht stattfinden. Neben Lerntagbüchern bieten sich auch anonyme oder öffentliche Pinnwände, Umfragen, Bilder oder z.B. ein „Kindheitskoffer“ an, der abwechselnd von den Schülerinnen und Schülern zu Hause mit Erinnerungen ihrer eigenen Kindheit gefüllt wird und im Unterricht vorgestellt wird.

Neben dieser Möglichkeit sich selbst und seine Biographie zu reflektieren, eröffnen sich gegenwärtig vermehrt auch virtuelle Möglichkeiten für eine berufliche Reflexion. Eine Option stellt hierbei z.B. die nachfolgend beschriebene „virtuelle Lerngemeinschaft“ dar, die Anreize gibt für eine multiprofessionelle, anonyme Reflexion des eigenen Handelns.

 

 


Praxisreflexion in einer virtuellen Lerngemeinschaft

Auf Grund der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und des Aufwachsens in einer medialisierten Welt müssen zukünftig auch die Vorteile von professionellen virtuellen Plattformen im Unterricht bedacht werden um neben den Herausforderungen einer Informationsflut auch die damit einhergehenden Chancen und Möglichkeiten für den eigenen Lernprozess kennen zulernen. Dies gilt auf der Ebene der Schülerinnen und Schüler, wie auch auf der Ebene der Lehrenden, bei denen historisch bedingt vermutet werden kann, dass nicht alle gleichermaßen mit dem selbstverständlichen Umgang mit dem Medium Internet aufgewachsen sind. Neue Begriffen wie „tools, thread, button“ müssen  in den Sprachgebrauch integriert werden und es wird schnell eine „PM“ geschrieben oder eine Nachricht „gepostet“. Doch auch hier gilt das Lebenslange Lernen nicht nur für Schüler und Schülerinnen, wie auch in den Forderungen der Europäischen Union im Memorandum über Lebenslanges LernenLebenslanges Lernen|||||Ziel der Strategie „Lebenslangen Lernens“ ist es darzustellen, wie das Lernen
aller Bürgerinnen und Bürger in allen Lebensphasen und Lebensbereichen, an
verschiedenen Lernorten und in vielfältigen Lernformen angeregt und unterstützt
werden kann. Lebenslanges Lernen bezieht sich dabei auf formales Lernen (z.B Schulische Abschlüsse), nicht-formales Lernen (z.B Nachhilfe, Weiterbildungen, Kurse)
und informelles Lernen (z.B Erfahrungen und Kompetenzen aus Freizeit und Alltag). Der Aspekt Lebenslanges Lernen wird derzeit in vielen  bildungspolituschen Programmen aufgenommen und national und international diskutiert und neu bearbeitet.
beschrieben (vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaft 2010). Lehrende haben somit die Möglichkeit im Sinne der doppelten-Theorie-Praxis-Bezüge sich selbst mit einer neuen virtuellen Materie und Möglichkeiten auseinander zusetzen (auch in Lehrendenforen), und somit  Anreize für Schüler und Schülerinnen zu schaffen dieses Medium später selbst für eine multiprofessionelle Reflexion im Team zu nutzen.

Virtuelle Unterstützungssysteme, wie Praxisreflexion in einer multiprofessionellen Lerngemeinschaften im Internet bieten Instrumente zum Erlernen der Selbstreflexion; diese können unter anderem professionelle ErzieherInnenforen , Internetportale, Datenbanken, Kita-Landkarten und Ähnliches sein.

Neben dem Vernetzungsziel bieten die virtuellen Plattformen den Nutzern und Nutzerinnen einen jederzeit zugänglichen Lernraum für die (Selbst-)ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   durch kooperative, multiprofessionelle und prozessorientierte  Praxisreflexion.

Das Kennenlernen und Erproben dieser neuen Handlungs- und Lernsysteme bieten Ansatzfelder in der methodischen Ausgestaltung in der Erzieherinnenausbildung, auch um eine Steigerung der Beratungs- und Problemlösekompetent zu ermöglichen.

Ebenso wird in den Rahmenrichtlinien für das Fach Berufsbezogener Unterricht der Fachschule - Sozialpädagogik – im Lernfeld „Beziehungen gestalten und Gruppenprozesse begleiten“   die „Selbstreflexion des erzieherischen Handelns“ (vgl. Niedersächsches Kultusministerium 2002, S. 20) deutlich gefordert.

 


Methodische Wege in sozialpädagogischen Ausbildungsberufen müssen demnach einen Freiraum schaffen, damit Kompetenzen und Fähigkeiten zur professionellen Selbstreflexion sowie zum kooperativen Problemlösen und zur wechselseitigen Lernberatung erarbeitet und erprobt werden können. Studien über die Analyse zum Wissensaustausch von Erzieher und Erzieherinnen, bestehender Unterstützungssysteme im Internet sowie eine Konzeption für eine virtuell gestützte Sozialdidaktik einer solchen Lernökologie sind bereits vorhanden.

Um den zukünftigen Praktikerinnen und Praktiker die Angst vor dem Umgang mit dem Medium zu nehmen, ist es wichtig, bereits erste Erfahrungen mit Fachforen im Unterricht zu machen

Schüler und Schülerinnen benötigen im Kontext der Sozialdidaktik eine Realisierung von  Lehr- Lernarrangements, durch welche ihnen ermöglichten wird, gerade im interaktiven-kommunikativen Bereich, forschungsorientiert und problembasiert durch Nutzung und Beratung realer Fälle (z.B. aus Forschung oder exemplarisch aus professionellen virtuellen Lerngemeinschaften), ihre eigenen Erfahrungen zu machen.

Als reflektierende Praktikerinnen hinterfragen sie ihr eigenes Handeln selbst, sind sich dabei ihrer biographischen Eigenheiten bewusst und sind fähig kritische Standpunkte zu formulieren und argumentativ zu stützen.

Dazu brauch es kein „Methodenfeuerwerk“, sondern Handlungsoptionen die theoretisch fundiert und in Kooperation mit der Praxis reale Anreize schafft, um die eigenen Kompetenzen in vielfältiger Weise weiterzuentwickeln sowie professionelle Begleitung und Unterstützung der individuellen Bildungsprozesse.

Eine durchgängige Realisierung dieser Möglichkeiten durch professionelles, kreatives und mutiges Handeln aller beteiligten Akteurinnen und Akteuren bietet hierbei eine Chance den vielseitigen beruflichen Anforderungen gerecht werden zu können.

 



[1] In diesem Artikel werden exemplarisch Zitate einer Erzieherin verwendet, die im Rahmen eines Promotionsvorhaben zum Thema Handlungsspielräume qualitativ erhoben wurden.


[2] Die Erzieherin wurde gebeten einen Bericht über das Essverhalten der Mädchen und Jungen in ihrer Gruppe zu schreiben


[3] Die Aussage wurde während der eigenen Unterrichtsgestaltung in Halmstad, während eines Auslandssemesters bei einem Schüler beobachtet.

 

Literatur:

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2008): Bildung in Deutschland 2008. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zu Übergängen im Anschluss an den Sekundarbereich I. http://www.bildungsbericht.de/daten2008/bb_2008.pdf


Bamler/Werner/Wustmann (2010): Lehrbuch Kindheitsforschung – Grundlagen, Zugänge und Methoden. Juventa Verlag: Weinheim, München

Friebertshäuser, B. (2010) Handbuch qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft 3., vollst. überarb. Aufl., (Neuausg.). Juventa-Verl: Weinheim

Karsten, M.-E. (2003): Sozialdidaktik – Zum Eigensinn didaktischer Reflexionen in den Berufsausbildungen für soziale und sozialpädagogische (Frauen-) Berufe. In: Schlüter, A. (Hrsg.): Aktuelles und Querliegendes zur Didaktik und Curriculumentwicklung. Bielefeld 2003, S.350-375

Kommission der Europäischen Gemeinschaft (2000): Memorandum über Lebenslanges Lernen. Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen, Brüssel
http://www.bologna-berlin2003.de/pdf/MemorandumDe.pdf,

Lewin, K. (1953): Aktionsforschung und Minderheitenprobleme. In K. Lewin (Ed.), Die Lösung sozialer Konflikte (pp. 278-298).Christian-Verlag: Bad Neuheim

Niedersächsisches Kultusministerium (2005): Orientierungsplan für Bildung und Erziehung im Elementarbereich niedersächsischer Tageseinrichtungen für Kinder. Hannover http://www.mk.niedersachsen.de/download/4491

Niedersächsisches Kultusministerium (2007): Rahmenrichtlinien für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule Sozialpädagogik.
http: / / www.bbs.nibis.de

Pfuhl, E. (2009): Praxisbericht. Welche Herausforderungen und Chancen bietet Selbstorganisiertes Lernen anhand von Kompetenzrastern? Lüneburg.

Sieland, B./Karsten, M.-E. (2010): Praxisreflexion in einer virtuellen Lerngemeinschaft zur weiteren Professionalisierung der Elementarpädagogik in Niedersachsen. Lüneburg