Empathie als Kindheitsmuster

Wie Kinder prosoziales Verhalten lernen

Inhaltsverzeichnis

  1. So entsteht Urvertrauen
  2. Empathie – Grundlage für pro-soziales Verhalten
  3. Die Haltung der Erzieherin zeigt sich in der Beziehungsgestaltung
  4. Emotional-soziale Erfahrungen im Spiel
  5. Kindheitsmuster Empathie sichtbar machen
  6. Werte und Gesellschaft
  7. Zusammenfassung
  8. Literatur

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Die Haltung der Erzieherin zeigt sich in der Beziehungsgestaltung

 
Leider speichern Kinder bei Konflikten auch untaugliche Handlungsmuster. Deswegen ist es so wichtig, dass im Kindergarten das Klären von Konflikten einen hohen Stellenwert erhält. Konflikte wühlen die Gefühle der beteiligten Personen auf und lösen das Stresssystem aus. Erwachsene verfügen über eine größere Erfahrung als Kinder beim Lösen von Konflikten. Deswegen ist es so wichtig, dass sie sich möglichst professionell verhalten. Eine Erzieherin sollte ihre Gefühle kontrollieren können. Auf diese Weise aktiviert sie in ihrem Gehirn das System für Impulskontrolle. Allein dadurch wird sie zum Vorbild für die betroffenen Kinder. Sie nehmen emotional wahr, ob ihre Erzieherin gelassen die Klärung des Konflikts angeht oder in den Aufwallungen eigener Gefühle wie Wut, Ärger oder Enttäuschung untergeht. Natürlich darf sie diese Gefühle haben, sie muss sie allerdings unter Kontrolle bringen, denn sonst kann sie zur Klärung des Konflikts weder auf der äußeren Ebene etwas beitragen noch dazu anregen, dass die Kinder in ihrem neuronalen Netz nun ein Muster für gelingende Konfliktklärung ausbilden können. Denn darauf kommt es an. Geht eine Erzieherin mit Widerwillen an die Klärungsarbeit, dann wäre es vielleicht besser, sie würde eine Kollegin bitten, diese Aufgabe zu übernehmen. Man muss sich klar machen, dass die Gefühle einer Erzieherin in einer Konfliktsituation über die Spiegelneuronen bei den Kindern ankommen. Desinteresse, Ärger oder gar Wut signalisieren in einer Klärungssituation keine empathischen Verhaltensweisen. Auf die käme es aber an. Denn nur dann, wenn sich die betroffenen Kinder, deren Stresssystem voll aktiv ist, verstanden fühlen, können sie Vertrauen in die Fähigkeiten ihrer Erzieherin legen. Gleichzeitig damit schaltet sich ihr Beruhigungssystem ein und die Grundlage für eine Konfliktklärung ist gegeben.

Von einer empathischen Haltung sprechen wir, wenn eine Erzieherin versucht, die Kinder und deren Handlungsweisen zu verstehen. So ist es wichtig, dass sie die Wünsche und Sorgen der Kinder wahrnimmt und verständliche Antworten gibt. Im Einzelfall kann das bedeuten, dass  sie Kinder ermuntert oder tröstet, dass sie Regeln des Zusammenlebens mit ihnen bespricht und beim Lösen von Konflikten hilft. Ermutigungen führen zu Motivation. Ein gleichgültiges oder beschämendes  Verhalten blockiert Kinder in ihrer Entwicklung. 

Wenn Kinder konkret erleben können, dass Eltern und Erzieherinnen konfliktträchtige Situationen des Alltags konstruktiv lösen helfen, dann sammeln sie Erfahrungen, die sie als innere Muster speichern und in künftigen Situationen für das Lösen von Problemen abrufen können. Außerdem befreit es die Kinder von Stress und stärkt ihr Motivationssystem. Es gibt immer wieder Situationen, in denen Kinder kein Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zur Bewältigung einer gestellten Aufgabe haben. Dann ist es wichtig sie zu ermutigen, wie das am nachfolgenden Beispiel sehr schön zu erkennen ist.


Beispiel: Wenn ein Selbstportrait nicht gelingen will

Nicht immer geht es im Alltag um Konflikte unter Kindern. Manchmal bahnt sich ein Konflikt oder eine Unstimmigkeit auch zwischen einem Kind und seiner Erzieherin an.

Situation: Kurz vor dem Übergang in die Schule hatte die Erzieherin die Kinder angeregt, noch einmal ein Selbstportrait anzufertigen. Damit wollte sie für alle gut sichtbar eine Ausstellung machen, bei der alle Kinder, die demnächst den Kindergarten verlassen würden, noch einmal im Rahmen einer Ausstellung im Foyer zu sehen sein würden. Die meisten Kinder beteiligten sich sofort und waren auch mit Freude und Eifer dabei. Lorenzo zeigte sich unwillig, nahm dann aber doch Papier, Pinsel und Farbe und fertigte minutenschnell ein Selbstportrait an. Ob er zu den anderen Kinder raus gehen dürfe, er möchte Fußball spielen, fragte er seine Erzieherin. Diese schaute sein Bild an und war enttäuscht. Denn das, was sie sah, hatte mit den kreativen und differenzierten Fähigkeiten von Lorenzo nichts zu tun. Sie erfüllte den Wunsch des Jungen, er durfte Fußball spielen. Sie nahm sich vor, ihre Enttäuschung demnächst in eine positive Anregung zu verwandeln. Eine Woche später, die meisten Portraits hingen an der Wand, wandte sie sich Lorenzo zu und sagte: „Lorenzo, das ist dein Bild, das du von dir gemalt hast. Ich habe es noch nicht zu den anderen Bildern gehängt, denn ich weiß, dass du, wenn du dir Mühe gibst, sehr schön malen kannst. Als du dieses Bild gemalt hast, wolltest du lieber Fußball spielen. Du warst mit deinen Gedanken ganz wo anders. Ich fände es schön, wenn du noch  einmal ein Bild von dir malen würdest.“ Lorenzo schaute seine Erzieherin freundlich an, griff zu Papier, Pinsel und Farbe und malte ein wundeschönes und sehr differenziertes Bild von sich selber. Mit leuchtenden Augen zeigte er es seiner Erzieherin und beide hängten Lorenzos Selbstportrait zu den anderen Bildern.

Im Verhalten der Erzieherin wird eine zugewandte emotionale Haltung sichtbar. Wir dürfen sicher sein, dass sich Lorenze von seiner Erzieherin verstanden und gewürdigt fühlte. Diese von Wohlwollen getragene emotionale Haltung hat er erlebt. Sie hat Eingang in seine inneren Arbeitsmodelle gefunden.