Sprachförder-Ansätze im Elementarbereich

Das Feld der Sprachbildung und Sprachförderung in der KiTa ist durch eine große Vielfalt und eine damit verbundene Unübersichtlichkeit gekennzeichnet. Umso wichtiger ist es, anhand einiger Kriterien zu unterscheiden für welchen Bereich und für welche Zielsetzung die jeweiligen Materialien, Konzepte oder Verfahren gedacht und geeignet sind.
 

Gundsätzlich kann unterschieden werden, ob es sich um additive, also in zusätzlichen  Fördergruppen stattfindende (z.B 2 mal wöchentlich 20 Minuten) Ansätze und Maßnahmen handelt, oder ob sie alltagsintegriert, also mit dem täglichen Alltag verbunden stattfinden z.B in täglichen Sprech- und Spielsituationen (siehe auch die Verlinkungen unten).

 
Dann lässt sich noch unterscheiden, wann die Ansätze zum Tragen können. So gibt es Sprachförder-Materialien, die erst eingesetzt werden, wenn bereits Förderbedarf erkannt wurde und es gibt Materialien, die für jedes Kind gedacht sind egal ob mit oder ohne Sprachförderbedarf.

Diese verschiedenen Herangehensweisen werden teilweise kontrovers diskutiert und resultieren auf verschiedenen Theorien und Blickwinkeln der Wissenschaft dahinter. So gibt es Strukturalistische Theorien, die sich ganz auf den Spracherwerb an sich konzentrierend und darauf welche Regeln, und Bausteine zu welchem Zeitpunkt in der Sprache auftreten.  Behavioristische Theorien (Skinner in seinem Werk „Verbal Behavior) betrachten Sprache als eine erlernte Reaktion auf einen Reiz und betrachten auch welche Anreize gegeben werden um Sprache hervorzubringen. In funktionalen Sprachtheorien wird Sprache  als soziale Tätigkeit gesehen, die nicht allein aus dem Zusammenhang gelöst werden kann, sondern es immer um ein Miteinander von menschlichem Handeln geht.

Die verschiedenen Ansätze und Methoden, die derzeit in Kindertageseinrichtung genutzt werden unterscheiden sich auch darin, welche wissenschaftliche Theorie vorausgesetzt wird.


Die in Niedersachsen 2011 vom  Kultusministeriums herausgegebenen Empfehlungen zur Sprachbildung und Förderung  betonen folgende Punkte:


Vorstellen verschiedener Ansätze:


Osnabrücker  Materialien

Die Osnabrücker Materialien zur schriftvorbereitenden Sprachförderung im Elementarbereich resultieren aus dem Osnabrücker Projekt „Sprachförderung in Kindertagesstätten mit hohem Migrantenanteil“, das seit 2001 in acht Osnabrücker Kindertagesstätten mit einem  Migrantenanteil  von über 40% durchgeführt wird.

Im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung wurden Lern- bzw. Lehrmaterialien für den Elementarbereich entwickelt, die den ErzieherInnen Orientierung und Hinweise für die Gestaltung der Sprachförderung  geben sollen. Die Materialien werden erst verwendet, wenn bereits Sprachförderbedarf erkannt wurde.

Die Spiele und Aufgaben der Materialien richten sich an Kinder von 4,5 – 6 Jahre und zielen laut der Projektgruppe darauf ab die Kinder auf den Schrifterwerb vorzubereiten sowie sie mit wichtigen sprachlichen Mustern vertraut so machen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass neben den alltäglichen und nebenher laufenden Sprachsituationen- und Gelegenheiten, die als „ungesteuerte Lernsituationen“ benannt sind, auch strukturierte Lernsituationen geschaffen werden müssen, in denen das Entdecken von sprachlichen Mustern begleitet wird  und in der Komplexität langsam gesteigert werden kann.


Anwendung der Materialien

Die Materialien sind so ausgerichtet, dass sie in einer konzentrierten Kleingruppe  mehrmals die Woche circa 20 Minuten additiv durchgeführt werden sollen.

Thematisch gliedern sie sich in drei Teile:


 


 Die Methode Kon-Lab 

Die Methode Kon-Lab ist die Abkürzung für Konstanz-Labor, wo der Schweizer  Sprachwissenschaftler PD. Dr. Zwi Penner in den 80iger Jahren begann diese Methode zu entwickeln.

Der Schwerpunkt bei dieser Methode ist der Erwerb von sprachlichen Regeln in folgenden Bereichen der Sprache:


Laut den Herausbringern ist der Erwerb sprachlicher Regeln Voraussetzung für ein differenziertes Sprachverständnis, ohne dass Kinder sich nicht vollständig entwickeln können.

Die Kon-Lab Methode stellt verschiedene Spiele zur Verfügung wodurch den Kindern geholfen werden soll verschiedene dieser Regeln zu erlernen. Dabei richtet sich die Methode an Sprachauffällige Kinder, die  Schwierigkeiten haben diese Regeln zu erlernen. Dies sei vor allem so, da sie mit dem „Sprachbad“ des Alltags überfordert seien. Dabei treffen viele zum Teil widersprüchliche Informationen auf die Kinder ein, so dass sie häufig nicht wissen auf welche Informationen sie gezielt achten müssen, um eine betreffende Regel zu erfassen.

Ein Beispiel dazu sind die Regeln für  die Bildung von Mehrzahlwörtern. So heißt es: ein Boot – zwei Boote, ein Tiger – zwei Tiger, ein Jojo – zwei Jojos. Die Endungen bei der Mehrzahl sind also nicht einfach zu schlussfolgern und sprachbenachteiligte Kinder fällt es dabei schwer eine Regel für Mehrzahlwörter abzuleiten.

Mit den Kon-Lab Spielen sollen den Kindern gezielt Informationen angeboten werden, die sie brauchen um eine betreffende Regel zu erwerben. Dazu werden verschieden Sätze und Wörter mehrmals richtig vorgesprochen und gemeinsam mit einem Ritual nachgesprochen, dazu wird unter anderem Geklatscht oder Körpergesten hinzugefügt.

Für diese Art des „Vorsprechens“ und gemeinsames Nachsprechen von ähnlichen Sätzen hat Zvi Penner den Begriff „Inputförderung“ geprägt, welches z.B in der Logopädie in einer Input-Theraphie angewandt wird. Die Spiele beinhalten sowohl Memory-Karten, Fotos, Handpuppen oder auch Vorlesegeschichten. Diese Methode wird somit additiv zum Alltag angeboten, die genauer Dauer und Anzahl ist dabei nicht festgelegt. In Praxisberichten ist jedoch zu lesen, dass die Sprachspiele durchaus täglich in Kleingruppen durchgeführt werden.
 

Die inhaltlichen Schwerpunkte der Kon-Lab Spiele sind so entwickelt, dass sich  auf die Spracherwerbsphasen beziehen, die Kinder normalerweise durchlaufen. Diese Phasen werden in der Methode folgendermaßen genannt:

1. Die Wortfabrik: 0 bis 2 ½ Jahre
2. Satzgliederfabrik:1 ½ bis 2 ½ Jahre
3. Satzfabrik: 1 1/2 bis 2 1/2 Jahre
4. Präpositionen: 2 bis 6 Jahre
5. Sprachverstehen: 3 - 6 Jahre



 

SismikSismik|||||Systematisches Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren zur Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in der Kindertageseinrichtung. Der Bogen umfasst vielfältige Bereiche von Lernmotivation  bis zu pädagogischen Konsequenzen. und SeldakSeldak|||||Systematisches Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren zur Sprachentwicklung  und  Literacy  bei  deutschsprachig aufwachsenden Kindern. Umfasst vielfältige  Bereiche von Lernmotivation  bis zu pädagogischen Konsequenzen.

Bei Sismik und Seldak steht die systematische Beobachtung und Dokumentation der Sprachentwicklung von Kindern im Fokus. Es ist ein alltagsintegriertes Beobachtungsinstrument, das für alle Kinder mit oder ohne Sprachschwierigkeiten genutzt werden kann.

Sismik bedeutet – Sprachverhalten und Interesse an Sprache bei Migrantenkindern in der Kindertageseinrichtung und wurde von M. Ulich und T. Mayr 2003 entwickelt. Der Beobachtungsbogen deckt die Alters- und Entwicklungspanne von 3 ½ Jahren bis zum Schuleintritt ab und wurde im Vorfeld durch bundesweite Stichproben bei über 2.000 Kindern mit Migrationshintergrund und 900 ErzieherInnen erprobt.

Der Beobachtungbogen dient der Begleitung und Dokumentation von  alltäglicher und „normaler“ Sprachentwicklung der Jungen und Mädchen und ist nicht darauf ausgelegt genutzt zu werden, wenn  Auffälligkeiten bereits benannt sind.

Seldak bedeutet Sprachentwicklung  und  Literacy  bei  deutschsprachig aufwachsenden Kindern und arbeitet mit ähnlichen Vorgehensweisen, nur dass hierbei das Augenmerk auf Kinder gelegt ist, die mit Deutsch als Erstsprache aufwachsen.

 
Motivation und Interesse des Kindes

In den Beobachtungsbögen Sismik und Seldak wird die Sprachlernmotivation des Kinders besonders betont. Hintergrund ist der Gedanke, dass Kinder vor allem dann nachhaltige Lernerfahrungen machen, wenn sie sich für etwas Interessieren und daran aktiv beteiligt sind. Leitfragen in dem Bogen lauten so unter anderem:


Konkretisiert man einige der Fragen zum Beispiel zur Situation „Gruppengespräch / Diskussion“, so könnten die Beobachtungsmerkmale, die die Fachkräfte mit einer Skala von 1- 6  („sehr oft bis nie“) einschätzen, folgender Maßen lauten:


Sprachliche Kompetenzen im engeren Sinn

Auch die Sprachlichen Kompetenzen im engeren Sinn werden im Beobachtungsbogen in den Blick genommen. So werden Fragen für eine gezielte Beobachtung der linguistischlinguistisch|||||Linguistik ist die Bezeichnung der Sprachwissenschaft,  die in verschiedenen Ansätzen die menschliche Sprache als System untersucht, sowie deren Bestandteile, Einheiten und Bedeutungen.en Grundlagen des Spracherwerbs geliefert, z. B. zu den Bereichen Syntax und Morphologie. Grundsätzlich wird aber auf die verschiedenen Apekte von Sprache hingewiesen, wie:



LiteracyLiteracy|||||Literacy in der frühen Kindheit und im Übergang zur Schule ist ein
Sammelbegriff für kindliche Erfahrungen und Kompetenzen rund um Buch-,
Erzähl-, Reim-und Schriftkultur
und Sprachentwicklung


In den Beobachtungsbögen wird ebenfalls auf Situationen in Zusammenhang mit Bilderbüchern, Erzählen und Schriftkultur eingegangen, die der Literacy-Erziehung zugeordnet werden. Laut den Herausgebern besteht ein enger Zusammenhang  zwischen den Literacy Erfahrungen und der sprachlichen Bildung und Entwicklung eines Kindes, die auch längerfristige Auswirkungen  auf die spätere Sprach- und Lesekompetenz haben. Einige Anregungen und Themenbereiche zur Vertiefung werden dazu im Begleitheft zu den Beobachtungsbögen  gegeben.

Im Beobachtungsbogen selbst werden Aktivitäten des Kindes benannt, die die pädagogische Fachkräfte jeweils mit den Ziffern 1 bis 6 differenzieren kann.

Beispiele:


Konsequenzen für die pädagogische Arbeit

Im Sinne eines ganzheitlich ansetzenden Verfahrens liefern Seldak und Sismik auch Anhaltspunkte für die gezielte Planung der weiteren pädagogischen Förderung. Dabei werden auch verschiedene Konsequenzen für die pädagogische Arbeit aufgezeigt und in verschiedene Ebenen eingeteilt.

 

In einer Ebene sind dabei die Qualifizierungsprozesse für Fachkräfte benannt, die unter anderem die folgenden Bereiche betreffen:


Auf einer weiteren Ebene geht es um die Beobachtung und Förderung – das einzelne Kind. Hierbei liefert der Bogen Beobachtungsfragen als konkrete Entwicklungs-und Bildungsziele, aber auch Beispiele und Reflexionsfragen zu verschiedenen Beobachtungssituationen.


Eine weitere Ebene umfasst die Situation der Einrichtung: Beobachtung und Förderung– Einrichtung

Hierbei erfolgen Anregungen darüber nachzudenken wie attraktiv das eigene Leseangebot für die Kinder gestaltet ist in der eigenen Einrichtung. Dazu dienen unter anderem folgende Fragen:

 


Literatur: 




Weitere Fachbeiträge zu dem Thema:



Alltagsintegrierte Sprachbildung

nifbe Forschungsprojekt: Bewegungsorientierte Sprache


nifbe Forschungsprojekt: Sprachkultur in der KiTa


Sprachstandserhebungen mit Fokus Niedersachsen

Offensive „Frühe Chancen“



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