Tageseinrichtungen für Kinder (TEK)

Im Schatten von Schule und Familie haben sich TEK – insbesondere in Gestalt der Angebote für Kinder im Alter von drei Jahren bis zum Schuleintritt – seit den 1970er Jahren für den überwiegenden Teil der Heranwachsenden in Deutschland zur dritten Sozialisationsinstanz und nahezu selbstverständlichen Station im kindlichen Lebenslauf entwickelt. Im Unterschied zu den 1950er und 1960er Jahren gelten sie im Fachdiskurs im Spiegel einer veränderten Sichtweise kindlichen Lernens als grundlegende Bildungs-, Entwicklungs- und Sozialorte für Kinder. Insofern haben sich TEK seit der Bildungsreform von der Notfallinstitution für Familien in Problemlagen zum öffentlich-pädagogischen Regelangebot in der modernen Gesellschaft fortentwickelt. Als Angebot frühkindlicher Bildung sollen sie heute zur kompensatorischen Förderung benachteiligter Kinder beitragen. Darüber hinaus wird TEK eine zentrale Rolle als Unterstützungsinstanz für die gesamte Familie im Sozialraum und Wohnquartier zugeschrieben. Und schließlich werden sie als unverzichtbare Rahmenbedingung zur Vereinbarkeit von Familien- und Berufsleben betrachtet.
Im Zuge dieses Entwicklungsprozesses haben TEK grundlegend ihr Profil verändert. Sozialer Wandel und gesellschaftlich erzeugte Anforderungen haben in den letzten Jahrzehnten zu einer starken Expansion, einer weitreichenden Ausdifferenzierung der Angebotsformen sowie einer wachsenden organisatorischen Komplexität der Einrichtungen geführt: Dem traditionellen Kindergarten mit strikter institutioneller Trennung von Krippe und Hort mit ihren jeweiligen Adressatengruppen der Kindergarten-, Klein- und Kleinst- sowie der Schulkinder stehen heute kombinierte TEK mit vielschichtigeren Binnenstrukturen gegenüber. Die Betreuung erfolgt entweder in altershomogenen und / oder in altersgemischten Gruppen bzw. in Einrichtungen, die teilweise oder vollständig ohne feste Gruppenstrukturen arbeiten.
Das erweiterte Profil und Aufgabenverständnis von TEK spiegelt sich auch auf rechtlicher Ebene. TEK basieren auf dem Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII), das im Jahr 2005 vor allem infolge des Gesetzes zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz – TAG) modifiziert wurde. Im Horizont des SGB VIII nimmt der Kindergarten weiterhin eine Sonderstellung ein. Während für Kinder unter drei Jahren und für Kinder im schulpflichtigen Alter lediglich ein an Mindestkriterien bemessenes bedarfsorientiertes Platzangebot vorzuhalten ist (§ 24, Absatz 3), besteht für Heranwachsende im Kindergartenalter seit 1996 ein Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz (§ 24, Absatz 1). Mittels des TAG sollten – neben der Aufwertung der KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung.  – zum einen die Stärkung der frühen Förderung von Kindern unter drei Jahren durch die Schaffung eines erweiterten Platzangebots sowie zum anderen Qualitätsverbesserungen in die Wege geleitet werden. Seit 2007 sind die dem TAG zugrundeliegenden Ausbauziele jedoch überholt: Bund, Länder und Kommunen planen nunmehr bundesweit, bis zum Jahr 2013 für durchschnittlich 35% der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze in der Tagesbetreuung (TEK und Tagespflege) zu schaffen.
Mit Blick auf den erzielten Ausbaustand stellt insbesondere der Kindergarten für die Mehrzahl der Eltern eine selbstverständliche Institution dar, die in hohem Maße akzeptiert und in Anspruch genommen wird. So besuchten am 15.3.2006 bundesweit über 1,9 Millionen Kinder im Alter von drei bis unter sechs Jahren TEK. Dies entsprach einer Besuchsquote von knapp 87%. Anders sah es demgegenüber bei den Angeboten für Kinder unter drei Jahren aus. Hier lag die Besuchsquote in TEK bundesweit bei 12,1% (in der Tagespflege waren es zusätzlich 1,5%), allerdings bei starken Unterschieden zwischen West- und Ostdeutschland (mit 6,8% in TEK in den alten und 37% in den neuen Ländern). Auch bei den Schulkindern ist die Besuchsquote vergleichsweise niedrig. Allerdings hat sich seit Beginn dieses Jahrzehnts infolge der neueren Bildungsdiskussion mit der Ganztagsschule ein Parallelangebot zum Hort entwickelt.
Zusammengenommen können TEK auf eine beachtliche Erfolgsgeschichte zurückblicken. Allerdings müssen sie sich gerade angesichts ihres Bedeutungszuwachses stärker als in früheren Zeiten mit kritischen Fragen auseinandersetzen. Die qualitative Weiterentwicklung als pädagogisch gestalteter Lebens- und Lernraum für Kinder sowie als bedarfsorientiert konzipiertes Dienstleistungs- und Unterstützungsangebot für Eltern bilden nach wie vor zentrale Herausforderungen. Ganz oben auf der Agenda stehen dabei die Intensivierung einer frühen Förderung der Kinder und die Entwicklung altersgerechter Erziehungs-, Bildungs- und Betreuungskonzepte – insbesondere mit Blick auf die Begleitung der Kleinst- und Kleinkinder.


Literatur

  • Deutsches Jugendinstitut / Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik (2008): Der Zahlenspiegel 2007: Kindertagesbetreuung im Spiegel der Statistik. München, Dortmund.
  • Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.) (2006): Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Berlin.

 

 

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Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. © 2011 Verlag Julius Klinkhardt. Quelle: Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft (KLE), hg. v. Klaus-Peter Horn, Heidemarie Kemnitz, Winfried Marotzki und Uwe Sandfuchs. Stuttgart, Klinkhardt/UTB 2011, ISBN 978-3-8252-8468-8. Nutzung mit freundlicher Genehmigung des Verlags. Das komplette Klinkhardt Lexikon Erziehungswissenschaft erhalten Sie im UTB-Online-Shop (Link s.u.)

 

 



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