Bildung im Spannungsfeld veränderter Rahmenbedingungen - wirtschaftliche Entwicklungen und Strukturwandel

Der folgende Beitrag stützt sich auf die Ergebnisse und fasst den Bildungsbericht 2011 zusammen, der unten im Link-Bereich voll einzusehen ist.

 

Die wirtschaftliche Entwicklung und der Strukturwandel stellen wichtige Rahmenbedingungen dar, die vielfältige Auswirkungen z. B. auf die Ausstattung des Bildungswesens haben und aus denen sich Anforderungen an die Qualifizierungsfunktion des Bildungswesens ableiten lassen. Im Bildungsbericht 2010 werden der Wandel zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft die wirtschaftliche Entwicklung und die Finanzsituation der öffentlichen Haushalte überblicksartig dargestellt. Hierbei wird in Anbetracht der öffentlichen Diskussion erstmals auch auf die Belastung der öffentlichen Haushalte durch Zins- und Versorgungszahlungen eingegangen. 

Wirtschaftliche Entwicklung


Im Jahr 2007 wuchs das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) real um +2,5%. Die Wachstumsrate lag damit unter dem Niveau der EU-27-Staaten und oberhalb des Niveaus der Vereinigten Staaten. Anschließend ging die Wachstumsrate in Deutschland auf +1,3% im Jahr 2008 zurück. Angesichts der 2008 beginnenden weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise verzeichnet Eurostat für das Jahr 2009 einen
realen Rückgang der Wirtschaftsleistung von –4,2% für die EU-27-Staaten, von –5,0% für Deutschland sowie von –2,4% für die Vereinigten Staaten.
Nach wie vor besteht bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit innerhalb
Deutschlands ein ausgeprägtes West-Ost-Gefälle. Das BIP je Einwohner in den westlichen Flächenländern überstieg mit 30.500 Euro den Wert in den östlichen Flächenländern (21.800 Euro) im Jahr 2009 um 40%. 
Auf den Arbeitsmarkt hat der wirtschaftliche Einbruch aufgrund der Regelung zur Kurzarbeit und anderer arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen nur teilweise durchgeschlagen.
Der Bildungsbereich hat an der wirtschaftlichen Entwicklung nur unterproportional partizipiert. So ging der Anteil der öffentlichen und privaten Bildungsausgaben am BIP  von 6,8% im Jahr
1995 auf 6,2% im Jahr 2008 zurück. Die Haushaltsplanungen von Bund und Ländern,  zusätzliche Bildungsausgaben aus Konjunkturprogrammen von Bund und Ländern sowie der Rückgang des BIP im Jahr 2009 tragen dazu bei, dass der Anteil der Bildungsausgaben am BIP wieder ansteigen wird.

 

 


Finanzsituation der öffentlichen Haushalte


Die öffentlichen Haushalte finanzieren rund vier Fünftel der Bildungsausgaben in Deutschland. Für eine realistische Einschätzung des finanziellen Handlungsspielraums der Bildungspolitik sind daher Informationen zur Situation der öffentlichen Haushalte von großer Bedeutung. In den letzten Jahren ist die Struktur des öffentlichen Gesamthaushalts weitgehend unverändert geblieben. Über alle Aufgabenbereiche hinweg stiegen die öffentlichen Gesamtausgaben zwischen 2000 und 2007 um 6% an. Der mit Abstand höchste Ausgabenanteil entfiel mit 55% auch im Haushaltsjahr 2007 auf die soziale Sicherung. Der Anteil der Bildungsausgaben an den öffentlichen Gesamtausgaben erhöhte sich von 8,1% im Jahr 2000 auf 9% im Jahr 2007.
In den Flächenländern West waren die Ausgabenanteile für Bildung an den Haushalten von Ländern und Gemeinden 2007 mit durchschnittlich 24,6% am höchsten.  Der Anteil des Bundes betrug demgegenüber nur 3,4% . In den letzten Jahren sind die Einnahmen des Sektors Staat in der Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen stärker gestiegen als die Ausgaben. Dennoch konnten die Haushalte nicht vollständig ausgeglichen werden, was zu einer weiteren Erhöhung des Schuldenstandes geführt hat. Durch die Auswirkungen der Wirtschaftskrise ist die Haushaltskonsolidierung 2009 abrupt unterbrochen worden. In den ersten Quartalen des Jahres 2009 sind die Steuereinnahmen drastisch zurückgegangen, während die Ausgaben aufgrund von Konjunkturprogrammen antizyklisch erhöht wurden. Der Staatssektor verzeichnete im Jahr 2007 einen Finanzierungssaldo von + 4,7 Milliarden Euro, 2009 dagegen von – 79,3 Milliarden Euro. Der Schuldendienst und die Versorgungszahlungen an pensionierte Beamte werden die öff entlichen Haushalte in den kommenden Jahren stark belasten. Schon 2007 wandten die Gebietskörperschaften mehr Mittel für Schulden und die Versorgung von im Ruhestand befindlichen Beamten auf als für Bildung.. Längerfristig werden die Versorgungs- und Zinszahlungen den Gestaltungsspielraum der öffentlichen Haushalte – insbesondere der Länder – stark einschränken.

 



Strukturwandel zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft


In den vergangenen Jahrzehnten waren in der deutschen Volkswirtschaft im Hinblick auf die traditionelle Aufgliederung der Wirtschaftsbereiche in einen

tief greifende Strukturveränderungenzu beobachten.

Der Dienstleistungssektor dehnte sich aus, während die wirtschaftliche Bedeutung der anderen Bereiche zurückging. Im Jahr 2009 entfielen auf den  Dienstleistungssektor 73% der Bruttowertschöpfung, 1970 waren es nur rund 48% .70% aller Erwerbstätigen waren 2008 in Dienstleistungsberufen beschäftigt, wobei deutliche Geschlechterunterschiede bestehen: 87% der weiblichen Erwerbstätigen, aber nur 56% der männlichen Erwerbstätigen waren in Dienstleistungsberufen tätig. 

Insbesondere bei den personenbezogenen Dienstleistungen ist der Anteil von Frauen fast fünfmal so hoch wie von Männern. Dagegen arbeiten mehr Männer als Frauen in Wissens- und Informationsberufen. Insgesamt hat sich die Kluft zwischen Männern und Frauen in Bezug auf die Anzahl der Erwerbstätigen seit 1995 deutlich verringert. Gerade in den von Frauen dominierten, personenbezogenen Dienstleistungsberufen ist die Anzahl der Erwerbstätigen am stärksten gestiegen. Angesichts des Rückgangs der Erwerbstätigenzahlen in typischen Männerberufen und
des Anstiegs in typischen Frauenberufen sollte auch die Ausbildung von Männern in von Frauen dominierten Bereichen gezielt gefördert werden.
Infolge des Strukturwandels und des technologischen Fortschritts verändern sich die Tätigkeitsfelder und somit die Anforderungsprofile der Erwerbstätigen in nahezu  in nahezu allen Sektoren und Berufsfeldern. Während manuelle Fertigkeiten an Bedeutung verlieren, werden in einer Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft z.B. analytisches Denken, Kommunikations- und Problemlösungskompetenzen stärker gefordert. Hierauf muss das (Aus-)Bildungssystem reagieren. Insgesamt ist der Anteil der Erwerbstätigen mit hohem Bildungsstand seit 1995 gestiegen, während sich der Anteil der Erwerbstätigen mit niedrigem Bildungsstand kaum verändert hat. In Dienstleistungsberufen ist diese Entwicklung sehr deutlich zu beobachten 

 


Internationalisierungs- und Globalisierungstrends


Globalisierung ist charakterisiert durch die weltweite Verteilung und Organisation von Wertschöpfungsketten. Sie betrifft nicht nur die Industrie, sondern in den letzten Jahren zunehmend auch Dienstleistungen. Der globale Wettbewerb erreicht somit einen Großteil der Unternehmen und Arbeitskräfte und ist nicht auf bestimmte Branchen oder Beschäftigtengruppen beschränkt.
Die deutsche Wirtschaft ist in Relation zur Wirtschaftsleistung stärker in den Weltmarkt eingebunden, als es bei den meisten anderen Industriestaaten der Fall ist.
Rund ein Viertel aller in Deutschland beschäftigten Erwerbstätigen ist vom Export abhängig, etwa zu gleichen Teilen in der Warenproduktion und im Dienstleistungssektor. In den letzten Jahren ist insbesondere die Anzahl der exportabhängigen Arbeitsplätze im Dienstleistungssektor gestiegen. In diesem Wirtschaftsbereich ist der Anteil der Hochqualifizierten höher und in den letzten zwölf Jahren stärker gestiegen als im Sekundärsektor (verarbeitendes Gewerbe). Internationalisierung und
Globalisierung haben Rückwirkungen auf das Bildungssystem, da sie ebenso wie der technologische Fortschritt und der Strukturwandel zu veränderten Tätigkeitsstrukturen und Anforderungsprofilen (vor allem in wissensintensiven Branchen) führen.
Diese Entwicklungen führen zu einem niedrigeren Bedarf an gering qualifizierten Beschäftigten und verstärken die Notwendigkeit einer guten Erstausbildung und insbesondere der lebenslangen Weiterqualifizierung. 


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