Kulturelle Unterschiede in der Erziehung - Vertiefung

Inhaltsverzeichnis

  1. Was verstehen wir unter Kultur?
  2. Soziodemographische Kontexte und kulturelle Modelle
  3. Konsequenzen für die Erziehung
  4. Gefahren des normativen Blicks
  5. Wohin geht die Reise?
  6. Weiterführende Literaturhinweise

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4. Gefahren des normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.en Blicks

Da jedes System normative Vorstellungen darüber enthält, was richtig oder falsch ist, haben Menschen die Neigung, das, was ihnen unvertraut ist und von ihrem Schema abweicht, als nicht normal und unrichtig abzulehnen. Ein Blick durch die eigene kulturelle Brille birgt also die Gefahr der normativen Bewertungsmaßstäbe: Das Verhalten von anderen Kindern wird nach Kriterien bewertet, die möglicherweise nicht denen der Eltern entsprechen. Als Folge davon kommt man gegebenenfalls zu einer defizitären Interpretation von Verhaltensmustern, im schlimmsten Falle zu einer PathologisierungPathologisierung|||||Pathologisierung beinhaltelt die Deutung von Verhaltensweisen, Empfindungen, Wahrnehmungen, Gedanken, sozialen Verhältnissen oder zwischenmenschlichen Beziehungen als etwas Krankhaftes und somit Unerwünschtes. Im herrschenden Verständnis unterliegen solche Zustände oder Prozesse Veränderungen; findet eine Pathologisierung statt wird dies nicht als solche zur Sprache gebracht, sondern als medizinische Festellung behauptet.    von alternativen Sichtweisen.

Eine solche einseitige Ausrichtung an einem spezifischen kulturellen Modell kann negative Folgen für den Alltag in Krippe, KiTa und Kindergarten haben. Es kann bedeuten, dass Kinder auf Ziele hin erzogen werden, die den Eltern egal sind oder die sie im Extremfall sogar ablehnen. Außerdem würden Kinder, die zuhause mit einem anderen kulturellen Modell aufwachsen möglicherweise systematisch benachteiligt, zum Beispiel durch normorientierte Spielangebote und unpassende Interaktionsmuster der Erzieherinnen. In der Summe besteht also die Gefahr, dass Familien, die ein anderes kulturelles Modell als das in einer Gesellschaft dominierende favorisieren, sich systematisch von Angeboten außerfamiliärer Betreuung zurückziehen bzw. systematisch ausgegrenzt werden.

Konflikte entstehen da, wo kulturelle Modelle der Menschen nicht im Einklang mit der Lebenswirklichkeit stehen. Das trifft beispielsweise häufig auf Menschen mit Migrationshintergrund zu. Sie werden im öffentlichen Leben häufig mit kulturellen Modellen konfrontiert, die in substanzieller Opposition zu den eigenen Vorstellungen stehen. Die überwiegende Mehrzahl der türkischen Migranten in Deutschland kommt z. B. aus traditionellen dörflichen Strukturen, in denen relationale Sozialisationsstrategien vorherrschen. Durch die Migration nach Deutschland geraten sie in eine Lebenswelt, die eine forcierte Betonung von Autonomie als gesellschaftliches und politisches Programm vertritt. Das einzigartige und selbstbestimmte Individuum ist die soziale Norm beim Kinderarzt ebenso wie in der Kita und der Schule. Diese unaufgelöste Konfrontation ist für beide Seiten in hohem Maße konfliktbeladen – dieses umso mehr, als die normativen Standards des einen kulturellen Modells pathologische Varianten des anderen darstellen können.



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