Zusammenarbeit mit Eltern in Zeiten der Corona Epidemie

Tino Schwarz, Supervisor, Coach und nifbe-Prozessbegleiter, berichtet von einem vorbildlichen Beispiel der Zusammenarbeit mit Eltern in Corona-Zeiten und zeigt auf, was KiTas und pädagogische Fachkräfte hier zur Zeit tun könnten und vielleicht auch sollten.


„Liebe PINGUIN-Eltern und andere Newsletter-Abonnenten,
die Bedrohung durch das Coronavirus beschert vielen von uns teils ungewohnte Freizeit. Schulen und Kitas sind geschlossen, viele Arbeitgeber setzen aufs Home-Office. Auch die PINGUIN-Kita musste ihren Betrieb einstellen. Aber wir lassen Euch nicht hängen.“

Mit diesen Worten beginnt der erste Newsletter vom 19. März 2020 der PINGUIN Kindertagestätte in Aurich. Seitdem erhalten die Eltern der Kindertagesstätte täglich einen Newsletter (hier zu bestellen https://www.pinguin.tv)

„Es geht darum Kontakt zu halten während der Zwangsschließung der Kita und um Unterstützung der Familien in einer für uns alle ungewohnten neuen Herausforderung“, sagt Doris Gießenberg, Leiterin der Einrichtung. Sie ergänzt: „Kitas sichern im Moment durchaus Notbetreuungen für einzelne Kinder, leisten können wir allerdings in dieser Zeit als Kindertagesstätte noch viel viel mehr.“ Mich beeindruckt ein Nachsatz der Kita Leitung: „Wir sind schließlich Profis und wir sind nicht im Urlaub.“
 

„Wir sind schließlich Profis und wir sind nicht im Urlaub“

Die Praxis der Kindertagesstätte zeigt ein klares Bekenntnis zur Aufrechterhaltung der Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zwischen den pädagogischen Fachkräften der Kita mit allen Eltern trotz physischer Distanz. Sie zeigt, wie es auch unter den aktuellen Umständen gelingen kann, gemeinsam für Kinder, professionell Beziehungen zu Eltern weiter zu gestalten. Die pädagogischen Mitarbeiter*innen bleiben im Kontakt mit allen Eltern und Kindern während der Schließzeit, ohne aufdringlich oder kontrollierend zu wirken.

Mieke Matthes, Mitarbeiterin der Einrichtung, ist verantwortlich für das Zusammentragen aller Beiträge der Kolleg*innen und für die (End-) Redaktion des Newsletters. Sie berichtet, dass inzwischen das gesamte Team der Kita über sich hinauswächst und teilweise jede/r ungeahnten eigenen Ressourcen und Stärken begegnet. Im Home-Office der Mitarbeiter*innen werden Texte geschrieben, Bildungsimpulse aus der Krippe oder Kita aufgegriffen und für Familien aufgearbeitet. Einzelne Mitarbei-ter*innen produzieren MP3-Dateien mit Liedern, Traumreisen, Geschichten, die den Kindern aus der Kindertagestätte vertraut und bekannt sind. Ein erstes Projekt wurde initiiert, die „PINGUIN-Kiesel“. (s.u.)

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Keine Einbahnstraße

„Bereits nach dem ersten Newsletter haben wir gemerkt“, so Mieke Matthes, „unser derzeitiges Engagement ist keine Einbahnstraße“. Die Einrichtung bekommt Feed-backs von dankbaren Eltern und Lob und Wertschätzung für die Arbeit aller Mitar-beiter*innen. Kinder richten über den medialen Weg Grüße an ihre Erzieher*innen und freuen sich auf neue Nachrichten aus ihrer Kita in Bild und Ton. Eltern und Kinder berichten inzwischen per Email auch wie es ihnen geht und wie Experimente, Kunstwerke, Bauwerke etc. zu Hause umgesetzt wurden oder welche gestalteten Kieselsteine im Stadtgebiet von Aurich bei Spaziergängen wo abgelegt wurden. Auch Tipps und Anregungen von Kita-Eltern für andere Kita-Eltern erreichen die Einrichtung inzwischen per Mail. So entsteht aus Kita und Eltern eine kleine Newsletter-Community.

Die Praxis der PINGUIN Kindertagesstätte in Aurich zeigt, dass es gelingen kann, die Bildungswelten Familie und Kindertagesstätte trotz physischer Distanz zu verknüpfen und die Verbundenheit zwischen Familien und Pädagog*innen (vielleicht gerade durch diese Krise) zu intensivieren.
 
 

Weitere Impulse für die Verknüpfung der Lebenswelten Kita und Familie

Vielleicht nutzen auch Sie die Stärken und Ressourcen des gesamten Teams Ihrer Kindertagesstätte in den nächsten Wochen verstärkt zur Begleitung Ihrer Familien in der Corona- Krise und trauen sich als Team zu, neue (mediale) Wege zu gehen. Probieren Sie sich mutig aus und werden Online-Redakteure, Newsletter- oder Emailproduzenten, (Lern)Impulsgeber*innen, Elternbegleiter*innen und Elternbera-ter*innen aus Ihrer Kita beziehungsweise Ihrem Home-Office heraus.

Für viele Familien hat sich der Tagesablauf unter der Woche verändert. Mütter und Väter befinden sich im Spagat zwischen Arbeit im oder außer Haus und der Be-treuung ihrer Kinder. Der Kontakt zu Großeltern, Freunden und der Verwandtschaft soll unterbunden werden. Schwimmbäder, Spielplätze, Kinos etc. sind geschlossen.

Stehen Sie Ihren Familien zur Bewältigung dieser Herausforderungen mit In-formationen und Impulsen zur Seite. Beispielweise zu Fragestellungen wie:
  • Wie bedeutsam sind derzeit Struktur und Rituale für Kinder und für die gesamte Familie? Wie kann unser Alltag aussehen?
  • Welche Vereinbarungen treffen wir in der Familie zur Mediennutzung?
  • Was tun gegen Langeweile?
  • Wie spreche ich mit meinen Kindern über Corona?


Bildungsprozesse aus der Kindertagesstätte müssen in den nächsten Wochen nicht abbrechen. Verknüpfen Sie die Bildungswelten Kita und Familie. Regen Sie Eltern an, Bildungsimpulse aus der Kita mit Kindern zu Hause aufzugreifen und weiter zu führen. Stellen Sie für Eltern und für zu Hause Lernimpulse zur Ver-fügung, beispielsweise:
  • Lieder die, gerade in der Kita oder Krippe gesungen werden als mp3-Dateien
  • Geschichten, die im Moment in der Kita gelesen werden, als Text, als mp3 – oder als Video Datei
  • Sprachspiele, die die Kinder aus der Kita kennen
  • Anregungen für Experimente, Basteltipps, Spiele, Kreatives


Initiieren Sie kleine Projekte, die Familien und Kinder auch in der Distanz verbinden. Lassen Sie sich von Kindern, Eltern und in Emails, Fotos oder Videos berichten, wie sie Bildungsimpulse aufgegriffen und weiterentwickelt haben. Interessieren Sie sich dafür und entwickeln Sie neue Bildungsimpulse weiter.

Lassen Sie Familien teilhaben, wie Sie als Mitarbeiterin oder Leitung der Kindertagesstätte mit der aktuellen Situation umgehen. Vielleicht geben Sie einen Einblick aus Ihrem (beruflichen) Alltag, wie Sie gerade in Ihrem Home-Office arbeiten oder wie es Ihnen gelingt in Ihrem Alltag Herausforderungen zu bewältigen.

Wir alle wissen nicht, wie lange der derzeitige Zustand der persönlichen Kontaktsperren dauern wird. In Voraussicht werden wir einige Wochen damit zu tun haben. Es ist bereits jetzt schon absehbar, dass die Corona-Pandemie zu gesundheitlichen, finanziellen, aber auch zwischenmenschlichen Krisen in Familien führen wird.

In einer solchen Krise benötigen Familien durchaus auch professionelle Unterstützung. Diese kann niemand besser leisten als Sie. Sie kennen die Kinder Ihrer Kita und deren Familien und die Eltern kennen Sie.

Unterstützen Sie daher insbesondere auch Eltern mit Impulsen beispielsweise zu Fragen wie:
  • Was mache ich, wenn mir die „Hutschnur“ platzt?
  • Wie gehe ich mit angespannten Situationen um?
  • Wie lösen wir innerfamiliäre Konflikte?


Besonders hilfreich kann es für Eltern sein, wenn Sie für individuelle Herausforderungen und Krisen eine direkte Ansprechbarkeit als Kindertagesstätte er-halten.

Es bieten sich hierfür zum Beispiel telefonische Sprechstunden an, in denen die Mütter und Väter Sie erreichen können. Auch kann es hilfreich sein, Eltern und Kinder von sich aus telefonisch zu kontaktieren und sich nach dem Befinden zu erkundigen.

Manchmal reicht es Eltern, am Telefon einmal nur Dampf abzulassen. Manchmal braucht es ein persönliches Gespräch zu gemeinsamer Entwicklung von Ideen im Umgang mit Herausforderungen. Manchmal kann es auch hilfreich sein, wenn Sie Familien den Zugang zu wichtigen Ansprechpartnern aus Ihrem Netzwerk (Erziehungs- und Familienberatungsstellen, Sozialen Diensten etc.) in Ihrer Kommune ermöglichen.

Sorgen Sie auch für sich!

Entwickeln und erhalten Sie Ihr gutes kollegiales Netzwerk und Ihre Unterstützungsstrukturen in Ihrem Trägersystem, Ihrer Region und Ihrer Kommune. Hal-ten Sie auch den Kontakt zu Ihren Fachberater*innen und Supervisor*innen. Eine gegenseitige Unterstützung bietet Ihnen nicht nur Inspiration, sondern auch Reflexion und Entlastung. Alle machen wir gerade jeden Tag neue Erfahrungen und lernen dazu!

Mir begegnete im Zusammenhang mit der Schließung von Kindertagesstätten der Begriff „Corona-Ferien“. Von Ferien kann nicht die Rede sein. Bleiben Sie gesund und mit Ihren Familien im Kontakt.