Trauma: Definition - Symptome - Pädagogik

Inhaltsverzeichnis

  1. Welche möglichen Symptome können als Folge von Traumata entstehen?
  2. Welche traumapädagogischen Ansätze können für die Arbeit mit Kindern in der Praxis hilfreich sein?

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Welche traumapädagogischen Ansätze können für die Arbeit mit Kindern in der Praxis hilfreich sein?

Traumatisierte Kinder fordern pädagogische Fachkräfte oft heraus, sehr genau hinzusehen und entsprechend zu handeln. Hier stellt sich in der Praxis häufig die Frage, wie das Wissen über Ursachen und Folgen von Traumatisierung für die eigene pädagogische Arbeit genutzt werden kann. Traumapädagogische Ansätze beschäftigen sich mit diesen Fragen. Sie sind auch für KindertagespflegeKindertagespflege|||||Kindertagespflege oder Tagespflege umfasst eine zeitweilige Betreuung von Jungen und Mädchen bei Tagesmüttern oder Tagesvätern. Nach dem Tagesbetreuungsausbaugesetz von 2004 ist die Tagespflege neben der Tagesbetreuung in Kindertageseinrichtungen eine gleichwertige Form der Kindertagesbetreuung.  und Kita bedeutsam. Denn als Orte der täglichen Begleitung von Kindern können Fachkräfte die individuelle Entwicklung positiv beeinflussen und zur Stabilisierung der Kinder und Familien beitragen.

Eine grundlegende Voraussetzung für traumapädagogische Arbeit ist eine allgemeine Grundhaltung, die unter anderem folgende Kennzeichen aufweist:
  • das Verstehen der Überlebensstrategien und das Wissen um Folgen von Traumatisierung und biografischen Belastungen
  • Respekt vor der (Über-)Lebensleistung der Kinder
  • ein Schwerpunkt auf Ressourcen und ResilienzResilienz|||||Resilienz kann als "seelische Widerstandsfähigkeit" verstanden werden mit der Fähigkeit Krisen zu meistern und diese als Anlass für Selbstentwicklungen zu nutzen. In der Resilienzförderung geht es speziell darum die Widerstandsfähigkeit von Kindern und Erwachsenen in belasteten und risikobehafteten Lebenssituationen durch schützende Faktoren zu entwicklen, zu ermutigen und zu stärken. Ein verwandter Begriff ist der der Salutogenese. 
  • das Verständnis, dass die gezeigten Verhaltensweisen normale Reaktionen auf eine extreme Stressbelastung sind (13)

Jegodtka und Luitjens gehen davon aus, dass die Folgen von Trauma und Gewalt nicht auf das Individuum beschränkt bleiben, sondern sich auf verschiedenen Systemebenen manifestieren und entsprechend auf das Individuum zurückwirken (14).

In der Arbeit mit traumatisierten Kindern bedeutet das, ihre evtl. schwierigen Verhaltensweisen im gesamten Kontext des Zusammenspiels von Familie, Institutionen, Gesellschaft und Kultur zu sehen. Die betroffenen Kinder haben einen guten Grund für ihre Annahmen, Reaktionen und Verhaltensweisen und sind nicht verantwortlich für das, was ihnen widerfahren ist. Im Gegenteil, sie haben in ihrem Leben schon viel geleistet.



Allgemeine methodische Ansätze traumapädagogischen Handelns:

  • Sicherheit und Stabilität herstellen
  • Fähigkeit zur Stressregulation durch Entspannungs- und Aktivierungsmethoden fördern
  • Entwicklung von Kontaktfreudigkeit, Beziehungsfähigkeit, sicheren Bindungen durch Interaktions- und Kommunikationsspiele und Beziehungsangebote unterstützen
  • positives Selbstbild und eine konsistente Identitätsentwicklung ermöglichen
  • Problemlösung, Ressourcenorientierung, Potenziale und einen gesundheitsbewussten Lebensstil fördern



Kindertagespflege und Kita als sicherer Ort
Die Kindertagesbetreuung kann für traumatisierte Kinder ein sicherer Ort sein, in dem die Fachkräfte sie unterstützen, Fähigkeiten und Ressourcen zu entwickeln und aufzubauen. Dabei geht es vor allem um einen Ort, in dem Kindern geholfen werden kann, ihre Beeinträchtigungen zu akzeptieren. Wenn Fachkräfte die Kinder als Expertinnen und Experten für ihr eigenes Leben betrachten, können die Fachkräfte den Kindern ihr Wissen und eine sensible und empathische Haltung zur Verfügung stellen und sie in diesem Raum entsprechend begleiten.

Ein ganz wesentlicher Ansatz einer traumapädagogischen Haltung ist, dass Fachkräfte den Kindern helfen, Vertrauen aufzubauen und sichere Bindungen einzugehen.

Das Zentrum für Traumapädagogik in Hanau benennt wichtige Aspekte für pädagogische Fachkräfte zur Förderung der Selbstregulation bei den Betroffenen (15):
  • den physiologischen Auswirkungen von Stress gerecht werden
  • Warnsignale, Trigger und Stimuli kennen und identifizieren lernen
  • Abreaktion der belastenden Gefühle und der eingefrorenen Energie ermöglichen
  • Methoden der Selbstregulation entwickeln
  • Körpergewahrsein und Körperfürsorge entwickeln.

Klare Regeln und Strukturen
Kinder, die Traumatisches erlebt haben, brauchen verständliche Regeln und Strukturen sowie klare Konsequenzen und Orientierung, damit Vorhersehbarkeit als Erfahrung möglich wird. Verlässliche Tagesabläufe unterstützen dieses Bedürfnis nach Halt.

In einem gut strukturierten Gruppenalltag hilft es den Kindern, wenn sich die Fachkräfte trotz aller Schwierigkeiten immer wieder auf eine wohlwollende und wertschätzende Haltung fokussieren. Wesentlich dabei ist, jedes Kind individuell zu betrachten und die jeweiligen Bedürfnisse und inneren Bilder und Vorstellungen zu differenzieren, um bei der Symptom- und Stressregulation hilfreich sein zu können.

Phänomen der Übertragung und Gegenübertragung
Bei der Arbeit mit traumatisiserten Kindern ist das Phänomen der Übertragung und Gegenübertragung zusätzlich von zentraler Bedeutung.

Übertragungen sind unbewältigte Beziehungserfahrungen, die in andere Beziehungskontexte hineingetragen werden und den Teufelskreis des Wiederholungszwanges beschreiben. Die meisten traumatisierten Kinder beleben und inszenieren Situationen neu, wenn sie eine unbewusste Erinnerung daran haben. Dann wird die aktuelle Bezugsperson zu einer Reaktion gebracht, die zu der unbewältigten Situation gehört. Sie wird zur Vertreterin oder zum Vertreter der inneren negativ besetzen Figur gemacht. Die Wiederholung des Unglücks, verbunden mit Gefühlen der Angst und Not löst im Gegenüber eine Gegenübertragung aus. Diese kann dann unbewusst dazu führen, dass eine Retraumatisierung des Kindes stattfindet. Es ist wichtig, dass Bezugspersonen von traumatisierten Kindern lernen, diese Situationen zu identifizieren, damit sie feinfühlig auf das Kind reagieren und den unbewussten negativen Wünschen und Rollenerwartungen nicht entsprechen. Regelmäßige Supervisionen helfen den Fachkräften in der Praxis, eigene Verhaltensweisen und Reaktionen so zu gestalten, dass positive Erfahrungen für jedes Kind individuell möglich sind (16).

Literaturhinweise

(1) https:// www.duden.de/rechtschreibung/Trauma [23.01.2018].
(2) Dilling, H., Mombour, W., Schmidt, M. H. & Schulte-Markwort, E. (Hrsg.). (2006). Internationale Klassifikation psychischer Störungen. ICD-10 Kapitel V(F) – Diagnostische Kriterien für Forschung und Praxis (4. Aufl.). Bern: Hans Huber.
(3) Falkai, P. & Wittchen, H.-U. (Hrsg.). (2014). Diagnostisches und statistisches Manual psychischer Störungen DSM-V. Göttingen: Hofgrefe.
(4) Zito, D. & Martin, E. (2016). Umgang mit traumatisierten Flüchtlingen. Weinheim: Beltz Juventa.
(5) Scherwarth, C. & Friedrich, S. (2014). Soziale und pädagogische Arbeit bei Traumatisierung (2.Aufl.). München: Ernst Reinhardt. Zitat S. 32.
(6) zit. nach Imm-Bazlen, U. & Schmieg, A.-K. (2017). Begleitung von Flüchtlingen mit traumatischen Erfahrungen. Berlin: Springer. Zitat S. 36.
(7) Terr, L. (1991). Childhood trauma: An outline and overview. American Journal of Psychiatry, 148, 10-20
(8) Scherwarth, C. & Friedrich, S. (2014). Soziale und päda-gogische Arbeit bei Traumatisierung (2. Aufl.). München: Ernst Reinhardt.
(9) https://de.wikipedia.org/wiki/Dissoziation_(Psychologie)
(10) Imm-Bazlen, U. & Schmieg, A.-K. (2017). Begleitung von Flüchtlingen mit traumatischen Erfahrungen. Berlin: Sprin-ger.
(11) Krüger, A. (2015). Erste Hilfe für traumatisierte Kinder. Ostfildern: Patmos.
(12) Präventionsnetzwerk Ortenaukreis (PNO) (Hrsg.). (2016). Stärkung von Kita-Teams in der Begegnung mit Kindern und Familien mit Fluchterfahrung [Handreichung für pädagogische Fachkräfte]. Freiburg: FEL.
(13) Weiß, W. (2006). Philipp sucht sein Ich. Zum pädagogischen Umgang mit Traumata in den Erziehungshilfen (3. aktualisierte Auflage). Weinheim: Juventa
(14) Jegodtka, R. & Luitjens, P. (2016). Systemische Traumapädagogik. Traumasensible Begleitung und Beratung in psychosozialen Arbeitsfeldern. Göttingen: Vandenhoek und Ruprecht.
(15) Kessler, T. (2015). Flucht und Trauma. Unveröffentlichtes Handout zum Vortrag am 07.12.2015 in Osnabrück.
(16) Reekers, H. & Gloger-Wendland, K. (2016). Traumata und ihre Folgen. Stärkende Ansätze aus der Traumapädagogik. (nifbe-Themenheft Nr. 29). Osnabrück. Download: https://www.nifbe .de/images/nifbe/Infoservice/Downloads/Traumaonline.pdf


Hinweis:

Dieser Text ist in drei Teilen im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des vom Bundesfamilienministerium geförderten Programms „Kita-Einstieg: Brücken bauen in frühe Bildung“ durch das nifbe entstanden. Er ist ein Teil des digitalen Sammelordners "Kita-Einstieg Wissen kompakt" mit knappen prägnanten Texten zu diesem Themenbereich und einer Einführung zum Hintergrund.

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