Neurobiologie im Säuglingsalter

Entstehung von Stressbelastungen und Ressourcen

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorgeburtliche Erfahrungen prägen die spätere Stressbewältigung
  2. Das Stresssystem wird epigenetisch geprägt
  3. Nachgeburtlich erhält das Kind Unterstützung bei der Regulation der Stressantwort
  4. Oxytocin prägt die emotionale Entwicklung
  5. Schwierige Kinder brauchen die liebevolle Fürsorge mehr als andere
  6. Jenseits der frühen Kindheit

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Nachgeburtlich erhält das Kind Unterstützung bei der Regulation der Stressantwort

Zum Zeitpunkt seiner Geburt ist der Säugling je nach genetischer und vorgeburtlicher Belastung ausgeglichen, gehemmt oder reizbar. Zu den Entwicklungsaufgaben der ersten Lebensjahre gehört auch die Herausbildung eines differenzierten Systems zur Identifikation, Kategorisierung und Regulationvon Emotionen.

Im Gehirn werden Emotionen, die differenzierten Emotionen eines Erwachsenen ebenso wie das unspezifische Unbehagen eines Säuglings, tief im Inneren des Gehirns erzeugt. Hirnstrukturen wie die Amygdala registrieren beispielsweise potentiell bedrohliche Reize. Sie aktivieren das Stresssystem und sorgen für ein Gefühl der Furcht. Auch das Schreien des Babys wird schriller, so dass es schnell Hilfe erhält. Mit zunehmender Reifung des Gehirns werden auch Bereiche der mittleren vorderen Hirnrinde in die Verarbeitung emotionaler Informationen eingebunden. Bei Erwachsenen ist in diesen Verbindungen die differenzierte Bewertung der emotionalen Situation gespeichert. Die Hirnbereiche setzen das Erlebte in einen Kontext mit vorangegangenen Erfahrungen und hemmen gegebenenfalls (dann, wenn etwas doch nicht so schlimm ist) über eine Verbindung der Hirnrinden-Nervenzellen zur Amygdala deren Aktivität. Beim Baby ist weder diese Hirnregion noch ihre Verbindung zur Amygdala ausgereift.

Der Säugling benötigt deshalb nicht nur Unterstützung, wenn er Nahrung, Kleidung oder Stimulation benötigt, sondern auch dann, wenn sein Stresssystem hochaktiv ist – etwa, weil Bedürfnisse nicht sofort befriedigt werden können, oder weil ihm einfach alles zu viel ist. Er benötigt eine liebevolle und fürsorgliche Bindungsperson, die ihn tröstet, ihn wiegt und trägt, die mit ihm spricht, die seine noch undifferenzierten Unwohlsein-Emotionen aufgreift, spiegelt und benennt. In ihrem Beisein erfährt das Stresssystem Beruhigung und der Säugling lernt nach und nach, dass es verschiedene Emotionen gibt und dass man diese auch regulieren kann (für eine Übersicht siehe Struber 2016).



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