Was erwarten Eltern von der Krippe? (Review)

Welche Erwartungen haben Eltern zu den Nutzen und Kosten eines Krippenbesuchs vor dessen möglichen Beginn? Dieser Frage sind anhand von kindbezogenen und familialen Strukturmerkmalen Lars Burghardt und Katharina Kluczniok anhand von Daten des Nationalen Bildungspanels nachgegangen und stellen ihre Ergebnisse im DiskursDiskurs|||||Der Begriff Diskurs kann verschiedene Bedeutungen haben, wurde ursprünglich jedoch als  „hin und her gehendes Gespräch“ verwendet. Weitere Bedeutungen sind: theoretische Erörterung, systematische, methodische Abhandlung, gesellschaftliche Auseinandersetzung, Erörterung. Sinnverwandt sind auch Debatte, Diskussion, Disput.  Kindheits- und Jugendforschung 3-2016 vor.

In ihrer Einleitung stellen die AutorInnen die aktuellen Zahlen vor und konstatieren von 2006 bis 2015 eine Verdreifachung des Krippenbesuch von Kindern. Somit ergäbe sich zum Stichtag 01.03.2015 eine gesamtdeutsche Quote von 32,9%, wobei die Quote in Ostdeutschland mit 51,9% fast doppelt so hoch sei wie in Westdeutschland (28,2 %). Deutlich geringer ist mit 19,4% die Quote der Kinder mit Migrationshintergrund in der Krippe.

Bisherige Studienergebnisse zeigten, dass die schon gegebene Nutzung der Krippe bei Familien ohne Migrationshintergrund höher liege, „wenn die Mutter einen höheren Bildungsabschluss verfügt sowie wenn sie erwerbstätig ist“ (ebd. S. 342). Mit steigender Geschwisterzahl sinke die Wahrscheinlichkeit eine Krippe zu besuchen und grundsätzlich liege diese in städtischen Gebieten höher als in ländlichen.

In Bezug auf die geringere Quote von Kindern mit Mitgrationshintergrund in der Krippe stellen Burghardt und Klucniok aus einer Studie drei mögliche Erklärungsansätze vor:
  • Unterschiedliche normativnormativ|||||Normativ  bedeutet normgebend, somit wird etwas vorgeschrieben, dass Normen, Regeln oder ein „Sollen“ beinhaltet.e Vorstellungen (z.B. besonders hoher Wert der Eltern-Kind-Beziehung) von türkischen Eltern der ersten Zuwanderer-Generation
  • Zu hohe Kosten oder zu geringe Betreuungsplätze
  • Vorbehalte der Eltern gegenüber der Qualität der Krippe und interkulturelle Hürden wie die fehlende Berücksichtigung der eigenen Kultur oder Religion

Für ihren Ansatz der Befragung von Eltern vor einem Krippenbesuch ihrer Kinder „Stellen Sie sich vor, dass...) haben die AutorInnen vier Variablen auf einer fünfstufigen Skala gewählt, nämlich
  • die Nutzenerwartungen in Bezug auf die eigene Berufstätigkeit sowie in Bezug auf die Förderung des Kindes
  • Bereitschaft, die anfallenden Kosten zu begleichen
  • Und die sozialen Kosten (negative Reaktionen des sozialen Umfeldes)


Insgesamt positive Nutzenerwartungen

Im Gesamtergebnis zeigen die Eltern „sowohl in den Nutzenerwartungen für die Berufstätigkeit (M=4.23, SD=1.03) als auch bei den Erwartungen der kindlichen Förderung (M=4.04, SD=1.01) positive Ausprägungen.“ (ebd. S. 345) Bei den finanziellen Kosten ergibt sich ein stärker gemischtes Ergebnis und soziale Kosten werden wenig befürchtet (M=1.73, SD = 1.05).

In Bezug auf familiale Strukturmerkmale ergeben sich folgende weitere Ergebnisse: „Die Erwartungen der Eltern, durch den Krippenbesuch berufstätig sein zu können, ist höher bei einer geringen Haushaltsgröße, wenn die Familie über einen höheren sozioökonomischen Status verfügt, wenn kein Elternteil der Familie einen Migrationshintergrund aufweist und bei einem höheren monatlichen Haushaltsnettoeinkommen. Es zeigt sich weiter ein positiver Zusammenhang mit der Anmeldung des Kindes in einer Krippe und der Informiertheit der Eltern über Betreuungsangebote in der Region. (ebd. S. 347). Kein Zusammenhang konnte bei kindbezogenen Merkmalen hergestellt werden.
Eine höhere Nutzenerwartung für die frühkindliche Förderung zeigte sich unter anderem, „wenn die Haushaltsgröße geringer ist, aber auch wenn die Familien in Ostdeutschland wohnen, einen geringeren sozioökonomischen Status aufweisen und wenn beide Elternteile einen Migrationshintergrund haben.“ (ebd.)

Aus einer Clusteranalyse ihrer Ergebnisse stellen die AutorInnen drei verschiedene Elterntypen vor:

  • Typ 1 (50,5%) zeichnet sich im Verhältnis zur Gesamtstichprobe durch höhere Nutzenerwartungen sowohl im Hinblick auf eigene Berufstätigkeit wie Förderung des Kindes aus. Sie haben im Vergleich eine geringfügig höhere Bereitschaft die Kosten zu tragen und fürchten keine hohen sozialen Kosten
  • Typ 2 (12,2%) weist insgesamt deutlich weniger Nutzenerwartungen auf und ist am wenigsten bereit, die Kosten der Krippe zu bezahlen. Auch er fürchtet keine hohen sozialen Kosten
  • Typ 3 (37,3%) zeigt höhere Nutzenerwartungen für die Berufstätigkeit, aber geringere für die Förderung der Kinder auf und weist zugleich den höchsten Wert in der Variable „Soziale Kosten“ auf.


Im Resümee fassen die AutorInnen zusammen: „Eltern haben grundlegend positive Erwartungen zum Nutzen eines Krippenbesuchs, zeigen eine mittlere bis hohe Bereitschaft die Kosten zu tragen und sehen kaum soziale Kosten in Form von schief angesehen zu werden“ (ebd. S. 350).

Als bedeutsam in der Einschätzungen zeigten sich insbesondere die „subjektive Informiertheit der Eltern über Betreuungsangebote sowie Strukturmerkmale wie sozioökonomischer Status, Haushaltsgröße, Wohnort, Einkommen und Migrationshintergrund“ (ebd.).

Als auffällig beschreiben Burghardt und Klucniok, „dass Eltern mit Migrationshintergrund eine höhere Erwartung des Krippenbesuchs bezüglich der Förderung ihres Kindes haben, allerdings deutlich geringere Nutzungsraten aufweisen“ (ebd. S. 351). Die ausgewerteten Daten wiesen dabei darauf hin, „dass das Vorhandensein eines Migrationshintergrundes mit einer schlechteren Informiertheit über Betreuungsangebote verbunden ist.“ (ebd. S. 352). Sie plädieren daher dafür mehr in die Informationspolitik zu investieren und die Eltern besser über ihren Sozialraum und auch mehrsprachige Informationsbroschüren zu erreichen.


Zum Beitrag in Diskurs Kindheits- und Jugendforschung (kostenpflichtig)



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