Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung

- Ein inklusives Praxiskonzept für die KiTa -

Inhaltsverzeichnis

  1. Inklusion in der Praxis: Vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung
  2. Herabwürdigungen und Diskriminierung (1) als Lernbehinderung
  3. Soziale Identitäten und normierende Botschaften
  4. Verantwortung der Bildungseinrichtungen
  5. Herausforderungen an pädagogische Fachkräfte
  6. Schlussfolgerungen
  7. Anmerkungen
  8. Literatur
  9. Anhang 1: Das Konzept in Kürze und Hintergrund KINDERWELTEN
  10. Anhang 2: Achtung Pseudovielfalt: Der touristische Ansatz
  11. Anhang 3: Achtung Pseudogleichheit: Der farbenblinde Ansatz

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Anhang 2: Achtung Pseudovielfalt: Der touristische Ansatz


Der touristische Ansatz ist dadurch gekennzeichnet, dass er einen Ausflug in die Welt der „An-deren“ unternimmt, gleich einer touristischen Reise. Man lernt das kennen, was „typisch“ ist und findet es besonders interessant, wenn es exotisch, farbenfroh und ungewöhnlich ist. „Bereichert“ um diese Reiseerfahrung, und vielleicht um ein prächtiges Souvenir, kehrt man zurück „nach Hause“, wo alles so ist wie vorher...

Beispiele touristischer Darstellungen gibt es viele, auch in der Kita. Zum Beispiel dieses Mobile mit der dekorativen Weltkugel und den bunten, lustigen Figürchen dran. Möglicherweise hat sie jemand angebracht, um Kindern eine Vorstellung von den „Kindern einer Erde“ zu vermitteln?

Wenn man sie genauer betrachtet und sich dabei fragt, ob sie Kindern Identifikationsangebote geben können, muss man wohl verneinen. Kein Kind in der Gruppe, das eine dunkle Hautfarbe hat, wird sich mit der Darstellung der „Afrikanerin“ identifizieren können: Mit dem riesigen, unförmigen Mund, dem obligatorischen Wasserkrug auf dem Kopf. Kein Kind mit Familien wurzeln in Asien wird sich identifizieren können mit dem gelbhäutigen Jungen, der sogar im Stehen mit Stäbchen Reis isst. Der englische Gentleman mit Schirm und Melone, die Flamenco tanzende Spanierin, der Dudelsack spielende Schotte, natürlich im Schottenrock und das holländische Mädchen mit Holzschuhen, Häubchen und Tulpe – sie alle sind derart reduziert auf ein bestimmtes Stereotyp, dass sie hellhäutige Kinder in Europa kaum zur Identifikation einladen. Sind sie eine Anregung zum Thema Vielfalt? Das Mobile ist von seinem Informationsgehalt her flach: Jede Figur ist ungefähr gleich groß, es gibt jeweils nur eine Figur, Mann oder Frau, es gibt die Beschränkung auf einige wenige äußere Attribute (Hautfarbe, Bekleidung, Gegenstände), man erfährt nicht, was sie machen und wie andere Menschen in dem Land aussehen. In den Fehlinformationen liegen Botschaften, die sich den BetrachterInnen übermitteln:

  • Manche Länder tauchen nicht auf. Sind sie bedeutungslos? Sind sie so unwichtig, dass es über sie nicht einmal ein Stereotyp gibt?
  • Das Land der „Autoren“ taucht in der Regel nicht auf. Im Mobile gibt es keine Deutsche/ keinen Deutschen. Die Botschaft: Es geht hier um „die Kultur der Anderen“, über sie gibt es etwas zu lernen, denn wir selbst sind „normal“.
  • Die anderen sind homogene Gruppen – und ganz anders als wir!
Wenn sich die Figuren auch nicht zur Widerspiegelung oder Repräsentation dessen eignen, was die Kinder in der Kindergruppe ausmacht, so übermitteln sie dennoch Bilder. Stereotype Bilder davon, wie Menschen sind, prägen ganz stark die Vorstellungen über sie, man kann sich ihrer kaum erwehren. Dies beginnt früh: Die Fülle an Bildern in ihrer Lernumgebung vermittelt Kindern wichtige Botschaften über Menschen und geht ein in ihr „Wissen“, auch ohne dass sie jemals Kontakt zu ihnen gehabt haben müssen. Die Bilder sind der Stoff, aus dem Vorurteile auch gemacht sind.