Der Kindergarten im nationalsozialistischen Deutschland

Inhaltsverzeichnis

  1. Gleichschaltung der öffentlichen Kleinkindererziehung
  2. Körperliche und charakterliche Erziehung
  3. Wehrerziehung und Erziehung in Rollenbildern
  4. Erziehung zur Führerliebe
  5. Die Erziehung zum Rassegedanken
  6. Zusammenfassung
  7. Literatur

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Körperliche und charakterliche Erziehung


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Die Heranzüchtung kerngesunder Körper begann schon im Kindergarten (Quelle: Ida-Seele-Archiv).
Die Erarbeitung von körperlicher Zähigkeit und das Erreichen eines gewissen Härtegrades durchzog „den ganzen Tagesablauf“ (Caspers 1941, S. 6), galt es doch, die Forderung Hitlers nach „Heranzüchtung kerngesunder Körper" zu erfüllen. Ziel der regelmäßigen Ertüchtigungsmaßnahmen war es, sowohl Entschlusskraft und Leistungswillen als auch Angriffslust und Durchhaltewillen zu fördern. Dabei wurde nicht Rücksicht genommen auf „gesundheitlich schwächliche“ Kinder, denn gerade diese, „brauchen den Anreiz der körperlichen Übung besonders nötig“, zumal Untersuchungen belegten, „daß turnende Kinder einen viel besseren Allgemeinzustand zeigen, als ihre nicht turnenden Kameraden. Sie zeigen in bezug auf Brustumfang, Lungenfassungsvermögen und Druckkraft eine dauernde Überlegenheit, ebenso nimmt die Anfälligkeit gegenüber Infektionen ab“ (zit. n. Berger 2015b, S. 48). Die körperliche Ertüchtigung der Kindergartenkinder hatte natürlich geschlechtsspezifisch zu erfolgen:

„Die körperliche Erziehung der Mädel darf kein Abklatsch der Jungenerziehung sein, sondern muß durch die körperlich-geistig-seelische Wesensart der Mädels bestimmt werden“ (zit. n. ebd., S. 46).

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Bildquelle: Ida-Seele-Archiv
Um die körperliche Entwicklung positiv zu beeinflussen, „das Kindergartenkind durch eine planmäßige körperpflegerische Erziehung zur vollen Schultauglichkeit zu bringen“ (Benzing 1941, S. 105), wurden neben der gezielt geförderten Bewegung durch Turn- und Gymnastikstunden sowie einer gesunden Ernährung, die „Heilkräfte der Natur von Licht, Luft, Sonne, Wasser“ (ebd.) in ausreichender Menge in den Kindergartenalltag miteinbezogen. Auch standen die „Trockenreibung zur Aktivierung der Haut“ (Caspers 1941, S. 6) auf dem täglichen „Fitnessprogramm“. Für die Nationalsozialisten war mit der körperlichen Ertüchtigung die Charakterbildung eng verflochten. Sie waren davon überzeugt, dass körperliche Leistungen und Anstrengungen charakterliche Eigenschaften fördern und fordern, wie Umsicht, Mut, Selbstvertrauen, Achtung, Gehorsam, Rücksicht, Höflichkeit, u.dgl.m. Zudem werden „soldatische Tugenden“ protegiert, wie: Härte, Tapferkeit, Furchtlosigkeit, Einsatzbereitschaft, Kameradschaftsgeit sowie Gemeinschaftssinn. Selbst Charaktereigenschaften „wie Starrköpfigkeit, Eigensinn, Neigung zur Gewalttätigkeit“ (zit. n. Berger 2015b, S. 53) wurden als positive Tugenden bewertet, als Idealbild eines siegreichen und ideologiegläubigen künftigen Nationalsozialisten. Die Kindergärtnerinnen wurden aufgefordert, die Leistungen der Kinder schriftlich festzuhalten. Diese Feststellungen wurden wissenschaftlich ausgewertet, „um aus den Ergebnissen neue Erkenntnisse über den Entwicklungsgang des Kleinkindes zu gewinnen und um den Erziehungsweg des Kleinkindes noch bewußter aufzeigen zu können“ (Caspers 1941, S. 7).