Wenn kleine Kinder beißen

Eine Herausforderung für Fachkräfte in Kita und Tagespflege

Inhaltsverzeichnis

  1. Die kindliche Entwicklung
  2. Die Ursachenanalyse
  3. Handeln in der akuten Situation
  4. Interventionsmöglichkeiten beim Beißen
  5. Literatur

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Handeln in der akuten Situation


Das Kind, das gebissen wurde

Die erste Reaktion einer pädagogischen Fachkraft muss sich auf das Kind richten, das gebissen worden ist. Sie vermittelt Trost, Beruhigung und Fürsorge und macht deutlich, dass sie mitfühlt, den Kummer versteht und das Beißen verurteilt. Es ist wichtig, dem Kind Möglichkeiten anzubieten, wie es sich beruhigen kann. Vielleicht braucht es die Nähe der Frühpädagogin oder es möchte in einer sicheren Ecke in Ruhe weiterspielen. Hier muss dafür Sorge getragen werden, dass das Kind nicht unbeabsichtigt erneut in seinem Spielen beeinträchtigt wird. Kleine Kinder, die gebissen worden sind, brauchen neben der Fürsorge in der akuten Situation auch dauerhaft angemessene Hilfen, um sich zu wehren. Hier sollte als Form der Konfliktassistenz die frühe sprachliche Bildung intensiviert werden. Die Pädagogin zeigt, dass ein Kind „Nein“ oder „Stopp“ rufen, aber auch die Körpersprache einsetzen kann. So kann das Kind bei ausgestrecktem Arm eine Abwehr- oder Stopp-Geste vollziehen.


Das Kind, das gebissen hat

Das Kind, das gebissen hat, braucht möglichst zeitnah eine Reaktion des Erwachsenen, da es sonst keinen Bezug mehr zu seinem Beißen herstellen kann. Die Aufmerksamkeitsspanne ist bei kleinen Kindern noch sehr kurz. Die Reaktion muss daher rasch erfolgen, nach ein oder zwei Minuten, damit das Kind den Zusammenhang mit seinem Handeln noch herstellen kann. Das Kind wird ernst und mit fester Stimme angesprochen. Die verbalen Antworten müssen sehr deutlich formuliert und an das Sprachverständnis des Kindes angepasst sein. Günstig ist eine klare Situationsbeschreibung, z. B. bei einem Streit um Spielzeug: „Du hast Anna mit deinen Zähnen weh getan. Du hast sie gebissen. Sie wollte deinen Laster haben. Du kannst sagen: Nein, Anna.“ Besser als ein Allgemeines „Es ist nicht schön, wenn du beißt“ sind Formulierungen, die auf das abzielen, um das es geht: „Alle Kindern sollen hier sicher sein! Beißen ist nicht sicher!“

Da sich die Kinder noch in der Sprachentwicklung befinden, ist zu vermeiden, das Wort „beißen“ zu häufig zu verwenden. Es kann sonst vom Kind leicht als eine Art Aufforderung missverstanden werden: „Du sollst nicht beißen! Wir beißen nicht! Hör auf zu beißen! Hörst du? Du sollst nicht beißen!“ Hier hört das Kind wie ein Schlüsselwort: „Beißen, beißen, beißen!“

Auch Fragen an das Kind, die einen Perspektivwechsel erfordern wie z. B.: „Würdest du wollen, dass ich dich beiße?“, sind nicht zielführend. Selbst wenn das Kind mit „Nein!“ antwortet, kann es meist noch nicht nachvollziehen, dass es aus diesem Grund selber auch nicht beißen soll.


Stress regulieren – gemeinsame Aufgabe von Eltern und Fachkraft

Problematische Verhaltensweisen wie das Beißen können ausschließlich in Kita oder Tagespflege, aber auch an anderen Orten auftreten. In der Zusammenarbeit mit Eltern ist daher zu klären, welche Erfahrungen das Kind zu Hause und an weiteren Betreuungsorten macht. Kinder wachsen heute vielfach in einem geteilten Betreuungsfeld auf. Der Alltag bringt für sie dabei viele Wechsel mit sich: zwischen dem Elternhaus, der Kita und möglicherweise noch weiteren Betreuungspersonen wie z. B. einer Tagesmutter, den Großeltern oder den Nachbarn. Kleinstkinder erfahren möglicherweise höchst unterschiedliche Reaktionen der verschiedenen Bezugspersonen auf ihr Verhalten. So erlebt das Kind vielleicht heftiges Schimpfen in der Kita, im häuslichen Umfeld hingegen wird ein zärtlich-spielerisches Beißen praktiziert. Solche Unterscheidungen können Kleinstkinder noch überfordern.

Junge Kinder verfügen noch nicht über Selbstregulation und Impulskontrolle, was zu Verhaltensweisen wie Beißen führen kann. In der Entwicklungsberatung müssen pädagogische Fachkräfte daher gemeinsam mit den Eltern insbesondere die Stressregulation des Kindes als eine gemeinsame Aufgabe angehen. Hierfür muss das individuelle Stressprofil eines Kindes ergründet werden: Welche Situationen lösen bei diesem Kind Stress aus? Wie baut es Stress am besten ab? Wie lässt sich die Stressbelastung zu Hause und wie in der Kita reduzieren? Eine intensive Kooperation ist erforderlich, um den vom Kind erlebten 24 Stunden Zyklus mit seinen unterschiedlichen Aktivitäts- und Ruhephasen zu überblicken. Oft ist es günstig, tägliche Übergabe-Gespräche zu diesem Thema einzuführen, um den weiteren Tagesverlauf zu planen: Ist es günstiger, nach der Kita-Zeit auf den Spielplatz zu gehen oder eine Kuschelzeit zuhause einzuplanen? Braucht das Kind eine Pause bzw. einen Mittagsschlaf oder kann es gleich einen Spielgefährten mitnehmen? Bei einem geteilten Betreuungsfeld ist immer zu beachten, ob die in der Familie verbrachte Zeit in ausreichender Weise Qualitätszeit ist und genügend Stress abfedernde Entspannungsphasen vorhanden sind.



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