Offene Arbeit - ein inklusives und partizipatives Konzept

Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist offene Arbeit?
  2. Irrtümer rund um Offene Arbeit
  3. Offene Arbeit ist ein Teamprozess
  4. Literatur zur Geschichte und Entwicklung der Offenen Arbeit

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Irrtümer rund um Offene Arbeit


Offene Arbeit kann man so wenig anweisen, wie Haltungsänderungen oder Umdenken. Leider versuchen immer mehr Träger gerade dies in den letzten Jahren. Das liegt vermutlich daran, dass nicht nur unter Praktikerinnen, sondern auch in den Führungsetagen falsche Vorstellungen darüber bestehen, worum es sich bei Offener Arbeit handelt. Es mag aber auch an der Hilflosigkeit bzw. mangelnden Kompetenz liegen, Prozesse zu starten, anzuleiten und zu unterstützen.


Viele Führungskräfte wollen alles ändern und zwar sofort – und so ordnen sie an statt hinzuschauen, zuzuhören und die Entwicklungen abzuwarten und zu unterstützen. Das zentrale Missverständnis: Offene Arbeit wird auf äußere Strukturen reduziert. Als da sind: Funktionsräume, denen sich Fachfrauen zuordnen; Stammgruppen mit Bezugserzieherinnen und eigenen Morgenkreisen; Wochenpläne mit Wahlpflicht....


Die Gestaltung der Räume folgt fest gefügten Mustern: Restaurant, Bewegungsraum, Bauraum, Kreativraum, Rollenspielraum. Wenn's hoch kommt, werden obendrein eine Bibliothek und eine Werkstatt eingerichtet. Rückzugsbereiche sind eher selten. Vor allem, weil „offen" mit offenen Türen verwechselt wird. Da sich viele Erzieherinnen davor fürchten, nicht mehr alle Kinder im Blick zu haben, gibt es häufig regelrechte Überwachungspläne. Da sitzt schon mal eine Kollegin in der Tür zwischen zwei Räumen und guckt wie beim Tennis links, rechts, links....Klappt die Überwachung nicht in allen Räumen, werden einige abgeschlossen.

Die Annahme, dass solche Organisationsformen die Behauptung rechtfertigen: Hier findet Offene Arbeit statt, führt dazu, dass sich nicht nur die Beispiele für schlechte Arbeit vermehren, sondern auch die Irrtümer über Offene Arbeit. So wird behauptet, für junge Kinder oder für Kinder, die in irgendeiner Weise besondere Bedürfnisse haben, sei Offene Arbeit nicht geeignet. Diese Verdrehung ist ärgerlich und komplett widersinnig. Denn Offene Arbeit funktioniert umgekehrt: Die Strukturen werden den Kindern angepasst, nicht die Kinder den Strukturen! Darum können die Organisationsformen niemals starr sein, darum müssen Grenzen durchlässig und Planungen flexibel bleiben.
Es ist ganz schlicht: Wenn bestimmte Kinder angeblich nicht „passen", ist die Arbeit nicht offen. Es wurde nicht verstanden, worum es geht, nämlich der Unterschiedlichkeit der Kinder differenziert zu begegnen.


Was die Kinder brauchen, zeigen sie uns – beim Spiel, mit ihren Interessen und in ihren Beziehungsbedürfnissen. Den Spuren der Kinder zu folgen und einen Rahmen zu schaffen, in dem für sie möglich ist, was sie wollen, macht gute Offene Arbeit aus. Offene Arbeit hat nichts mit offenen Türen zu tun. Im Gegenteil: Die Qualität Offener Arbeit erweist sich darin, dass Kinder die Türen hinter sich schließen und ungestört ihren Spielideen folgen können Türen abzuschließen ist damit nicht gemeint.


Eine verbreitete Befürchtung ist, dass in der Offenen Arbeit keine Bindungen entstehen, weil die feste Gruppenzugehörigkeit aufgelöst wird und damit die kontinuierliche Bezugsperson fehlt. Darin stecken mehrere Irrtümer:

 

  • Erstens: Die Vermischung von Bindung und Beziehung. Bindung gehört in die Familie. Dort binden sich Kinder – lebenslang. Sie haben keine Wahl. In der Kita hingegen müssen sie sich nicht binden. Hier können Kinder über ihre Beziehungen und den Grad ihrer Intensität selbst bestimmen. Nähe ist freiwillig. Jedenfalls in der Offenen Arbeit.
  • Zweitens: Kontinuität ist nicht automatisch gut. Sie kann im Gegenteil höchst negativ wirken, wenn die Beziehung zur „Bezugsperson" gestört ist.
  • Drittens: Die Überbetonung der Beziehungen zu Erwachsenen. Mindestens genauso wichtig sind die Beziehungen der Kinder untereinander. In der Offenen Arbeit spielen die frei gewählten Kindergruppen eine große Rolle. Kinder spielen nicht nur miteinander und stecken sich gegenseitig mit ihren Ideen an, sie schaffen sich auch Regeln, treten für ihre Interessen ein und bestimmen Abläufe.

Dazu brauchen sie keine von Erwachsenen eingesetzten „Kinderparlamente", sondern nur die Chance, gehört, gesehen und unterstützt zu werden, wenn sie etwas auf die Beine stellen wollen. Und das passiert nicht nach Plan.


Eine Frage wird häufig gestellt: Wenn Kinder immer mehr selbst bestimmen können – was haben wir Erwachsenen dann noch zu bestimmen? Antwort: Alles. Das Machtverhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern bleibt bestehen. Die Verantwortung der Erwachsenen ebenfalls. Welche Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsrechte den Kindern zugestanden (oder wieder entzogen) werden, entscheiden nach wie vor die Erwachsenen.


Ein Vorurteil besagt, Offene Arbeit bedeute Chaos. Doch wer gute Offene Arbeit erlebt, ist erstaunt, wie ruhig es zugeht. Die Kinder vertiefen sich in das, was für sie wichtig ist, die Erwachsenen sind gelassen und die Atmosphäre ist entspannt. Ist das nicht der Fall, kann es keine gute Offene Arbeit sein. Es besteht dringender Veränderungsbedarf.