Zur Geschichte des Kindergartens in der SBZ und der DDR (1945 - 1990)

Inhaltsverzeichnis

  1. 2. Etappe der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung (1945-1949)
  2. 3. Periode der sozialistischen Umgestaltung (1949-1961)
  3. 4. Übergang zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft (1962-1972)
  4. 5. Gestaltung der Sozialistischen Gesellschaft (1972-1990)
  5. 6. Schlussbetrachtung
  6. Literatur

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 "Wer Historie schreiben oder auch nur verstehen will, hat sich in erster Reihe zweier Dinge zu befleißigen: er muß Personen und Taten aus ihrer Zeit heraus begreifen und sich vor Sentimentalitäten zu hüten wissen" (Theodor Fontane 1887)


Einleitung


Von Anfang an standen in Ostdeutschland die Kindergartenkinder im Fokus des öffentlichen Interesses, die durch eine professionelle Früherziehung auf ein Leben in der sozialistischen Gesellschaft vorbereitet werden sollten. Demzufolge waren Kindergärten, die einen eindeutigen Bildungs- und Erziehungsauftrag zu erfüllen hatten, ein selbstverständlicher Teil des Familienlebens in der sowjetisch besetzten Zone und in der DDR. Am 17. und 18. November 1977 fand im Bezirk Neubrandenburg die Zweite Zentrale Konferenz zur Vorschulerziehung statt. In ihrem Schlusswort zur Tagung konstatierte Margot Honecker, seinerzeit Ministerin für Volksbildung, u.a.:


"Unsere Gegner können zwar schon nicht mehr umhin, die Vorschulerziehung in der DDR als etwas 'Bemerkenswertes' anzuerkennen; zugleich aber geifern sie - und Ihr werdet es sehen, das wird auch das Echo auf unsere Konferenz sein -: In der DDR werden die Kinder schon im Kindergarten politisch erzogen, der Staat entzieht den Eltern den Einfluss auf die Erziehung der Kinder usw. Ja, wir erziehen die Kinder von klein an zur sozialistischen Moral. Das ist eine Moral, die der verlogenen, heuchlerischen bürgerlichen Moral entgegengesetzt, ihr haushoch überlegen ist. Denn Erziehung zur sozialistischen Moral, das ist die Erziehung zur Liebe zu einem Vaterland, in dem die Väter und Mütter, die Werktätigen zum Wohle des Volkes die Macht ausüben. Das ist eine Erziehung zur Achtung vor den Menschen, vor ihrer Arbeit, zur Achtung vor dem Leben. Das ist eine Erziehung im Geiste der gegenseitigen Achtung, der Wahrheitsliebe. Das ist eine Erziehung zu wahrhaft menschlichen Eigenschaften" (Honecker 1978, S. 3).


Diese "heuchlerisch" ideologisch verbrämten Worte gehören der Vergangenheit an, denn mit der Wiedervereinigung beider Staaten deutscher Nation (3. Oktober 1990) hat der "real existierende Sozialismus" aufgehört zu existieren. Die DDR ist Geschichte und damit auch ihr Kindergarten, der - trotz aller ideologischen Überfrachtung - eine wichtige soziale Einrichtung im ostdeutschen Alltag war. Die "Kinder sind gerne in den Kindergarten gegangen", wie rückblickend die Mehrzahl der Zeitzeuginnen und -zeugen resümieren (vgl. Müller-Rieger 1997, S. 14). Sicher, ein sehr pauschales und positives Urteil, bei dem es zu berücksichtigen ist, dass es nur eine einzige Alternative zu den staatlichen (kommunalen, betrieblichen, genossenschaftlichen) Einrichtungen gab, nämlich die dünn gesäten konfessionell gebundenen Kindergärten. Insgesamt existierten 417 kirchlich gebundene Einrichtungen, davon 275 evangelische und 142 katholische (vgl. Hartmann/ Rahner 1997, S. 89 ff.). Dies entsprach in etwa einem Anteil von 2,9% aller Kindergärten der DDR. Die Einrichtungen der Kirchen waren im pädagogisch-konzeptionellen Bereich nicht an die staatlich verordneten Bildungs- und Erziehungspläne gebunden und somit auch nicht den staatlichen Bildungs- und Erziehungszielen verpflichtet. Auch unterstanden sie nicht den staatlichen Anleitungs- und Kontrollinstanzen. Sie waren "nur" geduldet, was sich deutlich daran ablesen lässt, dass schon von der sowjetischen Besatzungsmacht den Kirchen verboten wurde, neue Kindergärten einzurichten, "was sich dann in DDR-Zeiten massiv fortgesetzt hat. So verblieb den Kirchen nur eine kurze Zeit zum Aufbau und Ausbau der Kindertageseinrichtungen... Träger der kirchlichen Kindergärten waren in der Regel die örtlichen Kirchengemeinden, diakonische und karitative Einrichtungen und Ordensgemeinschaften" (ebd., 1997, S. 89 f). Die konfessionellen Organisationen waren berichtigt nur die Kindergärten zu unterhalten, die schon vor 1945 bestanden, und sie durften "nicht nur keine neuen Kindergärten einrichten, auch die Verlegung an einen anderen Ort oder innerhalb des Ortes war ihnen versagt" (ebd., S. 90 f). Ferner bekamen sie von Seiten des Staates keine finanzielle Unterstützung. Die anfallenden Kosten mussten allein durch die Kirchen und ihre Gemeinden sowie durch die geringen Elternbeiträge getragen werden.

 

Folgend möchte ich am Beispiel der staatlichen Kindergärten einen Aspekt unserer jüngsten deutschen (pädagogischen) Vergangenheit rekonstruieren, die sich in  vier aufeinanderfolgende Zeitabschnitte einteilen lässt. Nach Vorstellungen der marxistischen Geschichtsschreibung entwickeln sich alle politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen sowie bildungspolitischen Bereiche  nach einem  Schema, entsprechend  einer festgefügten Abfolge von Gesellschaftsformationen.   Diese programmatische Rangordnung lässt sich in vorgezeichneten Linien der Menschheitsentwicklung einordnen: von der Urgemeinschaft über die Sklavenhaltergesellschaft  zur feudalen Gesellschaft, über den Kapitalismus zur klassenlosen Gesellschaft, dem Sozialismus, bis hin zum Kommunismus. Letztgenannte Gesellschaftsformation ist frei von ausbeuterischen und menschenverachtenden Strukturen (vgl. Thomas 1971, S. 29 ff.).   Dieser Idee entsprechend durchlief auch der Kindergarten der SBZ/DDR die vorgezeichneten Phasen der Gesellschaftsentwicklung, die da wären:

 

  • Etappe der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung. Diese umfasst den Zeitraum zwischen Ende des Zweiten Weltkrieges (8. Mai 1945) und 1949 (Gründung der DDR).
  • Periode der sozialistischen Umgestaltung (1949-1961). Diese wird auch als Übergangsperiode vom Kapitalismus zum Sozialismus bezeichnet.
  • Übergang zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft (1962-1972). Auf dem VI. Parteitag der SED ("Sozialistische Einheitspartei Deutschlands") 1963 wurde dieser Zeitabschnitt auch als Umfassender Aufbau des Sozialismus festgelegt.
  • Ab 1972 setzte eine neue Phase der Entwicklung der sozialistischen Gesellschaft ein. Diese wurde auf dem VII. Parteitag der SED im Jahre 1971 als Gestaltung der Sozialistischen Gesellschaft definiert (vgl. Thomas 1977, S. 11 ff.).

 

 



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