Zur Geschichte des Kindergartens in der SBZ und der DDR (1945 - 1990)


 "Wer Historie schreiben oder auch nur verstehen will, hat sich in erster Reihe zweier Dinge zu befleißigen: er muß Personen und Taten aus ihrer Zeit heraus begreifen und sich vor Sentimentalitäten zu hüten wissen" (Theodor Fontane 1887)


Einleitung


Von Anfang an standen in Ostdeutschland die Kindergartenkinder im Fokus des öffentlichen Interesses, die durch eine professionelle Früherziehung auf ein Leben in der sozialistischen Gesellschaft vorbereitet werden sollten. Demzufolge waren Kindergärten, die einen eindeutigen Bildungs- und Erziehungsauftrag zu erfüllen hatten, ein selbstverständlicher Teil des Familienlebens in der sowjetisch besetzten Zone und in der DDR. Am 17. und 18. November 1977 fand im Bezirk Neubrandenburg die Zweite Zentrale Konferenz zur Vorschulerziehung statt. In ihrem Schlusswort zur Tagung konstatierte Margot Honecker, seinerzeit Ministerin für Volksbildung, u.a.:


"Unsere Gegner können zwar schon nicht mehr umhin, die Vorschulerziehung in der DDR als etwas 'Bemerkenswertes' anzuerkennen; zugleich aber geifern sie - und Ihr werdet es sehen, das wird auch das Echo auf unsere Konferenz sein -: In der DDR werden die Kinder schon im Kindergarten politisch erzogen, der Staat entzieht den Eltern den Einfluss auf die Erziehung der Kinder usw. Ja, wir erziehen die Kinder von klein an zur sozialistischen Moral. Das ist eine Moral, die der verlogenen, heuchlerischen bürgerlichen Moral entgegengesetzt, ihr haushoch überlegen ist. Denn Erziehung zur sozialistischen Moral, das ist die Erziehung zur Liebe zu einem Vaterland, in dem die Väter und Mütter, die Werktätigen zum Wohle des Volkes die Macht ausüben. Das ist eine Erziehung zur Achtung vor den Menschen, vor ihrer Arbeit, zur Achtung vor dem Leben. Das ist eine Erziehung im Geiste der gegenseitigen Achtung, der Wahrheitsliebe. Das ist eine Erziehung zu wahrhaft menschlichen Eigenschaften" (Honecker 1978, S. 3).


Diese "heuchlerisch" ideologisch verbrämten Worte gehören der Vergangenheit an, denn mit der Wiedervereinigung beider Staaten deutscher Nation (3. Oktober 1990) hat der "real existierende Sozialismus" aufgehört zu existieren. Die DDR ist Geschichte und damit auch ihr Kindergarten, der - trotz aller ideologischen Überfrachtung - eine wichtige soziale Einrichtung im ostdeutschen Alltag war. Die "Kinder sind gerne in den Kindergarten gegangen", wie rückblickend die Mehrzahl der Zeitzeuginnen und -zeugen resümieren (vgl. Müller-Rieger 1997, S. 14). Sicher, ein sehr pauschales und positives Urteil, bei dem es zu berücksichtigen ist, dass es nur eine einzige Alternative zu den staatlichen (kommunalen, betrieblichen, genossenschaftlichen) Einrichtungen gab, nämlich die dünn gesäten konfessionell gebundenen Kindergärten. Insgesamt existierten 417 kirchlich gebundene Einrichtungen, davon 275 evangelische und 142 katholische (vgl. Hartmann/ Rahner 1997, S. 89 ff.). Dies entsprach in etwa einem Anteil von 2,9% aller Kindergärten der DDR. Die Einrichtungen der Kirchen waren im pädagogisch-konzeptionellen Bereich nicht an die staatlich verordneten Bildungs- und Erziehungspläne gebunden und somit auch nicht den staatlichen Bildungs- und Erziehungszielen verpflichtet. Auch unterstanden sie nicht den staatlichen Anleitungs- und Kontrollinstanzen. Sie waren "nur" geduldet, was sich deutlich daran ablesen lässt, dass schon von der sowjetischen Besatzungsmacht den Kirchen verboten wurde, neue Kindergärten einzurichten, "was sich dann in DDR-Zeiten massiv fortgesetzt hat. So verblieb den Kirchen nur eine kurze Zeit zum Aufbau und Ausbau der Kindertageseinrichtungen... Träger der kirchlichen Kindergärten waren in der Regel die örtlichen Kirchengemeinden, diakonische und karitative Einrichtungen und Ordensgemeinschaften" (ebd., 1997, S. 89 f). Die konfessionellen Organisationen waren berichtigt nur die Kindergärten zu unterhalten, die schon vor 1945 bestanden, und sie durften "nicht nur keine neuen Kindergärten einrichten, auch die Verlegung an einen anderen Ort oder innerhalb des Ortes war ihnen versagt" (ebd., S. 90 f). Ferner bekamen sie von Seiten des Staates keine finanzielle Unterstützung. Die anfallenden Kosten mussten allein durch die Kirchen und ihre Gemeinden sowie durch die geringen Elternbeiträge getragen werden.

 

Folgend möchte ich am Beispiel der staatlichen Kindergärten einen Aspekt unserer jüngsten deutschen (pädagogischen) Vergangenheit rekonstruieren, die sich in  vier aufeinanderfolgende Zeitabschnitte einteilen lässt. Nach Vorstellungen der marxistischen Geschichtsschreibung entwickeln sich alle politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen sowie bildungspolitischen Bereiche  nach einem  Schema, entsprechend  einer festgefügten Abfolge von Gesellschaftsformationen.   Diese programmatische Rangordnung lässt sich in vorgezeichneten Linien der Menschheitsentwicklung einordnen: von der Urgemeinschaft über die Sklavenhaltergesellschaft  zur feudalen Gesellschaft, über den Kapitalismus zur klassenlosen Gesellschaft, dem Sozialismus, bis hin zum Kommunismus. Letztgenannte Gesellschaftsformation ist frei von ausbeuterischen und menschenverachtenden Strukturen (vgl. Thomas 1971, S. 29 ff.).   Dieser Idee entsprechend durchlief auch der Kindergarten der SBZ/DDR die vorgezeichneten Phasen der Gesellschaftsentwicklung, die da wären:

 

 

 


 

Etappe der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung (1945-1949)

IMG 20170411 0001Ausfahrt mit den Kindern im zerstörten Ost-Berlin (Quelle: Ida-Seele-Archiv)Der erste Kindergarten in der sowjetisch besetzten Zone (SBZ) wurde am 30. Mai 1945 im Berliner Stadtteil Weißensee "im Auftrag des Antifa-Ausschusses durch zwei Genossinnen der SPD" (Barow-Bernstorff u.a. 1977, S. 423) ins Leben gerufen. Bereits am 5. Juni 1945 konnte im genannten Stadtbezirk "durch Mitglieder des Antifa-Ausschusses..., die der SPD und der KPD angehörten", und auf "Initiative der sowjetischen Kommandantur" (ebd.) ein weiterer Kindergarten der Öffentlichkeit übergeben werden.


Aber nicht nur in Ost-Berlin bemühte man sich um die Errichtung von Kindergärten, sondern im gesamten sowjetisch besetzten Gebiet, in den Städten sowie auf dem Land. Beispielsweise wurde noch 1945 in Guben, in Ermangelung anderer geeigneter Räume, ein Kindergarten in einem ehemaligen Gefangenenlager für Ukrainer eingerichtet. In der Baracke befanden sich drei Räume, von denen der größte als Schlafraum, die beiden anderen als Gruppenräume Verwendung fanden:


"Die Einrichtung war immer mit ungefähr 45 Kindern im Alter von zwei bis zwölf Jahren belegt. In jedem Zimmer befand sich nur ein kleiner Eisenofen. Im Winter erwärmten sich die Räume kaum, denn überall in den Wänden waren Ritzen, durch welche die Kälte eindrang. Bei Regenwetter mußten überall Gefäße aufgestellt werden, um das durch die Decke tropfende Wasser aufzufangen. (Eine Reparatur des Daches war nicht mehr möglich.) Im ganzen gesehen waren also die Zustände in unserm Kindergarten katastrophal" (Stürmer 1954, S. 5).


Der vehement betriebene Auf- und Ausbau von Kindergärten vollzog sich in einer spezifischen Koppelung von politischen und ökonomischen Prozessen. Insbesondere das stilisierte und ethisch geschützte Bild der "werktätigen Frau und Mutter" beeinflusste nicht unwesentlich die Entwicklung von Kindergärten (und natürlich anderen sozialen Einrichtungen wie Kinderkrippen, Horte u.a.). Diesbezüglich formulierte die SED (hervorgegangen 1946 aus der Zwangsvereinigung von KPD und SPD) in ihrem Parteiprogramm, anlässlich der Gemeindewahlen im Juni 1946:


"Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands will die Frauen für das politische Leben gewinnen, weil der Aufbau eines demokratischen Deutschlands ohne die Mitwirkung der Frauen unmöglich ist. Sie nimmt sich der Frauen darum besonders an und fordert daher: Volle Gleichberechtigung der Frau auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens. Gleichen Lohn für gleiche Leistung. Ausbau des Mutterschutzes für die arbeitende Frau... Hilfe für die erwerbstätigen Frauen durch Schaffung von Kindergärten, Kinderhorten, Nähstuben, Waschanstalten und ähnlichen Einrichtungen" (zit. n. Barow-Bernstorff 1977, S. 424).


Der Auf- und Ausbau des Kindergartenwesens ist daher nur in Zusammenhang mit der Frauen-/ Familienpolitik zu sehen. Diese umfasste von Anfang an "ein System von ideologischen, materiellen, finanziellen, rechtlichen und anderen auf die Förderung von Ehe und Familie, auf den Schutz von Mutter und Kind sowie auf die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Mutterschaft gerichteten Maßnahmen" (Dietrich u.a. 1987, S. 169 ff.).


Durch das "Gesetz zur Demokratisierung der Deutschen Schulen", das am 12. Juni 1946 von allen fünf Ländern der SBZ (1952 wurden die Länder aufgelöst und in 14 Bezirke unterteilt) verabschiedet worden war, wurde der Kindergarten in § 3 ausdrücklich als Vorstufe der Schule in das System der "demokratischen Einheitsschule", die die gesamte Erziehung vom Kindergarten bis zur Hochschule umfasste, eingegliedert. Kern dieses Gesetzes war die Einführung einer für alle Kinder obligatorischen achtjährigen Grundschule, die Ausgrenzung der Kirchen aus dem Bildungs- und Erziehungsbereich sowie die Einbeziehung des Kindergartens als vorschulische Erziehungseinrichtung, der die Aufgabe hatte, "die Kinder zur Schulreife zu führen" (zit. n. Krecker 1979, S. 355). Mit dieser Zuordnung wurde der Kindergarten aus dem sozial-fürsorgerischen Bereich herausgelöst und, erstmalig in der deutschen Geschichte, dem Bildungssystem angegliedert, wenn auch als Einrichtung mit vorrangig schulpädagogischem Auftrag.


Im Juni 1948 fand eine zentrale Tagung für Vorschulerziehung statt. Diese stand unter dem Motto: "Neues Deutschland - Neue Menschen. Im Kindergarten beginnt ihre Formung". Ministerin Maria Torhorst stellte in ihrem Referat über "Die Bedeutung der Vorschulerziehung für die Umerziehung des deutschen Volkes" die Wichtigkeit der politischen Erziehung der jungen Generation heraus. Sie sagte:


"Wenn viele Pädagogen sich erlauben, die Frage der politischen Erziehung weit von sich zu weisen, so ist das ein Zeichen dafür, daß sie ihre pädagogischen Aufgaben überhaupt nicht verstanden haben. Es ist eine politische Aufgabe, das neue Leben und seine neuen Grundsätze zu begreifen, um die neuen Menschen vom Kindergarten an für dieses neue Leben erziehen zu können" (zit. n. Heller 1985, S. 44).


Die "Deutsche Verwaltung für Volksbildung" bestätigte die von der zentralen Tagung aufgestellten "Grundsätze der Erziehung im deutschen Kindergarten", die in der ersten Fachzeitschrift für Kindergärtnerinnen "Sozialpädagogik. Blätter für die Vor- und Außerschulische Erziehung" (ab Heft 2 "Die Kindergärtnerin"; ab Mitte der 1950er Jahre "Neue Erziehung im Kindergarten") veröffentlicht wurden. Demnach hatte der Kindergarten primär folgende drei Aufgaben zu erfüllen:


1. "er erzieht die Kinder im demokratischen Geist;
2. er sorgt für die Gesundheit der Kinder und bietet ihnen Bedingungen, die eine gesunde und normale Entwicklung sicherstellen;
3. er schafft der Frau und Mutter die Möglichkeit, sich in das wirtschaftliche, kulturelle, öffentliche Leben einzugliedern und so ihre Gleichberechtigung aus einer formalen in eine wirkliche zu wandeln" (zit. n. Heller 1985, S. 44).


Daraus wurden folgende fünf Erziehungsbereiche für den Kindergarten abgeleitet:


1. die körperliche Erziehung,
2. die hygienische Erziehung,
3. die Entwicklung der geistigen Anlagen und Befähigung der Kinder,
4. die sittliche Erziehung und
5. die künstlerische Erziehung (vgl. Anweiler 1992, S. 245 ff.).

Um all die verordneten Forderungen erfüllen zu können, wurde eine Verbesserung der Kindergärtnerinnenausbildung sowie der täglichen pädagogischen Arbeit im Kindergarten angestrebt:


"Deshalb wurde der Ausbildung der Kindergärtnerinnen große Aufmerksamkeit geschenkt und bereits 1946 neben den Kurzlehrgängen für Erziehungshelferinnen eine dreijährige Ausbildung für Kindergärtnerinnen eingeführt, in der theoretische Schulung und praktische Arbeit miteinander abwechselten.
Der Verbesserung der täglichen pädagogischen Arbeit diente vor allem auch die Fachzeitschrift mit einer Reihe grundlegender Artikel antifaschistischer Erzieher. Langjährige Mitglieder der Arbeiterparteien und anerkannte Kämpfer gegen den Faschismus bemühten sich durch die Fachzeitschrift und über andere Formen der Anleitung, den neuen antifaschistisch-demokratischen Erziehungsinhalt in allen Einrichtungen der Vorschulerziehung durchzusetzen.
Die Kinder wurden zur Liebe zum Frieden und zur Anerkennung anderer Völker erzogen. Es kam vor allen Dingen darauf an, ihnen im Spiel, in der Arbeitstätigkeit und während des gesamten Tages Gelegenheit für selbständiges Handeln und schöpferisches Gestalten zu geben. Dabei knüpften die Erzieher bei den Traditionen des Fröbelschen Kindergartens an, wie sie bis 1933 in Deutschland lebendig waren.
Aus dieser Zeit stammte auch eine Form der inhaltlichen Planung, die von Schrader-Breymann Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt worden war, die Planung täglicher Beschäftigungen nach dem 'Monatsgegenstand' oder dem Wochenthema. Diese Form der Planung half den Erziehern in den ersten Jahren, ihre pädagogische Arbeit unter einheitlichen Gesichtspunkten zu durchdenken und vorzubereiten" (Krecker 1977, S. 429 f.).


Ausgewählte Vorschulreferentinnen wurden bestimmten Kreisen zugeordnet, die u.a. die Aufgabe hatten, die politisch-pädagogischen Standpunkte und Meinungen der Kindergartenleiterinnen zu überwachen und zu überprüfen. Die "Kreisreferentinnen" mussten eine "politisch-fachliche Beurteilung" der ihnen unterstellten Kindergartenleiterinnen abgeben. In solch einer Beurteilung aus dem Jahre 1946 hieß es:


"Wohl ist Frl. ... Mitglied der SED, doch ist dies rein formaler Natur und ohne jede Aktivität. Es ist kaum anzunehmen, dass sie sich mit den grundsätzlichen Problemen der SED... intensiv beschäftigt. Frl. ... kann nur dann weiter befürwortet werden..., wenn sie dabei unter Kontrolle steht" (Ida-Seele-Archiv; Akte: Kindergarten/ DDR, Nr. 1/2/3/4).


Der "unermüdlichen Arbeit dieser Leistungskader, Kindergärtnerinnen und politischen Funktionäre war es zu verdanken", dass sich in der Zeit von vier Jahren die "Zahl der Kindergärten kontinuierlich erhöhte und bis zum Jahre 1949 auf etwa 4.000 Einrichtungen ansteigen konnte" (Krecker 1986, S. 434).



Periode der sozialistischen Umgestaltung (1949-1961)


Mit der Gründung der DDR (7. Oktober 1949) begann nicht nur ein verstärkter Ausbau der öffentlichen Kleinkinderpädagogik. Ebenso setzte eine verstärkte poltisch-ideologische Instrumentalisierung ein. Bereits 1954 verfügte die DDR "über 6.931 Kindergärten mit 21.170 Erzieherinnen sowie über 1.864 Erntekindergärten mit 2.296 Erzieherinnen" (Krecker 1979, S. 443). Bis zum Jahre 1961 stieg die Zahl der Kindergärten (ohne "Erntekindergärten") auf 9.169 an. Das bedeutete, dass 48,3% aller drei- bis sechsjährigen Kinder einen Kindergarten besuchten (vgl. Krecker 1977, S. 453).


Die Erziehung zum Frieden stand im Vordergrund der vorschulischen Pädagogik. Ganz im Sinne Friedrich Fröbels sollten in den Kindergärten "frohe, selbständig denkende, schaffensfreudige und friedliebende Menschen herangebildet" (Deutsches Pädagogisches Zentralinstitut 1952a, S, 157 f) werden. Dementsprechend ist in der Gedenkschrift zum 100. Todestag des Kindergartenbegründers nachlesen:


"Dem Spiel kommt in der vorschulischen Erziehung als ein Mittel zu allseitiger Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder große Bedeutung zu... Die Kinder spielen nicht mit Kriegsspielzeug. Bleisoldaten und Blechkanonen sind aus dem Kindergarten verbannt. Statt dessen regen reichhaltige Baukästen Aktivität und Phantasie der Kinder zu konstruktivem Bauen an... Lastautos, Traktoren und eine Kinderpost geben den Kindern Gelegenheit, die Arbeit der Erwachsenen aus ihrer friedlichen Umwelt im Spiel darzustellen... die gesamte Erziehungsarbeit im Kindergarten dient vor allem dem einen großen Ziel, dem die demokratische Einheitsschule vom Kindergarten bis zur Hochschule zustrebt: der Erziehung unserer Jugend zu bewußten Kämpfern für den Frieden... Hundert Jahre nach Fröbels Tod können wir verwirklichen, was Friedrich Fröbel forderte: 'Kommt, laßt uns unsern Kindern leben!'" (ebd., S. 158).

DDR-1Kein Spiel mit Bleisoldaten und Blechkanonen (Quelle: Ida-Seele-Archiv)

Doch die bewusste Erziehung zur "sozialistischen Persönlichkeit und Moral" rückte immer mehr in den Vordergrund. Die "neue Pädagogik" für den Kindergarten beruhte auf marxistisch-leninistischen Maximen. Demzufolge sollte die "Entfaltung der Selbsttätigkeit" nicht "vom Kinde aus", so wie in den Kindergärten der BRD, sondern gezielt von der Kindergärtnerin, d.h. in gesellschaftlich erwünschter und politisch vertretbarer Form, erfolgen. Kindergärtnerinnen berichteten in der Fachzeitschrift "Neue Erziehung im Kindergarten" über Besuche von Kindergärten im "Westen", um die "wahre und richtige DDR-Kindergartenpädagogik" herauszustellen. Dazu ein Beispiel:


"Während meines Urlaubs im Westen unserer Heimat suchte ich die Gelegenheit, einen Kindergarten zu besichtigen... Nicht wenig erstaunt war ich, als ich den Waschraum betrat. Meine erste Frage war nach Zahnbechern, Zahnbürsten und Kämmen. Die Leiterin erklärte mir ganz überzeugt, dass man den Eltern die Arbeit nicht nehmen wolle, die Kinder putzen die Zähne zu Hause... Die Erzieherinnen wollten über unsere pädagogische Planung keine Auskunft haben. Sie hielten diese zunächst für eine große Belastung, doch nachdem ich einiges in verständlicher Form erläuterte, begannen sie, sich zu interessieren... Ich konnte keinerlei planmäßige, zielgerichtete Erziehungsarbeit feststellen. An Beschäftigungen, die meist von Schülerinnen vorgenommen werden, brauchen nur die Kinder teilzunehmen, die Lust dazu haben. Die anderen spielen frei. Es geschieht alles 'vom Kinde aus'. Das Kind gestaltet den Tagesablauf selbst. Es kann von früh um 7 Uhr bis Mittag tun, was es will. Verspürt es Hunger, ganz gleich um welche Zeit, kann es sich hinsetzen und essen. Hier macht sich deutlich der Einfluss der Theorie der 'Nichteinmischung' bemerkbar. Unter der Losung dieser angeblichen 'Freiheit' werden die Kinder zu krassem Egoismus und Individualismus erzogen, ihre Entwicklung wird dem Selbstlauf überlassen und dadurch in Wirklichkeit unterdrückt.
Als mich die Leiterin fragte, ob ich denn hier nicht arbeiten möchte, mußte ich das sehr verneinen. Ich berichtete von unseren schönen Erziehungserfolgen und brachte zum Ausdruck, daß mich eine solche Erziehungsarbeit, wie ich sie hier gesehen habe, nicht befriedigen könnte" (Schütz 1955, S. 4).

img20210708 18023726DFD-Kindergarten im Dorf Sanitz bei Rostock (Quelle: Ida Seel-Archiv)
Laut Beschluss der Zweiten Parteikonferenz der SED im Jahre 1952 wurde aktiv mit dem planmäßigen Aufbau des Sozialismus begonnen. Das Erziehungsziel, zu dessen Verwirklichung alle Bildungs- und Erziehungsinstitutionen ihren Teil beizutragen hatten, wurde im Juli des gleichen Jahres vom Politbüro wie folgt formuliert:


"Die Jugend zu allseitig entwickelten Persönlichkeiten zu erziehen, die fähig und bereit sind, den Sozialismus aufzubauen und die Errungenschaften der Werktätigen bis zum Äußersten zu verteidigen...Sie sollen wertvolle Charaktereigenschaften besitzen, wie Willensstärke, Ausdauer, Entschlossenheit, Mut, Zielstrebigkeit und Prinzipientreue in ihrem Denken und Handeln" (zit. n. Krecker 1977, S. 437).


Diesem Postulat entsprechend, waren auch in den Kindergärten "neue Anstrengungen erforderlich, um eine allseitige Erziehung der Vorschulkinder zu gewährleisten... und die Kinder zu guten Sozialisten zu erziehen" (ebd., S. 438).


Den "Zielen und Aufgaben der vorschulischen Erziehung", herausgegeben vom "Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut" in Berlin, entsprechend, sollte der Kindergarten Emotionen für bedeutende Politiker fördern, beispielsweise "Gefühle der Liebe und Achtung zu W. Pieck und J. W. Stalin, wie zu einem nahen geliebten Menschen - Gefühle der Hochachtung und Bewunderung für W. I. Lenin und Ernst Thälmann" (Deutsches Pädagogisches Zentralinstitut 1952, S. 57). Beispielweise wurde in dem Beitrag über "Erzieht unsere Kinder am Vorbild Wilhelm Piecks", dem ersten und einzigen Präsidenten der DDR (1949 bis 1960), von einer Kindergärtnerin ausführlich darüber berichtet, wie die Kinder mit dem Leben und Schaffen ihres Präsidenten bekannt gemacht werden und in ihnen "Gefühle der Liebe und des Vertrauens zu ihm zu entwickeln" (Stadler 1954, S. 6) sind:


"Ich zeigte ihnen einige Bilder aus dem Buch 'Unser Präsident', um ihnen zu erklären, wie Wilhelm Pieck arbeitet. Die Kinder sahen ihn bei der Arbeit am Schreibtisch, am Rednerpult während einer Ansprache, im Gespräch mit Arbeitern, Bauern und Jungen Pionieren. Wenn die Kinder ihn auf den Bildern entdeckt hatten, riefen sie stets freudig: 'Hier ist Wilhelm Pieck, und hier ist er auch!' - 'Er hat schöne weiße Haare', bemerkte Eva und Gisela fügte hinzu: 'Schau, wie er hier lacht.' Diese Bemerkungen zeigten mir, daß sich die Kinder sein Bild fest eingeprägt hatten, sich für ihn interessierten und Zuneigung gewannen. Ich bemühte mich, beim Betrachten der einzelnen Bilder genau zu erklären, wie Wilhelm Pieck arbeitet und welchen Nutzen diese Arbeit für uns alle hat. Dabei wendete ich Vergleiche an mit der Arbeit der Menschen, die den Kindern bekannt war. Zum Beispiel: Er spricht vor vielen Arbeitern und sagt ihnen, wie sie arbeiten sollen, damit wir bald noch schönere Gegenstände in den Geschäften kaufen können, wie zum Beispiel unser Bürgermeister in einer Versammlung, die Vati und Mutti besuchten... Am Tage des Geburtstages des Präsidenten legte ich besonderen Wert darauf, das Gefühl der Zuneigung zu ihm zu erziehen. Gemeinsam schmückten wir sein Bild und das Gruppenzimmer. Ich hatte Zeitschriften mitgebracht, in denen dargestellt war, wie werktätige Menschen unseren Präsidenten besuchen. In meinen Erläuterungen achtete ich darauf, daß die Kinder erkannten: Zu Wilhelm Pieck kommen viele Menschen, wenn sie Sorgen haben, weil er ihnen hilft" (ebd., S. 7).


Am 30. Mai 1951 besuchte Wilhelm Pieck den Betriebskindergarten der "Stahl- und Walzwerke Riesa". Das ehemalige Kindergartenkind Ursel erinnerte sich mit folgenden Worten an den hohen Besuch:

DDR-2Wilhelm Pieck besucht den Betriebskindergarten der "Stahl- und Walzwerke Riesa" (Quelle: Ida-Seele-Archiv)

"Schnell bereiteten wir alles vor, bastelten Fahnen, zeichneten Bilder und lernten Lieder und Tänze. Dann war es endlich so weit. Wir schmückten den Weg, den Wilhelm Pieck entlangkommen mußte, mit vielen bunten Fähnchen und zogen unsere große Fahne auf... Als er ausgestiegen war, sang unser Chor, das Lied: 'Freude, ja Freude', dann durften Günther, Christine und ich ihn begrüßen und Blumen überreichen... Er sprach mit uns, ging mit an die Kahnschaukel und an das Karussell und sah uns beim Spielen und Tanzen zu. Zu Jörg, der gerade mit Bausteinen spielte, sagte er: 'Du kleiner Baumeister, du baust wohl ein neues Dresden?' Unser Kindergarten gefiel ihm sehr gut, er freute sich, daß die Räume sauber und wohnlich eingerichtet sind und daß wir so schöne Spielsachen besitzen" (ebd., S. 7 f).


Durch die "Verordnung über Einrichtungen der vorschulischen Erziehung und der Horte" (vom 18. September 1952) erfolgte die Verlegung der Betreuung von Schulkindern in den Hort. Bis dahin wurden die schulpflichtigen Kinder im Kindergarten mitbetreut, was eine systematische Erziehungs- und Bildungsarbeit und den bewussten Einsatz altersspezifischer Methoden und Mittel wesentlich erschwerte. Laut einer "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Einrichtungen der vorschulischen Erziehung und Horte" (vom 20. September 1952) wurden folgende Grundbestimmungen in § 2 über die Kindergärten festgeschrieben:


"(1) Kindergärten sind vorschulische Einrichtungen für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren, in denen vordringlich Kinder berufstätiger Mütter Aufnahme finden.
(2) Die Kinder werden in Altersgruppen zusammengefasst, und zwar wird die Gruppe der drei- bis vierjährigen, die Gruppe der vier- bis fünfjährigen und die Gruppe der fünf- bis sechsjährigen Kinder gebildet. Die bisher noch bestehenden Familiengruppen werden aufgelöst.
(3) Alle Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden in Einrichtungen des Gesundheitswesens (Krippen, Säuglingsheime usw.) nach den für sie geltenden Vorschriften untergebracht. Dafür sind die Referate 'Mutter und Kind' bei den Räten verantwortlich.
(4) Der Besuch des Kindergartens ist freiwillig. Die Anmeldung erfolgt unter persönlicher Vorstellung des Kindes bei der Leiterin des Kindergartens" (zit. n. Krecker 1979, S. 360).
Gleichsam der institutionellen Trennung von Kindergarten und Hort entsprach die Trennung der Ausbildungswege zur Kindergärtnerin und Hortnerin, "was dazu beitrug, das spezielle Fachwissen beider Gruppen zu vertiefen und die Erzieher besser auf ihre künftige Tätigkeit vorzubereiten" (Krecker 1977, S. 442).


1957 fand in Leipzig der V. Pädagogische Kongress sowie die erste Zentrale Konferenz der Vorschulerziehung statt. Hier wurden letztlich und unmissverständlich, wie Dietrich Hoffmann anmerkt, "die Weichen für das gestellt, was man 'sozialistischen Patriotismus' bzw. 'patriotische Erziehung' nannte" (Hoffmann 2004, S. 40). Auf der Tagung der Zentralen Konferenz der Vorschulerziehung charakterisierte der Minister für Volksbildung den Kindergarten als eine staatliche Einrichtung "die die Familie bei der Erziehung unterstützt und besonders den Kindern unserer Werktätigen eine glückliche Kindheit schafft" (zit. n. Krecker 1977, S. 445). Dabei hob er die Erziehung zur sozialistischen Heimatliebe besonders hervor:


"Der Kindergarten leistet seinen Beitrag zur sozialistischen Erziehung der Jugend, indem er den Altersbesonderheiten des Vorschulkindes entsprechend die kleinen Kinder so erzieht, daß sie sich in die Gemeinschaft des Kindergartens einordnen und für diese den Kräften entsprechend tätig sein können, daß sie darüber hinaus mit Liebe zu ihrer nächsten Umgebung, mit Liebe zur sozialistischen Heimat erfüllt sind" (zit. n. Krecker 1979, S. 362).


Die Erziehung zur "sozialistischen Vaterlandsliebe" bzw. zum "sozialistischen Patriotismus" war auch durchgängiges Thema der Fachzeitschrift "Neue Erziehung im Kindergarten". Dazu ein längerer Textausschnitt, die Erziehung zum Hass betreffend:


"Die Feinde unseres Volkes beschweren sich in ihrer Hetze gegen unser sozialistisches Vaterland, daß wir in die patriotische Erziehung der Jugend auch die Erziehung zum Haß einbeziehen. Sie verschweigen wohlweislich den Ausgangspunkt einer solchen erzieherischen Zielsetzung und ebenfalls die Tatsache, daß wir nicht zum Haß schlechthin, zu keinem blinden Haß, sondern zu einem bewußten zielgerichteten Haß gegen die Feinde unseres Volkes, unseres sozialistischen Vaterlandes und des Friedens und Glücks der Menschheit erziehen. Das sind aber nicht die Völker, sondern kleine, wenn auch gefährliche Cliquen, denen unser berechtigter und notwendiger Haß als Kehrseite echter Liebe gilt. Der Haß, zu dem wir erziehen, ist das notwendige Äquivalent der Liebe zu unserem Volk und Vaterland, zu allem wahrhaft Edlen und Menschlichen, weil er den Schutz dieser Liebe dient und sich gegen das Unmenschliche wendet... Dabei ist die patriotische Erziehung zunächst Gefühlsbildung, die durch das Hinzutreten des Denkens, der Kenntnisse, zu entsprechenden Überzeugungen führt. In letzter Konsequenz aber ist patriotische Erziehung eine Erziehung zum patriotischen Handeln. Diesterweg sagt: 'Patriotismus ist praktische Vaterlandsliebe'... Die Erziehung zum sozialistischen Patriotismus fördert in unseren Kindern die gesellschaftlichen Interessen, sie entwickelt sie zu bewußt gesellschaftlichen Menschen; sie gewöhnt die jungen Menschen daran, sich verantwortlich zu fühlen für das, was bei uns geschieht, was wird und stets zu denken: 'Wie kann ich mit meinen Kräften meinem sozialistischen Vaterland dienen?' Das ist bereits Ausdruck einer neuen moralischen Haltung" (Müller 1957, S. 17).


Am 2. Dezember 1959 trat das "Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik" in Kraft. Darin wurde die "zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule" (Krecker 1979, S. 374) für alle Kinder verpflichtend festgelegt. Die Erziehung zum Sozialismus hatte oberste Priorität:


"Wodurch wurde das neue Schulgesetz notwendig? Was ist das Neue? Weshalb mußte in der Erziehung der jungen Generation ein Schritt über die demokratische Schule hinaus getan werden? Es liegt im Wesen der sozialistischen Gesellschaft, daß ihr Fortschritt, ihre Entwicklung nach vorwärts der Menschen selbst vonstatten gehen kann. Der Aufbau des Sozialismus ist untrennbar verbunden mit der allseitigen Bildung und Erziehung des Volkes. Die Sache des Sozialismus verlangt aber auch, daß wir Menschen mit hohem Wissen erziehen, einem Wissen, das sie fest beherrschen, einem Wissen, das ihnen wie ein gutes Werkzeug stets zur Hand ist, das sie selbständig handelnd stets anwenden können. Die Sache des Sozialismus verlangt das Arbeite-mit, das Plane-mit, das Regiere-mit. Die Schule muß helfen, dazu die Voraussetzungen zu schaffen" (Ichenhäuser 1959, S. 2).


Dabei kam dem Kindergarten, als Stufe vor der Schule, zur Verwirklichung voran stehender Ziele eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, die bereits im § 13 des Ende 1952 verabschiedeten Gesetzes mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht wurde:


"In Kindergärten und anderen Einrichtungen der vorschulischen Erziehung sind die drei- bis sechsjährigen Kinder auf die Schule vorzubereiten, an das sozialistische Leben heranzuführen und mit dem Schaffen der werktätigen Menschen bekannt zu machen. Die besondere Fürsorge gilt den Kindern berufstätiger Mütter" (zit. n. Krecker 1979, S. 337).


Und an anderer Stelle ist nachzulesen:


"Noch zuwenig hat man bedacht, daß das hohe Niveau der sozialistischen Schule nicht erreicht werden kann ohne eine feste Schulordnung, ohne Ruhe und Stetigkeit. Deshalb ist die Anfang November vom Ministerrat erlassene Schulordnung für die Erziehungs- und Bildungserfolge von großer Bedeutung. Hier werden für die Vorschulerziehung wichtige Aufgaben sichtbar, die sie zwar im Keim schon in Angriff genommen hat, die aber jetzt in den Vordergrund rücken. Wenn gesagt wird, daß die neue Ordnung mit aktiver Hilfe der Schüler selbst realisiert werden soll, so beginnt dieser pädagogische Prozeß eben schon im Kindergarten. Hier beginnt bereits die Bewegung für die saubere, schöne Schule. Hier werden bereits die Grundlagen für die Freunde an der schönen Umgebung, für den Sinn für das gemeinschaftliche Handeln, für das Selbsttun gelegt... Die Kinder schulreif, für die sozialistische Schule reif zu machen, das ist eine hohe, beglückende Aufgabe für alle Erzieherinnen" (Ichenhäuser 1959, S. 2).


1961 erschien ein als Diskussionsmaterial erschienener Plan mit dem Titel: "Sozialistisch erziehen - allseitig bilden - auf die Schule vorbereiten". Dieser wurde unter Leitung des "Ministeriums für Volksbildung", von Mitarbeitern des "Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts" in Zusammenarbeit mit Praktikern erarbeitet:


"Dabei halfen das Studium der Klassiker des Marxismus-Leninismus, der Dokumente von Partei und Regierung, die Beschäftigung mit der sowjetischen Pädagogik und mit den Lehren aus der Geschichte der Vorschulerziehung... In diesem Plan wurde der Inhalt der pädagogischen Arbeit im Kindergarten für alle drei Altersgruppen übersichtlich und gegliedert dargestellt" (Krecker 1977, S. 451).
Für jede der speziellen Altersgruppe wurden Aufgaben und Inhalte festgeschrieben, die in einem Kindergartenjahr zu erfüllen waren. Der Plan gliederte sich in folgende Aufgabengebiete:

 

 

Betrachten wir folgend exemplarisch näher den Bildungs- und Erziehungsschwerpunkt: "Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben". Diesbezüglich sollten die Kinder, entsprechend ihrer Altersgruppenzugehörigkeit, mit den Gegebenheiten ihres Heimatortes, mit Persönlichkeiten aus der Politik und mit den sozialistischen Errungenschaften vertraut gemacht werden. Sie sollten Gefühle wie Stolz, Achtung vor den "fleißigen Werktätigen" und Gefühle der Verbundenheit mit dem "sozialistischen Vaterland" aufbauen. Ebenso sollten sie ihre "vielen Freunde in Westdeutschland" kennen lernen:


"Auch in Westdeutschland haben wir viele Freunde. Das sind die Arbeiter und alle Menschen, die für den Frieden eintreten und dafür, daß alle Kinder froh und glücklich leben können. Viele von diesen mutigen Menschen sind eingekerkert. Ihren Kindern geht es nicht immer gut. Wir können ihnen einen Brief oder ein Geschenk schicken. Sie sollen wissen, wir denken an sie und sind ihre Freunde" (Pädagogisches Zentralinstitut 1961, S. 216). Zum Bereich des "gesellschaftlichen Lebens" gehörten auch Feste und Feiern. Neben Weihnachten und Ostern zählten dazu: Tag der Republik, Internationaler Frauentag, Internationaler Kindertag und der 1. Mai.


In 35 Kindergärten sollte der Plan erprobt und die dabei gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse verallgemeinert werden und zur Erstellung einer methodischen Handreichung dienen. Doch das geplante Vorhaben kam nicht zur Verwirklichung. Diesbezüglich ist nachzulesen:


"Demgegenüber zeigte 1961 die Erprobung eines Bildungs- und Erziehungsplanes in 35 Kindergärten, daß weder Planungsformen der Schule noch der Unterricht schematisch auf den Kindergarten übertragbar waren. Selbst jene Kindergärtnerinnen, die für die Erprobung ausgewählt worden waren, fühlten sich überfordert und in ihrer ganzheitlichen pädagogischen Tätigkeit deutlich eingeengt und empfanden die Arbeit nach dem Plan lästig" (Lost 1993, S. 9).



Übergang zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft (1962-1972)


Die Entwicklung der DDR zu einem "modernen sozialistischen Staat" wurde in den folgenden Jahren mit allen zur Verfügung stehenden propagandistischen Mitteln vorangetrieben. Auf dem VI. Parteitag der SED (1963) sprach man vom "Sieg der sozialistischen Produktionsverhältnisse" (Woick 1968, S. 268) sowie von der "Entwicklung der DDR zu einem modernen sozialistischen Staat unter Einbeziehung immer breiterer Bevölkerungsschichten in der Leitung des Staates" (Krecker 1977, S. 456). Zum Kindergarten innerhalb des sozialistischen Bildungssystems führte Walter Ulbricht näher aus:


"Die Hebung der wissenschaftlichen Qualität der Ausbildung an unseren Schulen erfordert ein einheitliches Bildungssystem vom Kindergarten bis zur Hochschule und bis zur Erwachsenenqualifizierung. Den höheren Anforderungen an die Wissenschaftlichkeit der Ausbildung entsprechend ist es notwendig, den gesamten Inhalt der Bildung und Erziehung und das Zusammenwirken aller Bildungseinrichtungen und -stufen vom Kindergarten bis zum Hochschulwesen zu gewährleisten. Dabei ist es erforderlich, den Übergang von einer Bildungsstufe oder -einrichtung zur anderen inhaltlich aufeinander abzustimmen und einen kontinuierlichen Bildungs- und Erziehungsprozeß zu sichern" (zit. n. Hermann 1963, S. 2).


Das bedeutete konkret und wurde erneut angemahnt, dass der Kindergarten als erste Stufe des einheitlichen Bildungswesens die Kinder zielstrebiger auf die Schule vorzubereiten habe, "als das gegenwärtig der Fall ist" (Krecker 1977, S. 457). Neben der Empfehlung der Lektüre sowjetischer und ostdeutscher Fachliteratur wurde, "um eine zielstrebigere Vorbereitung der Kinder auf das Lernen in der Schule zu sichern, zu Beginn des neuen Schuljahres der überarbeitete Bildungs- und Erziehungsplan für die ältere Gruppe herausgegeben. Die Orientierung auf die pädagogisch-methodische Arbeit mit dem älteren Vorschulkind erfolgt aus dem Bestreben, gute Voraussetzungen für den kontinuierlichen Übergang vom Kindergarten zur Schule zu schaffen" (Hermann 1963, S. 3).


Um den Aufbau des Sozialismus zu gewährleisten und stärker voranzutreiben wurde am 25. Februar 1965 das "Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem" verabschiedet. Dieses verpflichtete alle Erziehungs- und Bildungsinstanzen (wie Kinderkrippe, Kindergarten, Hort, Schule, Universität, Einrichtungen der Aus- und Weiterbildung u.a.) auf das gleiche Erziehungs- und Bildungsziel. Als oberstes Ziel formulierte das neue Gesetz "eine hohe Bildung des ganzen Volkes, die Bildung und Erziehung allseitig und harmonisch entwickelter Persönlichkeiten, die bewusst das gesellschaftliche Leben gestalten, die Natur verändern und ein erfülltes, glückliches, menschenwürdiges Leben führen" (Krecker 1977, S. 458).


Nach § 11 sollten die Kindergärten "Stätten frohen Kinderlebens" sein und die Kinder lehren, "in zunehmenden Maße selbständig in der Gemeinschaft tätig zu sein. Sie sind in einer ihren Kräften und Fähigkeiten angemessenen Weise auf das Lernen in der Schule vorzubereiten und mit dem sozialistischen Leben und dem Schaffen der werktätigen Menschen bekannt zu machen" (ebd., S. 459).


Als Schwerpunkte der Bildung und Erziehung im Kindergarten wurden genannt:


• die gesunde körperliche und geistige Entwicklung der Kinder,
• die Entwicklung der Muttersprache,
• die intellektuelle, ästhetische und sittliche Erziehung (vgl. ebd., S. 459).

Doch das neue "Gesetz über das einheitliche sozialistische Bildungssystem" bedurfte, speziell für die Belange der Kindergärten, eines eigenständigen Bildungs- und Erziehungsplanes, mit dessen Ausarbeitung das "Deutsche Pädagogische Zentralinstitut" in Berlin beauftragt worden war. 1967 erschien der "Bildungs- und Erziehungsplan für Kindergärten", der ab 1. September 1968 für alle Kindergärtnerinnen als verpflichtenden Arbeitsgrundlage galt. Über die ihm zugrundeliegende "sozialistische Pädagogik" ist nachzulesen:


"Die Ziele und Inhalte sowie die methodische Konzeption des Bildungs- und Erziehungsplanes mußten von den Erfordernissen der entwickelten sozialistischen Gesellschaft abgeleitet und in ihrer Beziehung zum sozialistischen Leben betrachtet und von daher bestimmt werden. In allen Forderungen waren Wissenschaftlichkeit und sozialistische Ideologie wirksam zu machen. Der Bildungs- und Erziehungsplan mußte so aufgebaut werden, daß er die systematische, zielstrebige Führungstätigkeit der Erzieherin sichern hilft. Die Verbindung von Bildung und Erziehung mit dem sozialistischen Leben ist der entscheidende Grundsatz der sozialistischen Pädagogik. Er geht von der Tatsache aus, daß die Vorbereitung der Kinder und Jugendlichen auf die Arbeit und das Leben in der DDR Angelegenheit der gesamten Gesellschaft unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei ist. In diesem Grundsatz drückt sich auch die Übereinstimmung der Entwicklung der ökonomischen, politischen und kulturellen Bedingungen in der DDR mit den pädagogischen und schulpolitischen Maßnahmen aus. Die Erziehung sozialistischer Persönlichkeiten muß deshalb in enger Verbindung mit dem Kampf und dem Wirken der Arbeiterklasse und den anderen Werktätigen unserer Republik stehen. Die sozialistische Erziehung im Kindergarten soll sich in enger Verbindung mit den in der näheren Umgebung arbeitenden Menschen vollziehen, damit die Kinder die in ihrer täglichen Pflichterfüllung, ihrer praktischen Tätigkeit und ihrer Lebensweise erleben und sich zum Vorbild nehmen... Das Leben im Kollektiv der Kindergruppe selbst, das Leben im Kindergarten ist ein Teil des sozialistischen Lebens, mit dem das Kind unmittelbar verbunden ist, an dem es direkt teilnimmt. Über das Kollektiv der Gruppe wird ihm der Zugang zum größeren Kollektiv des Kindergartens zum gesellschaftlichen Leben erschlossen" (Pfütze 1972, S. 2).


Klare und konkrete methodisch-didaktische Hinweise zur Erreichung des sozialistischen Bildung- und Erziehungszieles enthielt der Bildungs- und Erziehungsplan. Beispielsweise war die "Herausbildung freundlicher Gefühle zu den Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA)" ein wichtiger Erziehungs- und Bildungsfaktor. Gefühle der Verbundenheit... zu den Angehörigen der bewaffneten Streitkräfte" (Ministerium für Volksbildung 1967, S. 8) sollte bei den Kindern herangebildet werden, beispielsweise durch Lieder. Bereits die Kleinsten lernten das Lied "Der Volkspolizist":


"Und wenn ich mal groß bin,
damit ihr es wisst,
dann werde ich auch so ein Volkspolizist.
Der Volkspolizist,
der es gut mit uns meint,
... er ist unser Freund" (http://www.zeit.de/online/2006/31/kindergarten-konzepte-ddr).

 

DDR-3Besuch von Soldaten der NVA im Kindergarten (Quelle: Ida-Seele-Archiv)

Entsprechend dem Bildungs- und Erziehungsplan erfolgte die Umsetzung des Ziels "freundschaftliche Gefühle zu den Soldaten der NVA" in vielen Organisationsformen und im gesamten Tageslauf, "zum Beispiel im Spiel, in der Arbeit und in der Beschäftigung. In einer Beschäftigung zum 'Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben' führte die Erzieherin mit den Kindern ein Gespräch über die Soldaten der NVA. Sie erklärte zum Beispiel an Hand von Bildmaterial, daß die Soldaten gleiche Kleidung tragen, die man Uniform nennt. Die Kinder erfuhren, daß die Soldaten Übungen durchführen, die zum Schutz der Heimat notwendig sind, Sport treiben und in ihrer Freizeit viel lesen, um sich gute Kenntnisse für ihre Tätigkeit in der Armee anzueignen... In Arbeitsgruppen besprachen wir, wie in allen Gruppen der Jahrestag der NVA für die Kinder zu einem eindrucksvollen Erlebnis gestaltet werden kann... Ein uns bekannter junger Mann leistet zur Zeit seinen Ehrendienst bei der nationalen Volksarmee. Gewissenhaft versehen er und seine Kameraden den verantwortungsvollen Dienst an der Staatsgrenze der DDR. Wir wollten mehr von seinem Leben bei den Soldaten hören und baten ihn, uns darüber zu berichten. In seinen Briefen an die Kindergruppe erzählte er von seinem Wachhund 'Rex', mit dem er als Hundeführer Kontrollgänge absolviert. Er berichtete uns auch darüber, daß man nur dann Hundeführer wird, wenn man ein besonders verantwortungsbewußter Soldat ist... 'Unser Soldat', so nennen ihn die Kinder, treibt regelmäßig Sport und liest viel... Die Kinder versuchen, ihm nachzueifern. In den Turnübungen werden die Übungen genauer und exakter durchgeführt. Bei Beschäftigungen und auch im gesamten Tagesablauf bemühen sie sich, ihre Arbeiten gut auszuführen und sie ständig zu verbessern. Sie wollen so sein wie ihr Soldat" (Spiegler/ Singer 1972, S. 17 f.).

DDR-4Hissung der großen Fahne zu Feierlichkeiten der Partei und des Staates (Quelle: Ida-Seele-Archiv)

Im Mai 1970 fand der VII. Pädagogische Kongress statt. Man diskutierte die seit dem Inkrafttreten des "Gesetzes über das einheitliche sozialistische Bildungssystem" erreichten Schritte. Dabei wurde erneut eine Verbesserung der Kindergartenpädagogik und des Bildungs- und Erziehungsplanes gefordert. Das bedeutete: eine noch systematischere Erziehung und Schulvorbereitung. Margot Honecker betonte in ihrem Referat "Wir lehren und lernen im Geiste Lenins", dass es "Aufgabe unserer Vorschulerziehung (sei; M.B.), die geistigen und körperlichen Fähigkeiten der Kinder auszubilden, ihre Sprache und ihr Denken zu entwickeln, sie mit dem gesellschaftlichem Leben und der Natur bekannt zu machen" (Honecker 1970, S. 784).


Und weiter forderte Margot Honecker:


"Es geht nicht darum, den Kindern Schulstoff zu vermitteln, wir wollen sie aber in die Anfänge einfachster mathematischer Zusammenhänge einführen, ihre schöpferischen Fähigkeiten im Malen, Zeichnen, Formen, Konstruieren, Singen, Tanzen und Darstellen ausbilden. Die Erziehungsarbeit in unseren Kindergärten ist darauf ausgerichtet, die Kinder zur Liebe zur Heimat, zur Achtung vor dem werktätigen Menschen, zur Freundschaft und Solidarität zu erziehen, ihre Wißbegierde und Freude am Lernen und an der Arbeit wecken... Das Leben im Kindergarten soll froh und interessant sein. Die Atmosphäre muß dazu beitragen, daß sich freundschaftliche Gefühle der Kinder untereinander, ihr Bedürfnis entwickeln, für die Gemeinschaft Nützliches zu tun, daß sich sittliche Gewohnheiten und ein guter Geschmack herausbilden können" (ebd., 1970, S. 784).


Auf dem ein Jahr später erfolgten VIII. Parteitag der SED wurde die sozialistische Erziehung der Jugend und die Formung des "sozialistischen Bewußtseins" als weiteres anzustrebendes Erziehungsziel postuliert. Die Kindergärtnerinnen wurden eindringlich darauf hingewiesen, "alle Potenzen des Bildungs- und Erziehungsplanes für die allseitige Bildung und Erziehung der Kindergartenkinder auszuschöpfen und dadurch die Qualität der pädagogischen Arbeit im Kindergarten zu erhöhen" (Hasdorf 1972, S. 69).
Die ständig angestrebte Verbesserung der sozialistischen Erziehung in den Kindergärten ging einher mit einer kontinuierlichen Erweiterung der Kindergartenplätze, verbunden mit einer Verbesserung der personellen, als auch materiellen Bedingungen. So erhöhte sich die Zahl der Kindergärten im Jahre 1972 auf 11.226, wobei 642.956 Kinder betreut wurden. Damit erreichte der Staat einen für die damalige Zeit ungemein hohen Versorgungsgrad von 68,8% aller drei- bis sechsjähriger Kinder (vgl. Krecker 1977, S. 480).



Gestaltung der Sozialistischen Gesellschaft (1972-1990)


Der IX. Parteitag der SED (1976) beschloss, die Anzahl der Kindergartenplätze bis zum Jahre 1980 so weit zu erhöhen, dass "alle Kinder, deren Eltern es wünschen, in Kindergärten betreut und erzogen werden" können (Krecker 1986, S. 472)

DDR-5Erziehung zur Heimatliebe. Besichtigung der Stalinallee in Berlin (Quelle: Ida-Seele-Archiv)

Das Parteiprogramm hielt zudem fest, dass "in der Deutschen Demokratischen Republik weiterhin die entwickelte sozialistische Gesellschaft zu gestalten und so grundlegende Voraussetzungen zum Kommunismus zu schaffen" seien (Woick 1988, S. 269).
Damit fand ein terminologischer Wechsel von "sozialistischer" zu "kommunistischer Erziehung" statt. Dieser bekundete die verstärkte Orientierung am Niveau der sowjetischen Gesellschaftsentwicklung und -ordnung. Demnach war es Aufgabe aller Erziehungs- und Bildungseinrichtungen, "junge Menschen zu erziehen und auszubilden, die, mit solidem Wissen und Können ausgerüstet, zu schöpferischem Denken und selbständigem Handeln befähigt sind, deren marxistisch-leninistisch fundiertes Weltbild die persönlichen Überzeugungen und Verhaltensweisen durchdringt, die als Patrioten ihres sozialistischen Vaterlandes und der proletarischen Internationale fühlen, denken und handeln. Das Bildungswesen dient der Erziehung und Ausbildung allseitig entwickelter Persönlichkeiten, die ihre Fähigkeiten und Begabungen zum Wohle der sozialistischen Gesellschaft entfalten, sich durch Arbeitsliebe und Verteidigungsbereitschaft, durch Gemeinschaftsgeist und das Streben nach hohen kommunistischen Idealen auszeichnen" (Woick 1988, S. 269).


Die sowjetische Vorschulpädagogik, "die in der pädagogischen Wissenschaft der Welt einen besonderen Platz" (Jadeschko/Sochin 1983, S. 16) einnahm, avancierte zur parteilich verordneten Pflichtlektüre jeder DDR-Kindergärtnerin. Für die kommunistische Erziehung, "das heißt die Aneignung der marxistisch-leninistischen Ideologie" (ebd., S. 72), nahm die "Anerziehung brüderlicher Gefühle" einen besonderen Stellenwert ein. Diese schloss auch eine Erziehung zur "Unversöhnlichkeit gegenüber allem" ein, "was der sozialen und moralisch-politischen Einheit Schaden zufügen kann, Unversöhnlichkeit gegenüber allen Erscheinungen des Nationalismus, Chauvinismus und der nationalen Beschränktheit" (ebd., S. 73).


In den folgenden Jahren wurde massiv das Netz der Kindergärten in der gesamten DDR ausgeweitet, auf dem Land wie in den Städten. Der Ministerrat der DDR brachte im April 1976 die "Verordnung über Kindereinrichtungen der Vorschulerziehung" heraus. Diese klärte für alle betreffenden Einrichtungen organisatorische Fragen, unterstrich sowohl die Wichtigkeit der Zusammenarbeit zwischen Kindergarten, Elternhaus und Öffentlichkeit als auch die Verantwortung der ganzen Gesellschaft für die allseitige sozialistische Entwicklung der Kinder. Die neue Verordnung sollte vor allem aber auch dazu betragen, "die Verantwortung der staatlichen Organe und aller an der Erziehung beteiligten Kräfte für die Weiterentwicklung der Kindereinrichtungen zu erhöhen und noch günstigere Bedingungen für eine wachsende Qualität der Vorschulerziehung zu schaffen (und; M.B.) die gesellschaftliche und Familienerziehung enger zu verbinden, weil besonders die frühe Kindheit und Lebensbedingungen der Kinder im diesem Alter einen außerordentlich großen Einfluß auf den gesundheitlichen Zustand, die Stabilität des Nervensystems sowie auf die physische und psychische Belastbarkeit des Menschen in seinem zukünftigen Leben haben" (Krecker 1986, S. 474).


So sah die Verordnung u.a. vor, dass die Arbeitszeit der Eltern mit den Öffnungszeiten der Kindergärten übereinstimmte und längere Anfahrtswege für die Kinder durch die Bereitstellung von Einrichtungen in Wohnortsnähe vermieden wurden. Dabei favorisierte man den Neu- und Ausbau von kombinierten Einrichtungen, d.h. Kinderkrippe und Kindergarten waren im selben Gebäudekomplex untergebracht.


Als Anregung zur Ausgestaltung der vielen neu geplanten (als auch bereits bestehenden) Kindergärten (und Kinderkrippen) und ihrer Freiflächen erschien im Jahre 1978 das vielbeachtete Buch "Kindergarten zweckmäßig und schön. Anregungen zur Ausgestaltung des Kindergartens und seiner Freiflächen". Darin wurden Vorschläge gegeben zu:

 

Über die Bedeutung eines zweckmäßigen und schönen Kindergartens schrieb Oberstudienrätin Marga Arndt, eine der renommiertesten WissenschaftlerInnen der DDR-Vorschulpädagogik:


"Unsere Vorschulkinder sollen in schönen und zweckmäßig gestalteten Kindergärten aufwachsen. Das Schöne sehen wir nicht als Eigenschaft einzelner Dinge an. 'Erst dadurch, daß es im sozialen Lernprozess wirksam zu werden vermag, erweist es sich als Schönes'. Als zweckmäßig und schön bezeichnen wir den Kindergarten, wenn er den Kindern ein interessantes Leben im Kollektiv ermöglicht, ihre Bedürfnisse nach sinnvoller, schöpferischer und selbständiger Betätigung erfüllt. Zweckmäßig und schön sind die Gegenstände im Kindergarten, die eine Funktion erfüllen, die den Inhalt des Lebens der Kinder, ihr Denken und Handeln positiv bereichern und ästhetische Beziehungen und Emotionen ermöglichen. Deshalb prüfen wir bei der Ausstattung und Gestaltung des Kindergartens alle Gegenstände sowie die Gesamtheit aller Arbeits- und Lebensbedingungen, inwieweit sie der Einheit und Funktion, Zweck und Schönheit entsprechen. Schön kann ein Kindergarten nur dann sein, wenn in allen Bereichen Sauberkeit und Ordnung herrschen... Das Vorschulkind fühlt sich im Kollektiv wohl, es ist gern mit mehreren Kindern zusammen. Durch die Ausstattung der Gruppenräume und des Freigeländes muß gewährleistet sein, daß sich die Kinder in kleinen Gruppen und auch einmal allein betätigen können. Um den Aufenthalt der Kinder an frischer Luft zu sichern, muß die Freifläche den Kindern viele Betätigungsmöglichkeiten bieten. Spiele verschiedener Art, einfache Garten- und Pflegearbeiten, sportliche Tätigkeiten und verschiedenartige Beschäftigungen müssen auch im Freien durchgeführt werden können" (ebd., S. 17).


Die schon zu Anfang erwähnte Zweite Zentrale Konferenz für Vorschulerziehung, an der Kindergärtnerinnen, pädagogische WissenschaftlerInnen, Partei- und Schulfunktionäre teilnahmen, stand unter dem Motto, die Kinder zu "allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeiten" zu erziehen:


"Wenn wir über die weitere Vervollkommnung der Vorschulerziehung beraten, dann gehen wir zugleich von der wachsenden Verantwortung der Familie für die Erziehung ihrer Kinder aus. Bekanntlich hat der IX. Parteitag die große Verantwortung der Eltern hervorgehoben und die Erziehung der Kinder zu gesunden, lebensfrohen Menschen, zu sozialistischen Persönlichkeiten, als eine hohe gesellschaftliche Verpflichtung der Familie charakterisiert. Die Familie ist es, die den Charakter und das moralische Antlitz des Heranwachsenden entscheidend prägt und durch die tiefen Gefühle der Liebe und Zuneigung, durch die vertrauensvollen Beziehungen der Familienmitglieder, durch ihre Vorbildwirkung unersetzbare Grundlagen dafür schafft, das Kind zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft herauszubilden. Deshalb ist unsere Aufgabe, bei den Kindern die Grundlagen für ihre Entwicklung zu allseitig gebildeten sozialistischen Persönlichkeiten zu schaffen, nur im engen Zusammenwirken mit den Eltern zu erreichen. Die Praxis beweist, dass in den Kindergärten ein vertrauensvolles Verhältnis zu den Eltern besteht und sich auch viele bewährte Formen der Zusammenarbeit herausgebildet haben" (Ministerium für Volksbildung 1978, S. 21).

 

Eine Sensation: Ein autonomer Kinderladen
Ziemlich unbekannt ist bis heute geblieben (zumindest in den alten Bundesländern), dass sich 1980 in Ostberlin eine kleine Sensation auf dem Gebiet der Vorschulpädagogik vollzog. Die 27-jährige Ulrike Poppe (vgl. http://www.mdr.de/damals/webtv/kinder-des-ostens/poppe108.html) gründete 1980 mit Gleichgesinnten in der Husemannstraße 14 am Prenzlauer Berg einen autonomautonom|||||Autonomes Handeln beinhaltet den Zustand der Selbstständigkeit, Unabhängigkeit Selbstbestimmung, Selbstverwaltung oder Entscheidungsfreiheit.en Kinderladen, den ersten und einzigen in der DDR. Eine Kinderkrankenschwester wurde angestellt, die maximal acht Kindern zu betreuen hatte. Außerdem war immer ein Elternteil in der Einrichtung anwesend. Im Sommer 1983 wurden die Initiatorinnen aufgefordert, den Kinderladen zu räumen, da die Räume für eine kinderreiche Familie gebraucht werden. Poppe schrieb eine Eingabe an die zuständige Administration. Daraufhin wurde sie "vor den Bezirksbürgermeister geladen. Sie kann sich erinnern, dass dieser sagte, man könne es nicht dulden, dass eine Alternative zum staatlichen Erziehungssystem errichtet werde, zumal dieses weltweit für seine hohe Qualität bekannt sei. Um sich der Solidarität der Nachbarschaft zu versichern, veranstaltete der Kinderladen daraufhin einen Tag der offenen Tür" (http://www.berliner-zeitung.de/archiv/der-einzige-kinderladen-in-der-ddr,10810590,9954334.html). Doch vergebens: Am 16. Dezember 1983 fuhr morgens um sechs Uhr ein LKW vor und der Kinderladen wurde auf Befehl des Staatssicherheitsdienstes geräumt und zugemauert. Die freigewordenen Räume wurden nicht, wie behördlicherseits angekündigt, von einer kinderreichen Familie bezogen, sie blieben bis zur Wende leer.

 

Ideologiosierte Kinderpädagogik: "Das Blaue Buch"

DDR-6Ein (vermeintlicher) "Meilenstein" in der Kindergartenpädagogik der DDR war das "Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten", genannt das "blaue Buch", das am 1. September 1985 für alle Kindergärten verbindlich in Kraft trat. Herausgegeben und auf seine ideologische Stimmigkeit überprüft wurde es von Margot Honecker, Ministerin für Volksbildung. In dem Programm wurde festgelegt, dass die Kinder von "klein auf zu sozialistischen Staatsbürger" zu erziehen "und gut auf die Schule vorzubereiten" seien:


"Die Erziehung zur sozialistischen Moral ist darauf zu richten, die Kinder zur Liebe zu ihrem sozialistischem Vaterland, der DDR, zur Liebe zum Frieden, zur Freundschaft mit der Sowjetunion und allen anderen sozialistischen Ländern, im Geiste des Internationalismus und der Solidarität mit den unterdrückten, für Freiheit und Unabhängigkeit kämpfenden Völkern zu erziehen. Das Leben im Kindergarten ist so zu gestalten, daß die Kinder die Bereitschaft und Fähigkeit erwerben, sich aktiv am Leben im Kollektiv zu beteiligen" (Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik 1986, S. 7).


Der allgemeinen Einführung in die Hauptaufgaben der Bildung und Erziehung im Kindergarten folgte ein umfangreiches, ausdifferenziertes Curriculum "mit genauen Anweisungen für die Erzieherin, aber auch mit bis ins Detail festgelegten Lernzielen und Inhalten hinsichtlich der Förderung und Entwicklung der Kinder" (Kosubeck 1987, S. 699).

 

Kinderturnen in DDR"Die Erzieherin sichert die tägliche Durchführung von Körperübungen und Spielen möglichst im Freien (am Morgen, am Vormittag, nach dem Mittagsschlaf, am Nachmittag und zum Tagesausklang)" (Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik 1986, S. 248)Zusammenfassend beinhaltete das "Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit im Kindergarten" die körperliche, geistige, hygienische, sittlich-moralische, musische und die ästhetische Erziehung. Die genannten Erziehungsaspekte sollten in allen Organisationsformen der pädagogischen Arbeit im Kindergarten über vielfältige und inhaltsreiche Gegebenheiten, Situationen und Tätigkeiten der Kinder realisiert werden, durch eine anregende Atmosphäre, durch Spiel, Arbeit und Beschäftigungen:


Die Hauptaufgaben der Bildung und Erziehung im Kindergarten für die einzelnen Altersgruppen (jüngere, mittlere und ältere Kinder) im Kindergarten. Ziele und Aufgaben der Erziehung:

 

An dieser Stelle sollen einige ausgewählte pädagogische Ziele für die ältere Gruppe aus dem Bereich "Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben" hervorgehoben werden. U.a. sollten die Kinder "... mehr darüber erfahren, wie die Menschen ihres Heimatortes in früheren Zeiten gelebt und gearbeitet, wie sie für ein besseres Leben und gegen den Krieg und Faschismus gekämpft haben. Sie sollen wissen, dass es in der DDR keine Ausbeuter und Faschisten gibt, wie z.B. in der BRD.
... wissen, dass Ernst Thälmann und Wilhelm Pieck in der DDR geehrt werden, weil sie standhafte Kommunisten waren, die für ein besseres Leben der Arbeiter, gegen Krieg und Faschismus mutig gekämpft haben... Sie erfahren, dass Erich Honecker sich mit ganzer Kraft dafür einsetzt, daß das, wofür Ernst Thälmann und Wilhelm Pieck gekämpft haben, weitergeführt und verwirklicht wird.
... wissen, daß die NVA und die Armeen der Sowjetunion und der befreundeten sozialistischen Länder verbündet sind und gemeinsam ihre Länder und den Frieden zuverlässig schützen. Sie erfahren von den Manövern der verbündeten Armeen und von Begegnungen Angehöriger der NVA mit Angehörigen der Sowjetarmee" (Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik 1986, S. 218 ff.).


Zu dieser inhaltlichen Gestaltung fügte sich ein typischer Tagesablauf:


Tageszeit Tageseinteilung/Fachgebiete
6.15 - 8.00 Fröhlicher Morgenbeginn, Spiele, Gesundheitskontrolle
8.00 - 8.30 Ämterverteilung, Körperpflege (z.B.: Zähneputzen)
8.30 - 8.50 Frühstück
8.50 - 9.00 Spiele
9.00 - 9.20 I. gezielte Beschäftigung
9.20 - 9.30 Pausengestaltung
9.30 - 9.45 II. gezielte Beschäftigung
9.45 - 11.15 Spiele im Wechsel mit anderen Tätigkeiten (z.B.: Aufenthalt im Freien)
11.15 - 11.30 Körperpflege (z.B.: Nagelpflege)
11.30 - 12.00 Mittagsmahlzeit
12.00 - 12.30 Waschraum, Ausziehen und Fertigmachen zum Schlaf
12.30 - 14.30 Mittagsschlaf
14.30 - 15.15 Spiele im Wechsel mit anderen Tätigkeiten (z.B. Besuch eines Patenbetriebs)
15.15 - 15.30 Nachmittagskaffee
15.30 - 17.00 Spätdienst (Spiele, Tagesausklang)
(vgl.: Höltershinken/ Hoffmann/ Prüfer 1997, S. 85 u. 300 ff.)


Auffallend war am "blauen Buch" seine "stringente Diktion wie 'Die Kinder sollen wissen', 'Den Kindern ist zu verdeutlichen', 'Die Kinder sollen verstehen lernen', 'Es ist ihr Wunsch zu entwickeln', die zu systemkonformer Ideologie führt. Eine individuelle personale Entfaltung, die auch divergierendes Denken und Handeln einschließt, kann sich so erst gar nicht entwickeln" (Kosubeck 1979, S. 73).


Das Programm, das "im Zusammenwirken von Pädagogen, Psychologen, Methodikern und Praktikern der Untersuchungskindergärten" (Sültmann 1990, S. 73) entstanden ist, wurde in seiner anfänglichen Arbeitshaltung von Margot Honecker nicht akzeptiert, da die sozialistische Ideologie zu wenig Beachtung fand. Genannte brachte kurzerhand ihre Vorstellungen ein, die wiederum seitens der Praktiker und Wissenschaftler Anlass zu vorsichtiger Kritik an dem einheitlichen Erziehungs- und Bildungsplan boten. Doch die Kritik wurde "ignoriert oder aus ideologischer Warte aufs schärfste zurückgewiesen" (Frieck 1991, S. 2 f.).


Erst nach der Wende äußerten sich in aller Regel "einheimische Kritiker... oft hart, gelegentlich vernichtend" (ebd., 1991, S. 3) über das "blaue Buch" (das sofort nach dem Zusammenbruch der DDR außer Kraft gesetzt wurde):


"Als wir 1985 das Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit erstmals in den Händen hielten, waren wir sprach- und fassungslos, insbesondere über die Ziele, Aufgaben und Inhalte des Bekanntmachens mit dem gesellschaftlichen Leben. Nehmen wir nur die Jahresaufgabenstellungen! Wir fühlten uns betrogen, auch beleidigt und waren trotzdem außerstande energisch zu reagieren. Obwohl das bitter nötig gewesen wäre. Die Hinhaltetechnik, das im Ungewissensein, die ideologische Zensierung über viele Jahre hatten uns an den Rand der Verzweiflung gebracht... Wie stehen wir deshalb zum Herausgeber, zum Unterzeichner dieses Machwerkes?
Das Programm für die Bildungs- und Erziehungsarbeit für den Kindergarten wurde vom ehemaligen Minister für Volksbildung, Margot Honecker, herausgegeben. Weitere Mitarbeiter sind nicht genannt. So zeichnet Frau Honecker für die ausgewiesenen Ziele und Inhalte allein verantwortlich. Ob es wohl ihr Produkt ist? Es muß doch sein! Ist nicht schon das eine Form der Amtsanmaßung und Amtsmißbrauch?... Alle, die ehrlichen Herzens einer wirklich guten Entwicklung unserer Kindergartenkinder - und damit ihren Eltern und der Gesellschaft - dienen wollen, sollten sich von den unqualifizierten Arbeitsergebnissen der ehemaligen Ministerin distanzieren" (Sültmann 1990, S. 74).


Eindeutig belegt dieses Zitat die Ohmacht der Kindergärtnerinnen, ist Beispiel dafür, dass sich in der ehemaligen DDR pädagogische Einsichten an der Basis nicht gegen parteipolitische Forderungen durchsetzen konnten. Die Macht des Staatsapparates war zu groß. In diesem Spannungsfeld von Parteipolitik und pädagogisch/ wissenschaftlicher Vernunft mussten in der DDR Erzieher/innen und Wissenschaftler/innen tagtäglich arbeiten.


Noch kurz vor der Wende fand im Juni 1989 in Berlin der IX. Pädagogische Kongress statt. Dabei wurde auf die Fortschritte und Errungenschaften einer über 40-jährigen sozialistischen Bildungspolitik zurückgeblickt. Außerdem wurden die Aufgaben des sozialistischen Bildungssystems bis in das nächste Jahrhundert festgeschrieben. Demnach sollte die Jugend noch "effektiver", noch "wirksamer" und noch "konkreter" mit dem sozialistischen Leben und dem Sozialismus vertraut gemacht werden (vgl. Theologische Studienabteilung beim Bund der Evangelischer Kirchen in der DDR 1989, S. 11 ff.).


Doch es kam anders. Die friedliche Revolution verhinderte die Durchsetzung der neu postulierten sozialistischen Erziehungs- und Bildungsziele. Bis zur Vereinigung der beiden deutschen Staaten hatte die DDR in über 40 Jahren eine fast flächendeckende Versorgung der Drei- bis Sechsjährigen geschaffen. Auch im kleinsten und entlegensten Dorf gab es einen Kindergarten. 1989 gab es über 13.400 Kindergärten (einschl. Saisoneinrichtungen). Das entsprach in etwa einem Versorgungsgrad von 98% (vgl. Tietze/ Rossbach 1983, S. 109 u. 184). Die Öffnungszeiten der Kindergärten orientierten sich an den Lebensbedingungen der berufstätigen (und studierenden) Mütter. Die meisten Kindergärten waren von 6 Uhr morgens bis 17 Uhr, teilweise bis 19 Uhr geöffnet.


Die Wende veränderte schlagartig die Situation. Als erste schlossen viele Betriebe ihre Kindergärten, "weil sie sich rasch dieser unproduktiven Einrichtungen entledigen wollten" (Aden-Grossmann 2000, S. 273). Hinzu kam, dass die Kindergartengebühren erheblich anstiegen und die Geburtenrate im "Osten" abrupt zurück ging (diese sank von 200.000 Geburten im Jahr 1989 auf ca. 110.000 im Jahr 1991). Diese Tatsachen führten zu einer verringerten Nachfrage nach Kindergartenplätzen und zu einer Überkapazität, "die abgebaut werden mußte, d.h., die Kommunen mußten in einem erheblichen Umfang Erzieherinnen entlassen und Plätze in Tageseinrichtungen abbauen" (ebd., S. 274).


Bereits unmittelbar nach dem Zusammenbruch der DDR bildete sich auch ein "runder Tisch", der sich speziell mit der inhaltlichen Erneuerung aller pädagogischer Einrichtungen befasste und neue Konzepte forderte:


"Themen wie das 'Menschenbild' und das 'Bild vom Kind', die der Pädagogik der DDR zugrunde lagen, wurden in den ersten Monaten nach der Wende in einem Kreis diskutiert und die Ideologisierung und Kontrolle der pädagogischen Institutionen kritisiert. Aber schon nach wenigen Monaten verebbte in der Öffentlichkeit das Interesse an einer Aufarbeitung der pädagogischen Praxiserfahrungen und der Entwicklungen. In den Vordergrund traten die Sorge um den Erhalt der Arbeitsplätze... und das Bemühen um die Anerkennung der Berufsausbildungen" (ebd., S. 274).


Nach der Wende gestaltete sich die Suche nach einem geeigneten pädagogischen Konzept, in deren Mittelpunkt nicht mehr die sozialistische Ideologie sondern die Förderung der Individualität des Kindes stand, äußerst schwierig. Überwiegend wurde anfänglich der in den alten Bundesländern favorisierte "Situationsansatz" als curriculares Konzept übernommen, jedoch ohne dieses genau zu überprüfen. Doch bald erfolgte eine zunehmende kritischere Auseinandersetzung mit dieser Konzeption, die viele Kindergärtnerinnen Ostdeutschlands enttäuschte:


"Nach Besuchen in westdeutschen Kindergärten ist immer wieder zu hören, daß sich ostdeutsche Kolleginnen enttäuscht und zum Teil auch äußerst kritisch äußern: Vieles dort finden sie chaotisch, schmuddelig und zum Teil auch beliebig. Sie sehen nicht, wo und wie Erzieherinnen Anforderungen an Kinder stellen und fragen sich, ob Kinder so ausreichend auf die Schule vorbereitet werden" (Krug 1995, S. 137 f).



6. Schlussbetrachtung


Der Kindergarten in der sowjetisch besetzten Zone und DDR war von Anfang an als Ganztagseinrichtung konzipiert, "zunächst, um die Mütter für Beruf und Studium freizustellen, aber auch, um das Prinzip der 'Erziehung durch die Gesellschaft' möglichst umfassend realisieren zu können" (Lost 2000, S. 193). Er war, wie alle Bildungs- und Erziehungsinstitutionen in diesem sozialistischen Staat, ein Instrument, um die Kinder sozialistisch, d.h. nach gesellschaftlich erwünschten und postulierten Zielen zu erziehen und zu bilden. Dabei ist festzustellen, dass bis zum Jahr 1949 überwiegend "sozialistisch bzw. kommunistisch motivierte reformpädagogische Ideale verfolgt wurden. Danach ging es immer weniger darum, Demokraten zu bilden, als vielmehr "'die jungen Erbauer des Sozialismus zu erziehen'" (Hoffmann 2004, S. 39), was sich insbesondere in den staatlichen Programmen sowie Bildungs- und Erziehungsplänen ausdrückte. Der Kindergarten der DDR wurde als unterste Stufe in ein allgemeines Bildungs- und Erziehungssystem eingeordnet. Damit erfüllte er eine alte Forderung aus der Geschichte der öffentlichen Kleinkindererziehung, "in etwa der Maximalisten während der Reichsschulkonferenz von 1920!" (Reyer 2013, S. 294), nämlich die gesamte Erziehung vom Kindergarten bis zur Hochschule. Die sozialistische Bildung und Erziehung der Kinder war eine permanente, alle Lebensbereiche umfassende, einheitliche Formung und Beeinflussung, der man sich so gut wie nicht entziehen konnte:


"In diesem Sinne war die in der DDR entwickelte und angewandte Kindergartenpädagogik nicht nur in nachträglicher Negativbewertung eine 'Einwirkungspädagogik', eine 'Forderungspädagogik' und eine vom 'Defizitmodell des Kindes' ausgehende, sondern sie war bewußt in solcher Form als politische Pädagogik gestaltet worden" (Lost 2000, S. 201).

 

DesideratDesiderat|||||Ein Desiderat wird auch als ein Wunschgegenstand bezeichnet. Oftmals ist es ein Objekt oder abstraktes Ding, das mehr oder weniger dringend gewünscht wird und in der Umgebung fehlt.e
In meinem Beitrag bleibt offen, wie die Kinder, die Erzieher/innen, die Kindergartenleiter/innen und die Eltern das repressive sozialistisch-kommunistische Bildungs- und Erziehungssystem empfunden haben. Auch bleibt offen, ob es etwa im Alltag des Kindergartens Freiräume gab, der verordneten Doktrin auszuweichen. Ebenso bleibt offen die durchaus interessante Frage nach der Effektivität der sozialistisch-kommunistischen Kindergartenpädagogik. Offen bleibt auch, inwieweit die Umbruchsituation und die neue "westliche" Arbeitsweise für die ehemaligen DDR-Erzieher/innen zu bewältigen war, und wie sich ihre Lern- und Umdenkungsprozesse gestaltet haben. Dies sind sicherlich spannende Themen, die noch einer wissenschaftlichen Bearbeitung harren.


Abschließend möchte ich noch ein ehemaliges DDR- Kindergartenkind unkommentiert zu Wort kommen lassen, das rückblickend über seine Kindergartenzeit konstatierte:


"An meine Kindergartenzeit habe ich durchweg eigentlich positive Erinnerungen... Da meine Eltern berufstätig waren, war ich als Kind schon recht früh in staatlichen Einrichtungen untergebracht. Dabei bedeutet aber 'staatlich' hier nicht, dass es automatisch mit systemtreuer Erziehung einherging. Die begann in der DDR eigentlich erst in der Schule, wenn man Pionier wurde... Im Kindergarten durften wir noch richtig Kinder sein. Allerdings gab es ein paar Spielsachen, die uns Dinge wie die NVA oder die Volkspolizei näher bringen sollten. Als Kinder sahen wir darin aber einfach nur Autos oder halt Panzer u.ä. und machten uns wenig Gedanken darum ob diese nun 'unsere' Soldaten oder den 'imperialistischen Feind' darstellten. Während man früher halt mit Zinnsoldaten spielte, spielten wir mit kleinen NVA-Soldaten aus Kunststoff... Alles in allem war unser Tag ziemlich durchorganisiert. Aber für uns Kinder war das eigentlich optimal. Wir lernten dadurch fast täglich neue Dinge und zum Teil betrafen sie auch Dinge, die für die Gesellschaft wichtig waren. Wir bekamen z.B. Achtung vor der Arbeit unserer Eltern und lernten die Ansprechpartner für bestimmte Dinge des täglichen Lebens (wie Polizei, Feuerwehr, Ärzte, Sanitäter usw.) kennen. Dadurch bekamen wir automatisch Respekt vor den Erwachsenen... Kurz bevor wir den Kindergarten verliessen, gab es eine kleine Prüfung, mit der ermittelt wurde, ob wir bereits 'schulreif' waren. Leider kann ich mich an den Test nicht mehr wirklich genau erinnern. Ich weiss nur noch, dass ein Junge aus unserer Gruppe nicht 'schulreif' war und dadurch ein weiteres Jahr im Kindergarten bleiben musste. Das fanden wir alle nicht toll, denn die Schule war nur wenige Meter entfernt und wir hatten eigentlich gehofft, dass wir alle zusammen an diese Schule kommen würden. Während ich vor ein paar Jahren Kinder erleben musste, bei denen es hiess 'Ätsch, du darfst ja noch nicht in die Schule' war es bei uns eher ein 'Och schade, wir wollen aber, dass du auch mit in die Schule darfst.' Ich glaube daher, dass unsere soziale Kompetenz durch den Kindergarten eher gefördert wurde, als es in heutigen Kitas der Fall ist. Keinen Respekt vor seinen Eltern zu haben gab es bei uns genauso wenig wie Schadenfreude. Dabei wurde uns aber nicht beigebracht, dass wir Respekt vor unseren Eltern haben müssen, oder dass Schadenfreude etwas schlechtes ist. Es wurde uns einfach ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermittelt, das diese Dinge gar nicht erst aufkommen liess" (http://bitmuncher.blog.de/2011/11/11/kindheit-ddr-teil-1-kindergarten-12148085/).

 



Literatur

 

Webseiten


Archiv

Kindergarten und Kleinkindererziehung in der SBZ/DDR. "Alles mit dem Volk, alles durch das Volk, alles für das Volk", Saarbrücken 2014.

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