Zur Geschichte des Kindergartens in der SBZ und der DDR (1945 - 1990)

Inhaltsverzeichnis

  1. 2. Etappe der antifaschistisch-demokratischen Umgestaltung (1945-1949)
  2. 3. Periode der sozialistischen Umgestaltung (1949-1961)
  3. 4. Übergang zur Gestaltung der entwickelten sozialistischen Gesellschaft (1962-1972)
  4. 5. Gestaltung der Sozialistischen Gesellschaft (1972-1990)
  5. 6. Schlussbetrachtung
  6. Literatur

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Periode der sozialistischen Umgestaltung (1949-1961)


Mit der Gründung der DDR (7. Oktober 1949) begann nicht nur ein verstärkter Ausbau der öffentlichen Kleinkinderpädagogik. Ebenso setzte eine verstärkte poltisch-ideologische Instrumentalisierung ein. Bereits 1954 verfügte die DDR "über 6.931 Kindergärten mit 21.170 Erzieherinnen sowie über 1.864 Erntekindergärten mit 2.296 Erzieherinnen" (Krecker 1979, S. 443). Bis zum Jahre 1961 stieg die Zahl der Kindergärten (ohne "Erntekindergärten") auf 9.169 an. Das bedeutete, dass 48,3% aller drei- bis sechsjährigen Kinder einen Kindergarten besuchten (vgl. Krecker 1977, S. 453).


Die Erziehung zum Frieden stand im Vordergrund der vorschulischen Pädagogik. Ganz im Sinne Friedrich Fröbels sollten in den Kindergärten "frohe, selbständig denkende, schaffensfreudige und friedliebende Menschen herangebildet" (Deutsches Pädagogisches Zentralinstitut 1952a, S, 157 f) werden. Dementsprechend ist in der Gedenkschrift zum 100. Todestag des Kindergartenbegründers nachlesen:


"Dem Spiel kommt in der vorschulischen Erziehung als ein Mittel zu allseitiger Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder große Bedeutung zu... Die Kinder spielen nicht mit Kriegsspielzeug. Bleisoldaten und Blechkanonen sind aus dem Kindergarten verbannt. Statt dessen regen reichhaltige Baukästen Aktivität und Phantasie der Kinder zu konstruktivem Bauen an... Lastautos, Traktoren und eine Kinderpost geben den Kindern Gelegenheit, die Arbeit der Erwachsenen aus ihrer friedlichen Umwelt im Spiel darzustellen... die gesamte Erziehungsarbeit im Kindergarten dient vor allem dem einen großen Ziel, dem die demokratische Einheitsschule vom Kindergarten bis zur Hochschule zustrebt: der Erziehung unserer Jugend zu bewußten Kämpfern für den Frieden... Hundert Jahre nach Fröbels Tod können wir verwirklichen, was Friedrich Fröbel forderte: 'Kommt, laßt uns unsern Kindern leben!'" (ebd., S. 158).

DDR-1Kein Spiel mit Bleisoldaten und Blechkanonen (Quelle: Ida-Seele-Archiv)

Doch die bewusste Erziehung zur "sozialistischen Persönlichkeit und Moral" rückte immer mehr in den Vordergrund. Die "neue Pädagogik" für den Kindergarten beruhte auf marxistisch-leninistischen Maximen. Demzufolge sollte die "Entfaltung der Selbsttätigkeit" nicht "vom Kinde aus", so wie in den Kindergärten der BRD, sondern gezielt von der Kindergärtnerin, d.h. in gesellschaftlich erwünschter und politisch vertretbarer Form, erfolgen. Kindergärtnerinnen berichteten in der Fachzeitschrift "Neue Erziehung im Kindergarten" über Besuche von Kindergärten im "Westen", um die "wahre und richtige DDR-Kindergartenpädagogik" herauszustellen. Dazu ein Beispiel:


"Während meines Urlaubs im Westen unserer Heimat suchte ich die Gelegenheit, einen Kindergarten zu besichtigen... Nicht wenig erstaunt war ich, als ich den Waschraum betrat. Meine erste Frage war nach Zahnbechern, Zahnbürsten und Kämmen. Die Leiterin erklärte mir ganz überzeugt, dass man den Eltern die Arbeit nicht nehmen wolle, die Kinder putzen die Zähne zu Hause... Die Erzieherinnen wollten über unsere pädagogische Planung keine Auskunft haben. Sie hielten diese zunächst für eine große Belastung, doch nachdem ich einiges in verständlicher Form erläuterte, begannen sie, sich zu interessieren... Ich konnte keinerlei planmäßige, zielgerichtete Erziehungsarbeit feststellen. An Beschäftigungen, die meist von Schülerinnen vorgenommen werden, brauchen nur die Kinder teilzunehmen, die Lust dazu haben. Die anderen spielen frei. Es geschieht alles 'vom Kinde aus'. Das Kind gestaltet den Tagesablauf selbst. Es kann von früh um 7 Uhr bis Mittag tun, was es will. Verspürt es Hunger, ganz gleich um welche Zeit, kann es sich hinsetzen und essen. Hier macht sich deutlich der Einfluss der Theorie der 'Nichteinmischung' bemerkbar. Unter der Losung dieser angeblichen 'Freiheit' werden die Kinder zu krassem Egoismus und Individualismus erzogen, ihre Entwicklung wird dem Selbstlauf überlassen und dadurch in Wirklichkeit unterdrückt.
Als mich die Leiterin fragte, ob ich denn hier nicht arbeiten möchte, mußte ich das sehr verneinen. Ich berichtete von unseren schönen Erziehungserfolgen und brachte zum Ausdruck, daß mich eine solche Erziehungsarbeit, wie ich sie hier gesehen habe, nicht befriedigen könnte" (Schütz 1955, S. 4).

img20210708 18023726DFD-Kindergarten im Dorf Sanitz bei Rostock (Quelle: Ida Seel-Archiv)
Laut Beschluss der Zweiten Parteikonferenz der SED im Jahre 1952 wurde aktiv mit dem planmäßigen Aufbau des Sozialismus begonnen. Das Erziehungsziel, zu dessen Verwirklichung alle Bildungs- und Erziehungsinstitutionen ihren Teil beizutragen hatten, wurde im Juli des gleichen Jahres vom Politbüro wie folgt formuliert:


"Die Jugend zu allseitig entwickelten Persönlichkeiten zu erziehen, die fähig und bereit sind, den Sozialismus aufzubauen und die Errungenschaften der Werktätigen bis zum Äußersten zu verteidigen...Sie sollen wertvolle Charaktereigenschaften besitzen, wie Willensstärke, Ausdauer, Entschlossenheit, Mut, Zielstrebigkeit und Prinzipientreue in ihrem Denken und Handeln" (zit. n. Krecker 1977, S. 437).


Diesem Postulat entsprechend, waren auch in den Kindergärten "neue Anstrengungen erforderlich, um eine allseitige Erziehung der Vorschulkinder zu gewährleisten... und die Kinder zu guten Sozialisten zu erziehen" (ebd., S. 438).


Den "Zielen und Aufgaben der vorschulischen Erziehung", herausgegeben vom "Deutschen Pädagogischen Zentralinstitut" in Berlin, entsprechend, sollte der Kindergarten Emotionen für bedeutende Politiker fördern, beispielsweise "Gefühle der Liebe und Achtung zu W. Pieck und J. W. Stalin, wie zu einem nahen geliebten Menschen - Gefühle der Hochachtung und Bewunderung für W. I. Lenin und Ernst Thälmann" (Deutsches Pädagogisches Zentralinstitut 1952, S. 57). Beispielweise wurde in dem Beitrag über "Erzieht unsere Kinder am Vorbild Wilhelm Piecks", dem ersten und einzigen Präsidenten der DDR (1949 bis 1960), von einer Kindergärtnerin ausführlich darüber berichtet, wie die Kinder mit dem Leben und Schaffen ihres Präsidenten bekannt gemacht werden und in ihnen "Gefühle der Liebe und des Vertrauens zu ihm zu entwickeln" (Stadler 1954, S. 6) sind:


"Ich zeigte ihnen einige Bilder aus dem Buch 'Unser Präsident', um ihnen zu erklären, wie Wilhelm Pieck arbeitet. Die Kinder sahen ihn bei der Arbeit am Schreibtisch, am Rednerpult während einer Ansprache, im Gespräch mit Arbeitern, Bauern und Jungen Pionieren. Wenn die Kinder ihn auf den Bildern entdeckt hatten, riefen sie stets freudig: 'Hier ist Wilhelm Pieck, und hier ist er auch!' - 'Er hat schöne weiße Haare', bemerkte Eva und Gisela fügte hinzu: 'Schau, wie er hier lacht.' Diese Bemerkungen zeigten mir, daß sich die Kinder sein Bild fest eingeprägt hatten, sich für ihn interessierten und Zuneigung gewannen. Ich bemühte mich, beim Betrachten der einzelnen Bilder genau zu erklären, wie Wilhelm Pieck arbeitet und welchen Nutzen diese Arbeit für uns alle hat. Dabei wendete ich Vergleiche an mit der Arbeit der Menschen, die den Kindern bekannt war. Zum Beispiel: Er spricht vor vielen Arbeitern und sagt ihnen, wie sie arbeiten sollen, damit wir bald noch schönere Gegenstände in den Geschäften kaufen können, wie zum Beispiel unser Bürgermeister in einer Versammlung, die Vati und Mutti besuchten... Am Tage des Geburtstages des Präsidenten legte ich besonderen Wert darauf, das Gefühl der Zuneigung zu ihm zu erziehen. Gemeinsam schmückten wir sein Bild und das Gruppenzimmer. Ich hatte Zeitschriften mitgebracht, in denen dargestellt war, wie werktätige Menschen unseren Präsidenten besuchen. In meinen Erläuterungen achtete ich darauf, daß die Kinder erkannten: Zu Wilhelm Pieck kommen viele Menschen, wenn sie Sorgen haben, weil er ihnen hilft" (ebd., S. 7).


Am 30. Mai 1951 besuchte Wilhelm Pieck den Betriebskindergarten der "Stahl- und Walzwerke Riesa". Das ehemalige Kindergartenkind Ursel erinnerte sich mit folgenden Worten an den hohen Besuch:

DDR-2Wilhelm Pieck besucht den Betriebskindergarten der "Stahl- und Walzwerke Riesa" (Quelle: Ida-Seele-Archiv)

"Schnell bereiteten wir alles vor, bastelten Fahnen, zeichneten Bilder und lernten Lieder und Tänze. Dann war es endlich so weit. Wir schmückten den Weg, den Wilhelm Pieck entlangkommen mußte, mit vielen bunten Fähnchen und zogen unsere große Fahne auf... Als er ausgestiegen war, sang unser Chor, das Lied: 'Freude, ja Freude', dann durften Günther, Christine und ich ihn begrüßen und Blumen überreichen... Er sprach mit uns, ging mit an die Kahnschaukel und an das Karussell und sah uns beim Spielen und Tanzen zu. Zu Jörg, der gerade mit Bausteinen spielte, sagte er: 'Du kleiner Baumeister, du baust wohl ein neues Dresden?' Unser Kindergarten gefiel ihm sehr gut, er freute sich, daß die Räume sauber und wohnlich eingerichtet sind und daß wir so schöne Spielsachen besitzen" (ebd., S. 7 f).


Durch die "Verordnung über Einrichtungen der vorschulischen Erziehung und der Horte" (vom 18. September 1952) erfolgte die Verlegung der Betreuung von Schulkindern in den Hort. Bis dahin wurden die schulpflichtigen Kinder im Kindergarten mitbetreut, was eine systematische Erziehungs- und Bildungsarbeit und den bewussten Einsatz altersspezifischer Methoden und Mittel wesentlich erschwerte. Laut einer "Ersten Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Einrichtungen der vorschulischen Erziehung und Horte" (vom 20. September 1952) wurden folgende Grundbestimmungen in § 2 über die Kindergärten festgeschrieben:


"(1) Kindergärten sind vorschulische Einrichtungen für Kinder im Alter von drei bis sechs Jahren, in denen vordringlich Kinder berufstätiger Mütter Aufnahme finden.
(2) Die Kinder werden in Altersgruppen zusammengefasst, und zwar wird die Gruppe der drei- bis vierjährigen, die Gruppe der vier- bis fünfjährigen und die Gruppe der fünf- bis sechsjährigen Kinder gebildet. Die bisher noch bestehenden Familiengruppen werden aufgelöst.
(3) Alle Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, werden in Einrichtungen des Gesundheitswesens (Krippen, Säuglingsheime usw.) nach den für sie geltenden Vorschriften untergebracht. Dafür sind die Referate 'Mutter und Kind' bei den Räten verantwortlich.
(4) Der Besuch des Kindergartens ist freiwillig. Die Anmeldung erfolgt unter persönlicher Vorstellung des Kindes bei der Leiterin des Kindergartens" (zit. n. Krecker 1979, S. 360).
Gleichsam der institutionellen Trennung von Kindergarten und Hort entsprach die Trennung der Ausbildungswege zur Kindergärtnerin und Hortnerin, "was dazu beitrug, das spezielle Fachwissen beider Gruppen zu vertiefen und die Erzieher besser auf ihre künftige Tätigkeit vorzubereiten" (Krecker 1977, S. 442).


1957 fand in Leipzig der V. Pädagogische Kongress sowie die erste Zentrale Konferenz der Vorschulerziehung statt. Hier wurden letztlich und unmissverständlich, wie Dietrich Hoffmann anmerkt, "die Weichen für das gestellt, was man 'sozialistischen Patriotismus' bzw. 'patriotische Erziehung' nannte" (Hoffmann 2004, S. 40). Auf der Tagung der Zentralen Konferenz der Vorschulerziehung charakterisierte der Minister für Volksbildung den Kindergarten als eine staatliche Einrichtung "die die Familie bei der Erziehung unterstützt und besonders den Kindern unserer Werktätigen eine glückliche Kindheit schafft" (zit. n. Krecker 1977, S. 445). Dabei hob er die Erziehung zur sozialistischen Heimatliebe besonders hervor:


"Der Kindergarten leistet seinen Beitrag zur sozialistischen Erziehung der Jugend, indem er den Altersbesonderheiten des Vorschulkindes entsprechend die kleinen Kinder so erzieht, daß sie sich in die Gemeinschaft des Kindergartens einordnen und für diese den Kräften entsprechend tätig sein können, daß sie darüber hinaus mit Liebe zu ihrer nächsten Umgebung, mit Liebe zur sozialistischen Heimat erfüllt sind" (zit. n. Krecker 1979, S. 362).


Die Erziehung zur "sozialistischen Vaterlandsliebe" bzw. zum "sozialistischen Patriotismus" war auch durchgängiges Thema der Fachzeitschrift "Neue Erziehung im Kindergarten". Dazu ein längerer Textausschnitt, die Erziehung zum Hass betreffend:


"Die Feinde unseres Volkes beschweren sich in ihrer Hetze gegen unser sozialistisches Vaterland, daß wir in die patriotische Erziehung der Jugend auch die Erziehung zum Haß einbeziehen. Sie verschweigen wohlweislich den Ausgangspunkt einer solchen erzieherischen Zielsetzung und ebenfalls die Tatsache, daß wir nicht zum Haß schlechthin, zu keinem blinden Haß, sondern zu einem bewußten zielgerichteten Haß gegen die Feinde unseres Volkes, unseres sozialistischen Vaterlandes und des Friedens und Glücks der Menschheit erziehen. Das sind aber nicht die Völker, sondern kleine, wenn auch gefährliche Cliquen, denen unser berechtigter und notwendiger Haß als Kehrseite echter Liebe gilt. Der Haß, zu dem wir erziehen, ist das notwendige Äquivalent der Liebe zu unserem Volk und Vaterland, zu allem wahrhaft Edlen und Menschlichen, weil er den Schutz dieser Liebe dient und sich gegen das Unmenschliche wendet... Dabei ist die patriotische Erziehung zunächst Gefühlsbildung, die durch das Hinzutreten des Denkens, der Kenntnisse, zu entsprechenden Überzeugungen führt. In letzter Konsequenz aber ist patriotische Erziehung eine Erziehung zum patriotischen Handeln. Diesterweg sagt: 'Patriotismus ist praktische Vaterlandsliebe'... Die Erziehung zum sozialistischen Patriotismus fördert in unseren Kindern die gesellschaftlichen Interessen, sie entwickelt sie zu bewußt gesellschaftlichen Menschen; sie gewöhnt die jungen Menschen daran, sich verantwortlich zu fühlen für das, was bei uns geschieht, was wird und stets zu denken: 'Wie kann ich mit meinen Kräften meinem sozialistischen Vaterland dienen?' Das ist bereits Ausdruck einer neuen moralischen Haltung" (Müller 1957, S. 17).


Am 2. Dezember 1959 trat das "Gesetz über die sozialistische Entwicklung des Schulwesens in der Deutschen Demokratischen Republik" in Kraft. Darin wurde die "zehnklassige allgemeinbildende polytechnische Oberschule" (Krecker 1979, S. 374) für alle Kinder verpflichtend festgelegt. Die Erziehung zum Sozialismus hatte oberste Priorität:


"Wodurch wurde das neue Schulgesetz notwendig? Was ist das Neue? Weshalb mußte in der Erziehung der jungen Generation ein Schritt über die demokratische Schule hinaus getan werden? Es liegt im Wesen der sozialistischen Gesellschaft, daß ihr Fortschritt, ihre Entwicklung nach vorwärts der Menschen selbst vonstatten gehen kann. Der Aufbau des Sozialismus ist untrennbar verbunden mit der allseitigen Bildung und Erziehung des Volkes. Die Sache des Sozialismus verlangt aber auch, daß wir Menschen mit hohem Wissen erziehen, einem Wissen, das sie fest beherrschen, einem Wissen, das ihnen wie ein gutes Werkzeug stets zur Hand ist, das sie selbständig handelnd stets anwenden können. Die Sache des Sozialismus verlangt das Arbeite-mit, das Plane-mit, das Regiere-mit. Die Schule muß helfen, dazu die Voraussetzungen zu schaffen" (Ichenhäuser 1959, S. 2).


Dabei kam dem Kindergarten, als Stufe vor der Schule, zur Verwirklichung voran stehender Ziele eine nicht zu unterschätzende Bedeutung zu, die bereits im § 13 des Ende 1952 verabschiedeten Gesetzes mit folgenden Worten zum Ausdruck gebracht wurde:


"In Kindergärten und anderen Einrichtungen der vorschulischen Erziehung sind die drei- bis sechsjährigen Kinder auf die Schule vorzubereiten, an das sozialistische Leben heranzuführen und mit dem Schaffen der werktätigen Menschen bekannt zu machen. Die besondere Fürsorge gilt den Kindern berufstätiger Mütter" (zit. n. Krecker 1979, S. 337).


Und an anderer Stelle ist nachzulesen:


"Noch zuwenig hat man bedacht, daß das hohe Niveau der sozialistischen Schule nicht erreicht werden kann ohne eine feste Schulordnung, ohne Ruhe und Stetigkeit. Deshalb ist die Anfang November vom Ministerrat erlassene Schulordnung für die Erziehungs- und Bildungserfolge von großer Bedeutung. Hier werden für die Vorschulerziehung wichtige Aufgaben sichtbar, die sie zwar im Keim schon in Angriff genommen hat, die aber jetzt in den Vordergrund rücken. Wenn gesagt wird, daß die neue Ordnung mit aktiver Hilfe der Schüler selbst realisiert werden soll, so beginnt dieser pädagogische Prozeß eben schon im Kindergarten. Hier beginnt bereits die Bewegung für die saubere, schöne Schule. Hier werden bereits die Grundlagen für die Freunde an der schönen Umgebung, für den Sinn für das gemeinschaftliche Handeln, für das Selbsttun gelegt... Die Kinder schulreif, für die sozialistische Schule reif zu machen, das ist eine hohe, beglückende Aufgabe für alle Erzieherinnen" (Ichenhäuser 1959, S. 2).


1961 erschien ein als Diskussionsmaterial erschienener Plan mit dem Titel: "Sozialistisch erziehen - allseitig bilden - auf die Schule vorbereiten". Dieser wurde unter Leitung des "Ministeriums für Volksbildung", von Mitarbeitern des "Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts" in Zusammenarbeit mit Praktikern erarbeitet:


"Dabei halfen das Studium der Klassiker des Marxismus-Leninismus, der Dokumente von Partei und Regierung, die Beschäftigung mit der sowjetischen Pädagogik und mit den Lehren aus der Geschichte der Vorschulerziehung... In diesem Plan wurde der Inhalt der pädagogischen Arbeit im Kindergarten für alle drei Altersgruppen übersichtlich und gegliedert dargestellt" (Krecker 1977, S. 451).
Für jede der speziellen Altersgruppe wurden Aufgaben und Inhalte festgeschrieben, die in einem Kindergartenjahr zu erfüllen waren. Der Plan gliederte sich in folgende Aufgabengebiete:

 

  • Die Hauptaufgaben der Bildung und Erziehung für die einzelnen Altersgruppen (jüngere, mittlere und ältere Kinder) im Kindergarten
  • Die Organisation des Lebens und die Erziehung des Verhaltens
  • Die Erziehung zu kultivierten und hygienischen Fertigkeiten und Gewohnheiten
  • Das Turnen
  • Das Spiel
  • Das Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben, mit der Natur und die Spracherziehung
  • Auffassen von Mengen, Formen und Zeit, Raumvorstellungen und Lagebeziehungen
  • Malen, Zeichnen, Formen, Papierarbeiten, Basteln
  • Musikerziehung

 

Betrachten wir folgend exemplarisch näher den Bildungs- und Erziehungsschwerpunkt: "Bekanntmachen mit dem gesellschaftlichen Leben". Diesbezüglich sollten die Kinder, entsprechend ihrer Altersgruppenzugehörigkeit, mit den Gegebenheiten ihres Heimatortes, mit Persönlichkeiten aus der Politik und mit den sozialistischen Errungenschaften vertraut gemacht werden. Sie sollten Gefühle wie Stolz, Achtung vor den "fleißigen Werktätigen" und Gefühle der Verbundenheit mit dem "sozialistischen Vaterland" aufbauen. Ebenso sollten sie ihre "vielen Freunde in Westdeutschland" kennen lernen:


"Auch in Westdeutschland haben wir viele Freunde. Das sind die Arbeiter und alle Menschen, die für den Frieden eintreten und dafür, daß alle Kinder froh und glücklich leben können. Viele von diesen mutigen Menschen sind eingekerkert. Ihren Kindern geht es nicht immer gut. Wir können ihnen einen Brief oder ein Geschenk schicken. Sie sollen wissen, wir denken an sie und sind ihre Freunde" (Pädagogisches Zentralinstitut 1961, S. 216). Zum Bereich des "gesellschaftlichen Lebens" gehörten auch Feste und Feiern. Neben Weihnachten und Ostern zählten dazu: Tag der Republik, Internationaler Frauentag, Internationaler Kindertag und der 1. Mai.


In 35 Kindergärten sollte der Plan erprobt und die dabei gewonnenen Erfahrungen und Erkenntnisse verallgemeinert werden und zur Erstellung einer methodischen Handreichung dienen. Doch das geplante Vorhaben kam nicht zur Verwirklichung. Diesbezüglich ist nachzulesen:


"Demgegenüber zeigte 1961 die Erprobung eines Bildungs- und Erziehungsplanes in 35 Kindergärten, daß weder Planungsformen der Schule noch der Unterricht schematisch auf den Kindergarten übertragbar waren. Selbst jene Kindergärtnerinnen, die für die Erprobung ausgewählt worden waren, fühlten sich überfordert und in ihrer ganzheitlichen pädagogischen Tätigkeit deutlich eingeengt und empfanden die Arbeit nach dem Plan lästig" (Lost 1993, S. 9).



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