Inklusion in der Krippe

Mittendrin von Anfang an

Inhaltsverzeichnis

  1. Von der Integration zur Inklusion
  2. Inklusion braucht professionelle Fachkräfte
  3. Forschungsergebnisse
  4. Inklusive Krippen als Motor der Qualität
  5. Literaturverzeichnis

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Forschungsergebnisse


Die Nationale Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (vgl. Nubbek 2012) stellt den deutschen Krippen und der Tagespflege ein mittelmäßiges Zeugnis aus: Über 80 Prozent der außerfamiliären Betreuungsformen liegen hinsichtlich der pädagogischen Prozessqualität in der Zone mittlerer Qualität. Gute Prozessqualität wird in weniger als 10 Prozent der Einrichtungen gemessen, unzureichende Qualität zeigt sich dagegen in zum Teil deutlich mehr als 10 Prozent der Fälle (vgl. ebd.). In den Untersuchungen von Heimlich und Behr (2007) zur Qualität der integrativen Krippen in München stellt sich dagegen ein anderes Bild dar: Der Gesamtmittelwert der untersuchten Krippen liegt bei 5,4 und kann damit im Bereich der guten bis ausgezeichneten Qualität angesiedelt werden. In den Qualitätsmerkdimensionen „Interaktionen“ und „Eltern und Erzieherinnen“ schnitten die untersuchten Krippen besonders gut ab. Das gemeinsame Spielen von Kindern mit und ohne Behinderung wurde von annähernd allen Befragten als vorteilhaft bewertet (vgl. ebd.). Bei der Frage nach der Zufriedenheit mit der Einbeziehung von Fachdiensten in die pädagogische Arbeit ergibt sich eine deutlichere negative Abweichung, insgesamt wird jedoch ein ausgesprochen positives Bild der pädagogischen Qualität in den untersuchten Einrichtungen gezeichnet.

Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Begleitung eines Modellprojekts des Landschaftsverband Westfalen-Lippe durch Simone Seitz und Natascha Korff (2008) weisen einerseits auf die entwicklungsförderliche Wirkung des gemeinsamen Aufwachsens von Kindern mit und ohne Behinderung hin und lassen die Formulierung von Qualitätsindikatoren zu: Das Hauptergebnis der Autorinnen besteht darin, dass sie der integrativen Krippe präventive und kompensatorische Effekte zuschreiben. Sie stellen gleichzeitig jedoch auch Veränderungsbedarfe in den Einrichtungen heraus, die sich beispielsweise auf den Austausch von Eltern und Fachkräften beziehen und auf die erhöhten (Personal-)Ressourcen bei Kindern mit Unterstützungsbedarf hinweisen. Seitz und Korff (2008) formulieren drei zentrale Gelingensbedingungen:

  1. Die klare konzeptionelle Ausrichtung auf die Arbeit mit Kindern bis zu drei Jahren und auf Integration / Inklusion
  2. Die Verfügbarkeit inklusionspädagogischer Kompetenzen
  3. Die Beratung und Kooperation bezogen auf die Erziehungsberechtigten und die Arbeit in multiprofessionellen Zusammenhängen (z.B. mit Therapeuten und Frühförderkräften).

In einer eigenen Erhebung (vgl. Albers et al. 2011) konnten wir in Bezug auf die untersuchten integrativen Krippen die Ergebnisse von Seitz und Korff bestätigen. Inklusive Arbeit setzt den Aussagen der von uns befragten Fachkräfte und Eltern die Bereitschaft zu interdisziplinärinterdisziplinär|||||Unter Interdisziplinarität versteht man das Zusammenwirken von verschiedenen Fachdisziplinen. Dies kann auch als „fächerübergreifende Arbeitsweise“ verstanden werden, z.B wenn Psychologen, KinderärztInnen, ErzieherInnen und Lehrende zusammen an einer Fragestellung arbeiten.er Zusammenarbeit voraus – mit Krankengymnasten, Sprach- und Ergotherapeuten, Kinderärzten, dem Sozialpädiatrischen Zentrum und dem Jugendamt. Häufig findet bei Aufnahme eines Kindes mit Behinderung ein Übergang von der Frühförderung statt. Da sich die inhaltliche Arbeit mit Kind und Eltern von der Einzelsituation in der Frühförderung zur Förderung in der Gruppe verändert, ist eine gute Vorbereitung und Begleitung wichtig, die auch die Eltern einbeziehen muss. Die intensive und individuelle Begleitung, die von der Frühförderung geleistet wird, verändert sich für Kind und Eltern. Eine Fachkraft aus der Frühförderung macht dies in ihrer Aussage deutlich (vgl. ebd.): „Ich denke, dass die Fachkräfte im Kindergarten sehen können, was mir wichtig war in der Arbeit mit dem Kind. Dass die das so auf der einen Seite natürlich weiterführen können, auf der anderen Seite ist ihre Arbeit natürlich auch eine ganz andere. Und ich denke, das ist wichtig für mich auch vorzubereiten, im Sinne, es den Eltern klar zu machen, dass sich das auch verändern wird für ihr Kind. Dass es diese Einzelsituation nicht geben wird, dass die Heilpädagogin eine andere Aufgabe hat, als ich in der Frühförderung: Dass diese Eins-zu-Eins-Situation aufgelöst wird und das Kind ganz andere Lernfelder hat, die dann begleitet werden.“

Wie die Arbeit in multiprofessionellen Teams zu einer Erweiterung der eigenen Arbeit werden kann, schildert die Aussage einer frühpädagogischen Fachkraft: „Dass dann der Therapeut da sitzt mit dem Kind, was eben die Therapie bekommt, und dass andere auch dazu kommen können und mitarbeiten dürfen. Für uns (als Pädagogen) ist das natürlich immer klasse: Wir gucken immer gerne rein, auch damit wir uns Sachen abgucken und das auch machen können.“

Die Gestaltung der Zusammenarbeit zwischen Team und Therapeut kann den Interviews zufolge dabei sehr unterschiedlich aussehen: Teilweise ist es möglich, therapeutische Angebote direkt ins Gruppengeschehen zu integrieren, teilweise findet die Therapie in Einzelförderung, in einer Zweier- oder Kleingruppe statt. Viele der von uns untersuchten Einrichtungen kooperieren in ihren Arbeitsabläufen fest mit bestimmten Therapeutinnen. Auf diese Weise haben Team und Therapeutinnen die Möglichkeit, eine gemeinsame Haltung zu ihrer Arbeit zu entwickeln und organisatorische Absprachen zu treffen. Insgesamt zeigen die Fachkräfte eine hohe Identifikation und Zufriedenheit mit ihrer Arbeit, auch wenn die Rahmenbedingungen nicht immer als ausreichend bezeichnet werden. Die Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften wird als Qualitätsgewinn für die Arbeit im Team und für die eigene pädagogische Kompetenz erlebt (ebd.).

Als Basis für eine kontinuierliche und tragfähige pädagogische Arbeit in der Krippe wird darüber hinaus die Zusammenarbeit mit den Eltern gesehen. Der Erfolg von individueller Unterstützung und Förderung ist dabei nicht nur von der Verbesserung funktioneller Fähigkeiten, sondern vor allem auch von den Verständigungsprozessen zwischen therapeutischer Fachkraft, pädagogischer Fachkraft und der Familie abhängig. Übertragen auf die Arbeit in der Krippe weist das aus der Frühförderung bekannte Prinzip der Familienorientierung auf die Bedeutung der Erziehungs- und Bildungspartnerschaft zwischen frühpädagogischen Fachkräften und Erziehungsberechtigten hin. Die Kindertageseinrichtung kann demnach nur zu einem wertvollen Schutzfaktor für die Entwicklung werden, wenn die Eltern als Experten für ihr Kind in die pädagogische Arbeit miteinbezogen werden. Dabei stehen stets die individuellen Fähigkeiten der Kinder als aktive Bewältiger und Mitgestalter des eigenen Lebens im Mittelpunkt.

 


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