Detlef Diskowski

Fachkräftemangel und Qualifikationsfrage

Der Personalmangel in der Kindertagesbetreuung als Chance, die Qualifikationsfrage radikaler zu stellen

Über das Ausmaß des absehbaren Personalmangels in der Kindertagesbetreuung gibt es im Detail diskussionswürdige, im Gesamtblick klare Prognosen. Schon der Fachkräftebedarf zur Realisierung des Rechtsanspruchs für u3-Kinder wird von Schilling auf knapp 54.600 Personen geschätzt. Unter Berücksichtigung altersbedingter Personalabgänge und Rückgänge im Betreuungsbereich der 3-6jährigen prognostiziert er bis 2013 deutschlandweit einen Gesamtbedarf von knapp 77.000 Personen. (Schilling, S.2).

Die gegenwärtigen Ausbildungskapazitäten können diesen Bedarf nicht annähernd decken. Selbst unter Einbeziehung der angenommenen Ausbildungs-Überkapazitäten in den östlichen Bundesländern wird ein Fehlbedarf von 25.000 Personen geschätzt. (Ebd. S. 6)

Wie man auch einzelne Prognoseannahmen bewertet, über ein paar tausend benötigte Erzieherinnen und Erzieher mehr oder weniger lohnt es sich kaum zu streiten. Der absehbare Fehlbedarf ist in jedem Fall massiv.[1] Dabei ist noch nicht einmal der in den Bundesländern mehr oder weniger starke Personalbedarf durch Personalschlüsselverbesserungen, durch die erforderliche Ausweitung von Betreuungszeiten und durch die Entwicklung angemessener Angebote für Kinder im Schulalter berücksichtigt.

Selbst wenn die in den vergangenen Jahren auf dem Niveau von jährlich 15.000 Absolventinnen und Absolventen stagnierenden Ausbildungskapazitäten an Fachschulen in den westlichen Bundesländern[2] deutlich erhöht würden und die Ausbildungskapazitäten an Fachhochschulen ausgeweitet würden, könnte der Bedarf nicht annähernd gedeckt werden.[3] Das allein ist wohl ein hinreichender Grund nicht allein „mehr-desselben“ zu fordern, sondern über weitere Lösungen nachzudenken.

Daneben gibt es allerdings eine Reihe weiterer Gründe; Gründe, die schon in der Vergangenheit aus der Fachdiskussion hätten entwickelt werden können und müssen:
 

1. Das Ausbildungsmodell einer vorausgeschalteten AUS-Bildung und der dagegen relativ mageren Ressourcen für die begleitende Fortbildung und Supervision müsste gründlich verändert werden.


„Das fachschulische Lernsetting ist bis in die Gegenwart hinein anscheinend nicht darauf ausgerichtet, die erfahrungsgesättigten, alltäglichen Deutungen der angehenden ErzieherInnen über wissenschaftliches Wissen in einer Art und Weise zu irritieren, dass sie als entscheidende Ressource für die Gestaltung beruflicher Praxis an Bedeutung verlieren.“ (Thole, S. 212) Stattdessen „stellen bei den sozialpädagogischen Professionellen die in der Kindheit und Jugend gesammelten Erfahrungen einen vorberuflichen Ressourcen-Pool bereit, auf den bei der Ausgestaltung des späteren beruflichen Alltags zurückgegriffen wird“ (Ebd., S. 211f.) Zu diesem pessimistischen Resümee kommt Werner Thole in der Auswertung empirischer Studien zur Qualifizierung pädagogischer Fachkräfte; und ich kann nicht erkennen, dass ein nachdenklicher Blick auf die Fachhochschulausbildung hier zu anderen Ergebnissen käme. Die gegenwärtig die Ausbildungsdebatte immer noch beherrschende Frage Fachschule vs. Fachhochschule scheint mir vorrangig eine Status- und Abgrenzungsdebatte der Ausbildungsstätten zu sein. Damit will ich keinesfalls die Bedeutung von Status- und Vergütungserhöhung für Erzieherinnen und Erzieher kleinreden; aber um sie geht es bei den Debatten zwischen den Ausbildungsinstitutionen nach meinem Eindruck eher nebenbei.

Auch ohne diese empirischen Befunde liegen die Zweifel an der Sinnhaftigkeit einer schulischen Vorbereitung auf eine nachfolgende sozialpädagogische Praxis auf der Hand. Die Zweifel bleiben bestehen, trotz der Bemühungen vieler engagierter Hoch-/Fachschullehrkräfte, innerhalb der gegebenen Strukturen gute Ausbildung zu machen. Es sind aber m. E. die Ausbildungsstrukturen, die auf den Prüfstand gehören. Nur ein paar Stichworte zum prägenden Rahmen, die auszuführen, den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde[4]:




Die Berufsausbildung erfolgt aber, bevor man eigene relevante Erfahrungen gemacht hat, gleichsam als Trockenschwimmen. Zudem erfolgt das Trockenschwimmen in einem schulisch geprägten Lernsetting, angeleitet von Lehrkräften, die das Arbeitsfeld, für das sie ausbilden sollen, selbst zumeist nur aus Hospitationen kennen.

Zugespitzt ausgedrückt, um die wirkenden Strukturen deutlicher werden zu lassen, ist die Ausbildung ein Vorratslernen von Wissensbeständen in einem schulisch geprägten Lernsetting unter Vernachlässigung der Aufarbeitung biografischer Prägungen und praktisch-pädagogischer Erfahrungen!

Ist man bereit zu akzeptieren, dass diese Zuspitzungen einen Kern des Ausbildungssystems zutreffend beschreiben, und dass sie die Herausbildung beruflicher Kompetenz von Erzieherinnen nicht gerade erleichtern, dann wären Konsequenzen zu ziehen.

Die m.E. wichtigste strukturelle Konsequenz wäre die Gestaltung der Ausbildung als grundsätzlich tätigkeitsbegleitend. Obwohl m.W. in allen Ausbildungsordnungen der Fachschulen für Sozialpädagogik (und wohl auch der Fachhochschulen) vorgesehen, gilt diese Ausbildungsform immer noch als Notbehelf. Erst neuerdings wird ihre Ausweitung gefordert als Weg, zusätzliche Fachkräfte zu gewinnen.[6] Hierzu sind aber keine Modellversuche dualer Ausbildungsgänge erforderlich, sondern es reicht die schlichte Nutzung der vorhandenen rechtlich-strukturellen Voraussetzungen und die anteilige Anrechnung der Auszubildenden auf den Personalschlüssel.[7]

Die möglichen positiven Effekte auf den Fachkräftebedarf sind offensichtlich: Sofort entlastet die anteilige Anrechnung auf den Personalschlüssel und bereits auf mittlere Sicht werden durch die Vergütung während der Ausbildungszeit andere Interessenten für die Ausbildung angesprochen.

Warum die Einführung der sog. Teilzeitausbildung (wie die tätigkeitsbegleitende Ausbildung aus Schulsicht genannt wird) so schleppend erfolgt, kann nur gemutmaßt werden. Ebenso wenig verständlich sind die häufig einfallslos gestalteten Wechsel von Schul- und Praxiszeiten in den wenigen Teilzeitausbildungen, die zusammenhängende Lernprozesse am Lernort Schule, wie auch kontinuierliche Verantwortungsübernahme und Beziehungsgestaltung in der Praxis erschweren. Zugegeben erfordert eine konzeptionell gestaltete tätigkeitsbegleitende Ausbildung schulorganisatorische Umstellungen, und auch die Arbeitszeiten der Lehrkräfte werden sich verändern. Vermutlich auch sind die Bündelschulen oder Oberstufenzentren[8] mit ihren unterschiedlichen Ausbildungsgängen, zerfasernden Kollegien und schulorganisatorischen Unübersichtlichkeiten kein guter Rahmen, um Ausbildungen fach- und sachgerecht zu gestalten.

Für die Qualität der Ausbildung aber liegen die Chancen der tätigkeitsbegleitenden Form auf der Hand – vor allem durch die veränderte Rhythmisierung vom Lernen am Lernort Praxis und am Lernort Schule. Es böte sich die Gelegenheit, mit der veränderten zeitlichen Rhythmisierung auch die inhaltliche Bezugnahme der beiden Lernorte aufeinander aus ihrer Verballhornung als „Theorie-Praxis-Verhältnis“ zu befreien. Denn solange jedes „Darüber-Reden“, jede Befassung mit pädagogischen Konzepten als „Theorie“ bezeichnet wird, nur weil sie an der Hoch-Schule stattfindet, können die Lernchancen an diesem Ausbildungsort ebenso wenig begriffen werden, wie die Systematisierung von Erfahrungen, die Hypothesenbildung und daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen am Lernort Praxis als Theoriebildung begriffen werden können. (Diskowski, 2011)

Die Fachdiskussion hätte also schon längst die Begriffe „Theorie“ und „Praxis“ begreifen und ihr Verhältnis zueinander ebenso klären können, wie das Verhältnis der Lernorte; und sie hätte daraus ein Konzept zur Entwicklung von erzieherischer Kompetenz schaffen können. Die Notwendigkeit, die entsprechenden Fragen zu stellen und die Realisierungschance, Antworten auch umzusetzen, bringt uns nun der Fachkräftemangel.

 

2. Seiteneinsteiger sind weit mehr als nur ein Notbehelf!


Die Suche nach Personalressourcen richtet zwangsläufig den Blick auch auf Menschen, die bisher für eine ErzieherInnenausbildung nicht in Frage kamen oder für die eine solche Ausbildung nicht in Frage kam. Will man z. B. den Männeranteil am Fachpersonal erhöhen, dann scheint es wenig erfolgversprechend, auf die Berufswahlen von 16- bis 18jährigen jungen Männern zu hoffen. Berufe, die in diesem Alter völlig uncool sind, entwickeln aber nach zehn Jahren Berufspraxis in einer Schlosserwerkstatt womöglich eine hohe Attraktivität; insbesondere wenn Erfahrungen mit eigenen Kindern dazu gekommen sind. Das gilt auch für Bankangestellte, Stewards und Stewardessen usw. Dass lebens- und berufserfahrene Menschen i.d.R. eine große Bereicherung für die Kinder wie für das PädagogInnenteam sind, bedarf keiner Belege. Schwieriger wird die Beantwortung der Frage, WIE und vor allem ALS WAS solche Seiteneinsteiger in die Kindertagesbetreuung einmünden können. Der Klarheit in einer sowieso aufgeladenen Debatte hilft es, wenn die m.E. drei Ziele auseinander gehalten werden, auch wenn Mischformen und Übergänge möglich und sinnvoll sind:

  1. Sie absolvieren eine Ausbildung und werden pädagogische Fachkräfte
  2. Sie machen eine Kurzqualifizierung oder werden angelernt und werden Hilfskräfte in den Einrichtungen.
  3. Sie bleiben pädagogische Laien und ergänzen aufgrund ihrer speziellen Kompetenzen die fachliche Arbeit der Kita

Zu 1. )

Lebens- und Berufserfahrene können in gemeinsamen Fachschulklassen/Seminargruppen mit 16- bis 20-jährigen jungen Menschen in der Erstausbildung i. d. R. ihre Potenziale nicht entfalten. Für sie waren immer schon die oben grundsätzlich befürworteten tätigkeitsbegleitenden Ausbildungsgänge der angemessene Weg. Dass dieser Weg noch so wenig begangen wurde und wird, hat auch mit der für Lebensältere meist unbedingt erforderlichen Finanzierung von Lebensunterhalt und Ausbildung zu tun. Die eigenwilligen Kriterien der Arbeitsförderung (Zertifizierungserfordernis von Bildungsträgern, auch wenn sie der staatlichen Schulaufsicht unterstehen; die Förderdauer nur zu einem Anteil von 2/3 des Ausbildungszeitraums) ließen diesen Weg für Berufswechsler nur in wenigen Fällen, unter Schwierigkeiten oder mit Tricks zu. Immerhin hat die 2/3-Regel zur Entwicklung eines zweijährigen Ausbildungsmodells zur Fachkraft für den Kitabereich (unter Verzicht auf die weiteren Tätigkeitsfelder HzE, Jugendarbeit…) geführt, das in Brandenburg zuerst unter dem Begriff „Männerqualifizierung“ und jetzt nach der Öffnung auch für Frauen „Profis für die Praxis“ bekannt geworden ist. (Diskowski 2007)

In einem nennenswerten Umfang werden aber Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger den Weg über eine tätigkeitsbegleitende Ausbildung erst in Anspruch nehmen können, wenn ihnen eine anteilige Berücksichtigung im Personalschlüssel während des Ausbildungszeitraums wenigstens auf einem niedrigen Niveau den Lebensunterhalt sichert.[9]

Nun gibt es eine Reihe möglicher Seiteneinsteiger, die einschlägige und relevante Vorerfahrungen und Vorkenntnisse mitbringen. Von ihnen zu erwarten, dass sie noch eine Fach(hoch)schulausbildung absolvieren, ist häufig nicht nur unangemessen, sondern auch wenig sinnvoll, weil Lernstoff und Lernrahmen häufig wenig mit ihren Vorerfahrungen zu tun haben. Selbst wenn solche Möglichkeiten wie Einstufungsprüfungen in die Fach-(Hoch-)Schule möglich wären, bleibt die Frage, ob ihr noch bestehender Qualifizierungsbedarf durch den Einstieg in die reguläre Ausbildung sinnvoll gedeckt werden könnte.

Nun kennen und fördern wir bei Kindern deren individuelle Bildungsprozesse. Das Anknüpfen am Vorhandenen, die Unterstützung der Kinder beim Entwickeln ihrer eigenen Themen und Lösungsstrategien ist einheitlich Forderung aller Kita-Bildungspläne. Die Feststellung der individuellen Lernausgangslagen und die Ausrichtung des Unterrichts auf diese individuellen Ausgangslagen ist sogar in der Grundschule inzwischen State of the art. Nur für die berufliche Qualifizierung von Erwachsenen ist uns eine solche Vorstellung fremd!

Aber es gibt inzwischen mehr als zwei Jahre Erfahrung mit der individuellen Bildungsplanung auf dem Weg zur Fachkraft für Kitas. An die 200 Kräfte haben in Brandenburg ihre vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen durch speziell auf sie und ihr zukünftiges Aufgabengebiet abgestimmte Qualifikationsmaßnahmen durchlaufen (von Seminaren bis zu angeleiteter, reflektierter und ausgewerteter Praxis) und sind heute durch das staatliche Landesjugendamt anerkannte Fachkräfte der Kindertagesbetreuung in Brandenburg.


Zu 2.)

Obwohl regional sehr unterschiedlich die Beschäftigung von Hilfskräften neben den (leitenden) ErzieherInnen durchaus üblich ist, und obwohl negative Auswirkungen auf die Betreuungsqualität nicht bekannt und m. W. nicht einmal diskutiert sind, gilt doch eine Minderung des Personalproblems auf diesem Weg als absolut nicht p.c. („pädagogisch correct“). Will man sie aber mittelfristig aus der Kita heraus haben, werden die Berufsfachschulabschlüsse („SozialassistentIn“, „KinderpflegerIn“ …) entweder zur Sackgasse oder zur reinen Durchgangsstufe zur Fachschule, um die Fiktion einer echten Fachschule als Weiterbildungseinrichtung aufrecht zu erhalten.

In diesem Arbeitsfeld Kindertagesbetreuung, in dem auf Harmonie und Egalität Wert gelegt wird, ist eine Hierarchisierung durch leitende und helfende Fachkraft sicherlich störend. Allerdings sind Hierarchie und Aufstiegsmöglichkeiten zwei Seiten derselben Medaille; wer das eine will, muss das andere mögen; und das Fehlen von Aufstiegsperspektiven gilt doch gemeinhin als ein schwerer Mangel des Berufs.

Statt in grundsätzlicher Abwehr zu verharren, wäre es m.E. doch vielmehr angebracht zu klären, welche Funktionen leitende und helfende Kräfte übernehmen könnten. Allerdings wäre dies zu klären auf der Grundlage eines modernen Bildungsverständnisses, das die traditionelle Unterscheidung von pädagogischen und pflegerischen Tätigkeiten überwunden haben sollte. Wenn durch Reden, Hören und Antworten begleitetes  feinfühliges Wickeln die beste Sprachförderung ist, dann wäre gerade dies nicht als Hilfstätigkeit abzuwerten.

Aber wie könnte eine Arbeitsteilung dann aussehen? Es ist m.E. vorrangig die hier fehlende konzeptionelle Klarheit, die den Widerstand gegen die Trennung von leitenden und helfenden Kräften bedingt; und das sollte doch zu beheben sein.
 

Zu 3.)

Wenn über das Verhältnis von Profis und Laien in der pädagogischen Arbeit gesprochen wird, dann wird meist stillschweigend davon ausgegangen, dass die Laien laienhaft auf allen Gebieten sind. Sie sind es aber nur auf dem Gebiet der konkreten pädagogischen Arbeit. Sie sind vielleicht Profis als Tischlerin, als Musiker, als Schneiderin oder sie beherrschen perfekt eine andere Sprache….. und könnten dadurch wertvolle Ergänzungen zum pädagogischen Personal bieten, das i.d.R. außer pädagogischen Einrichtungen andere Lebens- und Arbeitsbereiche nur von der Anschauung kennt. Als früher die Reisegruppen aus Reggio/Emilia zurückkamen und von den Ateliers und den dort beschäftigten Künstlerinnen und Handwerkern schwärmten, dann wurde zumeist vergessen, dass die so verehrten Kräfte in deutschen Kitas keinen Fuß auf den Boden brächten; Laien, die sie sind!

Wenn die Fachwelt doch einmal bereit ist anzuerkennen, dass auch Nicht-Pädagogen für Kinder gut und wichtig sein können, dann natürlich immer nur zusätzlich! Ein Blick auf die höchst unterschiedlichen Personalschlüssel in den deutschen Kindertagesstätten[10] offenbart aber, dass „zusätzlich“ ein höchst relatives Maß ist. Ab welcher Grundausstattung mit Pädagogen wäre dann die Beschäftigung eines pädagogischen Laien möglich? Ich vermute, ein absolutes Maß lässt sich kaum finden; es geht um etwas Relatives, es hängt von anderen Faktoren ab.

Es wird viel geredet über multiprofessionelle Teams; wobei sich bei näherem Besehen ein solches Team eher als Multistufen-Team in der Mischung von Kinderpflegerinnen, Erzieherinnen und Kindheitspädagoginnen darstellt. Haben wir Pädagogen vielleicht doch im Stillen die Annahme, dass nur Pädagogen Kindern gut tun? Wozu, in welchem Rahmen und unter welchen Voraussetzungen könnten pädagogische Laien Leben, Erfahrungen, Anregungen und Unterstützung in die Einrichtung bringen, die pädagogische Profis kaum bieten können? Das ist die Frage und sie könnte auf der Basis des pädagogischen Konzepts der Einrichtung beantwortet werden!

Seit über zwei Jahren können im Einzelfall und auf begründeten Antrag der Träger in Brandenburg auch Nicht-Pädagoginnen und -Pädagogen, die der „Ergänzung des fachlichen Profils der Einrichtung dienen“ (§ 10 Abs.4 KitaPersV Brandenburg) beschäftigt und anteilig auf den Personalschlüssel angerechnet werden. Bei funktionierender Qualitätssicherung (s.u.) bietet diese Regelung inzwischen einen höchst wertvollen Gestaltungsspielraum und in Maßen eine Entlastung beim Personalbedarf.


 

3. Die Frage nach der Sicherung der erforderlichen Qualität


Qualität kann man z. B. durch eindeutige Normen in Personalverordnungen oder Finanzierungsrichtlinien sichern. Das Vorhandensein formaler Kriterien (wie die staatliche Anerkennung von Fachkräften) ist für den Einrichtungsträger der Rahmen, den er bei der Anstellung von Personal zu berücksichtigen hat, will er nicht seine Erlaubnis zum Betrieb der Einrichtung oder die Gewährung von Zuschüssen riskieren. Solche Normen haben den Vorteil, dass sie i.d.R. eindeutig sind, keine Interpretationsspielräume zulassen und daher einfach und nachvollziehbar zu handhaben sind. Für das Massengeschäft von 15.000 bis 100.000 pädagogisch Beschäftigten in einem Land sind solche Normen unverzichtbare Grundlage.

Allerdings ist der Vorteil der Beschränkung des Interpretationsspielraums auch ihr Nachteil. Das Leben ist bunter als es sich durch Regeln abbilden lässt und es gibt viele Zwischentöne zwischen „Ja“ und „Nein“. Jeder und Jede kennt Menschen, denen es am formalen Abschluss, an der formalen Berechtigung für irgendetwas mangelt und bei denen wir dieses Hindernis als einen Verlust für diesen Menschen und besonders für das Arbeitsfeld ansehen. Es ist m. E. eine Aufgabe guter Steuerung, Qualität zu sichern und innerhalb dieses Rahmens Gestaltungsfreiräume zu öffnen:




Es gibt jedenfalls aus meiner Sicht wenig Grund, die gründlichere und radikalere Suche nach Lösungen, die uns der dramatische Mangel aufzwingt, nicht zu begrüßen. Wenn sich sonst die Strukturen nicht bewegen lassen...

 

4. Literatur


Bertelsmann-Stiftung: Ländermonitor. www.laendermonitor.de

BMFSFJ (2012): „Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive zur Fachkräftegewinnung in der Kindertagesbetreuung“, noch unveröffentlicht, S. 21.

Diskowski, D. (2007/8): Männer in die Kita – Eine tätigkeitsbegleitende Qualifizierung arbeitsloser Männer zu Fachkräften, in: KiTa aktuell MO 2007(12), S. 208-210, und KiTa aktuell BY 2008(1) und ND 2008(3)

Diskowski, D. (2010): Einwürfe zur Qualifikationsdebatte, in: Betrifft KINDER 2010 (3). S. 24-27

Diskowski, D. (2011): Ist Akademisierung selbstverständlich Professionalisierung? Kopf und Bauch – ein unbegriffener Zusammenhang in der Handlungskompetenz von Erzieherinnen In: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik Heft 4/2011, S. 48-52

Gerwig, K. (2010): "ErzieherIn: Beruf oder Berufung? – Personale Kompetenzen für Beziehung und Bildung in der Elementarpädagogik und der Ausbildung von ErzieherInnen". AV1 Pädagogik-Filme, Kaufungen.

MBJS (2010): Kita-Personalverordnung i.d.F. vom 6.8.2010 http://www.mbjs.brandenburg.de/sixcms/detail.php/5lbm1.c.49087.de

Schilling, M. (2011): Die Zukunftsbranche Kinder- und Jugendhilfe – Personalbedarfe bis 2025 belaufen sich auf 333.000 Fachkräfte, in: KomDat Heft 1/2- 2011, 14. Jg., S.1-6.

Schilling, M. (2011a): Folien und Vortrag auf der Veranstaltung „Erziehen mit Potential und Perspektive?!“ des VPK-Bundesverbandes in Magdeburg am 4. Mai 2011.

Thole, W. (2010): Die pädagogischen Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen – Professionalität und ProfessionalisierungProfessionalisierung|||||Eine Professionalisierung findet im weiteren Sinne statt wenn die Entwicklung einer privat oder ehrenamtlich ausgeübten Tätigkeit zu einem  Beruf wird. Im Rahmen der Professionalisierung werden häufig Qualitätsverbesserungen und Standardisierungen erreicht. Professionalisierung bedeutet auch die Entwicklung eines Berufs zu einer Profession, darunter wird meist ein akademischer Beruf mit hohem Prestige und Anerkennung verstanden.   eines pädagogischen Arbeitsfeldes. In: Zeitschrift für Pädagogik, Heft 2, S. 206-222.




Fußnoten


[1] Erst in einer langfristigen und daher mit noch größeren Unsicherheiten behafteten Perspektive, die den Zeitraum bis 2025 in den Blick nimmt, „legen die Berechnungen den Schluss nahe, dass bezogen auf ganz Deutschland die Ausbildungskapazitäten für  den  Personalbedarf in Kindertageseinrichtungen eigentlich ausreichen müssten.“ (Schilling 2011, S. 5)

[2] Statistisches Bundesamt: Fachserie 11, Reihe 2, Bildung Kultur – Berufliche Schulen Schuljahr 2008/09, Wiesbaden 2009 sowie ergänzende Tabellen zur Fachserie 11, Reihe 2 – Berufliche Schulen 2008/09; Länderergebnisse der Statistischen Landesämter (zusammengestellt vom Forschungsverbund DJI/TU Dortmund, zitiert nach Schilling 2011)

[3] Während die Ausbildungskapazitäten in den westlichen Bundesländern sich kaum veränderten, haben sie sich in Ostdeutschland von 2.511 im Jahr 2007 auf 6.078 im Jahr 2012 mehr als verdoppelt. (Schilling 2011a, Folie 11)

[4] Näheres s. Diskowski 2010.

[5] Hier hat Kurt Gerwig mit seinem Film „Erzieherin – Beruf oder Berufung“ für ein eindrucksvolles Gegengewicht gesorgt.

[6] BMFSFJ 2012, S. 21.

[7] In der brandenburgischen Kita-Personalverordnung werden sie zu 70 Prozent auf den Personalschlüssel angerechnet. Dieser Wert stellt nach meiner Erfahrung die Balance her, damit ihre Anstellung für Träger nicht zu einer zu großen finanziellen Belastung wird, dies aber auch nicht finanziell attraktiv wird.

[8] Oder wie die Konglomerate des schulischen Sekundarbereichs, an denen die öffentlichen Fachschulbildungsgänge der Sozialpädagogik angesiedelt sind, in den Ländern auch heißen.

[9] Eine entsprechende Regelung in der KitaPersV des Landes Brandenburg führte innerhalb von zwei Jahren zu einer Vervielfachung der Schülerzahlen in der Teilzeitausbildung.

[10] www.laendermonitor.de






Mit freundlicher Genehmigung der AGJ übernommen aus:

Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe - AGJ (Hg.) (2013): Chancen und Herausforderungen des Ausbaus der Kindertagesbetreuung für unter Dreijährige. Berlin.






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