Fachkräftemangel und Qualifikationsfrage

Der Personalmangel in der Kindertagesbetreuung als Chance, die Qualifikationsfrage radikaler zu stellen

Inhaltsverzeichnis

  1. Ausbildungsmodell muss verändert werden
  2. Seiteneinsteiger sind mehr als ein Notbehelf
  3. Die Frage nach der Sicherung der erforderlichen Qualität
  4. Literatur
  5. Fußnoten
  6. Veröffentlichungsnachweis

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3. Die Frage nach der Sicherung der erforderlichen Qualität


Qualität kann man z. B. durch eindeutige Normen in Personalverordnungen oder Finanzierungsrichtlinien sichern. Das Vorhandensein formaler Kriterien (wie die staatliche Anerkennung von Fachkräften) ist für den Einrichtungsträger der Rahmen, den er bei der Anstellung von Personal zu berücksichtigen hat, will er nicht seine Erlaubnis zum Betrieb der Einrichtung oder die Gewährung von Zuschüssen riskieren. Solche Normen haben den Vorteil, dass sie i.d.R. eindeutig sind, keine Interpretationsspielräume zulassen und daher einfach und nachvollziehbar zu handhaben sind. Für das Massengeschäft von 15.000 bis 100.000 pädagogisch Beschäftigten in einem Land sind solche Normen unverzichtbare Grundlage.

Allerdings ist der Vorteil der Beschränkung des Interpretationsspielraums auch ihr Nachteil. Das Leben ist bunter als es sich durch Regeln abbilden lässt und es gibt viele Zwischentöne zwischen „Ja“ und „Nein“. Jeder und Jede kennt Menschen, denen es am formalen Abschluss, an der formalen Berechtigung für irgendetwas mangelt und bei denen wir dieses Hindernis als einen Verlust für diesen Menschen und besonders für das Arbeitsfeld ansehen. Es ist m. E. eine Aufgabe guter Steuerung, Qualität zu sichern und innerhalb dieses Rahmens Gestaltungsfreiräume zu öffnen:

  • Dazu ist die richtige Norm zu finden, also eine, die Qualität unter unterschiedlichen Bedingungen bestimmt und möglichst wenig Nebenwirkungen hat, indem sie Gutes verhindert, nur weil es nicht dem Standardmodell entspricht.  (Gruppengrößen und Gruppenzusammensetzungen zu regeln, ist für mich z. B. eine Norm zu vielen Nebenwirkungen.)

  • Im konkreten Fall ginge es darum, in einer Personal- oder Finanzierungsverordnung (oder in einer Verwaltungsvorschrift zur Erlaubniserteilung) einen Katalog von per se anerkannten Ausbildungsabschlüssen zu benennen, der gleiche und nachvollziehbare Maßstäbe anlegt. (Sieht man z. B. Heilerziehungspfleger und Heilpädagogen für die Regeltätigkeit in Kindertagesstätten ohne Weiteres als Fachkräfte an, wird man erklären müssen, warum dies für Alten- und Krankenpfleger nicht gelten soll.)

  • Neben den Ausbildungsabschlüssen, die ohne Weiteres zu einer Einstufung als Fachkraft führen, wären Ausnahmen zuzulassen, für die allerdings abstrakt Kriterien vorzugeben sind, damit die zu treffenden Einzelfallentscheidungen möglichst willkürfrei und nachvollziehbar sind. Diese Ausnahmen wären vom Träger im Rahmen des Erlaubniserteilungsverfahrens nach § 45 SGB VIII zu beantragen und zu begründen. Die zuständige Behörde (i.d.R. das Landesjugendamt) ist die Instanz der Qualitätssicherung bei der Zulassung von Ausnahmen. Mit einem solchen Verfahren der Qualitätssicherung wurden in den letzten zwei Jahren in Brandenburg gute Erfahrungen gemacht. Es waren kaum Versuche von Qualitätsdumping zu verzeichnen, vielmehr hat das Begründungserfordernis der Ausnahmeanträge Fragen des Personalmanagements als Trägeraufgabe in den Fokus gerückt.

Es gibt jedenfalls aus meiner Sicht wenig Grund, die gründlichere und radikalere Suche nach Lösungen, die uns der dramatische Mangel aufzwingt, nicht zu begrüßen. Wenn sich sonst die Strukturen nicht bewegen lassen...